Bundesgerichtshof:
Urteil vom 5. März 2013
Aktenzeichen: X ZR 1/12

(BGH: Urteil v. 05.03.2013, Az.: X ZR 1/12)

Tenor

Die Berufung gegen das am 4. August 2011 verkündete Urteil des 10. Senats (Juristischen Beschwerdesenats und Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 158 098 (Streitpatents), das am 5. Dezember 1997 unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 17. Dezember 1996 angemeldet worden ist und die Verwendung eines textilen Gitters zum Bewehren bitumengebundener Asphaltschichten betrifft. Patentanspruch 1, auf den die übrigen zehn Patentansprüche zurückbezogen sind, hat im Einspruchsverfahren in der Verfahrenssprache folgende Fassung erhalten:

"Verwendung eines weitmaschigen, textilen Gitters zum Bewehren bitumengebundener Asphalt-Schichten, insbesondere Straßendecken, das im Wesentlichen aus zwei Sätzen paralleler, lastaufnehmender Fäden (1 und 2) besteht,

- wobei sich ein Satz Fäden (1) in Längsrichtung des Gitters und der andere Satz Fäden (2) quer zur Längsrichtung des Gitters erstreckt und die Fäden (1 und 2) aus Glasfasern oder Chemiefasern wie Polymerisatfasern oder Polykondensatfasern bestehen, 1

- wobei das Gitter mit einem bitumenaffinen Haftmittel (6) überzogen ist oder die sich kreuzenden Fäden (1, 2) des Gitters aus einem bitumenaffinen, insbesondere an Bitumen haftendem Material bestehen,

- wobei die sich kreuzenden Fäden (1, 2) auf ein dünnes Vlies (3) aufgeraschelt sind, dadurch gekennzeichnet, dass ein dünnes Vlies (3) mit einem Gewicht von 10 bis 50 g/m verwendet wird, welches eine gute Verzahnung der groben Körner des auf das Gitter aufgebrachten Asphalt-Mischguts mit den groben Körnern des unter dem Gitter befindlichen Mischguts ermöglicht und nicht als Trennschicht zwischen der unter dem Gitter und der über dem Gitter befindlichen Asphaltschicht wirkt."

Die Klägerin hat das Streitpatent mit der Begründung angegriffen, sein Gegenstand gehe über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinaus und sei nicht patentfähig.

Das Patentgericht hat das Streitpatent antragsgemäß für nichtig erklärt. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie das Streitpatent in erster Linie in der Fassung aus dem Einspruchsverfahren und mit zwei Hilfsanträgen in abermals geänderter Fassung verteidigt. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Der Senat hat ein schriftliches Gutachten von Prof. Dr. P. herangezogen, das dieser im Auftrag des Se- nats in dem von der Klägerin eingeleiteten Rechtsstreit X ZR 117/09 erstattet hat, der das aus derselben Anmeldung wie das Streitpatent hervorgegangene europäische Patent 956 392 betrifft. Der gerichtliche Sachverständige hat dieses Gutachten in der mündlichen Verhandlung, die für beide Verfahren gemeinsam stattgefunden hat, erläutert und ergänzt. 2

Gründe

Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg.

I. Das Streitpatent betrifft in der Fassung, die es im Einspruchsverfahren erhalten hat, die Verwendung eines textilen Gitters zum Bewehren bitumengebundener Asphaltschichten.

1. In der Streitpatentschrift wird ausgeführt, ein mit einem Vliesstoff verbundenes Gitter für die Bewehrung von Asphaltschichten sei aus der europäischen Patentanmeldung 413 295 (D1) bekannt. Der dort offenbarte Vliesstoff solle eine gute Bitumensaugfähigkeit aufweisen, so dass er beim Verlegen des Geotextils bitumenimprägniert werde und als Wassersperre wirke. Aus der deutschen Offenlegungsschrift 2 000 937 (D3) sei ein weitmaschiges textiles Gitter zum Bewehren von Straßendecken bekannt, das mit einem bitumenaffinen Haftmittel beschichtet sei. Dieses Gitter habe wegen der Beschichtung eine halbsteife Konsistenz. Deshalb bestehe die Gefahr, dass es im Zeitraum zwischen seiner Verlegung und der Aufbringung der oberen Asphaltschicht verrutsche oder Falten aufwerfe, insbesondere wenn Fahrzeuge darüber führen.

