Bundespatentgericht:
Beschluss vom 8. November 2004
Aktenzeichen: 30 W (pat) 85/04

(BPatG: Beschluss v. 08.11.2004, Az.: 30 W (pat) 85/04)

Tenor

Die Beschwerde der Inhaberin der jüngeren Marke wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

In das Markenregister eingetragen am 11. Februar 2000 unter 399 81 206 ist die Wortmarke Novotopnach Teillöschung im Erinnerungsverfahren noch für die Warenverschreibungspflichtige pharmazeutische Erzeugnisse und Substanzen für die Hormonersatztherapie, Pflaster zur Applikation dieser Erzeugnisse.

Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der seit dem 14. Januar 1999 unter IR 704 446 für die Waren Preparations hormonales delivrees sur ordonnanceeingetragenen IR-Marke NOVITROP.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat in zwei Beschlüssen, einen davon im Erinnerungsverfahren ergangen, bei identischen und ähnlichen Waren und durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auch bei Verschreibungspflicht der Widerspruchswaren eine Verwechslungsgefahr wegen des ähnlichen klanglichen Gesamteindrucks bejaht.

Die Inhaberin der jüngeren Marke hat Beschwerde eingelegt. Sie trägt im wesentlichen vor, dass sich durch die abweichende Vokalfolge und den zusätzlichen Konsonanten "R" ein unterschiedliches Gesamtklangbild und ein abweichendes Schriftbild ergebe. Der Bestandteil "Novo" sei ein typischer Stammbestandteil ihrer Arzneimittel, der der Widerspruchsmarke fehle, zudem bestehe beim Vergleich der letzten Silbe ein begrifflicher Unterschied. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei zudem geschwächt aufgrund von Drittmarken im einschlägigen Warenbereich.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben und den Widerspruch zurückzuweisen.

Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie trägt im wesentlichen vor, dass trotz Verschreibungspflicht wegen der gleichen Indikation Verwechslungsgefahr bestehe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Markenstelle hat nach Auffassung des Senats die Gefahr von Verwechslungen zwischen den Marken zutreffend beurteilt und die Löschung der angegriffenen Marke zu Recht angeordnet, § 9 Absatz 1 Nr 2 MarkenG.

Die Frage der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der zueinander in Wechselbeziehung stehenden Faktoren der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke zu beurteilen, wobei insbesondere ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren ausgeglichen werden kann und umgekehrt (BGH in ständiger Rechtsprechung, vgl WRP 2004, 1043 - NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX; GRUR 2004, 235, 236 - Davidoff II).

1. Bei seiner Entscheidung geht der Senat von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke aus. Zwar enthält die Widerspruchsmarke in ihrem Bestandteil "Nov-" einen beschreibenden Anklang an die Bedeutung "neu", dies führt jedoch angesichts des angefügten weiteren Vokals "I" und der übrigen Bestandteile bei der Beurteilung des Gesamteindrucks jedoch nicht zu einer deutlicheren Kennzeichnungsschwäche der Widerspruchsmarke.

Insbesondere läßt sich keine Schwächung der Kennzeichnungskraft durch eine erhebliche Anzahl von Drittmarken feststellen. So ergeben sich aus der Roten Liste 2004 lediglich eine geringe Anzahl von Marken mit dem Bestandteil "Novi".

2. Ausgehend von der Registerlage können die Marken zur Kennzeichnung identischer Waren im Bereich der Hormonpräparate verwendet werden. Zwar besteht auf beiden Seiten Rezeptpflicht, was verwechslungsmindernd zu berücksichtigen ist. So kommt es bei verschreibungspflichtigen Medikamenten zwar grundsätzlich verstärkt auf die Betrachtungsweise des fachkundigen Personenkreises an, der erfahrungsgemäß im Umgang mit Arzneimitteln sorgfältiger ist und deshalb seltener Markenverwechslungen unterliegt, was nicht nur der klanglichen, sondern auch schriftbildlichen Verwechslungsgefahr entgegenwirkt. Aber auch die Endabnehmer, bei denen auf den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen ist, dessen Aufmerksamkeit je nach Art der Waren unterschiedlich hoch sein kann, pflegen allem, was mit Gesundheit zusammenhängt, eine gesteigerte Aufmerksamkeit beizumessen (vgl BGH GRUR 1995, 50, 53 Indorektal/Indohexal).

