Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 21. Dezember 2015
Aktenzeichen: AnwZ (Brfg) 52/15
(BGH: Beschluss v. 21.12.2015, Az.: AnwZ (Brfg) 52/15)
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das ihm am 4. September 2015 an Verkündungs statt zugestellte Urteil des II. Senats des Anwaltsgerichtshofs Baden-Württemberg wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 25.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Kläger ist seit 1987 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Bescheid vom 24. April 2013 widerrief die Beklagte die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Den hiergegen gerichteten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit dem Kläger am 14. November 2014 zugestelltem Widerspruchsbescheid vom 12. November 2014 zurück. Die Klage gegen den Widerrufsbescheid vom 24. April 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. November 2014 hat der Anwaltsgerichtshof abgewiesen. Der Kläger beantragt die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.
II.
Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg. Ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO ist nicht gegeben (vgl. § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen nicht (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2011 - AnwZ (Brfg) 30/11, NJW-RR 2012, 189 Rn. 5 mwN). Daran fehlt es.
Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs einer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist nach der mit Wirkung ab 1. September 2009 erfolgten Änderung des Verfahrensrechts allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens, also auf den Erlass des Widerspruchsbescheids oder - wenn das nach neuem Recht grundsätzlich vorgeschriebene Vorverfahren entbehrlich ist - auf den Ausspruch der Widerrufsverfügung abzustellen; die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen ist einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 9 ff. und vom 10. März 2014 - AnwZ (Brfg) 77/13, juris Rn. 3 mwN).
a) Der Kläger hat sich zum maßgeblichen Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids vom 12. November 2014 in Vermögensverfall befunden. Die entsprechenden Feststellungen des Anwaltsgerichtshofs werden von ihm nicht in Frage gestellt.
b) Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers ist mit einem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Auch wenn diese Regelung nicht im Sinne eines Automatismus zu verstehen ist, die Gefährdung daher nicht zwangsläufig und ausnahmslos schon aus dem Vorliegen eines Vermögensverfalls folgt, kann die Gefährdung im nach der gesetzlichen Wertung vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden. Hierfür trägt der Rechtsanwalt die Feststellungslast (vgl. Senatsbeschluss vom 9. Februar 2015 - AnwZ (Brfg) 46/14, juris Rn. 12 mwN).
Die Annahme eines Ausnahmefalls, in dem trotz Vermögensverfalls des Rechtsanwalts eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden nicht gegeben ist, setzt zumindest voraus, dass der Rechtsanwalt - im Wege der Selbstbeschränkung - seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet hat, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern (vgl. Senatsbeschlüsse vom 24. Oktober 2012 - AnwZ (Brfg) 43/12, juris Rn. 9; vom 26. August 2013 - AnwZ (Brfg) 31/13, juris Rn. 5; vom 8. Dezember 2014 - AnwZ (Brfg) 45/14, juris Rn. 23 und vom 9. Februar 2015, aaO Rn. 12 mwN). Was diese Maßnahmen anbelangt, hat der Senat besonderen Wert auf die Überprüfung der Einhaltung der Beschränkungen durch die Sozietätsmitglieder gelegt (vgl. nur Beschluss vom 22. Mai 2013 - AnwZ (Brfg) 73/12, juris Rn. 5 aaO). Wesentlich ist, dass - auch in Vertretungsfällen (Urlaub, Krankheit, sonstige Abwesenheit) - effektive Kontrollmöglichkeiten bestehen; es bedarf immer einer ausreichend engen tatsächlichen Überwachung, die gewährleistet, dass der Rechtsanwalt nicht beziehungsweise nicht unkontrolliert mit Mandantengeldern in Berührung kommt. Die Einhaltung vertraglich vereinbarter Sicherungsmaßnahmen ist dabei nach der ständigen Senatsrechtsprechung nur in einer Sozietät, nicht aber in einer Einzelkanzlei sichergestellt (vgl. nur Beschlüsse vom 22. Mai 2013, aaO mwN und vom 24. Oktober 2012, aaO Rn. 9 mwN).
Der Vortrag des - insoweit die Feststellungslast tragenden - Klägers lässt nicht erkennen, dass die vorgenannten Voraussetzungen für einen Gefährdungsausschluss zum maßgeblichen Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids vom 12. November 2014 gegeben waren. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Anwaltsgerichtshofs Bezug genommen.
aa) Der Anwaltsgerichtshof hat zu Recht darauf hingewiesen, dass der Kläger auf das Bestreiten der Beklagten die von ihm behaupteten arbeitsvertraglichen Beschränkungen nicht durch Vorlage der entsprechenden vertraglichen Vereinbarung belegt hat. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang meint, die Beklagte habe sein diesbezügliches Vorbringen nicht explizit bestritten, trifft dies nicht zu. Die Beklagte hat in der Klageerwiderung vom 24. April 2015 darauf hingewiesen, ein Vertrag, aus dem sich die vom Kläger behaupteten vertraglichen Beschränkungen ergäben, werde vom Kläger nicht vorgelegt. Er führe lediglich die vom Bundesgerichtshof aufgestellten Kriterien pauschal auf, ohne im Konkreten nachzuweisen, wie diese Kriterien in der tatsächlichen Situation praktiziert würden. Mit Schriftsatz vom 16. Juli 2015 hat die Beklagte ergänzend ausgeführt, die Tatsache, dass der Kläger in Anspruch genommen werde, zeige, dass die von ihm behauptete Kanzleistruktur nicht gegeben sei und nicht funktioniere. Die Beklagte hat mithin ausdrücklich und mehrfach die vom Kläger behaupteten arbeitsvertraglichen Beschränkungen bestritten. Der Kläger hat dennoch die entsprechende vertragliche Vereinbarung - bis heute - nicht vorgelegt. Der ihn treffenden Feststellungslast hat er nicht genügt. Damit können die von ihm behaupteten arbeitsvertraglichen Beschränkungen nicht zugrunde gelegt werden und ist infolge seines Vermögensverfalls von einer Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden auszugehen.
bb) Vor diesem Hintergrund kommt es auf die vom Kläger in den Mittelpunkt seines Zulassungsantrags gestellte Frage der Überwachung der von ihm behaupteten arbeitsvertraglichen Beschränkungen nicht mehr an. Eine Überwachung setzt voraus, dass solche Beschränkungen vereinbart wurden. Hiervon kann indes aus den vorgenannten Gründen nicht ausgegangen werden.