Das Streitpatent betrifft vor diesem Hintergrund das technische Problem, ein Textil zum Bewehren bitumengebundener Asphaltschichten zur Verfügung zu stellen, das besser als die bekannten Gitter auf einer vorbereiteten Ebene haftet und keine Trennschicht zwischen den beiden Schichten der Straßendecke bildet.

2. Zur Lösung dieses Problems schlägt das Streitpatent in Anspruch 1 eine Verwendung vor, deren Merkmale sich wie folgt gliedern lassen: 5 1. Ein weitmaschiges textiles Gitter wird zum Bewehren von bitumengebundenen Asphalt-Schichten, insbesondere von Straßendecken, verwendet.

2. Das Gitter besteht im Wesentlichen aus zwei Sätzen paralleler lastaufnehmender Fäden (1, 2).

3. Die Fäden (1, 2) bestehen aus Glasfasern oder Chemiefasern wie Polymerisatfasern oder Polykondensatfasern.

4. Ein Satz Fäden (1) erstreckt sich in Längsrichtung des Gitters.

5. Der andere Satz Fäden (2) erstreckt sich quer zur Längsrichtung des Gitters.

6. Das Gitter ist in der nachfolgend aufgeführten Weise mit einem bitumenaffinen Haftmittel versehen:

6.1 Entweder ist das Gitter mit dem Haftmittel überzogen 6.2 oder die sich kreuzenden Fäden des Gitters bestehen aus einem bitumenaffinen, insbesondere an Bitumen haftenden Material.

7. Die sich kreuzenden Fäden sind auf ein dünnes Vlies aufgeraschelt.

8. Das Vlies weist ein Gewicht von 10 bis 50 g/m auf.

9. Das Vlies wirkt nicht als Trennschicht zwischen der unter dem Gitter und der über dem Gitter befindlichen Asphaltschicht.

10. Das Vlies ermöglicht eine gute Verzahnung der groben Körner des auf das Gitter aufgebrachten Asphalt-Mischguts mit den groben Körnern des unter dem Gitter befindlichen Mischguts.

3. Einige Merkmale bedürfen näherer Erörterung.

a) In der Streitpatentschrift wird nicht ausdrücklich ausgeführt, unter welchen Voraussetzungen ein Gitter als weitmaschig im Sinne von Merkmal 1 anzusehen ist. Der Funktion, die dem Gitter nach dem Streitpatent zukommt, und den in der Streitpatentschrift enthaltenen Ausführungen zum Stand der Technik ist jedoch zu entnehmen, dass die Maschenweite deutlich größer sein 10 muss als der größte Korndurchmesser des zur Anwendung gelangenden Mischguts.

Aus Merkmal 9 ergibt sich, dass das textile Gitter zur Bewehrung zwischen zwei aufeinanderliegenden Asphaltschichten verwendet werden soll. Einem in dieser Weise verwendeten textilen Gitter kommt, wie der gerichtliche Sachverständige näher erläutert hat, die Funktion zu, im Asphalt auftretende Zugkräfte aufzunehmen und so der Bildung oder Ausdehnung von Rissen entgegenzuwirken. Hierzu muss die Bewehrung möglichst geradlinig in einer Ebene wirken können. Andererseits sollten die beiden aneinandergrenzenden Asphaltschichten möglichst gut miteinander verbunden sein. Dies kann erreicht werden, indem die Maschenweite des Gitters so ausgewählt wird, dass sie deutlich über dem größten Korndurchmesser jedenfalls der oberen Asphaltschicht liegt.

