Landgericht Regensburg:
Urteil vom 20. Februar 2009
Aktenzeichen: 2HK O 2062/08 (Prädikatsanwälte)
(LG Regensburg: Urteil v. 20.02.2009, Az.: 2HK O 2062/08 (Prädikatsanwälte))
Tenor
1. Die Beklagten werden verurteilt, es zu unterlassen ein Internetportal zu betreiben, über welches Rechtsratsuchenden die Möglichkeit eröffnet wird Kontakt aufzunehmen mit als Mitgliedern der "Vereinigung deutscher Prädikatsanwälte - Prädikatsanwälte in Deutschland" in der Datenbank der Beklagten zu 1) registrierten Rechtsanwälten.
2. Die Beklagten werden darüber hinaus verurteilt, nicht anrechenbare außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren und Auslagen in Höhe von 1.419,19 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 10.10.2008 zu bezahlen.
3. Dem Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung aus Ziffer 1) ein Ordnungsgeld bis 250.000,00 EUR, für den Fall der Nichteinbringlichkeit Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen am Beklagten zu 2) angedroht.
4. Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.
5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 5.000,00 EUR vorläufig vollstreckbar.
6. Der Streit wert wird auf 40.000,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Gegenstand der Klage ist ein wettbewerbrechtlicher Unterlassungsanspruch.
Die Beklagte zu 1), deren Geschäftsführerer Beklagte zu 2) ist, ließ entsprechend ihrem Firmennamen eine Internetseite unter der Adresse "www.praedikatsanwaelte.de" einrichten, über deren Startseite und eine Suchmaske eine Liste von Anwälten angezeigt wird, die bei der Beklagten zu 1) registriert sind. Weiter können über eine Pdf-Datei Muster für Qualifizierungszusätze in Printmedien und Anzeigenzusätze aufgerufen und heruntergeladen werden; insoweit ist auf die Anlage K4 zu verweisen. Die Mitgliedschaft bei der Beklagten zu 1) hat diese unter dem 12.08.2008 durch das als Anlage K 1 vorgelegte Rundschreiben an eine vielzahl von Rechtsanwälten beworben. Dort beißt es unter anderem: "Die ins Leben gerufene Dienstleistung hilft Mandanten; einen hochqualifizierten Rechtsberater zu finden. Dazu haben wir Qualitätssiege1 ausgearbeitet, die nur bei uns registrierte Juristen verwenden dürfen. Sie stehen für eine Kennzeichnung von Anwälten mit exklusiven Gütemerkmalen." In einem beigefügten Faltblatt (Anlage K 2) heißt es unter der Rubrik "Premium-Mitgliedschaft": Rechtsuchende können auf "www.praedikatsanwaelte.de" nach Ihnen suchen. Sie nutzen medienwirksam das volle Potenzial Ihrer Qualifikation als Prädikatsanwalt. Weiterhin enthält das Faltblatt unter "über VdP" die Aussage, die VdP sei eine Interessengemeinschaft hochqualifizierter Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, die Rechtsuchenden helfe, für ihre Sachfrage einen 6 "besonders fähigen Juristen" zu finden und gleichzeitig "Spitzenjuristen" einen echten Vorteil zur Gewinnung von neuen Mandaten verschaffe. "Sie gehören zu der kleinen Gemeinschaft von ca. 25 % aller Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, die durch einen herausragenden Studienabschluss brilliert haben. Damit haben Sie bewiesen, juristische Strukturen besser als Ihre Kollegen erfassen zu können. Genau diese überdurchschnittliche Qualifikation setzt die VdP effektiv zur Mandantengewinnung ein."
