Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. November 2004
Aktenzeichen: 28 W (pat) 131/03

(BPatG: Beschluss v. 17.11.2004, Az.: 28 W (pat) 131/03)

Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 8 vom 5. September 2001 und vom 11. Februar 2003 aufgehoben.

Wegen des Widerspruchs aus der Marke 395 20 422 wird die Löschung der jüngeren Marke 397 35 409 angeordnet.

Gründe

I.

In das Markenregister eingetragen wurde unter der Rollennummer 397 35 409 die Wortbildmarkeals Kennzeichnung für die Waren "Handwerkzeuge" in Klasse 8.

Die Inhaberin der rangälteren Marke 395 20 422 wolfcrafthat dagegen Widerspruch erhoben. Diese Wortmarke ist seit 15. September 1995 für Waren, darunter auch ausdrücklich "Handwerkzeuge", in zahlreichen Klassen eingetragen.

Die Markenstelle für Klasse 8 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat mit Erstbeschluss den Widerspruch zurückgewiesen und in ihrem Beschluss vom 5. September 2001 darauf abgestellt, dass eine Verwechslungsgefahr zwischen den in Rede stehenden Marken ausscheide. Der gemeinsame Schlussbestandteil "kraft" bzw "craft" käme in dem hier in Frage stehenden Warengebiet in einer solchen Vielzahl von Marken vor, dass er als verbraucht anzusehen sei. Wegen der Kennzeichnungsschwäche reiche bereits die hier vorliegende geringfügige Abweichung zur Vermeidung einer Verwechslungsgefahr aus.

Dagegen hat die Widersprechende Erinnerung eingelegt und darauf hingewiesen, dass sich bei dem für den Verkehr entscheidenden Wortanfang die Silben "wolf" und "Werk" gegenüber ständen, woraus sich ergäbe, dass jedenfalls eine assoziative Verwechslungsgefahr anzuerkennen sei.

Die Erinnerung hat das Deutsche Patent- und Markenamt durch Beschluss vom 11. Februar 2003 zurückgewiesen und dabei eingeräumt, dass es sich bei "wolfcraft" zwar um eine eingeführte Marke mit gesteigertem Schutzumfang und um Warenidentität handele, die Abweichung bei "Werk/wolf" sei aber so deutlich, dass eine Verwechslungsgefahr zu verneinen sei.

Dagegen hat die Widersprechende rechtzeitig Beschwerde erhoben. Sie weist darauf hin, dass es sich bei ihrer Marke zudem um den - seit 1970 verwendeten - Firmennamen der Widersprechenden handele und die Marke in Deutschland (nach einer Umfrage im Jahr 2000) allein bei "gelegentlichen" Handwerkern in einem Umfang von über 49% bekannt sei. Mit der Marke seien in den letzten fünf Jahren Umsätze in Höhe von rund ... Euro erwirtschaftet worden; dies ent- spreche zB für das Jahr 2002 einem Verkauf von über ..."wolfcraft"-Produk- ten. Angesichts des erweiterten Schutzumfanges sei der Abstand der Marken, die in Wortlänge, Buchstaben- und Silbenzahl, Sprechrythmus und Konsonantengerüst übereinstimmten zu gering.

Die Markeninhaberin gesteht eine erhöhte Kennzeichnungskraft zu, hält aber den Markenteil "craft" für aussageschwach und - wie die Markenstelle - die übrigen Markenbestandteile für hinreichend verschieden, um eine Verwechslungsgefahr zu verneinen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akte Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und hat in der Sache Erfolg, denn es besteht Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.

Eine Verwechslungsgefahr liegt vor, wenn die Gewichtung der Faktoren Warenähnlichkeit/-identität, Markenähnlichkeit/-identität und Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke zur Bejahung einer unzulässigen Beeinträchtigung der rechtlich schutzwürdigen Interessen der älteren Marke führt. Die Waren sind identisch und die Parteien sind unmittelbare Wettbewerber, eine Begegnung beider Produkte auf dem Markt ist deshalb wahrscheinlich. Handwerkzeuge werden auch in sog. Baumärkten angeboten und von Nicht-Fachleuten gekauft, diese achten mitunter eher auf den Preis als auf die Kennzeichnung der Waren. Bei der Beurteilung des situationsangepasst verständigen Durchschnittsverbrauchers wird man daher nicht von einer besonderen Aufmerksamkeit ausgehen können, sondern teilweise auch eine gewisse Flüchtigkeit bei der Wahrnehmung der Kennzeichnungen berücksichtigen müssen.

Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist weiter zu berücksichtigen, dass der Widerspruchsmarke, bei der es sich zudem auch um den Firmennamen der Widersprechenden handelt, eine unwidersprochen gesteigerte Kennzeichnungskraft zukommt, was ihr gegenüber sonstigen Marken einen erweiterten Schutzumfang verschafft.

Die Widersprechende kann damit einen besonders deutlichen Abstand der kollidierenden Marke verlangen; dieser ist nicht eingehalten.

Bei einem Vergleich der Marken sind allein die Wörter "Werkkraft" und "wolfcraft" gegenüberzustellen, weil der in der jüngeren Marke zusätzlich enthaltene Wortbestandteil "Handwerkzeuge" nur die umfassten Waren bezeichnet und daher den Gesamteindruck der Marke nicht prägen kann.

In klanglicher Hinsicht stimmen die Zeichen in ihrer jeweilig zweiten Silbe "k(c)raft" überein. Von einer Vernachlässigung dieser Gemeinsamkeit etwa deshalb, weil "kraft" als Hinweis auf "Handwerk" (engl.). verstanden würde, oder an das deutsche "Kraft" erinnert und deshalb vom Verkehr daher nicht berücksichtigt wird, kann nicht ausgegangen werden. Werkkraft und wolfcraft sind Gesamtbegriffe und zudem Phantasieworte, der Verkehr hat keine Veranlassung solche Worte zu zerteilen und sie nach kennzeichnungsschwachen Bestandteilen zu zergliedern. Die Marken können also kollisionsrechtlich nicht auf den Bestandteil "Werk" bzw "wolf" reduziert werden. Somit sind auch schwache Bestandteile zu berücksichtigen (Ströbele/Hacker, Kom. zum MarkenG, 7. Aufl., § 9 Rn 331). Beim Gesamtvergleich der beiden Worte ist die Abweichung so gering, dass sie aus der Erinnerung heraus nicht mehr zuverlässig zu realisieren ist. Die Marken stimmen in nahezu allen für die Verwechslungsgefahr maßgebenden Faktoren wie Buchstaben- und Silbenzahl, Konsonantengerüst und Sprechrythmus überein. Demgegenüber sind die Unterschiede der Erstsilben "Werk" und "wolf" zu gering um - bei erweitertem Schutzumfang - gegenüber diesen Gemeinsamkeiten deutlich genug hervorzutreten. Zwar handelt es sich dabei um Worte mit einem festen Bedeutungsinhalt, in Verbindung mit dem weiteren Wort "kraft" (nur wenige Verbraucher werden das englische "craft" erkennen, sie werden sich vielmehr an dem deutschen "Kraft" orientieren), entsteht aber jeweils ein neues, auf "kraft" endendes zusammengesetztes Hauptwort. Die Erstsilben "Werk" und "wolf" ähneln sich in ihrem Inhalt insoweit, als sie das Wort "kraft" in einem eher allgemeinen Sinn verstärken ohne es dabei zu konkretisieren. Diese Art der Kombination wird dem Verbraucher in Erinnerung bleiben. In Anbetracht des erweiterten Schutzumfanges der jüngeren Marke besteht deshalb bei dem Verbraucher, dem die ältere Marke bekannt ist, die Gefahr, dass er aus der Erinnerung heraus beim Antreffen der jüngeren Marke diese wegen der übereinstimmenden Strukturierung der Marke mit der älteren Marke in Verbindung bringt und damit gekennzeichnete Waren dem Verantwortungsbereich des anderen Herstellers zuordnet.

Damit führt die Gewichtung der für und gegen eine Verwechslungsgefahr sprechender Faktoren dazu, den Eingriff der jüngeren Marke in den erweiterten Schutzbereich der älteren Marke zu bejahen.

III.

Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst (§ 71 Abs 1 Satz 2 Markengesetz).

Schwarz-Angele Paetzoldvon Schwichow Ja






BPatG:
Beschluss v. 17.11.2004
Az: 28 W (pat) 131/03


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