Diese Überlegungen liegen auch dem Streitpatent zugrunde. In der Streitpatentschrift wird ausgeführt, die Maschenweite sollte vorzugsweise zwei- bis zweieinhalbmal größer sein als der größte Korndurchmesser des zur Anwendung gelangenden Mischguts (Sp. 2 Z. 4 bis 6). Diese Ausführungen setzen sich zwar mit dem Stand der Technik auseinander. Als Nachteil von bekannten Gittern mit diesen Merkmalen wird in der Streitpatentschrift jedoch nur deren halbsteife Konsistenz angegeben, die zu Schwierigkeiten beim Verlegen führe. Diese Schwierigkeiten werden nach dem Streitpatent dadurch überwunden, dass ein zur Bewehrung geeignetes, weitmaschiges Gitter auf ein Vlies aufgebracht wird. Eine besondere, vom Stand der Technik abweichende Geometrie dieses Gitters ist in der Streitpatentschrift nicht beschrieben. Daraus ergibt sich, dass die Maschenweite des Gitters deutlich, vorzugsweise zwei- bis zweieinhalbmal, größer sein muss als der größte Korndurchmesser des zur Anwendung gelangenden Mischguts. 12 b) Die Eigenschaften des in den Merkmalen 8 bis 10 näher definierten Vlieses, auf das die sich kreuzenden Fäden des Gitters aufgeraschelt sind, müssen ebenfalls auf die Beschaffenheit des zur Anwendung gelangenden Mischguts abgestimmt sein.

Dem Vlies kommt nach den Ausführungen in der Streitpatentschrift die Funktion zu, die Haftung des verlegten Gitters auf der unteren Asphaltschicht erheblich zu verstärken und dennoch eine gute Verzahnung der beiden Asphaltschichten zu erreichen (Sp. 2 Z. 35 bis 45). Hierzu ist das verwendete Vlies gemäß den Merkmalen 9 und 10 so ausgebildet, dass es nicht als Trennschicht zwischen den beiden Asphaltschichten wirkt, sondern eine gute Verzahnung zwischen diesen beiden Schichten ermöglicht. Die konkrete Beschaffenheit, die hierfür erforderlich ist, hängt von der Beschaffenheit der beiden Asphaltschichten ab, deren Verzahnung das Vlies ermöglichen soll.

II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Der Gegenstand des Streitpatents sei nicht neu. Die europäische Patentanmeldung 413 295 (D1) offenbare ein Geotextil für die Bewehrung von Asphaltschichten, das alle räumlichgegenständlichen Merkmale der vom Streitpatent geschützten Verwendung aufweise. Dies gelte auch für die Merkmale 6.2 und 8. Das in D1 offenbarte Gitter müsse zwangsläufig Fäden aus einem an Bitumen haftenden Material aufweisen, weil der Verbund zwischen dem Geotextil und den Asphaltschichten durch ein Haftmittel wie zum Beispiel reines Bitumen erreicht werden solle. Der im Streitpatent beanspruchte Bereich für das Flächengewicht (10 g/m bis 50 g/m) falle mit seinem oberen Grenzwert in den Offenbarungsgehalt von Anspruch 9 der Entgegenhaltung (50 g/m bis 300 g/m). Die Merkmale 9 und 10 beschränkten sich auf bloße Wirkungsangaben. Mit ihnen werde lediglich der angestrebte Erfolg angegeben, der aus der Kombination der Merkmale 2 bis 8 resultiere. Da das in D1 offenbarte Gitter 14 diese Merkmale aufweise, müsse zwangsläufig auch deren resultierende Wirkung dieselbe sein. Dass in D1 auch die Verwendung eines solchermaßen definierten Gitters offenbart sei, ergebe sich schon aus den einleitenden Worten in der Beschreibung der Entgegenhaltung, wonach die dort offenbarte Erfindung ein Geotextil für die Bewehrung von Asphaltschichten im Straßenbau betreffe.

III. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsverfahren nur im Ergebnis stand.

