Oberlandesgericht Stuttgart:
Beschluss vom 18. Juni 2010
Aktenzeichen: 12 W 28/10

(OLG Stuttgart: Beschluss v. 18.06.2010, Az.: 12 W 28/10)

Die Veranlassung einer Sicherheitsleistung nach § 707 ZPO entfällt mit dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens. In diesem Falle ist auf Antrag des Schuldners eine Frist nach § 109 Abs. 1 ZPO zu bestimmen, ohne dass es auf die Befriedigung des Gläubigers ankommt.

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 22.04.2010 - 16 O 155/06 -abgeändert:(1) Dem Kläger wird aufgegeben, bis zum 30.07.2010 in die Entlassung der Volksbank R... aus der Haftung aus der Bürgschaft vom 29.09.2006, Nr. ... 199/Hu einzuwilligen, soweit die Bürgschaft über den Betrag von 4.500,-- EUR hinausgeht, oder die Erhebung der Klage wegen seiner Ansprüche nachzuweisen.

(2) Der weitergehende Antrag wird abgewiesen.

2. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Verfahrens trägt der Kläger 9/10 und die Beklagten 1/10.

4. Der Streitwert beträgt 44.000,-- EUR.

Gründe

A.

Die Parteien streiten über die Verpflichtung des Klägers zur Rückgabe einer von den Beklagten gestellten Sicherheit.

Durch Vorbehaltsurteil vom 08.08.2006 hat das Landgericht die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 35.000,-- EUR nebst Zinsen sowie weitere 426,62 EUR zu bezahlen. Den Beklagten blieb die Ausführung ihrer Rechte im Nachverfahren vorbehalten. Mit Beschluss vom 30.08.2006 wurde festgesetzt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner Kosten in Höhe von 3.570,84 EUR nebst Zinsen dem Kläger zu erstatten haben. Auf Antrag der Beklagten wurde im Beschluss vom 18.09.2006 die Zwangsvollstreckung aus dem Vorbehaltsurteil gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages eingestellt. Die Beklagten haben Sicherheit durch Übergabe einer Prozessbürgschaft der Volksbank R... vom 29.09.2006 über 44.000,-- EUR erbracht.

Das Vorbehaltsurteil wurde im Nachverfahren durch das rechtskräftige Urteil des Senats vom 28.07.2009 mit der Maßgabe für vorbehaltslos erklärt, dass die titulierten Beträge nur Zug-um-Zug gegen Übergabe von den Anforderungen der BRAGO bzw. des RVG entsprechenden und dem streitgegenständlichen Wechsel zugrunde liegenden Rechnungen des Klägers an die Beklagten in entsprechender Höhe und Aushändigung des quittierten Wechsels zu erfolgen hat.

Mit Schreiben vom 01.02.2010 hat der Kläger gegen die Volksbank R... die Forderung aus der Bürgschaft in Höhe von 44.000,-- EUR geltend gemacht. Die Bürgin hat eine Zahlung mit Schreiben vom 12.02.2010 abgelehnt.

Die Beklagten haben beantragt,

eine Frist zu bestimmen, binnen derer der Kläger in die Rückgabe der Sicherheit einwilligt oder die Erhebung der Klage wegen seiner Ansprüche nachweist;

hilfsweise in die Rückgabe der Sicherheit Zug-um-Zug gegen Übergabe einer der vorherigen Prozessbürgschaft entsprechenden neuen Prozessbürgschaft über 4.500,-- EUR einzuwilligen.

Die Beklagten sind der Auffassung, dass die Veranlassung für die Sicherheitsleistung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus dem Vorbehaltsurteil vom 08.08.2006 durch die Rechtskraft des Urteils des Senats vom 28.07.2009 weggefallen sei. Der Kläger könne derzeit auch nicht vollstrecken, da die Voraussetzungen des § 756 ZPO hinsichtlich der Gegenleistung nicht vorlägen. Ein Sicherheitsbedürfnis bestehe allenfalls noch hinsichtlich des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 30.08.2006.

Der Kläger ist dem Antrag entgegengetreten. Er ist der Auffassung, dass die Veranlassung für die streitgegenständliche Sicherheitsleistung nicht weggefallen sei. Die Bürgschaft habe den Zweck, die Zwangsvollstreckung aus dem Vorbehaltsurteil zu sichern. Das Nachverfahren bilde mit dem Vorbehaltsurteil eine Einheit. Die Prozessbürgschaft diene demnach auch der Realisierung der mittlerweile rechtskräftig festgestellten Ansprüche. Die Voraussetzungen für die Zwangsvollstreckung lägen vor, da er die geschuldete Gegenleistung erbracht habe, so dass sich die Beklagten in Annahmeverzug befänden. Die Veranlassung zur Sicherheitsleistung sei auch deshalb nicht weggefallen, weil er die Bürgin zur Leistung aufgefordert habe.

Das Landgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Sicherungszweck ungeachtet der Rechtskraft des Urteils im Nachverfahren noch nicht weggefallen sei, da die Beklagten ihrer Zahlungsverpflichtung noch nicht nachgekommen seien. Für den Fall, dass die Beklagten in der Zwischenzeit zahlungsunfähig geworden wären, wäre dem Kläger ein Schaden durch die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung erwachsen. Dass der Kläger noch die Gegenleistung erbringen müsse, sei unerheblich, zumal deren Erbringung streitig sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss verwiesen.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde, mit der die Beklagten ihr erstinstanzliches Begehren weiter verfolgen. Sie sind weiterhin der Auffassung, dass die Veranlassung für die Sicherheitsleistung durch die Rechtskraft des im Nachverfahren ergangenen Urteils entfallen sei. Es bleibe dem Kläger unbenommen, in die bestehende Sicherheitsleistung hinein zu vollstrecken, soweit die Voraussetzungen erfüllt seien. Die vom Landgericht vorgenommene Beurteilung würde es dem Kläger erlauben, die Rückgabe der Sicherheit für einen unbegrenzten Zeitraum zu vereiteln. Dies widerspräche dem Zweck des § 109 ZPO.

