Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 8. Juli 1994
Aktenzeichen: 6 U 248/93
(OLG Köln: Urteil v. 08.07.1994, Az.: 6 U 248/93)
Ein (graphisch gestalteter) Preisvergleich eines SB-Warenhauses, der Bezug nimmt auf sechs weitere Märkte (als "Markt A" bis "Markt F" bezeichnet) und in dem in einer Tabelle Auswertungen mitgeteilt werden, ruft bei einem nicht unerheblichen Teil der angesprochenen Verbraucher relevante Fehlvorstellungen über Preiswertigkeit und Preisgünstigkeit der von dem so werbenden Unternehmen angebotenen Waren hervor, wenn aus der Werbung nicht hinreichend erkennbar wird, ob nur einige oder alle von den getesteten Mitbewerbern geführten Artikel erfaßt worden sind und/oder wenn nicht deutlich gemacht wird, daß mehrere in der Region der umworbenen Verkehrskreise ansässige konkurrierende (Groß-)Filialisten in dem Vergleich nicht berücksichtigt wurden.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 16. September 1993 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 81 O 97/93 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Beklagte verurteilt wird, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der zukünftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,00 DM zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken mit einem Preistest - wie nachstehend verkleinert in Schwarz-Weiß-Fotokopie wiedergegeben - zu werben, ohne im einzelnen zu spezifizieren, bezüglich welcher Waren dieser Preistest vorge- nommen worden ist, und/oder ohne darauf hinzuweisen, daß nicht sämtliche Konkurrenzunternehmen in den Preistest ein- bezogen worden sind. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung hinsichtlich der Hauptsache durch Sicherheitsleistung in Höhe von 100.000,00 DM und hinsichtlich der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 14.000,00 DM abzuwenden, wenn nicht der Kläger zuvor seinerseits jeweils Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheiten können von beiden Parteien auch durch selbstschuldnerische Bürgschaften einer im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Großbank oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse erbracht werden. Die Beschwer der Beklagten wird auf 100.000,00 DM festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger ist eine gerichtsbekannte eingetragene rechtsfähige
Vereinigung von Gewerbetreibenden, die sich zum Ziel gesetzt hat,
Verstöße gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb und die
Nebengesetze zu bekämpfen.
Bei der Beklagten handelt es sich um ein SB-Waren-
hausunternehmen mit 50 Filialen im gesamten Bundes- gebiet.
Anfang 1993 warb die Beklagte mit einem Werbefalt- blatt u.a.
auch für ihre Filiale F. mit dem Slogan "Dauertiefpreise für alle
Artikel". Das Werbefalt- blatt enthält auf der ersten Seite im
oberen Drittel eine - farblich gestaltete - grafische Darstellung,
in der sechs verschiedene Märkte, die als Markt A bis Markt F
gekennzeichnet werden, neben dem Markt der Beklagten aufgeführt
sind. Óber den Bezeichnungen "Markt A bis F" sind - auf einem 100
DM-Schein stehend - verschieden hohe Säulen abgebildet, die mit "+
2,56 % teurer" bis "+ 6,37 % teurer" gekennzeich- net sind. Óber
der Bezeichnung des Marktes der Be- klagten ist keine Säule,
sondern eine volle Einkauf- stüte bildlich dargestellt.
Oberhalb dieser grafischen Darstellung finden sich die Aussagen
"Schon die Dauertiefpreis-Garantie für 1992 hat sich ausgezahlt"
und "Die für 1993 erst recht!".
Der unter der Grafik stehende Text beginnt mit fol- gendem Satz:
"Im Spätherbst 1992 haben wir im nord- westdeutschen Raum einen
umfangreichen Preistest bei Haushaltwaren, Textilien und
Lebensmitteln durchge- führt.".
Im mittleren Drittel der ersten Seite dieses Wer- befaltblattes
ist eine Preisvergleichstabelle ab- gedruckt, die in gelber Farbe
gehalten ist. Diese Tabelle ist senkrecht untereinander in drei
Rubriken aufgegliedert, die mit "Gesamtauswertung Lebensmit- tel",
"Gesamtauswertung Hartwaren/Textilien" und mit "Gesamtauswertung
aller verglichenen Artikelgruppen" überschrieben sind. Hinter
diesen drei Rubriken befinden sich waagerecht sechs Spalten, die
mit A bis F gekennzeichnet sind, wobei hinter diesen Buchstaben
jeweils ein Stern abgedruckt ist. Der Sternchenhin- weis unterhalb
der Tabelle lautet "Aus wettbewerbs- rechtlichen Gründen können wir
keine Namen und Orte veröffentlichen.".