1. Entgegen der Auffassung des Patentgerichts ist der Gegenstand von Patentanspruch 1 des Streitpatents neu.

a) Die auch in der Streitpatentschrift angeführte europäische Patentanmeldung 413 295 (D1) offenbart ein Geotextil für die Bewehrung von Asphaltschichten im Straßenbau, das viele der im Streitpatent aufgeführten Merkmale aufweist, jedenfalls aber nicht das Merkmal 9.

In D1 werden die grundsätzlichen Vor- und Nachteile einer Gitter- und einer Vliesstruktur angeführt und der Vorschlag unterbreitet, die Vorteile durch einen Verbund beider Strukturen zu kombinieren. Anders als bei der vom Streitpatent geschützten Verwendung ist die in D1 offenbarte Vlieskomponente jedoch so ausgebildet, dass sie ein Durchdringen von Wasser verhindert. Sie wirkt damit als Trennschicht und als Hindernis gegen mechanische Verzahnung. Damit fehlt es an Merkmal 9.

Eine andere Beurteilung ergibt sich nicht daraus, dass sich der in D1 offenbarte Bereich für das Flächengewicht des Vliesstoffs (50 g/m bis 300 g/m) in einem Wert mit dem vom Streitpatent beanspruchten Bereich (10 g/m bis 50 g/m) berührt. Zwar mag ein Vlies bei bestimmten Einsatzbedingungen auch mit den in D1 offenbarten Werten so beschaffen sein, dass es nicht mehr als Trennschicht wirkt. Dies führt entgegen der Auffassung des Patentgerichts je-18 doch nicht zur Offenbarung von Merkmal 9. In D1 wird weder offenbart noch nahegelegt, das Vlies so zu verwenden, dass es nicht als Trennschicht zwischen den beiden Asphaltschichten wirkt. Ob ein Vlies wasserdurchlässig ist oder als Trennschicht gegen Wasser wirkt, hängt, wie die Klägerin in anderem Zusammenhang dargelegt hat, nicht allein vom Flächengewicht des Vliesstoffs ab, sondern in erster Linie davon, wie stark das Vlies mit Bitumen getränkt oder imprägniert ist. Der Einsatz eines Vliesstoffs mit den in D1 offenbarten Eigenschaften führt mithin nicht ohne weiteres zur Verwirklichung von Merkmal 9. Entscheidend ist vielmehr, ob und in welcher Weise das Vlies mit Imprägniermitteln versehen wird. Den Ausführungen in D1, in denen die Wasserundurchlässigkeit ausdrücklich hervorgehoben wird, lässt sich auch vor diesem Hintergrund nicht unmittelbar und eindeutig entnehmen, das Vlies so auszugestalten, dass es nicht als Trennschicht wirkt.

b) In der französischen Gebrauchsmusteranmeldung 2 713 253 (D29) ist ein Komplexmaterial zur Verstärkung von Asphalt offenbart, das im Wesentlichen demselben Zweck dient wie die vom Streitpatent geschützte Verwendung, aber nicht die Merkmale 6 und 7 aufweist.

Auch in D29 werden als Nachteile einer Gitterstruktur die Schwierigkeiten beim Verlegen und beim Befahren mit Fahrzeugen vor der Aufbringung der oberen Asphaltschicht geschildert. Zur Vermeidung dieser Nachteile wird ein Komplexmaterial offenbart, das aus einem Gitter und einem Vlies besteht.

aa) Als bevorzugtes Material für das Gitter wird Glasfilamentgarn angegeben (S. 3 Abs. 2). Die Maschenweite beträgt bei einem Ausführungsbeispiel 40 x 26 mm (S. 5). Ergänzend wird ausgeführt, die Maschen sollten relativ groß sein, damit selbst die gröbsten Kieselsteine im Belag direkten Kontakt mit dem Unterbau erhielten (S. 2 Abs. 1). 23 Damit sind die Merkmale 1 bis 5 offenbart. Das in D29 beschriebene Gitter ist weitmaschig im Sinne von Merkmal 1, es besteht aus Glasfasern und damit aus einem der in Merkmal 3 aufgeführten Materialien und setzt sich aus zwei Sätzen paralleler lastaufnehmender Fäden zusammen, die in Längs- und Querrichtung verlaufen, wie dies in den Merkmalen 2, 4 und 5 vorgesehen ist.