Als Voraussetzung für die Mitgliedschaft bei der Vereinigung deutscher Prädikatsanwälte GmbH wird genannt:
- "Sie haben die 2. juristische Staatsprüfung mit einem Prädikatsexamen absolviert,
- Sie haben mindestens einen Fachanwaltstitel und
- Sie haben mindestens fünf Jahre Berufserfahrung"
Hinsichtlich der Einzelheiten der Werbeaussagen und des Internetauftritts wird auf die Anlagen K1 bis K4 Bezug genommen. Die Klägerin ließt mit Schriftsatz ihrer anwaltlichen Vertreter vom 11.09.2008 die Beklagte zu 1) abmahnen und forderte sie auf, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben mit dem Inhalt, es zu unterlassen, ein Internetportal zu betreiben, über welches Rechtsratsuchenden die Möglichkeit eröffnet wird, auf diesem Portal Kontakt aufzunehmen mit als "Prädikatsanwälte" registrierten Rechtsanwälten. Mit Schreiben vom gleichen Tage wurde der Beklagte zu 2) als Geschäftsführer der Beklagten zu 1) abgemahnt und zur Abgabe einer entsprechenden strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert. Diesen Aufforderungen kamen die Beklagten nicht nach, vielmehr ließ der Beklagte zu 2) über seine anwaltlichen Vertreter mit Schriftsatz vom 18.09.2008 die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ablehnen.
Die Klägerin hält die Werbung der Beklagten für irreführend im Sinne von § 5 Abs.2 Ziffer 3 UWG und damit als unlauter im Sinne von § 3 UWG und fordert deshalb Unterlassung, gestützt auf § 8 Abs. 1 UWG. Dabei, so die Auffassung der Klägerin, stehe der Klageforderung nicht entgegen, dass der der irreführenden Werbung Beschuldigte nicht in einem unmittelbaren Wettbewerbsverhältnis zu den Mitgliedern der Klägerin stehe; der Tatbestand der irreführenden Werbung könne auch von einem Dritten erfüllt werden. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs seien gegeben, denn es liege eine objektiv wettbewerbswidrige Werbung vor, die in Ausübung eines freien berufs erfolge und es bstehe ein Zusammenhang mit einer selbstständigen wirtschaftlichen Tätigkeit. Die Wettbewerbswidrigkeit der Werbung mit dem Begriff "Prädikatsanwalt" ergebe sich daraus, dass diese Selbstbewertung eine nicht gerechtfertigte Aussage über die Befähigung des Anwalts beinhalte, denn die Summe der "Auszeichnungen" und Voraussetzungen rechtfertigten nicht den Schluss darauf, dass sich hinter dem Begriff "Prädikatsanwalt" ein überdurchschnittlich befähigter Anwalt verberge, diesen Inhalt aber würden Rechtsuchende mit diesem Begriff üblicherweise verbinden. Soweit der Begriff des "Prädikatsanwalts" auf das als Voraussetzung genannte "Prädikatsexamen" verweise, sei dieses Prädikat insoweit zu relativieren, als es zum einen nur eine theoretische Qualifikation belege und zum anderen etwa im Jahr 2007 in Bayern 57 % der Prüflinge, die das Examen bestanden hatten, ein Prädikatsexamen mit mindestens 6,5 von 18 Punkten erzielt hätten. Neben dem Verstoß gegen § 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 UWG sei auch ein Verstoß gegen § 6 UWG sowie gegen Berufsrecht gegeben. Der Unterlassungsanspruch sei nach alledem begründet und die Beklagten seien zur Zahlung nicht anrechenbarer außergerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren und Auslagen in Höhe von 1.419,19 EUR aus einem Gegestandswert von 40.000,00 EUR zu verurteilen.
Die Klägerin stellt den Antrag:
1. Die Beklagten werden verurteilt, es zu unterlassen, ein Internetportal zu betreiben, über welches Rechtsratsuchenden die Möglichkeit eröffnet wird, Kontakt aufzunehmen mit als Mitglieder der "Vereinigung deutscher Prädikatsanwälte - Prädikatsanwälte in Deutschland" in der Datenbank der Beklagten zu 1) registrierten Rechtsanwälten.
2. Die Beklagten werden ferner verurteilt, nicht anrechenbare außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren und Auslagen in Höhe von 1.419,19 EUR nebst 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit Zustellung zu bezahlen.
