Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. Dezember 2002
Aktenzeichen: 6 W (pat) 14/00
(BPatG: Beschluss v. 10.12.2002, Az.: 6 W (pat) 14/00)
Tenor
Auf die Beschwerde der Patentinhaberin wird der angefochtene Beschluß aufgehoben und der Einspruch als unzulässig verworfen.
Gründe
I Auf die am 14. Juni 1993 eingegangene Patentanmeldung P 43 19 579.2 wurde ein Patent erteilt. Die Patenterteilung ist am 19. Dezember 1996 veröffentlicht worden. Das Patent betrifft ein "Lager für eine beheizte Walze" und umfaßt 5 Patentansprüche. Der Anspruch 1 dieser Patentschrift hat folgenden Wortlaut:
"Lager für eine beheizte Walze, insbesondere Kalanderwalze, mit veränderlichem Durchmesserunterschied zwischen feststehender und rotierender Lauffläche, wobei die rotierende Lauffläche durch einen Lagerring (4) gebildet ist, dadurch gekennzeichnet, daß ein Abschnitt der feststehenden Lauffläche durch wenigstens ein erstes radial fixiertes hydrostatisches Lagersegment (10) mit wenigstens einer von Öl durchströmten Lagertasche (11) auf Seiten des Laufspaltes (9) im Umfangsbereich der resultierenden Lagerbelastung gebildet ist und im gegenüberliegenden Umfangsbereich ein weiterer Abschnitt der feststehenden Lauffläche durch wenigstens ein zweites hydrostatisches Lagersegment (12) mit radial nachstellbarem, eine von Öl durchströmte Lagertasche (13) auf Seiten des Laufspaltes (9) aufweisenden Lagerschuh (14) gebildet ist und daß der Lagerspalt (9) in einer radialen und/oder axialen Mittelebene der bzw. jeder Lagertasche (11) des ersten Lagersegments (10) zu Beginn der Erwärmung kleiner und im erwärmten Zustand der Walze größer als am Rande der Lagertasche (11) ist."
Wegen der erteilten Patentansprüche 2 bis 5 wird auf die Patentschrift verwiesen.
Gegen dieses Patent ist am 18. März 1997 Einspruch erhoben worden. Die Einsprechende macht den Widerrufsgrund der mangelnden Patentfähigkeit geltend, da die Lehre des Patentanspruchs 1 gegenüber dem Stand der Technik nicht auf einer erfinderischer Tätigkeit beruhe.
Die Patentabteilung 12 des Deutschen Patent- und Markenamts hat das Patent mit Beschluß vom 6. Dezember 1999 widerrufen, da das Lager nach Patentanspruch 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin.
Zur Begründung ihrer Beschwerde führt die Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung vom 10. Dezember 2002 im wesentlichen aus, daß im Einspruchsschriftsatz nicht zu allen Merkmalen des Patentanspruchs 1 Stellung genommen worden sei und die technischen Zusammenhänge zwischen den bekannten Ausführungen nach dem Stand der Technik und dem Patentgegenstand nicht hinreichend dargelegt worden seien. Der innerhalb der Einspruchsfrist eingegangene Schriftsatz erfülle somit nicht die Erfordernisse, die an einen zulässigen Einspruch zu stellen seien.
Die Patentinhaberin beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und den Einspruch als unzulässig zu verwerfen.
Die Einsprechende beantragt in ihrem Schriftsatz vom 5. November 2002, die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Einsprechende hat mit Schreiben vom 15. November 2002 angekündigt, daß sie an der mündlichen Verhandlung am 10. Dezember 2002 nicht teilnehmen werde. Sie ist zur mündlichen Verhandlung auch nicht erschienen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II 1. Die zulässige Beschwerde hat Erfolg, da der Einspruch als unzulässig zu verwerfen war.
Die Zulässigkeit eines Einspruchs ist von Amts wegen in jedem Stadium des Verfahrens und damit auch im Beschwerdeverfahren vorrangig zu prüfen (vgl BGH Sortiergerät GRUR 1972, 592; BGH Gefäßimplantat GRUR 1990, 348, 349).
Nach PatG § 59 Abs 1 hängt die Zulässigkeit eines Einspruchs u.a. davon ab, daß die Einsprechende einen der Widerrufsgründe des PatG § 21 geltend macht; das ist vorliegend der Fall. Des weiteren ist der Einspruch zu begründen; die ihn rechtfertigenden Tatsachen müssen innerhalb der Einspruchsfrist im einzelnen angegeben werden (PatG § 59 Abs 1 Sätze 2, 4 und 5).