Im vorliegenden Fall ist jedoch zu berücksichtigen, dass auch beim Erwerb rezeptpflichtiger Arzneimittel grundsätzlich mündliche Benennungen durch den Patienten nicht vernachlässigt werden dürfen, da die Rezeptpflicht zwar mündliche Benennungen reduziert, aber diese nicht ausschließt. Da es bei der Verabreichung von Hormonpräparaten auch nicht stets um die Behandlung schwerwiegender Erkrankungen geht, ist es nicht ausgeschlossen, dass mündliche Bestellungen erfolgen und auch Rezepte nachgereicht werden. Insbesondere in dem Bereich der Kontrazeptiva für den nach den Erklärungen beider Beteiligten die einander gegenüberstehenen Präparate bestimmt sind, kann nicht von einer besonders gesteigerten Aufmerksamkeit der angesprochenen Verkehrskreise ausgegangen werden.

3. Unter Anwendung des damit anzulegenden strengen Maßstabs ist ein zur Vermeidung von Verwechslungen ausreichender Markenabstand nicht mehr eingehalten.

Die Ähnlichkeit von Wortzeichen ist anhand ihres klanglichen und schriftbildlichen Eindrucks sowie ihres Sinngehalts zu ermitteln. Für die Annahme einer Verwechslungsgefahr reicht in aller Regel bereits die hinreichende Übereinstimmung in einer Hinsicht aus. Dabei kommt es auf den jeweiligen Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Zeichen an. Dies entspricht dem Erfahrungssatz, dass der Verkehr Marken regelmäßig in der Form aufnimmt, in der sie ihm entgegentreten und sie nicht einer analysierenden, zergliedernden, möglichen Bestandteilen und deren Bedeutung nachgehenden Betrachtung unterzieht. Dabei bleibt auch ein beschreibender Bestandteil bei der Feststellung des Gesamteindrucks nicht außer Betracht, sondern ist mitzuberücksichtigen. Zudem ist bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr grundsätzlich mehr auf die gegebenen Übereinstimmungen der zu vergleichenden Zeichen als auf die Unterschiede abzustellen (vgl BGH aaO - NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX).

Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich, dass die sich gegenüberstehenden Marken in ihrem klanglichen Gesamteindruck verwechselbar ähnlich sind. Die beiden Marken stimmen in ihrer Silbenanzahl, der Silbengliederung und ihrer Betonung überein. Hinsichtlich der Buchstabenfolge besteht Übereinstimmung in zwei von drei Vokalen sowie bis auf eine Abweichung auch in der Konsonantenfolge. Dabei liegen die Übereinstimmungen in drei Buchstaben am Wortanfang, die beiden einzigen Abweichungen dagegen liegen in der unbetonten Wortmitte und am Anfang der letzten Silbe am weniger beachteten Wortende.

Da es eine Frage des Einzelfalls ist, welchen Einfluß Silben in der Wortmitte auf den klanglichen Gesamteindruck haben, (vgl BGH GRUR 2001, 1161, 1163 CompuNet/ComNet) und hier keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass dem Verkehr die unterschiedlichen Vokale "o" statt "I" in der grundsätzlich unauffälligen Wortmitte besonders auffallen werden, wirkt sich diese Abweichung auf den klanglichen Gesamteindruck nicht wesentlich aus. Der zusätzliche Konsonant "R" in der letzten Silbe in der Widerspruchsmarke wird nach dem betonten und auffälligen Sprenglaut "t" am Anfang der letzten Silbe eher verschluckt und geht am Wortende unter. Wegen des hohen Maßes an Übereinstimmungen besteht somit nicht unerhebliche klangliche Zeichenähnlichkeit.

Demgegenüber wirkt sich ein möglicher unterschiedlicher Sinngehalt in den beiden letzten Silben nicht ausreichend deutlich aus. Die Anlehnung an den griechischen Begriff "topos" für "Ort, Platz" und damit die Bedeutung "Wirkung an einer ganz bestimmten Stelle" und die Anlehnung des Bestandteils "trop" an den griechischen Begriff "tropos" für "Drehung, Wendung, Richtung" und damit die Bedeutung "allgemeine Verwendung für, generell gerichtet auf" dürfte zum einen dem allgemeinen Verkehr, der hier auch angesprochen ist, nicht geläufig sein. Zum anderen ergibt sich zwischen beiden Bestandteilen kein sehr wesentlicher Unterschied im Sinngehalt, da beide Begriffe die Verwendung bzw Wirkung beschreiben, so dass ein unterschiedlicher Bedeutungsgehalt nicht deutlich wird.

Unter Berücksichtigung normaler Kennzeichnungskraft und Warenidentität kann demnach eine Verwechslungsgefahr in klanglicher Hinsicht nicht verneint werden.

Zur Auferlegung von Kosten bietet der Streitfall keine Veranlassung, § 71 Absatz 1 Satz 2 MarkenG.

Dr. Buchetmann Schramm Hartlieb Hu






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Beschluss v. 08.11.2004
Az: 30 W (pat) 85/04


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