Oberlandesgericht Düsseldorf:
Beschluss vom 23. Mai 2005
Aktenzeichen: I-24 W 24/05
(OLG Düsseldorf: Beschluss v. 23.05.2005, Az.: I-24 W 24/05)
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg - Rechtspflegerin - vom 24. März 2005 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 143,37 EUR
Gründe
Die gemäß §§ 11 Abs. 1 RPflG, 567 Abs. 1, 568 Abs. 1 ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses der Rechtspflegerin vom 1. April 2005 in der Sache keinen Erfolg.
1.
Gegen die Klägerin sind bereits mehr Kosten festgesetzt worden, als ihr nach der Sach- und Rechtslage zustehen. Denn für das Mahnverfahren ist die Rechtspflegerin von einem überhöhten Streitwert ausgegangen. Nicht 8.828,40 EUR, sondern nur 7.591,84 EUR hätten der Kostenfestsetzung zu Grunde gelegt werden dürfen. Gemäß § 4 Abs. 1, 2. Hs. ZPO bleiben Zinsen unberücksichtigt, wenn sie als Nebenforderung geltend gemacht werden. Dies ist nach allgemeiner Meinung in dem Sinne zu verstehen, dass Zinsen nicht als Hauptforderung verlangt werden können, wenn sie als Verzugsschaden neben einer Hauptforderung eingeklagt werden. Dies kann der Gläubiger nicht dadurch umgehen, dass er die Zinsen beziffert einklagt oder in die Hauptforderung einrechnet. Anders liegt der Fall, wenn Zinsen einer erledigten Hauptforderung neben einer anderen Hauptforderung eingeklagt werden (vgl. Zöller/ Herget, ZPO, 25. Aufl. § 4 Rn. 11 m.w.N.)
Im Streitfall hat die Klägerin mit dem Antrag auf Erlass des Mahnbescheides Verzugszinsen in Höhe von 1.236,56 EUR für die Zeit vom 14. November 2001 bis 27. Mai 2003 verlangt. Dafür, dass dieser Betrag von der Hauptforderung von 7.331,27 EUR unabhängig war, ist nichts ersichtlich, zumal nach der regelmäßig vereinbarten und der gesetzlichen Tilgungsreihenfolge (§ 367 BGB) Zinsen vor der Hauptforderung getilgt werden.
Dementsprechend hätte die Wertfestsetzung für das Mahnverfahren erfolgen müssen. Dies bedarf indessen keiner abschließenden Entscheidung, weil gegen die Klägerin jedenfalls höhere Kosten als geschehen nicht festzusetzen sind.
2.
Zu Recht hat die Rechtspflegerin die den Verfahrensbevollmächtigten der Beklagten erwachsene Widerspruchsgebühr nach § 43 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO auf die später im streitigen Verfahren entstandene Verfahrensgebühr des VV 3100 zu § 2 Abs. 2 RVG angerechnet.
a. Allerdings ist der Beklagten zuzugeben, dass gemäß § 61 Abs. 1 RVG die Rechtsanwaltskosten für das Mahnverfahren nach der BRAGO, hingegen diejenigen für das streitige Verfahren nach dem RVG, in Kraft seit 1. Juli 2004, abzurechnen sind. Denn die Beklagte hat ihre Verfahrensbevollmächtigten vor dem Stichtag mit der Erhebung des Widerspruchs beauftragt, mit der Verteidigung im Rechtsstreit dagegen erst nach dem 30. Juni 2004.
Mahnverfahren und streitiges Verfahren sind gemäß § 17 Nr. 2 RVG verschiedene Angelegenheiten mit der Folge, dass sie jeweils gesondert abzurechnen sind. Diese Klarstellung ist in das RVG aufgenommen worden (Hartung/Römermann, RVG § 17 Rn. 10) Das war zuvor aber nicht nur für den Bezirk des Oberlandesgerichts Düsseldorf herrschende Auffassung, sondern wurde auch sonst überwiegend vertreten(vgl. 10. Zivilsenat, RPfleger 2000, 566 = OLGR 2000, 480, 481 m.w.N.; Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert BRAGO, 15. Aufl. § 43 Rn. 11; a.A. KG RPfleger 2000, 238 m.w.N.). Im übrigen kann auch dies zu Gunsten der Beklagten angenommen werden, die durch eine abweichende Auffassung nicht beschwert wäre.
b. Ohne Erfolg wendet sich die Beklagte jedoch gegen die Anrechnung der nach altem Recht entstandenen Gebühr des § 43 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO (Widerspruchsgebühr) auf die Verfahrensgebühr nach VV 3100 zu § 2 Abs. 2 RVG.
