Landgericht Hamburg:
Urteil vom 17. Juli 2012
Aktenzeichen: 310 O 460/11
(LG Hamburg: Urteil v. 17.07.2012, Az.: 310 O 460/11)
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens € 250.000,00; Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre),
zu unterlassen,
den nachfolgend abgebildeten Luftbildausschnitt ohne Zustimmung des Klägers im Rahmen ihrer Internethomepage auf dem Webserver zu vervielfältigen und/oder über das Internet öffentlich zugänglich zu machen, wie unter diesen Internetadressen (URL) geschehen:
http://www...de/.html
http://www...de/img/.jpg
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger die Summe von € 1.349,10 zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 (fünf) Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.01.2012 zu zahlen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist hinsichtlich des Ausspruchs zu Ziffer 1. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 5.000,00 und im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger verlangt von der Beklagten in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter wegen der Verletzung von Urheber- bzw. Leistungsschutzrechten an einem Luftbildausschnitt Unterlassung, Schadensersatz in Form einer fiktiven Lizenzgebühr und Erstattung der Kosten für eine vorgerichtliche rechtsanwaltliche Abmahnung sowie für ein anwaltliches Abschlussschreiben nach einem zwischenzeitlich durchgeführten einstweiligen Verfügungsverfahren.
Der Kläger ist durch Beschluss des Amtsgerichts Magdeburg € Insolvenzgericht € vom 01.12.2011, Az. 340 IN 828/11 (351) (Anlage K 1), zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma G. GmbH (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin) bestellt worden. Die Insolvenzschuldnerin stellt gewerbsmäßig Luftbildaufnahmen her und vertreibt diese. Ihr Kernprodukt ist eine digitale Luftbildkarte, die in hoher Auflösung einen großen Teil der Bundesrepublik Deutschland abbildet. Es handelt sich dabei um eine elektronisch aufbereitete Kombination von fotografisch im Überflug erstellten Luftbildern. Die Insolvenzschuldnerin hat die ausschließlichen Nutzungsrechte an ihrer digitalen Luftbildkarte und den dabei verwendeten Luftbildaufnahmen inne. Sie hat ihr Bildmaterial verschiedentlich lizenziert. Sie bietet die Nutzung von Aufnahmen auf der Basis eines detaillierten Preis- und Lizenzmodells an (Anlagenkonvolut K 2).
Die Beklagte betreibt auf einem der fotografierten Grundstücke eine Spedition. Sie unterhält für ihr Unternehmen unter der Domain.de eine Homepage im Internet (Screenshots Stand 2008, Anlage K 3). Auf dieser Homepage nutzte die Beklagte unter den URLs http://www...de/.html und http://www...de/img/.jpg jedenfalls im Januar 2008 Luftbildmaterial, welches von der Insolvenzschuldnerin stammte. Genutzt wurde ein Luftbildausschnitt als Lageplan für das Firmengelände, auffindbar auf der Homepage unter dem Menüpunkt €So finden Sie uns€. Eigentümerin des von der Beklagten genutzten Grundstücks ist die D. & H. C. GbR. Die Beklagte verfügte über kein Nutzungsrecht an dem Bildmaterial.
Die Beklagte wurde von der Insolvenzschuldnerin mit anwaltlichem Schreiben vom 04.02.2008 (Anlage K 7) förmlich abgemahnt und unter Fristsetzung unter anderem aufgefordert, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Die Beklagte wies die geltend gemachten Ansprüche zurück (weiterer Schriftwechsel Anlagen K 8 € K 10).
Auf Antrag der Insolvenzschuldnerin erging gegen die Beklagte wegen der Nutzung der hier streitgegenständlichen Luftbildaufnahme am 25.02.2008 eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg, Az. 310 O 64/08 (Beschluss Anlage K 0). Wegen der Einzelheiten wird auf diesen Beschluss verwiesen.