Der Kläger ist der sofortigen Beschwerde entgegengetreten. Er verteidigt unter Vertiefung und Ergänzung des erstinstanzlichen Vortrages den angefochtenen Beschluss.

Wegen der weiteren Einzelheiten im Parteivortrag wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

B.

I.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Sie ist nach § 109 Abs. 4 ZPO statthaft und wurde innerhalb der 2-Wochenfrist eingelegt und begründet.

II.

Die sofortige Beschwerde ist auch weitgehend begründet. Anders als das Landgericht meint, ist mit Ausnahme der Forderung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 30.08.2006 die Veranlassung für die Sicherheitsleistung in Form der Prozessbürgschaft der Volksbank R... entfallen (§ 109 Abs. 1 ZPO).1.

Die Veranlassung zur Sicherheitsleistung ergab sich daraus, dass dem Kläger durch die gemäß § 707 ZPO bewilligte einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Vorbehaltsurteil vom 08.08.2006 ein Schaden hätte entstehen können, der ihm bei sofortiger Zwangsvollstreckung nicht entstanden wäre. Dem Kläger sollte Sicherheit dafür geboten werden, dass ihm eine spätere Zwangsvollstreckung möglicherweise in Folge eines inzwischen eingetretenen Vermögensverfalls der Beklagten nicht oder nicht mehr in voller Höhe Befriedigung hätte verschaffen können. Dieser Zweck der Sicherheitsleistung ist entfallen, da ein solcher Verzögerungsschaden nicht mehr entstehen kann. Der Senat hat im Urteil vom 28.07.2009 das Vorbehaltsurteil nur mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass die Zahlungsverpflichtung Zug-um-Zug gegen die Erbringung einer Gegenleistung durch den Kläger besteht. Diese Gegenleistung war vom Kläger bis zur Rechtskraft des Urteils nicht in einer den Annahmeverzug der Beklagten begründenden Weise angeboten worden. Daher wäre die Vollstreckung aus dem Vorbehaltsurteil nicht mit der materiellen Rechtslage im Einklang gestanden. Aus diesem Grund scheidet die Annahme eines Verzögerungsschadens von vornherein aus.2.

Es kann offen bleiben, ob die Prozessbürgschaft auch den Zweck hatte, die Forderung als solche zu sichern (so BGH NJW 1979, 417, 418, offen lassend BGH MDR 1982, 310; anderer Ansicht etwa OLG München WM 2004, 2071 m.w.N.). Es ist auch insoweit der Sicherungszweck weggefallen, da der Anspruch - wenn die Voraussetzungen des § 756 ZPO vorliegen - sofort liquidiert werden kann (RGZ 61, 300; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 109 Rn. 10; Pecher WM 1986, 1513; vgl. auch Münchener Kommentar/Giebel, ZPO, 3. Aufl., § 109 Rn. 7). Mit dem rechtskräftigen Urteil des Senats ist der Einstellungsbeschluss des Landgerichts vom 18.09.2006 außer Kraft getreten (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 30. Aufl.; § 707 Rn. 15), soweit nicht die noch nicht abschließende Kostenentscheidung betroffen ist (hierzu unter 3.) Damit ist das Vollstreckungshindernis für den Kläger entfallen. Die gegenteilige Auffassung, wonach der Sicherungszweck erst entfällt, wenn die Befriedigung erreicht wird (so etwa OLG Frankfurt MDR 1987, 239; undeutlich für den Fall der Einstellungssicherheit Musielak/Foerste, ZPO, 7. Aufl., § 109 Rn. 6) überzeugt nicht. Die Beklagten weisen zu Recht darauf hin, dass es Sinn und Zweck der Vorschrift des § 109 Abs. 1 ZPO ist, den Gläubiger dazu aufzufordern, entweder die Sicherheit freizugeben oder aber den vermeintlichen Anspruch zu liquidieren, im vorliegenden Fall also den Anspruch gegen die Bürgin gerichtlich geltend zu machen (vgl. auch Stein/Jonas/Bork, a.a.O., § 109 Rn. 3) und zu klären, ob die Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme der Bürgin vorliegen. Würde man - wie das Landgericht - allein auf die Befriedigung abstellen, so könnte ein Gläubiger beliebig lange auf die Sicherheit zugreifen, selbst wenn er - was in diesem Verfahren nicht zu klären ist - gar nicht in der Lage wäre, die Gegenleistung zu erbringen. Dies würde zu erheblichen Kosten auf Seiten des Schuldners führen.3.

Eine andere Beurteilung ist aber hinsichtlich der Forderung des Klägers aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 30.08.2006 geboten. Nachdem über die Kosten noch nicht abschließend entschieden wurde, ist der Sicherungszweck insoweit noch nicht weggefallen. Daher ist die Bürgschaftsforderung in Höhe von 4.500,-- EUR aufrecht zu erhalten. Eines Austausches der Bürgschaft bedarf es nicht.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus den § 97, 92, Abs. 1 ZPO. Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, da die Entscheidung unanfechtbar ist (§ 109 Abs. 4 ZPO).






OLG Stuttgart:
Beschluss v. 18.06.2010
Az: 12 W 28/10


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