Anwaltsgerichtshof Celle:
Urteil vom 9. Dezember 2013
Aktenzeichen: AGH 24/12, AGH 24/12 (II 15/12a)
(AGH Celle: Urteil v. 09.12.2013, Az.: AGH 24/12, AGH 24/12 (II 15/12a))
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Der Streitwert wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der im Jahre 1951 geborene Kläger ist seit 1981 als Rechtsanwalt zugelassen. Bereits im Jahre 2000 und 2001 waren die wirtschaftlichen Verhältnisse des Rechtsanwaltes Gegenstand umfangreicher Korrespondenz mit der Beklagten. Im Jahre 2003 kam es zu weiteren Vollstreckungsmaßnahmen, die sich allerdings durch Zahlung erledigt haben. Die Beklagte überprüfte seit Mitte 2003 aufgrund der verschiedenen Vollstreckungsmaßnahmen wiederholt die Vermögensverhältnisse des Klägers. Seit 2009 kam es durchgehend zu Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Kläger.
Am 27. Mai 2010 erfolgte eine Anhörung zum beabsichtigten Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft des Klägers wegen Vermögensverfalls gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO. Seit dem 17.03.2011 forderte die Beklagte den Kläger mehrfach, zuletzt mit Schreiben vom 10.07.2012, auf, zu den gegen ihn ergangenen Vollstreckungsmaßnahmen sowie zu seinen sonstigen wirtschaftlichen Verhältnissen Stellung zu nehmen. Mit Bescheid vom 05. Oktober 2012 (Bl. 468 PA), zugestellt am 08. Oktober 2012, widerrief die Beklagte nach entsprechender Anhörung vom 22. August 2012 (Bl. 449 PA) die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO. Ihre Entscheidung stützt die Beklagte auf folgende Tatsachen:
1. Forderung des Rechtsanwalts H. G. aus einer Sozietätsauseinandersetzung gemäß dem vollstreckbaren Schuldanerkenntnis des Notars H. B. vom 7. Oktober 1999, aufgrund dessen Herr G. unter dem 19.03.2009 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des AG O. Az. 46 M 5178/09 über 82.517,68 € zuzüglich Kosten erwirkte. Die Konten des Klägers bei der Commerzbank Rheine, Sparkasse O., HypoVereinsbank O. und der Postbank H. wurden gepfändet. Im weiteren Verlauf wurde die Pfändung ruhend gestellt und die Forderung reduzierte sich nach Versteigerung eines Grundstücks des Klägers auf 39.773,56 € per 01.04.2010 zuzüglich 5 % Zinsen p.a. seit dem 01.04.2010 (Bl. 221 PA). Der Kläger teilte der Beklagten im Februar 2011 mit, dass sich die Forderung auf 30.000 € (Bl. 271 PA) reduziert habe und eine Ratenzahlungsvereinbarung getroffen sei. Herr Rechtsanwalt G. informierte die Beklagte unter dem 04.09.2012, dass er die Pfändung gegenüber der Commerzbank wieder aktiviert habe (Bl. 317 SH VI).
2. Weiter verweist die Beklagte auf ein aus der Sozietätsauflösung mit Herrn Rechtsanwalt G. bestehendes Tilgungsdarlehen bei der Sparkasse O., das per 31.05.2010 einen Saldo von 20.498,25 € auswies. Der Kläger habe mitgeteilt, dass die Darlehensverbindlichkeit im Juli 2011 vollständig getilgt sein werde, Nachweise zur Tilgung oder Ablösung dieses Darlehens seien jedoch nicht vorgelegt.
3. Forderung der Kommunikation und Wirtschaft GmbH aus dem Urteil des AG O. vom 16.05.2011 Az. 13 C 45/11 über 1.677,90 € zuzüglich Zinsen und Kosten. Hier liegt ein Vollstreckungsauftrag bei der Obergerichtsvollzieherin P. vom 31.05.2011 Az. DR II-0631/11 vor (Bl. 237 SH VI).
4. Vollstreckung durch die Oberfinanzdirektion Niedersachsen hinsichtlich folgender Forderungen:
- Forderung AG O. aus dem Gerichtsverfahren W../. S. Az. ... über 856,00 € (Bl. 257 SH VI)
- Forderung der Rechtsanwaltsversorgung Niedersachsen aus dem Leistungsbescheid vom 09.02.2011 über 1.761,50 € (Kassenzeichen 4401001846278) sowie
- aus dem weiteren Leistungsbescheid der Rechtsanwaltsversorgung Niedersachsen (Kassenzeichen 4401001868285) vom 11.10.2010 über restliche 1.774,37 € von ursprünglich 2.380,85 € (Bl. 259 SH VI).
5. Forderung der HUK-Coburg Rechtsschutzversicherung aus dem Urteil des AG O. Az. ... vom 31.05.2011 über eine Hauptforderung in Höhe von 1.172,45 € sowie eine Forderung aus dem dazugehörigen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20.07.2011 über 370,87 €. Hier liegen Vollstreckungsaufträge bei der Obergerichtsvollzieherin P. vor (... und ...), wobei nur zwei Teilzahlungen über 198,14 € am 04.08.2011 und in Höhe von 143,98 € am 05.08.2011 erfolgt seien (Bl. 259 SH VI).