Eine Aufforderung zur Abgabe einer Abschlusserklärung mit anwaltlichem Abschlussschreiben vom 07.04.2008 gerichtet an die Beklagte selbst (Anlage K 11) bzw. vom 08.04.2008 gerichtet an ihre Rechtsanwälte (Anlage K 12) blieb wiederum erfolglos. Die Beklagte leistete auch keine Zahlungen.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 02.05.2008 (Anlage B 1) forderte die Beklagte die jetzige Insolvenzschuldnerin auf, es zu unterlassen, ohne ihre Einwilligung oder Genehmigung angefertigte Luftbildaufnahmen des Betriebs der Beklagten zu nutzen. Die anwaltlichen Vertreter der Insolvenzschuldnerin wurden mit Schreiben vom 21.04.2008 (Anlagen K 13 und B 2) darüber informiert, dass die Insolvenzschuldnerin mit gesondertem Schreiben aufgefordert worden sei, es zu unterlassen, ohne Einwilligung oder Genehmigung der Beklagten Luftbildaufnahmen von deren Betrieb gegen Entgelt zu veröffentlichen bzw. entsprechende Rechte zu verkaufen. Eine Reaktion der Insolvenzschuldnerin erfolgte nicht.
Der Kläger trägt vor, dass die Luftaufnahmen zulässig gewesen seien. Eigentums- und Persönlichkeitsrechte seien durch die Aufnahmen nicht beeinträchtigt worden.
Die Insolvenzschuldnerin habe gegen die Beklagte wegen einer urheberrechtswidrigen Vervielfältigung und öffentlichen Zugänglichmachung des Luftbildausschnitts einen Unterlassungsanspruch, einen Schadensersatzanspruch € hilfsweise einen bereicherungsrechtlichen Ausgleichsanspruch € in Höhe von € 650,00 (fiktive Lizenzgebühr für ein Luftbild der Größenkategorie 20 x 20 cm) sowie einen Anspruch auf Zahlung von Rechtsanwaltskosten in Höhe von insgesamt € 699,10 (Abmahnkosten € 459,40 [1,3 Geschäftsgebühr zum Streitwert € 6.000,00 zuzüglich Post- und TK-Auslagenpauschale] abzüglich anrechenbarer Kosten für das einstweilige Verfügungsverfahren € 219,70 [0,65 Geschäftsgebühr]; Anwaltskosten Abschlussschreiben € 459,40 [1,3 Geschäftsgebühr zum Streitwert € 6.000,00 zuzüglich Post- und TK-Auslagenpauschale]). Hierzu macht der Kläger jeweils weitere Ausführungen.
Der Kläger macht geltend, dass die klägerseitigen Ansprüche nicht verwirkt seien. Ein Vertrauenstatbestand sei auf der Klägerseite nicht geschaffen worden. Hierzu genüge es nicht, auf die Gegenabmahnung nicht reagiert zu haben.
Der Kläger beantragt:
1. Die Beklagte wird dazu verurteilt, es unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00 und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, der Ordnungshaft oder der Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, für jeden Fall der Zuwiderhandlung,zu unterlassen,den nachfolgend abgebildeten Luftbildausschnitt ohne Zustimmung des Klägers im Rahmen ihrer Internethomepage auf dem Webserver zu vervielfältigen und/oder über das Internet öffentlich zugänglich zu machen, wie unter diesen Internetadressen (URL) geschehen:
http://www...de/.htmlhttp://www...de/img/.jpg
2. Die Beklagte wird dazu verurteilt, an den Kläger die Summe von € 1.349,10 zu zahlen, zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 (fünf) Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte rügt die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts. Sie trägt weiter vor, dass der Kläger bzw. die Fa. G. GmbH ohne ihre, der Beklagten, Einwilligung oder sonstige Legitimation Aufnahmen von ihrem Anwesen gemacht und diese Aufnahmen ohne ihre Zustimmung zum Zwecke der gewerblichen Nutzung ins Netz gestellt habe.
Die Beklagte meint, dass sich der Kläger nicht auf Urheberrechte und daraus resultierende Ansprüche berufen könne. Es verstehe sich von selbst, dass widerrechtlich angefertigte Aufnahmen keinerlei Ansprüche der vom Kläger behaupteten Art begründen könnten. Jedenfalls sei die Geltendmachung solcher Ansprüche rechtsmissbräuchlich. Ungeachtet dessen sei ein etwaiger Anspruch auch verwirkt. Der Kläger sei fast 3 Jahre lang völlig untätig gewesen.
Die Einschaltung eines Rechtsanwalts zwecks Fertigung einer Abschlusserklärung und deren Einforderung seien auch weder erforderlich noch erfolgversprechend gewesen. Es seien hierdurch unsinnige Kosten produziert worden, die bei sachgerechter Behandlung nicht entstanden wären. Die Beklagte bestreitet die Höhe des behaupteten Schadens. Es finde, wie insoweit unstreitig ist, keine Nutzung des Bildmaterials durch sie, die Beklagte, mehr statt.