Im Übrigen trifft es zwar zu, dass der Kläger seinen Widerspruch gegen den Widerrufsbescheid vom 24. April 2013 - entgegen den Feststellungen in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid vom 12. November 2014 - mit Schreiben vom 8. Juli 2013 begründet und ausgeführt hat, es sei die Aufnahme eines weiteren Kollegen in die Kanzlei geplant, dies könne nach entsprechendem Hinweis der Beklagten binnen weniger Wochen umgesetzt werden. Eine hierdurch mögliche Überwachung der Einhaltung etwaiger arbeitsvertraglicher Beschränkungen der Tätigkeit des Klägers kann jedoch - wie der Anwaltsgerichtshof zutreffend ausgeführt hat - schon deshalb nicht berücksichtigt werden, weil die geplante Einstellung eines weiteren Anwalts zum maßgeblichen Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids nicht erfolgt und damit eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden nicht ausgeschlossen war.
Die Beklagte hatte - entgegen der Auffassung des Klägers - nach dem Schreiben des Klägers vom 8. Juli 2013 auch keinen Anlass, "im Zusammenwirken mit dem Kläger für eine ausreichende Überwachung der Beschränkungen zu sorgen". Sie hatte bereits in dem Widerrufsbescheid vom 24. April 2013 darauf hingewiesen, dass bei der Anstellung des Klägers in einer Einzelkanzlei eine Kontrolle durch den Kollegen, insbesondere auch in Urlaubs- oder Krankheitszeiten nicht möglich sei. Dies war auch der Rechtsprechung des Senats ohne Weiteres zu entnehmen (vgl. nur Beschluss vom 24. Oktober 2012, aaO Rn. 9 mwN). Dem Kläger musste daher vor Augen stehen, dass die Kontrolle seiner Tätigkeit in den Urlaubs- und Krankheitszeiten des Einzelanwalts durch einen weiteren Rechtsanwalt zu gewährleisten war. Angesichts der Mitteilung in seinem Schreiben vom 8. Juli 2013, es sei die Aufnahme eines weiteren Kollegen in die Kanzlei geplant, konnte die Beklagte von einer Umsetzung dieser Maßnahme ausgehen, auch ohne dass sie dem Kläger insoweit einen erneuten Hinweis erteilte. Dem Schreiben des Klägers vom 8. Juli 2013 war nicht hinreichend zu entnehmen, dass die Aufnahme eines weiteren Rechtsanwalts nur bei einem entsprechenden Hinweis der Beklagten erfolgen werde. Von einem solchen Hinweis wird in dem Schreiben vom 8. Juli 2013 lediglich die Umsetzung der geplanten Maßnahme "binnen weniger Wochen" abhängig gemacht, nicht hingegen ihre Durchführung als solche. Dennoch teilte der Kläger bis zu dem Widerspruchsbescheid vom 12. November 2014 nicht mit, dass ein weiterer Rechtsanwalt, der die von ihm vorgetragenen arbeitsvertraglichen Beschränkungen seiner Tätigkeit hätte überwachen können, in die Einzelkanzlei aufgenommen worden sei. Aus dem Briefkopf der Zulassungsbegründung vom 4. November 2015 ergibt sich vielmehr, dass der Kläger nach wie vor in einer Einzelkanzlei tätig ist.
2. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Dieser Zulassungsgrund ist gegeben, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. nur BGH, Beschluss vom 6. Februar 2012 - AnwZ (Brfg) 42/11, juris Rn. 25 mwN).
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Rechtslage ist eindeutig und nicht klärungsbedürftig. Entgegen der Auffassung des Klägers stellt sich nicht die Frage, ob der Widerruf einer Zulassung Bestand haben kann, wenn kein ordnungsgemäßes Widerspruchsverfahren durchgeführt wurde. Soweit der Kläger rügt, die Beklagte sei auf sein Vorbringen in der Widerspruchsbegründung vom 8. Juli 2013 nicht eingegangen, beruht der Widerspruchsbescheid vom 12. November 2014 hierauf nicht. Die Beklagte hätte mangels Vorlage einer vertraglichen Vereinbarung, mit der die vom Kläger in seinem Schreiben vom 8. Juli 2013 behaupteten arbeitsvertraglichen Beschränkungen belegt werden, nicht anders entscheiden können. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass der Kläger auf Anforderung der Beklagten einen entsprechenden Arbeitsvertrag vorgelegt hätte. Denn eine solche Vorlage ist trotz des Bestreitens der Beklagten in dem Verfahren vor dem Anwaltsgerichtshof und obwohl der Kläger die Notwendigkeit einer solchen Vorlage erkennen musste, bis heute nicht erfolgt.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 2 BRAO.
Kayser König Remmert Braeuer Kau Vorinstanz:
AGH Stuttgart, Entscheidung vom 04.09.2015 - AGH 24/14 II -
BGH:
Beschluss v. 21.12.2015
Az: AnwZ (Brfg) 52/15
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/f2276cc2c09b/BGH_Beschluss_vom_21-Dezember-2015_Az_AnwZ-Brfg-52-15