Die Begründung des Einspruchs genügt diesen gesetzlichen Anforderungen nur dann, wenn die für die Beurteilung der behaupteten Widerrufsgründe maßgeblichen Umstände darin so vollständig dargelegt sind, daß der Patentinhaber und das Patent- und Markenamt daraus abschließende Folgerungen in bezug auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Widerrufsgrundes ziehen können (vgl ua BGH Tabakdose GRUR 1997, 740). Diese notwendigerweise zu ziehenden abschließenden Folgerungen verlangen von der Einspruchsbegründung, daß sie sich nicht nur mit einem Teilaspekt der unter Schutz gestellten Erfindung befaßt, sondern mit der gesamten patentierten Lehre (vgl BGH Epoxidations-Verfahren GRUR 1988, 364).
Im hier vorliegenden Fall des geltend gemachten Widerrufsgrundes der fehlenden erfinderischen Tätigkeit ist im Rahmen der von der Einsprechenden anzugebenden, den Einspruch rechtfertigenden Tatsachen weiterhin zu fordern, daß auch der technische Zusammenhang zwischen Patentgegenstand und entgegengehaltenem Stand der Technik und die sich daraus ergebenden Folgerungen für die Patentfähigkeit dargelegt wird. Die Herstellung des sachlichen Bezugs zwischen Patentgegenstand und Vorveröffentlichung ist nicht Sache des Patentamts oder des Patentinhabers, beide müssen durch die Einspruchsbegründung vielmehr erst in die Lage versetzt werden, ohne eigene Ermittlungen das Vorliegen des behaupteten Widerrufsgrundes prüfen zu können (vgl BGH Alkyldiarylphosphin BlPMZ 1988, 185).
Diesen Anforderungen werden die Ausführungen im einzigen innerhalb der Einspruchsfrist eingegangenen Schriftsatz vom 18. März 1997 nicht gerecht.
Für die Begründung des geltend gemachten Widerrufsgrundes der mangelnden Patentfähigkeit kommen hier nur die Ausführungen unter III des Einspruchsschriftsatzes in Betracht, die sich auf den Gegenstand nach dem erteilten Anspruch 1 beziehen. Die übrigen Ausführungen sind nämlich auf die Ausbildungen nach den Unteransprüchen gerichtet (vgl Ausführungen unter IV) oder erschöpfen sich in der bloßen Nennung der entgegenstehenden Druckschriften bzw der Zitierung der in der Streitpatentschrift angegebenen Aufgabe und die Wiedergabe des Wortlauts des erteilten Anspruchs 1, wobei dessen kennzeichnender Teil in drei Merkmalsgruppen aufgegliedert worden ist. Diese Teile des Einspruchsschriftsatzes können zur näheren Begründung des Einspruchs nichts beitragen.
Mit den maßgeblichen Ausführungen III.1 bis III.4 nimmt die Einsprechende zu den Merkmalen des Anspruchs 1, ausgenommen die von ihr auf Seite 3, Absatz 5 genannte dritte Merkmalsgruppe des Anspruchs 1 Stellung. Mit den Ausführungen unter III.5 nimmt sie zu dieser letzten Merkmalsgruppe Stellung.
Im Absatz III.1 wird ein Merkmal des Oberbegriffs und im Absatz III.2 werden die Arten der Lagerung, die für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit maßgebend sein sollen, angesprochen. Diese beiden Absätze enthalten Behauptungen, zu deren Stützung die Einsprechende nichts vorgebracht hat. Sie hat insbesondere nicht erläutert, warum die Lehre des Anspruchs 1 unabhängig davon sein soll, daß die rotierende Lauffläche durch einen Lagerring gebildet wird, wenn sich die Patentinhaberin gerade auf diese Walzenkonstruktion einschränken will. Des weiteren hat sie nicht erläutert, warum für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit neben Walzenlagerungen auch andere Lagerungen maßgebend sein sollen.
Diese beiden Absätze sind somit nicht dazu geeignet, einen Beitrag zur Begründung der mangelnden erfinderischen Tätigkeit zu liefern.
Die Ausführungen unter III.3 und III.4 sind die einzigen Textstellen der Einspruchsbegründung, die sich mit den ersten beiden Merkmalgruppen des kennzeichnenden Teils des Patentanspruchs 1 sachlich befassen.
Im ersten Absatz unter Punkt III.3 wird zunächst beschrieben, daß die patentgemäße Lagerkonfiguration "mit einem feststehenden hydrostatischen Lagerelement 10 und mindestens einem zweiten hydrostatischen Lagersegment 12 ... für sich genommen im Bereich der Walzenlagerungen" altbekannt sei. Dies ergebe sich aus der Druckschrift "Was der Walzwerker von seiner Arbeit wissen muß", Teil 1 von Dipl.-Ing. Harald Walter, Verlag Stahleisen mbH, Düsseldorf, 1975, Seite 57, Bild 29 und Seite 59, Absatz 2.