Die Klage ist am 18.01.2012 zugestellt worden. Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 05.07.2012 Bezug genommen.
Gründe
I.
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Hamburg gegeben. Gegenstand des Verfahrens ist ein widerrechtliches öffentliches Zugänglichmachen einer urheberrechtlich geschützten Luftbildaufnahme im Internet. Das ist eine unerlaubte Handlung, bei der neben dem allgemeinen Gerichtsstand auch der besondere Gerichtsstand gemäß § 32 ZPO eröffnet ist (Kefferpütz in: Wandtke/Bullinger, UrhG, 3. Aufl., § 105 Rn. 8), wobei dem Kläger zwischen beiden Gerichtsständen gemäß § 35 ZPO ein Wahlrecht zusteht. Nach § 32 ZPO ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die beanstandete Handlung begangen worden ist. Das ist jeder Ort, an dem auch nur eines der wesentlichen Tatbestandsmerkmale des Delikts verwirklicht worden ist, also nicht nur der Begehungsort, sondern auch der Erfolgsort (Kefferpütz a. a. O., Rn 13; Zöller-Vollkommer, Zivilprozessordnung, 29. Aufl., § 32 Rn. 16). Da die in das Internet gestellte Luftbildaufnahme auch in Hamburg aufgerufen werden konnte und bei einem überregional tätigen Unternehmen wie der Beklagten auch hiesige Nutzer anspricht, ist das Landgericht Hamburg gemäß § 32 ZPO örtlich zuständig (vgl. Kefferpütz a. a. O., Rn. 16).
II.
Der Kläger kann von der Beklagten mit dem Klagantrag zu 1. die begehrte Unterlassung gemäß § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG i.V.m. § 80 Abs. 1 InsO beanspruchen.
Die Insolvenzschuldnerin stellt unbestritten gewerbsmäßig Luftbildaufnahmen her und vertreibt diese. Ihr Kernprodukt ist eine digitale Luftbildkarte, die in hoher Auflösung einen großen Teil der Bundesrepublik Deutschland abbildet. Es handelt sich dabei um eine elektronisch aufbereitete Kombination von fotografisch € von einem Menschen veranlasst und gesteuert - im Überflug erstellten Luftbildern. Die Insolvenzschuldnerin hat, wie die Beklagte nicht mehr in Abrede nimmt, die ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte an dieser digitalen Luftbildkarte und den dabei verwendeten Luftbildaufnahmen inne.
Danach hat die Beklagte ein jedenfalls nach § 72 Abs. 1 UrhG geschütztes Lichtbild durch die erfolgte Speicherung auf dem Webserver gemäß § 16 UrhG vervielfältigt und sodann unter den URLs http://www..de/.html und http://www..de/img/.jpg öffentlich zugänglich im Sinne des § 19a UrhG gemacht, ohne dass das Einverständnis der Insolvenzschuldnerin vorlag. Die Einwendungen der Beklagten sind insoweit unerheblich.
Dabei kann an dieser Stelle an sich dahinstehen, ob es zulässig war, die Luftbilder anzufertigen. Denn auch rechtswidrig angefertigte Luftbildaufnahmen hätten von der Beklagten nicht genutzt werden dürfen. Jedoch gibt es hier auch keinerlei Zweifel an der Zulässigkeit der Anfertigung des streitgegenständlichen Luftbildausschnitts. Eine generelle Genehmigungspflicht für Luftbildaufnahmen besteht seit vielen Jahren nicht mehr. Etwaige (Persönlichkeits-)Rechte der gewerblich tätigen Beklagten, einer juristischen Person, werden durch den streitgegenständlichen Luftbildausschnitt sicher nicht tangiert (vgl. zur Problematik des Eingriffs in Persönlichkeitsrechte z.B. BGH NJW 2004, 766). Dies zeigt nicht zuletzt auch der Umstand, dass die Beklagte das Luftbild selbst im Internet genutzt hat. Ein Nutzungsrecht hatte sie unstreitig nicht inne.