Zwar enthält das RVG keine Regelung der Frage, ob nach der BRAGO entstandene und anzurechende Gebühren auch auf Gebühren nach dem RVG anzurechnen sind. Insbesondere findet sich darauf in den Übergangsbestimmungen der §§ 60, 61 RVG kein Hinweis. Dies bedeutet aber nicht, dass eine Anrechnung der Widerspruchsgebühr des Mahnverfahrens auf die Verfahrensgebühr des nachfolgenden Rechtsstreits ausgeschlossen ist. Das Gegenteil ist der Fall:
Ausgangspunkt der Überlegungen ist § 43 Abs. 2 BRAGO, der u. a. die Anrechnung der Widerspruchsgebühr nach Absatz 1 Nr. 2 auf die "Prozessgebühr ..., die der Rechtsanwalt in dem nachfolgenden Rechtstreit erhält," vorschreibt. Da den Verfahrensbevollmächtigten der Beklagten der Auftrag zu Erhebung des Widerspruchs vor dem 1. Juli 2004 erteilt worden ist, gilt das Anrechnungsgebot nach der Übergangsvorschrift des § 61 Abs. 1 S. 1 RVG fort.
Zwar kennt § 2 Abs. 2 in Verbindung mit VV 3100 RVG für das streitige Verfahren eine "Prozessgebühr" nicht mehr, sondern nur noch die "Verfahrensgebühr". Daraus ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht zu folgern, dass eine Anrechnung wegen Wegfalls der Anrechnungsmöglichkeit entfalle. Denn auch das neue Recht sieht die Anrechnung der Widerspruchsgebühr in VV 3307 vor.
Schon daraus ist die Gleichheit von Prozessgebühr und Verfahrensgebühr, jedenfalls hinsichtlich der Anrechnung der Widerspruchsgebühr des Mahnverfahrens, abzuleiten. Entsprechendes gilt im übrigen auch für die Verfahrensgebühr des Mahnverfahrens (VV 3305). Außerdem gebieten Sinn und Zweck die Anrechnung auf Prozess- und Verfahrensgebühr in gleicher Weise. Grund für die Anrechnung ist jeweils, dass sich der Rechtsanwalt nach dem Mahnverfahren in das streitige Verfahren in geringerem Umfang einarbeiten muss als bei der erstmaligen Befassung mit dem Streitstoff zur Anfertigung der Klageerwiderung (vgl. Riedel/Sußbauer BRAGO , 8. Aufl., § 43 Rn. 1; Gebauer/Schneider, BRAGO, § 43 Rn. 46). Auch zur Erhebung des Widerspruchs hat der Rechtsanwalt die Informationen des Mandanten entgegenzunehmen und diesen entsprechend zu beraten. Insoweit besteht zwischen der Prozessgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO und der Verfahrensgebühr nach VV 3100 RVG kein Unterschied.
Die gegenüber dem alten Gebührenrecht unterschiedlichen Gebührenhöhen rechtfertigen erst recht kein anderes Ergebnis. Während sich nach neuem Recht der den Widerspruch erhebende Antragsgegner/Beklagte 0,5 Gebühren (VV 3307) auf 1,3 Gebühren des streitigen Verfahrens (VV 3100) anrechnen lassen muss, braucht die Beklagte hier lediglich die Anrechnung von 0,3 Gebühren (§ 43 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO) auf die Verfahrensgebühr hinzunehmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Z Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht - als Einzelrichter -
OLG Düsseldorf:
Beschluss v. 23.05.2005
Az: I-24 W 24/05
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