Nicht ausdrücklich offenbart ist Merkmal 6. In dem in D29 geschilderten Ausführungsbeispiel wird eine Haftschicht in Form einer Bitumenemulsion vielmehr auf die untere Asphaltschicht aufgebracht (S. 5 unten). Als Alternative wird zwar in Betracht gezogen, auf diejenige Seite, die mit dem Boden in Kontakt sein soll, einen Stoff mit Hafteigenschaften aufzubringen (S. 7). Die Seite, die mit der unteren Asphaltschicht in Kontakt steht, ist jedoch jedenfalls in dem geschilderten Ausführungsbeispiel nicht das Gitter, sondern das Vlies (S. 6 oben).

bb) Das in D29 offenbarte Vlies weist ein Flächengewicht von 25 g/m auf (S. 5 oben). Es besteht aus einem Material, das beim Aufbringen der oberen Asphaltschicht zerstört wird, wenn dessen Temperatur 150¡C oder mehr beträgt. Dadurch erhält das Material eine Gitterstruktur, wodurch eine optimale Verbindung zwischen dem Untergrund und der Deckschicht erreicht wird (S. 6).

Damit sind die Merkmale 8 bis 10 offenbart.

Wie bei der vom Streitpatent geschützten Verwendung können auch mit dem in D29 offenbarten Material die Vorteile, die eine Vliesstruktur beim Verlegen und vor dem Aufbringen der oberen Asphaltschicht bietet, genutzt werden, ohne die Verbindung zwischen den beiden Asphaltschichten zu beeinträchtigen. Dass die in D29 offenbarte Vliesstruktur beim Aufbringen der oberen Asphaltschicht zerstört wird, steht der Offenbarung der Merkmale 9 und 10 nicht entgegen. Zwar setzt die Beschreibung des Streitpatents implizit voraus, dass das Vlies auch nach dem Aufbringen der Oberschicht noch vorhanden ist, weil die in 26 den Merkmalen 9 und 10 definierten Wirkungen dadurch erzielt werden, dass das Vlies hinreichend dünn und nachgiebig ist (Sp. 2 Z. 38 bis 41). Dies hat in der Fassung, die Patentanspruch 1 im Einspruchsverfahren erhalten hat, jedoch keinen Niederschlag gefunden. Deshalb sind die genannten Merkmale auch dann verwirklicht, wenn die darin definierten Wirkungen durch Zerstörung des Vlieses beim Einbringen der oberen Asphaltschicht erreicht werden.

Nicht offenbart ist das Merkmal 7. Zwar werden in D29 mehrere verschiedene Möglichkeiten zum Herstellen der Verbindung zwischen dem Gitter und dem Vlies aufgeführt (S. 4 Abs. 4 und 5), darunter mit Nähen und Stricken auch zwei Verfahren, die relativ große Ähnlichkeit mit dem in Merkmal 7 vorgesehenen Aufrascheln aufweisen. Dennoch ist dieses Merkmal in D29 nicht unmittelbar und eindeutig offenbart.

c) Die sonstigen Entgegenhaltungen liegen weiter ab und bedürfen keiner eingehenderen Befassung. Auch in diesen Entgegenhaltungen sind jedenfalls die Merkmale 9 und 10 nicht offenbart.