Wegen der weiteren Einzelheiten der Ausgestaltung dieses
Werbefaltblattes wird auf die im Tenor dieses Urteils verkleinert
wiedergegebene Schwarz-Weiß-Foto- kopie sowie auf das zu den Akten
gereichte Original- Werbefaltblatt (Hülle Bl. 14 d.A.) Bezug
genommen.
Dieser Werbung lag ein im Oktober 1992 von der Be- klagten
durchgeführter Preisvergleich bei den Firmen A. (Bielefeld), R.
(Osnabrück), F. (Herford), T. (Detmold), M. (Hamburg), W.
(Hamburg), B. (Hamburg) und D. (Hamburg) zugrunde.
Da sich der der streitgegenständlichen Werbung zugrundeliegende
Preisvergleich nicht auf Textilien bezog, gab die Beklagte
gegenüber der Zentrale ... e.V.,
Fr. unter dem 7. April 1993 eine strafbewehrte Unterlassungs-
verpflichtungserklärung hinsichtlich dieser Werbung ab, soweit sich
der veröffentlichte Preisvergleich auch auf Textilien bezog.
Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Untersagung
der konkreten Form der ersten Seite des Werbefaltblattes, wenn
nicht näher dargelegt ist, hinsichtlich welcher Waren der
Preisvergleich vorge- nommen worden sei.
Der Kläger hat geltend gemacht, die konkrete Werbung mit dem
Preisvergleich stelle einen unzulässigen Preisvergleich dar, der zu
einer Verunsicherung des Verbrauchers sowie zum Anlocken des
Verbrauchers füh- re. Daraus ergebe sich ein Verstoß gegen § 1 UWG
wie auch gegen § 3 UWG.
Einem berechtigten Interesse der Allgemeinheit nach sachgemäßer
Aufklärung käme die streitgegenständliche Werbung nicht nach. Der
von der Beklagten wiedergege- bene Preisvergleich sei unvollständig
und damit auch irreführend, da dem Endverbraucher jegliche Möglich-
keit genommen werde, die Richtigkeit des angestellten
Preisvergleiches nachzuvollziehen und die von der Be- klagten
getroffene Werbeaussage zu verifizieren. Der von der Beklagten
angestellte Vergleich sei nicht ge- eignet, den Zweck eines
Preisvergleichs und damit die Zulässigkeitsvoraussetzungen eines
solchen zu erfül- len, die erfahrungsgemäß erschwerte
Marktübersicht zu verbessern. Die getroffene Werbeaussage, die
Beklagte sei im Bereich der verglichenen Artikel der günstig- ste
Anbieter unter den getesteten Märkten, bliebe damit unklar und
könne nicht ohne Schwierigkeiten ob- jektiv nachgeprüft werden.
Der angesprochene Verkehr würde durch den in der Werbung
wiedergegebenen Preisvergleich irregeführt. Der Verbraucher würde
annehmen, es sei aufgrund des Preisvergleichs unter allen Umständen
sachlich gerechtfertigt zu behaupten, die Beklagte habe die
niedrigsten Preise am Markt. Dies stelle aber eine unbestimmte
Preisaussage dar, da der Verbraucher nicht erkennen könne, auf
welche Artikel sich der genaue Preis beziehe. Gerade bei den
erheblichen Sor- timentsbreiten in den von der Beklagten
angeführten Bereichen stelle sich ein derart undifferenzierter
Preisvergleich als eine Irreführung des Verbrauchers dar.
Darüber hinaus stelle die Beklagte mit der Werbung gegenüber dem
Verbraucher dar, in jedem Fall der gün- stigste Anbieter zu sein,
obwohl sie keine repräsen- tativen Preisvergleiche angestellt habe.
Hierzu sei schon die maximale Anzahl der verglichenen Artikel von
insgesamt 2114 in Anbetracht einer Sortimentstie- fe von
durchschnittlich 24000 Artikeln zu gering. Vergleichbare
Verbrauchermärkte wie z.B. Al., D., H. oder P., die für ihre
Preiswürdigkeit bekannt seien, seien gerade nicht mit verglichen
worden.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht
für jeden Fall der zukünfti- gen Zuwiderhandlung festzusetzenden
Ordnungs- geldes bis zu 500.000,00 DM zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwek- ken mit einem
Preistest zu werben, ohne im einzelnen zu spezifizieren, bezüglich
welcher Waren dieser vorgenommen worden ist und bei welchem maximal
2114 Angebote eines ande- ren Unternehmens mit denen der Beklagten
ver- glichen werden, wenn dies geschieht wie nach- stehend
abgebildet:
(Es folgt die im Urteilstenor wiedergegebene Fotokopie der
streitgegenständlichen Werbung).
