Landgericht Bielefeld:
Urteil vom 18. September 2007
Aktenzeichen: 6 O 360/07
(LG Bielefeld: Urteil v. 18.09.2007, Az.: 6 O 360/07)
Tenor
Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Verfügungsklägerin darf die Vollstre-ckung der Verfügungsbeklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht die Beklagte zu-vor entsprechend Sicherheit leistet.
Tatbestand
Mit E-Mail vom 11.04.2007 wandte sich die Mutter der Verfügungsklägerin an die Verfügungsbeklagte und schilderte die Probleme mit ihrer 15-jährigen Tochter. Sie rauche trotz einer Asthma-Erkrankung. Es käme zu Handgreiflichkeiten. Auf Grund dieses Telefonats nahm entweder die Verfügungsbeklagte oder die Produktionsfirma, die U. GmbH, Kontakt mit der Verfügungsklägerin und ihrer Mutter auf. Nach einem sogenannten Casting schloss die allein sorgeberechtigte Mutter der Verfügungsklägerin Anfang Mai 2007 mit der U. GmbH eine sogenannte Mitwirkungsvereinbarung. Danach plante die Firma U.GmbH für die Verfügungsbeklagte eine Sendung unter dem Arbeitstitel "Die Super-Nanny", bei der eine Familie bereit ist, für bis zu 16 Tage die Hilfe bei der Erziehung ihres Kindes in Anspruch zu nehmen. In der Mitwirkungsvereinbarung erklärte die Mutter der Verfügungsklägerin, dass sie ebenfalls für ihre Tochter handele. Für die Mitwirkung an der Produktion sowie für die übertragenden Rechte sagte die U.GmbH die Zahlung einer Verfügung von 2.000,00 € an die Mutter der Verfügungsklägerin zu. Wegen des Inhalts der Mitwirkungsvereinbarung im Übrigen wird auf Blatt 14 bis 17 der Akten Bezug genommen. Vor Beginn der Dreharbeiten erklärte sich die Verfügungsklägerin, der genau wie ihrer Mutter das Sendeformat der Sendung "Die Super-Nanny" bekannt war, telefonisch gegenüber der Produktikonsfirma mit der Produktion des Filmes einverstanden. Die Dreharbeiten erfolgten sodann im Mai 2007 und erstreckten sich über einen Zeitraum von 7 Tagen.
Am 02.08.2007 wandte sich die Verfügungsklägerin an eine Mitarbeiterin der Produktionsfirma und brachte in einem umfänglichen Chat-Kontakt zum Ausdruck, dass sie die Ausstrahlung der Sendung nicht wünsche.
Nachdem Ende August der Mutter der Verfügungsklägerin mitgeteilt worden war, dass Sendetermin der 19.09.2007 sei, bat die Tante der Verfügungsklägerin am 30.08.2007 die Verfügungsbeklagte, den Sendetermin um eine Woche zu verschieben, damit sie zusammen mit ihrer Schwester ihre Eltern auf einer goldenen Hochzeitsreise begleiten könne. Die Verfügungsbeklagte antwortete, dass eine Verschiebung um eine Woche aus technischen, logistischen und finanziellen Gründen nicht möglich sei. Das Anliegen sei 4 Wochen zu spät an sie herangetragen worden. Daraufhin teilte die Tante der Verfügungsklägerin der Verfügungsbeklagten mit, "Sollten Sie zu keiner Verschiebung bereit sein, werden wir Ihnen die Genehmigung zur Ausstrahlung entziehen".
Die Verfügungsklägerin behauptet, bereits zu Beginn der Dreharbeiten habe sie deutlich gemacht, dass sie einer Mitwirkung nicht zustimme und im Übrigen eine Einwilligung zur Ausstrahlung der Sendung nicht erteile. Mitarbeiter der Produktionsfirma hätten ihr während der Dreharbeiten allerdings bedeutet, dass sie die Aufnahme zu dulden habe. Ihre Mutter habe auch in ihrem Namen die Mitwirkungsvereinbarung unterzeichnet. Damit läge auch ihre Einwilligung vor. Leider könne man daran nichts ändern. - Dennoch habe sie mehrfach geäußert, dass sie die Aufzeichnung der Sendung nicht wünsche. Auch nach Beendigung der Dreharbeiten habe sie sich bei Mitarbeitern der Produktionsfirma gemeldet und erklärt, dass die Ausstrahlung nicht zu erfolgen habe.