2. Das angefochtene Urteil erweist sich jedoch im Ergebnis als richtig. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 des Streitpatents beruht nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

a) Im Stand der Technik war aus verschiedenen Entgegenhaltungen bekannt, dass der Bildung von Rissen in Straßenbelägen aus Asphalt durch Einbau von Geotextilien entgegengewirkt werden kann. Zu den als geeignet angesehenen Maßnahmen gehörten die Bewehrung einer Asphaltschicht mit einer gitterförmigen Textilstruktur, um schon die Bildung von Rissen zu verhindern, sowie der Einbau einer Zwischenlage aus Vliesstoff, um eine Abdichtung gegen Wasser zu erreichen und die Fortpflanzung von Rissen von einer Asphaltschicht in die andere zu verhindern. Bekannt waren auch Kombinationen aus Vlies und Gitter, die im Vergleich zu einer bloßen Gitterstruktur zusätzliche 31 Vorteile beim Verlegen bieten. Bei dem in D1 offenbarten Geotextil dient die Kombination beider Strukturen zusätzlich auch der Verwirklichung aller anderen Funktionen, die mit einem Vlies erreicht werden können. Bei der in D29 offenbarten Kombination hat das Vlies hingegen lediglich die Funktion, in der Verlegephase bis zum Aufbringen der oberen Asphaltschicht eine leichtere Bearbeitung zu ermöglichen; eine gegen Wasser abdichtende oder die beiden Schichten trennende Wirkung wird dagegen zugunsten einer guten Verzahnung der beiden Asphaltschichten vermieden.

Aus diesen unterschiedlichen Ausgestaltungen ergab sich für den Fachmann, dass eine Kombination aus Vlies und Gitter nicht nur dann eingesetzt werden kann, wenn eine Dicht- oder Trennwirkung angestrebt wird, sondern dass die Verwendung eines Vlieses als Verlegehilfe auch dann sinnvoll ist, wenn eine gute Verzahnung der beiden Asphaltschichten erreicht werden soll.

Aus D29 ergab sich für den Fachmann zusätzlich der Hinweis, dass der dort offenbarte Weg, die Vliesschicht so auszugestalten, dass sie sich beim Aufbringen der oberen Asphaltschicht durch Wärmeeinwirkung auflöst und damit eine optimale Verzahnung der beiden Asphaltschichten ermöglicht, nur gangbar ist, wenn die für die Auflösung erforderliche Mindesttemperatur erreicht wird, die in D29 mit 150¡C angegeben ist.

Dies gab dem Fachmann Anlass, nach Abwandlungen zu suchen, bei denen die in D29 beschriebenen Funktionen des Vlieses auch dann verwirklicht werden können, wenn die genannte Temperaturgrenze nicht erreicht wird. Ausgehend davon hatte der Fachmann Veranlassung, nach anderen Verbundmaterialien zu suchen, bei denen dem Vlies zwar die in D1 und D29 beschriebene Funktion als Verlegehilfe zukommt, nicht aber die in D1 zusätzlich angestrebte Dichtungs- und Trennfunktion. 35 Eine solche Suche führte den Fachmann jedenfalls zu dem Material Macrit GTV/31, das ausweislich der in LS 6.3 veröffentlichten Anzeigen schon vor dem Prioritätstag auch für Bodenbewehrung und Bitumendecken angeboten worden ist und das ein perforiertes, dünnes und nachgiebiges Vlies aufweist. Zwar war dieses Material aufgrund der geringen Maschenweite des Gitters für die vom Streitpatent geschützte Verwendung allenfalls in Ausnahmefällen geeignet. Für den mit der Herstellung von Verbundmaterialien betrauten Fachmann, der die im Stand der Technik bekannten weitmaschigen Gitter entsprechend der Anregung aus D29 mit einem besser geeigneten Vlies kombinieren wollte, stellte dies aber keinen Grund dar, diese Anregung zu verwerfen. Er konnte die Maschenweite des Gitters ohne weiteres an den angestrebten Verwendungszweck anpassen und hatte aufgrund der Anregung in D29 auch Anlass hierzu.