Im folgenden zweiten Absatz der Einspruchsbegründung ist ausgeführt, daß in der US-Patentschrift 4 530 227 eine Walzenlagerung wiedergegeben sei, "die ein erstes und mindestens ein zweites Lagersegment" umfasse, die in Fig 3 mit 12 bzw 30, 31 bezeichnet seien.
Im folgenden dritten Absatz wird beschrieben, daß "die Schriftstelle 'Kugellagerzeitschrift' .... eine Reihe von Konstruktionen zur Abstützung von hochbelasteten zylindrischen Zapfen mit Hilfe von hydrostatischen Lagersegmenten erkennen" lasse. Es wird dazu insbesondere auf die Bilder 5 und 8 dieser Schriftstelle verwiesen.
Mit diesen Ausführungen nimmt die Einsprechende nicht zu den Merkmalen der Merkmalsgruppen 1 und 2, wie sie auf Seite 3 der Einspruchsbegründung genannt sind und auch im erteilten Anspruch 1 enthalten sind, Stellung. Diese beiden Merkmalsgruppen enthalten nämlich u.a. die Anweisung, "daß ein Abschnitt der feststehenden Lauffläche durch ... ein erstes radial fixiertes hydrostatisches Lagersegment ... im Umfangsbereich der resultierenden Lagerbelastung gebildet ist". Und im Folgenden, daß "im gegenüberliegenden Umfangsbereich ein weiterer Abschnitt der feststehenden Lauffläche durch wenigstens ein zweites hydrostatisches Lagersegment (12) mit radial nachstellbarem, eine von Öl durchströmte Lagertasche (13) auf Seiten des Laufspaltes (9) aufweisenden Lagerschuh gebildet ist". Damit wird eine konkrete Lagerkonstruktion mit einem radial fixierten hydrostatischen Lagersegment im Bereich der resultierenden Lagerbelastung und wenigstens einem zweiten hydrostatischen Lagersegment mit einem Lagerschuh im gegenüberliegenden Umfangsbereich beschrieben, zu der die Einsprechende keine Ausführungen gemacht hat. So ist aus keiner der im Einspruchsschriftsatz genannten Druckschriften ein radial fixiertes hydrostatisches Lagersegment in Kombination mit einem weiteren hydrostatischen Lagersegment mit einem Lagerschuh erkennbar. Dies wird auch von der Einsprechenden nicht behauptet, denn die Begriffe "radial fixiertes hydrostatisches Lagersegment" und "hydrostatisches Lager mit einem Lagerschuh" kommen im gesamten Einspruchsschriftsatz - abgesehen von der Wiederholung des Anspruchswortlautes - nicht vor.
Die Einspruchsbegründung hat sich also nur mit einem Teilaspekt der Erfindung, nicht aber mit der gesamten - alle Merkmale des Anspruchs 1 umfassenden - patentierten Lehre befaßt. Dieses Manko läßt sich auch nicht durch den Absatz unter III.4 beseitigen, denn er enthält auch keinerlei Ausführungen zu den o.g., im Einspruchsschriftsatz nicht abgehandelten Merkmalen.
Der folgende, mehrere Seiten umfassende Abschnitt III.5 befaßt sich ausschließlich mit dem letzten Merkmal des Anspruchs 1, ohne irgendwelche Aussagen zu den übrigen Merkmalen zu machen. Daran vermag auch das kurze Resümee im letzten Absatz der Seite 6 des Einspruchsschriftsatzes nichts zu ändern, da es die Einsprechende versäumt hat, die patentgemäße Walzen-Abstützungskonfiguration im zitierten Stand der Technik aufzuzeigen.
Der Einspruchsschriftsatz vom 18. März 1997 gibt somit nicht alle Tatsachen im einzelnen an, die den Einspruch rechtfertigen könnten. Der Senat sieht sich durch die Einspruchsbegründung auch nicht in die Lage versetzt, ohne eigene Ermittlungen das Vorliegen des behaupteten Widerrufsgrundes prüfen zu können. Die für den Widerrufsgrund der mangelnden Patentfähigkeit bzw mangelnden erfinderischen Tätigkeit angegebenen Umstände sind somit nicht ausreichend spezifiziert und unvollständig. Der Einspruch ist also nicht ausreichend substantiiert.
2. Die Patentabteilung 12 hat in ihrem Beschluß vom 6. Dezember 1999 ohne nähere Begründung die Zulässigkeit des Einspruchs bejaht und das Patent wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit widerrufen. Da die Zulässigkeit des Einspruchs in jedem Verfahrensstadium vorrangig zu prüfen ist und der Senat aus den zuvor dargelegten Gründen die Unzulässigkeit des Einspruchs feststellen mußte, ist es ihm somit verwehrt, hier eine sachliche Entscheidung zu fällen.
Riegler Heyne Schmidt-Kolb Sperling Cl
BPatG:
Beschluss v. 10.12.2002
Az: 6 W (pat) 14/00
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