Wegen der Erklärungen der Verfügungsklägerin im Termin vom 18.09.2007 wird auf die Protokollniederschrift Bezug genommen.
Die Verfügungsklägerin beantragt den Erlass folgender einstweiliger Verfügung:
der Verfügungsbeklagten unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten bis zur endgültigen Entscheidung in der Hauptsache zu untersagen, Bildnisse insbesondere in Form von Filmen von Frau XX öffentlich zu verbreiten, insbesondere in dem von der Firma U. GmbH erstellte Bildnisse im Rahmen der Produktion der Sendung "Die Super-Nanny" über die Fernsehausstrahlung oder die Ankündigung einer solchen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
Die Verfügungsbeklagte beantragt,
der Verfügungsantrag zurückzuweisen.
Gründe
Der Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung ist unbegründet. Der Verfügungsklägerin steht kein Unterlassungsanspruch aus §§ 823 I, II, 1004 BGB, 22 KUG zu. Die Verfügungsbeklagte ist berechtigt, am 19.09.2007 in der Sendung "Die Super-Nanny" die Filmaufnahmen über die Verfügungsklägerin zu verbreiten.
Gemäß § 22 S. 1 KUG dürfen Bildnisse grundsätzlich nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitete oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Eine derartige Einwilligung liegt hier vor.
Nach herrschender Auffassung bedürfen Minderjährige im Alter von 8 bis einschließlich 17 Jahren zur Einwilligung der Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters. Darüber hinaus ist stets auch die Einwilligung des Minderjährigen selbst erforderlich, sofern er einsichtsfähig, d. h. in der Lage ist, die Bedeutung und Tragweite seiner Einwilligung zu überblicken. Dabei kann in der Regel ab der Vollendung des 14. Lebensjahres von einer Einsichtsfähigkeit ausgegangen werden (vergl. Nachweise bei Libertus, ZUM 2007, 621 ff. (624)). - Die Einwilligung der Mutter der Verfügungsklägerin ergibt sich aus der von ihr unterzeichneten Mitwirkungsvereinbarung. Hierin hat sich die Mutter der Verfügungsklägerin damit einverstanden erklärt, dass eine Sendeaufzeichnung in ihrem Haus erfolgt und der Produktionsfirma ihre urheberrechtliche Nutzungs-, Leistungs- und sonstige Rechte übertragen. Damit wird deutlich, dass die - allein sorgeberechtigte - Mutter der Verfügungsklägerin damit einverstanden war, dass das von der Verfügungsklägerin filmische Aufnahmen hergestellt und von der Verfügungsbeklagten unter dem Titel "Die Super-Nanny" gesendet werden würden.
Darüber hinaus hat auch die Verfügungsklägerin selbst in die Herstellung und Verbreitung der filmischen Aufnahmen eingewilligt. Die mündlich erteilte Einwilligung bestand auch bis zum Ende der Filmaufnahmen. Bis zu diesem Zeitpunkt hätte die Verfügungsklägerin ihre Mitwirkung an den Filmaufnahmen im Hinblick auf ihre Persönlichkeits- und Selbstbestimmungsrecht jederzeit beenden und damit zum Ausdruck bringen können, dass sie mit den Filmaufnahmen sowie der anschließenden Sendung nicht einverstanden sei. Ob in diesem Fall ein Aufwendungs- oder Schadensersatzanspruch der Verfügungsbeklagten oder der Produktionsfirma entstanden wäre, kann hier dahin stehen. - Tatsächlich hat die Verfügungsklägerin aber bis zum Ende der Filmaufnahmen mitgewirkt. Daraus ergibt sich eine zumindest stillschweigende Einwilligung. Eine derartige Einwilligung kann angenommen werden, wenn der Betroffene ein Verhalten an den Tag gelegt hat, das für den objektiven Erklärungsempfänger als Einwilligung verstanden werden konnte (Wandke/Bullinger UrhG, § 22 KUG Rnr. 15). - Vorliegend konnte die Verfügungsbeklagte die Mitwirkung der Verfügungsklägerin an den Dreharbeiten aus objektivierter Sicht nach Treu und Glauben nur als Einwilligung verstehen. Die Verfügungsklägerin hat aktiv an den Dreharbeiten mitgewirkt, wie die Kammer durch Einsicht in die im Termin vom 18.09.2007 vorgespielte DVD-Kopie festgestellt hat.