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, Preisvergleiche ohne konkrete
Bezugnahme auf bestimmte Mitbewerber seien zulässig, wenn sie weder
irreführen noch pauschal ab- werten.
Hierzu hat sie vorgetragen, der von ihr durchgeführte
Preisvergleich sei wahrheitsgemäß und - da sie auch keine
Mitbewerber benenne - auch nicht pauschal herabsetzend. Das
Ergebnis der von ihr durchgeführten Untersuchung sei auch in der
Werbung korrekt wieder- gegeben. Es sei ausdrücklich darauf
hingewiesen, daß nur identische Artikel in den Preisvergleich
einbezo- gen worden seien. Die Preisdifferenzierung hinsicht- lich
bestimmter einzelner Waren sei nicht erforder- lich, da das
Vergleichsergebnis lediglich die allge- meine Preiswürdigkeit der
Beklagten aufzeigen solle.
Die Zahl der miteinander verglichenen Artikel in den einzelnen,
ausdrücklich genannten Warenbereichen sei signifikant und
ausreichend; die jeweilige Anzahl der verglichenen Artikel sei
ausdrücklich mit angegeben.
Auch wenn entsprechende Märkte eine Sortimentstiefe von mehr als
20000 verschiedenen Artikeln hätten, hätten nicht mehr Artikel
verglichen werden können, da sich der Vergleich auf bestimmte
Bereiche und nur auf identische Artikel bezöge.
Durch die streitgegenständliche Werbung werde auch nicht
suggeriert, daß sie - die Beklagte - in jeder Hinsicht der
günstigste Anbieter sei. Zum einen sei darauf hingewiesen worden,
daß sich der Test nur dar- auf beschränkt, Preise von identischen
Waren zu ver- gleichen; darüber hinaus sei der ausdrückliche Hin-
weis "natürlich können wir nicht behaupten, bei allen Artikeln
unseres riesigen Sortiments, der billigste Anbieter zu sein. Das
kann wohl keiner von sich sa- gen." hervorgehoben in der Anzeige
enthalten.
Auch der Hinweis in der Anzeige darauf, daß nur die Preise von
sechs anderen Verbrauchermärkten berück- sichtigt worden sind,
zeige schon, daß der Werbung nicht die Aussage zu entnehmen sei,
alle Konkurrenten seien in den Vergleich einbezogen worden, wovon
sie - die Beklagte - die preisgünstigste sei.
Andere Märkte seien in dem Preisvergleich nicht berücksichtigt
worden, da sie entweder vom Sortiment her nicht vergleichbar seien
(Al. und P.), im nord- deutschen Raum nicht mit ihr im Wettbewerb
stünden (H.) oder sich in einer Phase der Umstrukturierung befunden
hätten (D.).
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen
Vorbringens beider Parteien wird auf den vorgetra- genen Inhalt der
wechselseitigen Schriftsätze ver- wiesen.
Durch Urteil vom 16. September 1993 hat das Landge- richt Köln
die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Zur Begründung hat das
Landgericht dargelegt, die Werbung sei irreführend im Sinne des § 3
UWG. Die Werbung vermittele den Eindruck, sie gebe dem Leser eine
aus- reichend konkrete Unterlage zur kompetenten Entschei- dung
über die größte Preiswürdigkeit der wesentlichen Mitbewerber an die
Hand. Dies ergebe sich schon aus der Verwendung einer Tabelle sowie
einer Grafik nach Art objektiver Statistiken. Die Erwartung des
Ver- brauchers werde enttäuscht, da er nicht erfahre, wel- che
Artikel verglichen worden seien und weil nur eine relativ geringe
Artikelmenge in diesen Vergleich ein- bezogen worden sei.
Im übrigen wird auf die Entscheidungsgründe des ange- fochtenen
Urteils Bezug genommen.
Gegen das ihr am 23. September 1993 zugestellte Urteil hat die
Beklagte mit einem am Montag, den 25. Oktober 1993 bei Gericht
eingegangenem Schrift- satz Berufung eingelegt und diese nach
entsprechen- der Verlängerung der Begründungsfrist mit einem am 10.