Ob Macrit GTV/31 am Prioritätstag bereits mit einem Haftmittelüberzug mit den in Merkmal 6 definierten Eigenschaften verfügbar war, bedarf keiner Aufklärung. Die Ausgestaltung des Gitters in dieser Weise war jedenfalls durch D29 und D1 nahegelegt. Anlass, das Gitter entsprechend Merkmal 6.1 zumindest aus einem bitumenaffinen Material auszugestalten, ergab sich schon aus dessen Zwecksetzung, nämlich der Bewehrung der oberen Asphaltschicht. Unabhängig davon wird auch in D1 ein Vliesstoff mit Bitumensaugfähigkeit als vorzugswürdig bezeichnet (Sp. 3 Z. 19 bis 21). Ferner wird ausgeführt, die Auswahl des Rohstoffs für das Gewebe sei ähnlich wie beim Vliesstoff. Besonders zu bevorzugen sei, beide Komponenten aus dem gleichen Rohstoff herzustellen (Sp. 3 Z. 25 bis 29). Dies gab dem Fachmann auch bei einer Ausgestaltung nach dem Vorbild von D29 Anlass, für das Gitter ebenfalls ein bitumenaffines Material auszuwählen. Den von der Beklagten hervorgehobenen konzeptionellen Unterschieden zwischen D1 und D29 kommt insoweit keine ausschlaggebende Bedeutung zu, weil das Gitter nach beiden Konzepten dieselbe Funktion hat. 38 b) Für die mit Hilfsantrag 1 verteidigte Fassung von Patentanspruch 1 gilt nichts anderes.

Nach diesem Hilfsantrag ist als zusätzliches Merkmal vorgesehen, dass das Vlies so dünn und nachgiebig ist, dass die in den Merkmalen 9 und 10 beschriebenen Wirkungen eintreten. Damit wird der Gegenstand des Streitpatents zwar implizit auf Ausführungsformen beschränkt, bei denen das Vlies beim Aufbringen der oberen Asphaltschicht nicht zerstört wird. Auch solche Ausführungsformen waren dem Fachmann aber aus den bereits genannten Gründen durch D29 nahegelegt.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist den Ausführungen in D29 kein Vorurteil dahin zu entnehmen, dass die Vliesschicht nach dem Aufbringen der oberen Asphaltschicht nicht mehr vorhanden sein darf. In D29 ist der Gedanke, von den vorteilhaften Wirkungen eines Vlieses nur während des Verlegens Gebrauch zu machen, zwar gewissermaßen in Reinform verwirklicht. Dieser Vorschlag führt aber nicht zu der Schlussfolgerung, das Vlies müsse zwingend zerstört werden. Als entscheidende Anregung ergibt sich aus D29 vielmehr, das Vlies so auszugestalten, dass es nach dem Aufbringen der oberen Asphaltschicht nicht als Trennschicht wirkt. Dass dies auch mit einem Vlies möglich ist, das beim Aufbringen der oberen Asphaltschicht nicht zerstört wird, aber so dünn und nachgiebig ist, dass es einer Verzahnung der beiden Asphaltschichten nicht im Wege steht, ergab sich für den Fachmann spätestens bei der Betrachtung am Markt erhältlicher Materialien wie Macrit GTV/31, das ein solches Vlies bereits aufwies.

c) Für die mit Hilfsantrag 2 verteidigte Fassung von Patentanspruch 1 ergibt sich ebenfalls keine abweichende Beurteilung. 40 In dieser Fassung soll das Teilmerkmal 6.1 entfallen. Damit gehören nur noch solche Ausführungsformen zum Gegenstand des Streitpatents, bei denen die Fäden des Gitters selbst aus einem bitumenaffinen Material bestehen.

Diese Ausgestaltung ist aus den bereits oben dargelegten Gründen jedenfalls durch D29 und D1 nahegelegt.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG und § 97 Abs. 1 ZPO.

Meier-Beck Mühlens Gröning Bacher Hoffmann Vorinstanz:

Bundespatentgericht, Entscheidung vom 04.08.2011 - 10 Ni 38/10 (EU) - 44






BGH:
Urteil v. 05.03.2013
Az: X ZR 1/12


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