Die Verfügungsklägerin macht insoweit zum einen geltend, man habe ihr gesagt, im Film würde gezeigt, wie sie mit ihrer Mutter umgehe. Tatsächlich seien ihr jedoch Anweisung gegeben worden, wie sie sich im Film zu verhalten habe. - Abgesehen davon, dass die Verfügungsklägerin an keiner Stelle konkret dargelegt hat, welche Szenen auf Grund eines Drehbuchs oder Regieanweisung gespielt worden seien, ist zu bedenken, dass sowohl die Verfügungsklägerin als auch ihre Mutter das Format der Sendung "Die Super-Nanny" kannten. Sie waren über Art, Zweck und Umfang der geplanten Verwendung des Bildmaterials aufgeklärt worden. Zudem war ein Casting in ihrer Wohnung durchgeführt worden. Danach musste auch der 15-jährigen Verfügungsklägerin klar geworden sein, dass die Sendung "Die Super-Nanny" keinen Dokumentarfilm darstellt. Es entspricht dem filmischen Konzept, eine Konfliktsituation zwischen Kindern und Eltern zunächst wiederzugeben und diesen Konflikt durch Einflussnahme der "Super-Nanny" zu lösen oder zu entschärfen. Dass die - notwendige - Konfliktdarstellung durch Handlungsanweisungen des Produktionsleiters konkretisiert und - möglicherweise - übertreibend gefördert worden sind, liegt in der Natur der Sache. Das Produktionsteam konnte nicht wochenlang darauf warten, dass sich in einem unbeobachteten Moment eine Konfliktsituation zwischen Mutter und Tochter entlud. Vielmehr sollten die unstreitig zwischen der Verfügungsklägerin und ihrer Mutter bestehenden Konflikte, zu deren Lösung sich die Mutter der Verfügungsklägerin an die Verfügungsbeklagte gewandt hatte, filmerisch dargestellt werden. Dafür bedurfte es eines "dargestellten" Streits zwischen Mutter und Tochter. Es liegt nahe, dass sich ein solcher Streit nicht ohne weiteres in einer Situation abspielt hätte, in der sich ein Filmteam von 7 bis 8 Personen in der Wohnung der Familie B. aufhielt. Dass die Verfügungsklägerin zudem mit einer gewissen, dramaturgisch angestrebten Zuspitzung oder Übertreibung eines Streits zwischen ihr und ihrer Mutter rechnen konnte, musste ihr in Kenntnis des Filmformats "Die Super-Nanny" klar sein. Zudem erweckte der Film bei der Kammer nicht den Eindruck, dass wesentliche Passagen gegen den Willen der Verfügungsklägerin aufgenommen worden sind. Die Kammer hatte vielmehr auf Grund der Wortwahl und des szenischen Darstellung den Eindruck, als ob die einzelnen Streitsituationen der Verfügungsklägerin nicht wesensfremd gewesen sind.
Die Verfügungsklägerin trägt darüber hinaus vor, ihr sei mehrfach gesagt worden, sie müsse weitermachen, weil ihre Mutter die Mitwirkungsvereinbarung unterschrieben habe und sie müsste Strafe zahlen, wenn sie den Anweisung des Produzenten nicht folge. - Einen derartigen Vorgang hat die Verfügungsklägerin nicht glaubhaft gemacht. Die von ihr vorgelegte eidesstattliche Versicherung der Mutter enthält insoweit keine Aussage. Weitere Beweismittel sind nicht vorgebracht worden.