3. Den Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziffer 1) ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 EUR, im Falle der Nichteinbringlichkeit Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen am Beklagten zu 2), angedroht.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Sie halten ihren Internetauftritt nicht für wettbewerbswidrig, zwar würden die auf der Internetseite registrierten Rechtsanwälte von den Beklagten als "Prädikatsanwälte" bezeichnet werden, diese Bezeichnung und die Verwendung des Qualitätssiegels sei aber in Hinblick auf die von den Anwälten nachzuweisenden Qualifikationen nicht zu beanstanden, es werden mit zutreffenden Angaben geworben. Insbesondere sei nicht zu bestreiten, dass das Erzielen eines Prädikatsexamens eine relevante Qualifikation darstelle, auch wenn die Qualität der juristischen Fallbearbeitung auch von anderen Faktoren abhängig sein möge. Das von der Beklagten zu 1) verliehene Qualitätssiegel biete lediglich die Möglichkeit, eigene Qualifikationen eines Rechtsanwalts ins sachlicher und zutreffender Form herauszustellen. Die Verwendung der Bezeichnung "Prädikatsanwälte" sei wettbewerbsrechtlich und berufsrechtlich nicht zu beanstanden, zumal die Werbung eines Anwalts sich auf erworbene, berufsbezogene Qualifikationen, Kenntnisse und Fähigkeiten beziehen dürfte, ohne dabei auf die Mitteilung nüchterner Fakten beschränkt zu sein, solange die Werbung keine übertriebene reklamehafte Herausstellung beinhalte. Die von der Beklagten herausgehobenen Qualifikationen seien sachlich und relevant und damit zulässig. Dies gelte auch für das Prädikatsexamen im 2. juristischen Staatsexamen, das eine relevante juristische Qualifikation für einen Rechtsanwalt darstelle. Mit dem Hinweis "Prädikatsanwälte" werde nach alledem auf konkrete und im Einzelfall nachprüfbare berufsbezogene Eigenschaften Bezug genommen. Entgegen der Auffassung der Klägerin liege auch keine vergleichende Werbung gemäß § 6 UWG vor und seien sämtliche berufsrechtliche Anforderungen eingehalten.
Gründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Die Klägerin ist nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG aktivlegitimiert, die Rechte ihrer Mitglieder im Zusammenhang mit dem Wettbewerbsverstoß der Beklagten zu 1) wahrzunehmen, nachdem die Interessen ihrer Mitglieder betroffen sind.
Die Klägerin kann die Beklagte zu 1) und den Beklagten zu 2) als deren Geschäftsführer auf Unterlassung wettbewerbswidrigen Verhaltens in Anspruch nehmen, auch wenn die Beklagte zu 1) mit den Mitgliedern der Klägerin nicht in einem unmittelbaren Wettbewerbsverhältnis steht, denn der Tatbstand der irreführenden Werbung kann auch von einem Dritten erfüllt werden, sofern die in Frage stehende Äußerung im Rahmen oder im Zusammenhang mit einer unternehmerischen Tätigkeit, wie hier, erfolgt (vgl. Hefermehl, UWG, 26. Aufl., Rn. 2.19 zu § 5 UWG).
Die Klägerin kann ihren wettbewerbsrechtlichen Abwehranspruch auf §§ 8, 3, 5 UWG stützen. Die Beklagten handeln wegen irreführender Werbung unlauter im Sinne der genannten Vorschriften, indem sie mit ihrem Internetauftritt unter der oben bezeichneten Internetadresse mit dem Begriff "Prädikatsanwälte" falsche Vorstellungen über die Befähigung der bei ihr registrierten Anwälte hervorrufen.
Der im Internetauftritt verwendete Begriff des "Prädikatsanwalts" beinhaltet zunächst nicht nur ein bloßes Werturteil, sondern eine hinreichend konkrete Tatsachenbehauptung zu den Befähigungen der bei der Beklagten zu 1) registrierten Rechtsanwälte. Die Angabe "Prädikatsanwalt" beinhaltet ein Mindestmaß an Information dahingehend, dass es sich bei den bei der Beklagten zu 1) registrierten Anwälten um solche mit "Prädikatsexamen", als überdurchschnittlichem Examensabschluss handelt. Wegen dieses hinreichend konkreten Aussagegehalts kann auch nicht vom Vorliegen einer nichtssagenden Anpreisung, der jeglicher Informationsgehalt fehlt, ausgegangen werden. Der Begriff des "Prädikatsanwalts" beinhaltet eine Anpreisung, mit der die Vorstellung von einer Gruppe besonders qualifizierter Rechtsanwälte verbunden wird. Im Duden, Die Deutsche Rechtsschreibung, 2000, Band I, wird der Begriff des Prädikatsexamens in diesem, allgemein so verstandenen Sinne definiert: "Mit einer sehr guten Note bestandenes Examen".
