Bundespatentgericht:
Beschluss vom 15. Dezember 2003
Aktenzeichen: 30 W (pat) 247/02
(BPatG: Beschluss v. 15.12.2003, Az.: 30 W (pat) 247/02)
Tenor
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Für die Waren "Pharmazeutische Präparate, nämlich Kalzium- und Vitaminpräparate für die Osteoporosetherapie" ist unter der Nr. 300 61 338 seit 23. November 2000 in das Markenregister eingetragen das Wort CALIDE.
Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der für die Waren "Arzneimittel ausgenommen solche mit Galliumnitrat" seit 1996 unter der Nr. 2 101 795 eingetragenen Marke GALLITH.
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat durch Beschluss eines Beamten des höheren Dienstes u.a. diesen Widerspruch zurückgewiesen und dabei begründend ausgeführt, die Vergleichsmarken kämen sich aufgrund von Unterschieden in Wortlänge, Silbenzahl, Silbengliederung, Vokalfolge und auch Konsonanten nicht verwechselbar nahe.
Die Widersprechende hat Beschwerde eingelegt und diese mit näheren Ausführungen vor allem darauf gestützt, die Vergleichsmarken würden gleich betont, das Endungse im angegriffenen Zeichen werde nicht deutlich mitgesprochen. Auch bestünden zwischen G und C, das hier wie K artikuliert werde, sowie auch zwischen T und D am Wortende keine deutlich hervortretenden klanglichen Unterschiede, so dass bei möglicher Warenidentität die Zeichen einander verwechselbar nahe kämen.
Die ihr in der mündlichen Verhandlung zur Kenntnis gegebene beschränkt erhobene Nichtbenutzungseinrede rügt sie als verspätet.
Die Widersprechende beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hat mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2003 erklärt, dass die Widerspruchsmarke ausweislich der Roten Liste 2003 für ein gallensteinauflösendes Mittel benutzt werde und die Benutzung der Widerspruchsmarke für alle anderen Waren außer Cholagoga und Gallenwegstherapeutika bestritten.
Im übrigen macht sie geltend, dass die einander gegenüberstehenden Waren keine Überschneidungen im Indikationsgebiet hätten und die insbesondere klanglich hervortretenden Unterschiede der beiden Zeichen ausreichten, um ein ungestörtes Nebeneinander zu gewährleisten.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, sachlich jedoch ohne Erfolg. Zwischen den einander gegenüberstehenden Marken besteht keine Verwechslungsgefahr i.S.v. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.
Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr sind alle maßgeblichen Umstände zu berücksichtigen, insbesondere die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, die Ähnlichkeit der Marken und die Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Waren.
Aufgrund der zulässig erhobenen beschränkten Nichtbenutzungseinrede ist gemäß § 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG beim Vergleich der Waren nur von der Ware auszugehen, für die die Benutzung der Widerspruchsmarke anerkannt ist. Die Nichtbenutzungseinrede ist nicht als verspätet zurückzuweisen. Sie ist zwar erst im Termin zur mündlichen Verhandlung erhoben worden, die Widersprechende hat jedoch eine weitergehende Benutzung nicht behauptet, sondern sich mit der von der Inhaberin der angegriffenen Marke anerkannten Benutzung begnügt. Eine Zurückweisung der Nichtbenutzungseinrede ist daher mangels Verzögerung der Entscheidung nicht veranlasst (Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl. § 43 Rdn. 57f). Damit sind gemäß der herrschenden sogenannten erweiterten Minimallösung (vgl. BPatG GRUR 1980, 54 MAST REDIPAC) gemäß § 43 Abs. 1 S. 3 MarkenG nur Cholagoga und Gallenwegstherapeutika zu berücksichtigen (übergeordnete Hauptgruppe gemäß der Roten Liste).
Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke kann als noch normal eingestuft werden. Allerdings handelt es sich um ein sogenanntes deutlich sprechendes Zeichen, da Gall auf Galle sowie lith auf Stein hinweist und damit jedenfalls dem Fachmann einen deutlichen Indikationshinweis gibt, da das Mittel ausweislich der Roten Liste für die Auflösung von Cholesteringallensteinen sowie zur postoperativen Steinprophylaxe bestimmt ist. Das griechische Wort für Stein (lithos) ist dabei auch über den engeren Kreis der Ärzte und Apotheker hinaus interessierten Laien durchaus geläufig, denen Fachbegriffe wie Litholyse (Steinauflösung), zumindest aber allgemeine Fremdwörter mit dem Bestandteil Lith im Sinn von Stein bekannt sind (etwa Lithographie, Lithologie, Monolith etc). Immerhin ist aber die Zusammenfügung der beiden aus verschiedenen Sprachen stammenden Bestandteilen hinreichend eigentümlich, um der Marke ausreichende Kennzeichnungskraft zuzumessen.
Die Warenähnlichkeit ist nicht allzu stark ausgeprägt. Zwar stehen sich jeweils Arzneimittel gegenüber, die untereinander ohne weiteres als ähnlich anzusehen sind. Andererseits darf nicht verkannt werden, dass sich mit Gallenwegstherapeutika auf der einen Seite und Osteoporosemitteln auf der anderen Seite Waren gegenüberstehen, die keine näheren Berührungspunkte haben. Es handelt sich dabei um jeweils eigenständige, eher spezielle Krankheitsgebiete ohne erkennbare Überschneidungen im Krankheitsbild oder auch in den Therapiemöglichkeiten.
Den unter diesen Umständen zur Vermeidung von Verwechslungen gebotenen nicht allzu deutlichen Markenabstand hält das angegriffene Zeichen ein. Die von der Widersprechenden dargestellten klanglichen Ähnlichkeiten zwischen den Konsonanten C und G sowie D und TH mögen zwar im Einzelfall bei Phantasiewörtern nicht ohne weiteres ausreichen können, um eine hinreichend deutlich verschiedene Akzentuierung zu gewährleisten. Hier ist jedoch die Besonderheit zu berücksichtigen, dass auch das angegriffene Zeichen in seiner ersten Silbe sprechend auf Calcium hinzuweisen vermag, einem Bestandteil, der bei der Osteoporosebehandlung besonders wichtig ist. Die Hauptgruppe 68 der Roten Liste, die die Osteoporosemittel betrifft, enthält zugleich auch Calciumstoffwechselregulatoren, so dass auch dadurch der Begriff Calcium beim angegriffenen Zeichen deutlicher hervortritt. Ebenso wird auch der Unterschied zwischen einem einfachen L und dem DoppelL bei der Widerspruchmarke hier deshalb deutlicher hervortreten, weil das Indikationsgebiet (Galle) auch im Markennamen erkennbar wird. Die sprechenden Hinweise, die beide Zeichen in sich tragen, erleichtern nicht nur die Merkbarkeit, sondern unterstützen auch die Unterscheidbarkeit der Zeichen.
Somit besteht insgesamt keine Verwechslungsgefahr i.S.v. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG, so dass der Widerspruch zurecht zurückgewiesen worden ist.
Zu einer Kostenauferlegung bietet der Streitfall keinen Anlass (§ 71 Abs. 1 MarkenG).
Dr. Buchetmann Winter Schramm WA/Fa
BPatG:
Beschluss v. 15.12.2003
Az: 30 W (pat) 247/02
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