Unabhängig von der fehlenden Glaubhaftmachung ist folgendes zu berücksichtigen:
Der - behauptete - Hinweis des Produktionsteams, die Verfügungsklägerin "müsse mitmachen, weil es sonst ein Vertragsbruch sei" stellt keine rechtswidrige Drohung dar, die eine Einwilligung der Verfügungsklägerin entfallen ließe. Mit der Mutter der Klägerin bestand eine wirksame Mitwirkungsvereinbarung. Die Verfügungsklägerin selbst hatte vor Beginn der Dreharbeiten ihre Einwilligung mündlich erteilt. Wenngleich sie nach Auffassung der Kammer nicht hätte rechtlich gezwungen werden können, an der Produktion aktiv teilzunehmen, hätte ein grundloser Abbruch der Filmaufnahmen durchaus grundsätzlich einen Vertragsstrafen- oder Aufwandsanspruch der Produktionsfirma auslösen können. Dass der Mitarbeiter der Produktionsfirma - nach dem Vortrag der Verfügungsklägerin - dabei rechtsirrtümlich ausschließlich auf die Mitwirkungsvereinbarung mit der Mutter abstellte, ist insoweit unerheblich. Entscheidend ist, dass der Verfügungsklägerin rechtlich zutreffend die Folgen eines grundlosen Abbruchs der Filmarbeiten vor Augen geführt wurden. Dass es hierfür keinen im Verantwortungsbereich der Verfügungsbeklagten liegenden Grund gab, ist bereits dargelegt worden. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Verfügungsklägerin auch nach ihrem Vortrag nicht zu einem Verhalten veranlasst worden ist, das mit der Zielsetzung der Dreharbeiten unvereinbar war. Die Verfügungsklägerin scheint vielmehr lediglich eine Vorstellung von einzelnen Szenen des zu erstellenden Films gehabt zu haben, die von der Planung der Produktionsfirma abwich. Diese - mögliche - Fehleinstellung berechtigte sie jedenfalls nicht, ihre Mitarbeit folgenlos einzustellen.
Die damit bis zum Ende der Dreharbeiten vorliegende Einwilligung der Verfügungsklägerin und ihrer Mutter ist weder angefochten noch wirksam widerrufen worden. Die Voraussetzungen für eine Anfechtung, die grundsätzlich überwiegend für zulässig gehalten wird (Libertus a. a. O. Seite 626), hat die Verfügungsklägerin nicht dargelegt. Aus ihrem Vortrag ergibt sich nicht, dass sie sich etwa über Umfang und Tragweite des Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht geirrt hätte oder dass ihr etwa ein falscher Verwendungszweck vorgespielt worden wäre.
Die Verfügungsklägerin hat ihre Einwilligung auch nicht wirksam widerrufen. Ausgehend davon, dass eine einmal erteilte und nicht spätestens in unmittelbarer zeitlicher Nähe zur Aufnahme "zurückgenommene" (vergleiche Libertus a. a. O. Seite 626 Fußnr.. 37) Einwilligung grundsätzlich nicht widerruflich ist (Wandke/Bullinger a. a. O. Rnr. 19), kommt ein Widerruf nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes in Betracht (Wandke/Bullinger a. a. O. Rnr. 20). Ein wichtiger Grund kann etwa dann vorliegen, wenn die Weiterverwertung der Filmaufnahmen in Folge einer Wandlung der Persönlichkeit verletzend wäre (Libertus a. a. O. Seite 626) - Einen derartigen Grund hat die Verfügungsklägerin weder dargelegt noch erscheint er aus dem gesamten Vorbringen ersichtlich. Insbesondere hat die Verfügungsklägerin weder dargelegt noch glaubhaft gemacht, dass die Ausstrahlung der Sendung zu erheblichen physischen oder psychischen Belastungen führen würde. Auch ist weder vorgetragen noch für die Kammer ersichtlich gewesen, dass die Vorankündigung der Ausstrahlung in den Programmzeitschriften dazu geführt hätte, dass die Verfügungsklägerin bei Ausstrahlung der Sendung in ihrer Persönlichkeitsentwicklung Schaden nehmen könnte.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 6, 711 ZPO.
LG Bielefeld:
Urteil v. 18.09.2007
Az: 6 O 360/07
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