Januar 1994 eingegangenen Schriftsatz begründet.
Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstin- stanzliches
Vorbringen und macht geltend, bei dem streitgegenständlichen
Werbefaltblatt handele es sich um eine Preisgünstigkeitswerbung und
nicht um eine vergleichende Werbung, da die sechs verschiedenen
Verbrauchermärkte im nordwestdeutschen Raum nicht genannt und auch
nicht aus dieser Werbung erkennbar seien. Sie bewerbe hiermit
lediglich die Preisgün- stigkeit von Artikeln aus bestimmten
Bereichen, die auch von sechs verschiedenen Verbrauchermärkten als
identische Waren angeboten seien.
Ihre Preiswerbung sei im Interesse der Letztverbrau- cher
genauer und konkreter, als wenn sie nur mit allgemeinen Aussagen
die Preiswürdigkeit und Preis- günstigkeit ihrer Waren beworben
hätte. In dem Werbe- faltblatt seien die Ergebnisse ihrer
Preistests genau wiedergegeben, so daß diese Werbung für den
Verbrau- cher informativer und zuverlässiger sei als allgemei- ne
oder pauschale Formulierungen. Hierbei handele es sich weder um
Alleinstellungswerbung noch um konkrete Preiswerbung. Die Angaben
in der Werbung seien auch richtig und vollständig und gäben genau
die Ergebnis- se der von ihr durchgeführten Preisvergleiche wieder.
Sie habe sich bei ihren Preisvergleichen auf die Wettbewerber
beschränkt, die ein ähnliches oder glei- ches Angebot hätten. Aus
diesem Grund hätten reine Lebensmittelhändler wie Al. oder P. in
den Preistest nicht einbezogen werden können.
Ihre Angaben in der streitgegenständlichen Werbung seien auch
nachprüfbar, da jeder Wettbewerber wie auch der Letztverbraucher
von ihr hätte verlangen können, die Unterlagen über den Preistest
vorzulegen. Mehr Nachprüfbarkeit könne von einer derartigen Wer-
bung nicht verlangt werden.
Zu den verglichenen Unternehmen behauptet sie, es handele sich
nicht nur um solche, die in Norddeutsch- land vorzufinden seien;
allein im Umkreis von 50 km um Köln befänden sich 10 A.-Filialen,
eine Filiale von Fa. und vier Filialen von M.. Zwar seien insge-
samt acht Konkurrenten getestet worden; ein Konkur- rent sei jedoch
nicht mit veröffentlicht worden, weil er gar um 7,5 % teurer
gewesen sei als sie - die Beklagte -; ein anderer Konkurrent sei
weggelassen worden, weil er keine Lebensmittel führe. Schließlich
sei in dem Werbetext selbst auch darauf hingewiesen worden, daß der
Vergleich sich nur auf sechs Mitkon- kurrenten beziehe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbrin- gens der
Beklagten wird auf die Berufungsbegründungs- schrift vom 10. Januar
1994 und den Schriftsatz vom 15. März 1994 Bezug genommen. Der
nicht nachgelassene Schriftsatz vom 21. Juni 1994 nebst Anlage hat
vorge- legen.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils der ersten Kammer für
Handelssachen des Landgerichts Köln vom 16. September 1993 - 81 O
07/93 - die Klage abzuweisen,
hilfsweise ihr nachzulassen, die Zwangsvoll- streckung durch
Sicherheitsleistung, auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft
einer in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Großbank oder
öffentlichrechtlichen Sparkas- se, abzuwenden.
Der Kläger beantragt,
die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß die Beklagte
verurteilt wird,
es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der zukünftigen
Zuwiderhandlung festzu- setzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,00
DM zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwek- ken mit einem
Preistest - wie nachstehend wie- dergegeben - zu werben,
(es folgt die im Urteilstenor wiedergegebene Fotokopie der
Werbung)
ohne im einzelnen zu spezifizieren, bezüglich welcher Waren
dieser Preistest vorgenommen worden ist,
und/oder
ohne darauf hinzuweisen, daß nicht sämtliche
Konkurrenzunternehmen in den Preistest einbe- zogen worden
sind;
hilfsweise ihr zu gestatten, Sicherheitslei- stung auch durch
Bürgschaft einer deutschen Großbank, öffentlichen Sparkasse oder
Genos- senschaftsbank zu erbringen.
Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und
macht weiter geltend, die angegriffene Werbung sei unter einer
Vielzahl von Gesichtspunkten irreführend. Sie erwecke beim
flüchtigen Leser den Eindruck, die Beklagte sei über das gesamte
Warensor- timent preisgünstiger als ihre regionalen Mitbewer- ber,
insbesondere auch bezüglich der Lebensmitteldis- counter Al. und
P.. Diese Erwartung des Verbrauchers werde in allen Punkten
enttäuscht.
Durch die Darstellung des Ergebnisses eines Preis- vergleichs in
Form einer Grafik werde der Eindruck vermittelt, ein Einkauf bei
den sechs Vergleichsmärk- ten sei statistisch belegt teurer als ein
Einkauf bei der Beklagten. Tatsächlich sei aber nur ein ganz
geringer Bruchteil der Gesamtartikel in den Ver- gleichstest
einbezogen. Während derartige Warenhäuser durchschnittlich 24000
Artikel anböten, würden von dem Vergleich nur die Preise von 1307
bis maximal 2114 Artikeln erfaßt. Schon insoweit gebe der Preis-
vergleich keine gesicherte Grundlage zur Beantwortung der Frage,
welcher Markt für den Verbraucher der preisgünstigste sei. Da der
überwiegende Teil der Verbraucher keine Kenntnis und Vorstellung
über die Größenordnung des durchschnittlichen Warenangebots in
derartigen Warenhäusern habe, gehe er davon aus, daß alle Artikel
getestet worden seien. Er mache sich darüber hinaus auch nicht die
Mühe, die komplizierten Zahlen der Tabelle nachzuvollziehen.
Zudem erwecke die Werbung den Eindruck, die Ver- gleichsmärkte
seien unmittelbare Mitbewerber der Beklagten. Tatsächlich handele
es sich aber um Waren- häuser in Hamburg oder Ostwestfalen. Auch
der Hinweis in der Werbung, der Preistest sei im nordwestdeut-
schen Raum durchgeführt, kläre nicht hinreichend auf, daß örtliche
Warenhäuser nicht in den Preisvergleich einbezogen worden
seien.
Schließlich erwecke die Werbung den Eindruck, der Vergleich
beziehe sich auf alle wesentlichen Kon- kurrenten der Beklagten.
Dagegen seien gerade die schärfsten Konkurrenten auf dem
Lebensmittelmarkt wie Al. und P. nicht in den Vergleich
einbezogen.
Die Beklagte könne sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen,
daß ihre Werbung informativer und zuverläs- siger sei als die
allgemeinen Aussagen über Preis- würdigkeit und Preisgünstigkeit.
Der Hinweis auf das Informationsinteresse des Verbrauchers finde
seine Grenze, wo die Wiedergabe dieser Information irrefüh- rend
sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens des Klägers im
Berufungsrechtszug wird auf die Berufungs- erwiderungsschrift vom
26. Februar 1994 und auf den Schriftsatz vom 5. April 1994
verwiesen.
Gründe
Die Berufung ist zulässig; sie hat jedoch in der Sa- che keinen
Erfolg.
Das Landgericht hat die Beklagte zu Recht verurteilt, die
beanstandete Werbung in ihrer konkreten Form zu unterlassen. Das
Unterlassungsbegehren des nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG klagebefugten
Klägers ist aus § 3 UWG gerechtfertigt.
Die grafische Darstellung des Preisvergleichs zwi- schen dem
Markt der Beklagten und sechs weiteren Märkten, die als Markt A bis
F bezeichnet werden, und die in der Anzeige darunter abgebildete
Tabelle sind geeignet, bei einem nicht unbeachtlichen Teil der
angesprochenen Verbraucher unrichtige Vorstellungen über die
Preiswertigkeit und Preisgünstigkeit der von der Beklagten
angebotenen Artikel hervorzurufen und damit die Entscheidung dieser
Verbraucher zu beein- flussen, sich der Beklagten und deren
Produkten zuzu- wenden.