Mit diesem Begriffsinhalt aber ist diese Aussage und Angabe zur Befähigung der beworbenen Rechtsanwälte irreführend. Auszugehen ist dabei vom angesprochenen Verkehrskreis der Rechtsuchenden; die Werbebehauptung richtet sich also an das breite Publikum, als auch den, der nur gelegentlich oder selten Rechtsrat sucht, bei einem Rechtsanwalt um Rat nachsuchen will. Es ist daher Maßstab auf den durchschnittlich informierten und verständigen Bürger abzustellen, der der Werbung die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt, für den vorliegenden Fall wohl in der Regel mit größerer Aufmerksamkeit und nicht nur flüchtig die Werbung wahrnimmt. Dessen Verständnis von der Werbeaussage wird nach der Bedeutung des Wortsinns dahingehen, dass der Prädikatsanwalt - wie die Beklagte zu 1) im Faltblatt (Anlage K2) auch selbst ausführt - zu einer kleinen Gruppe von Rechtsanwälten zählt, die durch einene herausragenden Studienabschluss brilliert haben, juristische Strukturen "besser als ihre Kollegen erfassen" können, es sich bei dem Prädikatsanwalt also um einen "Spitzenjuristen" handelt. Diese zumindest von einem erheblichen Teil der ansgesprochenen Verkehrskreise erweckten Vorstellung stimmt jedoch mit den wirklichen Verhältnissen nicht überein. Es mag dahinstehen, ob 57 % oder nur 47 % der Examenskandidaten, die in Bayern 2007 das 2. Staatsexamen bestanden haben, zumindest das "kleine Prädikat" erworben haben, denn auch die Quote von 47 % und der Umstand, dass bereits bei 6,5 von 18 möglichen Punkten ein Prädikat verliehen wird, belegt, dass die mit dem Begriff "Prädikatsanwalt" versehenen Rechtsanwälte nicht notwendig zu einer kleinen Gruppe von Spitzenjuristen zählen, die ihr Examen mit einer sehr guten Note bestanden haben. Auch wenn die weiteren Anforderungsvoraussetzungen (fünfjähige Berufserfahrung und Erwerb des Fachanwaltstitels) in die Bewertung mit einbezogen werden, verändert sich das Ergebnis der Beurteilung der tatsächlichen Befähigungsverhältnisse nicht nennenswert. Zu sehr weicht die Vorstellung ("Spitzenjurist") von den bei einer nennenswerten Zahl von "Prädikatsanwälten" tatsächlichvorhandenen Befähigung ab.
Diese erweckte falsche Vorstellung ist auch generell geeignet, bei einem einem erheblichen Teil der umworbenen Verkehrskreise Einfluss auf ihre Entscheidung zur Wahl eines bestimmten Anwalts zu nehmen. Die wettbewerbsrechtliche Relevanz ist gegeben.
Da nach alledem die Tatbestandsmerkmale des § 5 Abs. 2 Ziffer 3 UWG erfüllt sind, war dem Unterlassungsanspruch, der mit der Klage erhoben wurde, zu entsprechen.
Gestützt auch § 9 UWG kann die Klägerin auch die Kosten der Rechtsverfolgung in der Form der Anwaltskosten für die vorprozessuale Tätigkeit verlangen (Hefermehl, UWG, 26. Aufl., Rn. 1.29 zu § 9 UWG). Aus einem Gegenstandswert von 40.000,00 EUR errechnet sich unter Einberechnung der Geschäftsgebühr gemäß §§ 13, 14 Nr. 2300 VVRVG, der Post- und Telekommunikationspauschale und der Mehrwertsteuer ein Gesamtbetrag von 1.419,19 EUR.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 709 ZPO.
LG Regensburg:
Urteil v. 20.02.2009
Az: 2HK O 2062/08 (Prädikatsanwälte)
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