Die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr ist indiziert. Da eine Schutzrechtsverletzung glaubhaft gemacht worden ist, wird vermutet, dass es zu einer wiederholten Verletzung kommen kann. Zur Ausräumung dieser Vermutung wäre € neben einer Entfernung des Luftbildausschnitts aus dem Internetauftritt € die Abgabe einer ernsthaften, unbefristeten, vorbehaltlosen und hinreichend strafbewehrten Unterlassungserklärung erforderlich gewesen (vgl. Dreier/Schulze, UrhG, 3. Aufl., § 97 Rn. 42). Eine solche Erklärung ist von der Beklagten erfolglos verlangt worden.
Eine Anspruchsverwirkung (§ 242 BGB) ergibt sich nicht. Schon das erforderliche Zeitmoment ist nicht zu erkennen. Kurze Verjährungsfristen € wie hier gemäß § 102 UrhG € rechtfertigen, wenn überhaupt, nur ausnahmsweise die Bejahung einer Verwirkung; die Regelverjährung von 3 Jahren muss dem Gläubiger grundsätzlich ungekürzt zur Verfügung stehen (Palandt/Grüneberg, BGB, 71. Aufl., § 242 Rz. 93 m.w.N.). In jedem Fall fehlt es aber an dem für eine Verwirkung erforderlichen Umstandsmoment. Der Verpflichtete muss sich aufgrund des Verhaltens des Berechtigten darauf eingerichtet haben, dieser werde sein (vermeintliches) Recht nicht mehr geltend machen, und wegen des geschaffenen Vertrauenstatbestandes muss die verspätete Geltendmachung des Rechts als eine mit Treu und Glauben unvereinbare Härte erscheinen (Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 242 Rz. 95). Hier hat die Insolvenzschuldnerin zunächst eine Abmahnung ausgesprochen und sodann eine einstweilige Verfügung erwirkt. Damit bestand eine vorläufige Sicherung des Unterlassungsanspruchs. Umstände, aus denen die Beklagte dann verlässlich schließen konnte, dass etwaige Ansprüche der Insolvenzschuldnerin nicht mehr weiter verfolgt werden würden, sind nicht zu erkennen. Insbesondere der Umstand, dass die Insolvenzschuldnerin auf die Gegenabmahnung (Anlagen B 1 und B 2) nicht mehr reagiert hat, lässt nicht den Schluss darauf zu, dass sie Ansprüche nicht mehr weiterverfolgen will. Dementsprechend ist auch nicht zu erkennen, welche € im Ergebnis womöglich eine Treuwidrigkeit des klägerischen Verhaltens begründenden € Dispositionen hier die Beklagte getroffen haben sollte. Die Angelegenheit ist von beiden Seiten lediglich eine Zeitlang nicht mehr verfolgt worden. Eine Treuwidrigkeit einer nunmehrigen Anspruchsverfolgung ergibt sich danach nicht.
III.
Wie sich unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen ergibt, hat der Kläger dem Grunde nach auch den mit dem Klagantrag zu 2. begehrten Schadensersatzanspruch gemäß § 97 Abs. 2 UrhG i.V.m. § 80 Abs. 1 InsO. Die Beklagte hat schuldhaft, nämlich jedenfalls fahrlässig, gehandelt, indem sie den Luftbildausschnitt trotz fehlender Zustimmung der Insolvenzschuldnerin in der vorliegenden Art und Weise nutzte.
Der Höhe nach ergibt sich der geltend gemachte Anspruch von € 650,00. Die im Hinblick auf die unzulässige Vervielfältigung und anschließende öffentliche Zugängigmachung des streitgegenständlichen Luftbildausschnitts geschuldete angemessene Lizenz entspricht nach der vom Gericht gemäß § 287 ZPO vorzunehmenden Schätzung diesem Betrag. Der Verletzer hat dasjenige zu zahlen, was vernünftige Parteien bei Abschluss eines Lizenzvertrages in Kenntnis der wahren Rechtslage und der Umstände des konkreten Einzelfalles als angemessene Lizenzgebühr vereinbart hätten (Dreier/Schulze, UrhG, 3. Aufl., § 97 Rz. 61, m.w.N.). Branchenübliche Tarife bestehen hier nicht. Jedoch kann sich der Kläger auf die von ihm herangezogenen Nutzungs- und Lizenzbedingungen der Insolvenzschuldnerin (Anlage K 2) berufen, welche für eine gewerbliche Nutzung der streitgegenständlichen Art eine Lizenz in dieser Höhe ausweisen. Die Beklagte bestreitet die von der Klägerseite genannten Anknüpfungstatsachen, insbesondere die Marktüblichkeit der eigenen Preislisten, im Einzelnen nicht. Zweifel an der Angemessenheit eines Betrages von € 650,00 ergeben sich auch für die Kammer nicht. Denn es ist bei Fotoaufnahmen der vorliegenden Art schon der erhebliche Aufwand zu berücksichtigen, der für ihre fachgerechte Anfertigung getrieben werden muss. So sehen auch die Honorarempfehlungen der Mittelstandsgemeinschaft Foto-Marketing (MFM), die zwar nicht ohne weiteres als branchenüblich angesehen werden können (vgl. BGH NJW 2006, 615 ff.), jedoch einen Anhaltspunkt für eine Schätzung geben können, für Luftbildaufnahmen einen Zuschlag auf die dortigen Vergütungen von 100 % vor. Darüber hinaus müssen die aus einem Flugzeug heraus angefertigten Luftbilder für das konkrete Angebot der Insolvenzschuldnerin weiter bearbeitet werden. Dies alles rechtfertigt den klägerseitig angesetzten Lizenzbetrag. Dass die Beklagte die Nutzung nach der Abmahnung eingestellt hat, führt nicht zu einer niedrigeren Lizenz. Ein Rechtsmissbrauch ist nicht zu erkennen.