Zum einen vermittelt die Werbung schon durch ihre Aufmachung mit
Tabellen und Grafiken den Eindruck, es handele sich um einen
Preisvergleich hinsichtlich aller von der Beklagten geführten
Artikel, da sich aus der Grafik selbst eine Einschränkung des Ver-
gleichs auf bestimmte Produkte nicht ergibt und die
darunterstehende Tabelle so ausgestaltet ist, daß der flüchtige
Verbraucher nicht erkennen wird, ob es sich nur um wenige Artikel
oder um alle von der Beklagten und den getesteten Mitbewerbern
geführten Artikel handelt. Aus der aufgrund Größe sowie bildlicher
und farblicher Gestaltung blickfangmäßig hervorgehobenen Grafik
ergibt sich lediglich, daß Markt A bis Markt F teurer sind als die
Beklagte, wobei die Teuerungsrate zwischen 2,56 % und 6,37 % liegt.
Da die gesamte Anzeige mit dem blickfangmäßig hervorgehobenen
Slogan "Dauertiefpreise für alle Artikel", mit der die Be- klagte
üblicherweise wirbt, versehen ist und oberhalb der Grafik ebenfalls
drucktechnisch und grafisch her- vorgehoben die Aussagen "Schon die
Dauertiefpreis-Ga- rantie für 1992 hat sich ausgezahlt." und "Die
für 1993 erst recht!" zu lesen sind, wird ein nicht uner- heblicher
Teil der angesprochenen Verbraucher daraus den Schluß ziehen, daß
sich die Grafik auf alle Artikel, die ja gerade "Dauertiefpreise"
aufweisen, bezieht und daß alle getesteten Mitbewerber (Markt A bis
Markt F) in allen Artikeln erheblich teurer sind als der Markt der
Beklagten.
Diese Erwartung des Verbrauchers wird enttäuscht, da von
unstreitig über 20000 Artikeln, die üblicherweise von derartigen
Warenhäusern geführt werden, lediglich 1307 bis maximal 2114
Artikel preislich miteinander verglichen worden sind. Das bedeutet,
daß die gra- fische Darstellung sich auf höchstens 10 % der im
Warensortiment befindlichen Artikel bezieht und hin- sichtlich des
gesamten Warensortiments überhaupt kei- ne Aussagekraft hat.
Der Verbraucher wird auch nicht durch den weiteren Text der
Anzeige - sofern er ihn überhaupt wahr- nimmt - darüber hinreichend
aufgeklärt, daß nur ein Bruchteil der angebotenen Artikel unter den
Preis- vergleich fällt. Zwar ist in diesem Text dargelegt, daß sich
der Preisvergleich, der im Spätherbst 1992 im nordwestdeutschen
Raum durchgeführt worden ist, nur auf Haushaltswaren, Textilien und
Lebensmittel bezieht; der Verbraucher, der diesen Text überhaupt
liest, wird jedoch davon ausgehen, daß zumindest in diesen drei
Bereichen die Beklagte in allen Artikeln 2,56 % bis 6,37 % billiger
ist als die übrigen Mitbe- werber.
Auch in diesen Vorstellungen wird der Verbraucher enttäuscht, da
- wie das von der Beklagten als Anla- gen B 2 bis B 4 vorgelegte
Testergebnis zeigt - nur ein Teil der aus diesen Sparten
vertretenen Artikel verglichen worden ist.
Auch die Tatsachen, daß in dem in der Mitte der Wer- beanzeige
befindlichen - farblich hervorgehobenen - tabellarischen
Preisvergleich die Anzahl der vergli- chenen Artikel aufgeführt ist
und im weiteren, dane- benstehenden Fließtext darauf hingewiesen
wird, daß sich der Test darauf beschränkt, nur die Preise von
identischen Waren zu vergleichen, räumen die durch die grafische
Darstellung hervorgerufene Irreführung nicht aus. Abgesehen davon,
daß ein Großteil der Le- ser dieser Anzeige den weiteren Text und
die einzel- nen Daten in der Tabelle nicht wahrnehmen wird, wird
der Verbraucher - selbst wenn er diesen Text liest - nicht davon
ausgehen, daß es sich nur um einen Bruch- teil des gesamten
Warensortiments handelt. Zumindest ein nicht unbeachtlicher Teil
der Verbraucher hat keine Vorstellung und Kenntnis über die
Größenord- nung des durchschnittlichen Warenangebotes in derar-
tigen Warenhäusern, so daß er bei einer Anzahl von 2114
verglichenen Waren davon ausgeht, das gesamte Sortiment - zumindest
in den verglichenen Sparten - sei getestet worden. Der Hinweis
darauf, daß nur Preise von identischen Waren verglichen worden
sind, wird bei dem flüchtigen Leser allenfalls zu Rück- schlüssen
auf die Seriosität der Preisvergleichs-Er- hebung und der
abgedruckten - für ihn nur schwer ver- ständlichen - tabellarischen
Óbersicht führen.
Schließlich wird auch der drucktechnisch hervorge- hobene Satz
"Natürlich können wir nicht behaupten, bei allen Artikeln unseres
riesigen Sortiments der billigste Anbieter zu sein. Das kann wohl
keiner von sich sagen." den Verbraucher nicht dazu veranlassen,
seine durch die Grafik und die darunterstehende Tabelle
hervorgerufene Meinung, die Beklagte sei im Vergleich zu anderen
Märkten der billigste Anbieter, zu revidieren. Auch wenn der
Verbraucher diese Aussa- ge liest, wird er lediglich zu dem Schluß
gelangen, daß sich die statistisch dargestellten Preisverglei- che
nicht bei jedem einzelnen Artikel in den genann- ten Prozentzahlen
auswirkt, die Beklagte jedoch sta- tistisch in ihrem gesamten
Angebot 2,56 % bis 6,37 % billiger ist als ihre getesteten
Konkurrenten. Dies will jedoch die Beklagte selbst nicht
behaupten.
Weiterhin erweckt die angegriffene Werbung beim flüchtigen Leser
auch den Eindruck, der Preisver- gleich beziehe sich auf sämtliche
Mitbewerber in der Region, in der die Werbung verbreitet worden
ist. Das streitgegenständliche Werbefaltblatt ist in F. - oder in
dem Großraum Köln - verbreitet worden. Der Ver- braucher, der in
dieser Umgebung die Werbung liest, ist nicht daran interessiert, ob
die Filiale der Beklagten in F., für den die Werbeanzeige in dieser
Region gedacht ist, billiger ist als ein Mitbewerber in Hamburg
oder Bielefeld; er bezieht vielmehr diese Werbung auf die direkten
Konkurrenten im Umkreis des für ihn erreichbaren SB-Marktes der
Beklagten in F.. Wird ihm aber mit der streitgegenständlichen
Werbung ein Vergleich mit sechs Mitkonkurrenten geboten, so wird er
zu der Auffassung gelangen, daß sämtliche vergleichbaren
Konkurrenten der Beklagten in der Re- gion, in der er einzukaufen
pflegt, von der Statistik mit umfaßt sind.
Auch in dieser Erwartung wird der Verbraucher ent- täuscht, da
sich der Preisvergleich tatsächlich auf SB-Märkte in Bielefeld,
Osnabrück, Herford, Detmold und Hamburg bezieht. Zwar haben drei
dieser sechs Konkurrenten auch im weiteren Umkreis von Köln Filia-
len; hierbei handelt es sich jedoch nicht um sämtli- che
Mitbewerber der Beklagten im Raum Köln oder spe- ziell in F..
Dagegen sind andere Konkurrenten - auf dem Lebensmittelsektor Al.
und P. - und bezüglich des gesamten Warensortimentes H., der mit
zwei Filialen im näheren Umkreis von Köln vertreten ist, nicht bei
der Statistik und bei dem Preisvergleich berück- sichtigt. Der
Verbraucher, der somit von der in der angegriffenen Werbung
vorgelegten Statistik und Gra- fik annimmt, es handele sich um
einen Vergleich mit den ihm bekannten Konkurrenten der Beklagten in
der näheren Umgebung, wird somit in seiner Erwartung ent-
täuscht.
Dieser Irrtum des Verbrauchers wird auch nicht durch den Hinweis
ausgeräumt, daß der Preistest im nord- westdeutschen Raum
durchgeführt wurde. Gerade in dem Gebiet um Köln geht der
Verbraucher davon aus, daß er sich im nordwestdeutschen Raum der
Bundesrepublik befindet und der ihm vorgelegte Preistest somit
genau auf den für ihn interessanten regionalen Raum beschränkt.
Tatsächlich sind jedoch in die Statistik nur drei Mitkonkurrenten
der Beklagten einbezogen, die sich im weiteren Umfeld des
angesprochenen Ver- brauchers befinden, während zahlreiche andere
Märkte, die im regionalen Bereich als Konkurrenten der Beklagten
auftreten, keine Berücksichtigung gefunden haben.
Die vorstehend beschriebenen Irreführungen des Ver- kehrs sind
entgegen der Ansicht der Beklagten auch wettbewerblich relevant.