Auch dieser Anspruch ist nicht verwirkt. Vielmehr macht insoweit die Regelung des § 102 UrhG i.V.m. § 852 BGB nochmals deutlich, dass auch der Gesetzgeber - trotz etwaiger Verjährung - grundsätzlich von einer noch jahrelangen bereicherungsrechtlichen Ausgleichspflicht ausgeht. Relevante finanzielle Dispositionen behauptet die Beklagte von vornherein nicht.
IV.
Schließlich kann der Kläger die ebenfalls mit dem Klagantrag zu 2. geltend gemachten Rechtsanwaltskosten in Höhe von insgesamt € 699,10 gemäß §§ 97 Abs. 2, 97a Abs. 1 Satz 2 UrhG i.V.m. § 80 Abs. 1 InsO ersetzt verlangen.
Ein Rechtsanwalt durfte jeweils hinzugezogen werden. Ein Anlass für die Zusendung des Abschlussschreibens bestand zweifelsfrei, nachdem die einstweilige Verfügung mit entsprechender Begründung erlassen worden war und damit für die Beklagte jedenfalls jetzt ein Grund bestand, die eigene Position nochmals zu überdenken. Außerdem ist die Zusendung des Abschlussschreibens für die Kostenfolge nach § 93 ZPO bedeutend. Der Schuldner kann sonst im Hauptsacheprozess anerkennen und einwenden, er sei nicht zur Abgabe der Abschlusserklärung aufgefordert worden, er habe zur Hauptsacheklage keine Veranlassung gegeben und müsse deshalb keine Kosten tragen (Kaiser, in: Götting/Nordemann, UWG, § 12 Rz. 319).
Die Berechnung der geltend gemachten Rechtsanwaltskosten ist nicht zu beanstanden. Die zugrunde gelegten Gegenstandswerte entsprechen der Wertfestsetzung in dem vorangegangenen einstweiligen Verfügungsverfahren (310 O 64/08: € 6.000,00). Auch die weiteren Kostenberechnungen sind nicht abzuändern (Abmahnkosten € 459,40 [1,3 Geschäftsgebühr zum Streitwert € 6.000,00 zuzüglich Post- und TK-Auslagenpauschale] abzüglich anrechenbarer Kosten für das einstweilige Verfügungsverfahren € 219,70 [0,65 Geschäftsgebühr]; Anwaltskosten Abschlussschreiben € 459,40 [1,3 Geschäftsgebühr zum Streitwert € 6.000,00 zuzüglich Post- und TK-Auslagenpauschale]). Insbesondere entspricht der Ansatz einer 1,3 Gebühr auch für das Abschlussschreiben im vorliegenden Fall noch billigem Ermessen (§ 14 RVG). Dieses Abschlussschreiben ist sowohl an die Beklagte als auch an ihre jetzigen Prozessvertreter zu richten gewesen. Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit rechtfertigen hier den Ansatz der (gedeckelten) Mittelgebühr.
Der Zinsanspruch folgt insoweit aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1, 291 BGB. Die Klage ist am 18.01.2012 zugestellt worden.
V.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
LG Hamburg:
Urteil v. 17.07.2012
Az: 310 O 460/11
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