Die streitbefangene Werbung ist geeignet, die angesprochenen
Verkehrskreise zu beeinflussen, sich der Beklagten und ihren
Produkten zuzuwenden, da sie als preisgünstiger dargestellt werden
als die identischen Produkte der Mitkonkurren- ten
(Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 17. Aufl., § 3 UWG Rdnr. 88
m.w.N.).
Die vorstehenden Feststellungen zur Irreführung und Relevanz
können die Mitglieder des Senats - in Óbereinstimmung mit der
Kammer - aus eigener Erfah- rung und Sachkunde treffen, da sie,
ebenso wie der Vorsitzende der Kammer des Landgerichts, zu den von
der Beklagten mit der beanstandeten Werbung angespro- chenen
Verkehrskreise gehören. Nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofes ist es nicht ausgeschlossen, daß der Tatrichter
die Anschauungen der beteiligten Verkehrskreise aufgrund seiner
eige- nen Sachkunde und Lebenserfahrung hinreichend beur- teilen
kann, sofern - namentlich bei Gegenständen des allgemeinen Bedarfs
- die Anschauungen des unbefan- genen Durchschnittsverkäufers zu
ermitteln sind und die Richter des zur Entscheidung berufenen
Kollegiums selbst diesem Personenkreis angehören. Dieser Grund-
satz gilt uneingeschränkt vor allem in den Fällen, in denen das
Gericht eine Irreführung bejahen zu können glaubt, da es insoweit
entscheidend nur auf die Anschauung eines nicht ganz unerheblichen
Teils des Verkehrs ankommt (BGH GRUR 1987, 45, 47 - "Som-
merpreiswerbung" m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt,
da - wie ausgeführt - die Mitglieder des Senats dem mit der Werbung
angesprochenen Perso- nenkreis zuzuordnen sind und weil der Senat
die Irre- führung bejaht.
Soweit die Beklagte einwendet, die Werbung mit Preis-
vergleichen sei grundsätzlich zulässig, soweit sie nicht auf
konkrete Mitbewerber Bezug nehme und in den Preisvergleich nur
identische Artikel einbezogen wor- den seien, so ist darauf
hinzuweisen, daß ihr nicht grundsätzlich ein Preisvergleich
verboten wird. Ein derartiger Preisvergleich findet jedoch seine
Gren- zen, wenn er für die angesprochenen Verbraucher - wie oben
dargelegt - irreführend ist. Auch wenn es sich - wie die Beklagte
in der Berufungsinstanz vorträgt - lediglich um eine
Preisgünstigkeitswerbung handeln sollte, so bezieht sich das
Unterlassungsgebot nicht auf ihr Bemühen, über die allgemeinen
Anpreisungen der Preisgünstigkeit hinausgehende informative Anga-
ben zu machen; das Unterlassungsgebot bezieht sich allein darauf,
daß diese Angaben im konkreten Fall dazu führen, daß bei dem
angesprochenen Verbraucher Vorstellungen über die Preisgünstigkeit
erweckt wer- den, die tatsächlich nicht gegeben sind.
Entgegen der Auffassung der Beklagten werden mit den oben
dargelegten Maßstäben keine strengeren Anforde- rungen an ihre
Werbung gestellt als an eine verglei- chende Werbung; die
streitgegenständliche Werbung ist ebenfalls wie alle anderen
Werbungen lediglich an dem Irreführungsverbot im Sinne des § 3 UWG
gemessen worden.
Da bereits ein Verstoß gegen § 3 UWG gegeben ist, kann es
dahinstehen, ob - wie der Kläger meint - zu- gleich ein Verstoß
gegen § 1 UWG vorliegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Neufassung des Unterlassungstenors der angefoch- tenen
Entscheidung ist lediglich Folge des schon in der ersten Instanz
von der Klägerin gestellten Klageantrags in der konkreten Form der
beanstandeten Wettbewerbshandlung der Beklagten. Eine Klageänderung
oder teilweise Klagerücknahme ist somit mit der Um- formulierung
des Unterlassungstenors nicht verbunden, so daß sich dies auf die
Kosten des Rechtsstreits nicht auswirkt.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbar- keit ergeht
nach §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die nach § 546 Abs. 2 ZPO festzusetzende Beschwer für die
Beklagte entspricht dem Wert ihres Unterliegens im
Rechtsstreit.
OLG Köln:
Urteil v. 08.07.1994
Az: 6 U 248/93
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/f184d01013c2/OLG-Koeln_Urteil_vom_8-Juli-1994_Az_6-U-248-93