6. Forderung BKK G., F. über 279,95 € aus dem Beitragsbescheid vom 16.08.2011 (Aktenzeichen ...); Vollstreckung Obergerichtsvollzieherin P. zum Aktenzeichen ... (Bl. 259 SH VI).
7. Forderung H. W. über 4.411,92 € gem. Kostenfestsetzungsbeschlüssen des AG O. Az. 8 F 220/10 vom 31.03. und 12.04.2011; Frau W. vollstreckt gemäß Pfändungs- und Überweisungsbeschluss AG O. Az. ... (Drittschuldner Sparkasse O./Postbank H.; Bl. 261 ff. SH VI).
8. Forderung der Rechtsschutz Union Schaden GmbH, vertr. d. DABB Rechtsanwaltsgesellschaft mbH M. über 1.000,00 € gem. Beschluss des AG O. vom 21.07.2011 (...). Vollstreckt wird gemäß Mitteilung der Obergerichtsvollzieherin P. vom 21.10.2010 unter Az. ... (Bl. 266, 267 SH VI).
9. Forderung der BKK G. aus dem Beitragsbescheid vom 14.10.2011 über 258,85 € (Az. ...). Vollstreckt wird ausweislich der vorgenannten Mitteilung der Gerichtsvollzieherin unter Az. ... (Blatt 266, 267 SH VI).
10. Forderung der VGH Versicherungen H. über 335,51 € gem. Vollstreckungsbescheid AG U. vom 27.09.2011 (Az... ). Vollstreckt wird gemäß Mitteilung der Obergerichtsvollzieherin P. (Bl. 266 SH VI) zum Az. ... (Bl. 267 SH VI).
11. Forderung BKK M. O. über 1.157,82 € aus dem Beitragsbescheid vom 10.10.2011 (Az. ...). Vollstreckt wird gemäß Mitteilung der Obergerichtsvollzieherin P. vom 03.11.2011 zum Az. ... (Bl. 268 f. SH VI).
12. Forderung der Fa. E. über 143,13 € gem. Vollstreckungsbescheid des AG M. vom 20.10.2011 (Az. ...). Vollstreckt wird ausweislich des in Ziff. 9 genannten Schreibens zum Az. ... (Bl. 268 f. SH VI).
13. Forderung BKK M. O., H. aus dem Beitragsbescheid vom 08.11.2011 über 744,25 € (Az. 13/700/2857020810). Vollstreckt wird ausweislich der Mitteilung der Obergerichtsvollzieherin P. vom 28.11.2011 unter dem Az. ... (Bl. 270 f. SH VI).
14. Forderung BKK M. O., H. gemäß Beitragsbescheid vom 24.01.2012 über eine Forderung von 740,25 € (Az. ...). Die Vollstreckung läuft ausweislich des Schreibens der Obergerichtsvollzieherin P. vom 31.01.2012 unter dem Az. ... (Bl. 272 f. SH VI). Ausweislich des Schreibens der BKK M. O. vom 08.05.2012 wies das Beitragskonto des Klägers per 30.04.2012 einen Gesamtrückstand von 2.979,61 € auf (Bl. 289 SH VI). Die Vollstreckung in das Geschäftsvermögen des Klägers sei erfolglos verlaufen.
15. Forderung BKK M. O. über 750,35 € gemäß Beitragsbescheid vom 09.05.2012 (Az. ...). Die Vollstreckung läuft ausweislich der Mitteilung der Obergerichtsvollzieherin P. vom 29.05.2012 unter dem Az. ... (Bl. 292 f. SH VI).
16. Forderung der A. G. S. GmbH, K., über 890,12 € aus Vollstreckungsbescheid des AG E. vom 12.04.2012 (Az. ...).
Die Vollstreckung läuft ausweislich des Schreibens der Obergerichtsvollzieherin P. vom 19.06.2012 unter dem Aktenzeichen ... (Bl. 294 f. SH VI).
17. Forderung aus dem Beitragsbescheid der BKK M. O. vom 08.06.2012 (Az. ...) über 2.303,46 €. Die Vollstreckung läuft unter dem Az. ... (Mitteilung Obergerichtsvollzieherin P. vom 17.07.2012; Bl. 298 f. SH VI).
18. Forderung der Rechtsanwaltsversorgung Niedersachsen über insgesamt 4.706,07 € gemäß Leistungsbescheiden vom 14.11.2011, 11.01.2012 sowie 12.04.2012. Die Vollstreckung läuft gemäß Schreiben des Obergerichtsvollziehers H. vom 25.07.2012 unter dem Az. ... (Bl. 302, 303 SH VI).
19. Forderung BKK G. über 345,55 € gemäß Beitragsbescheid vom 13.08.2012 (Az. ...). Vollstreckung gemäß Mitteilung Obergerichtsvollzieherin P. vom 16.08.2012 zum Az. ... (Bl. 306, 307 SH VI).
Ergänzend weist die Beklagte darauf hin, dass der Kläger ihrer Forderung zur Vorlage eines detaillierten Vermögensstatus nicht nachgekommen sei. So sei eine Erledigungserklärung der HypoVereinsbank nicht vorgelegt worden, bei der aus der Ablösung eines Finanzierungskredites zum Erwerb zweier Eigentumswohnungen in M. /T. im Juni 2010 noch ca. 13.500 € zur Zahlung offen gewesen seien. Darüber hinaus sei nicht bekannt, ob der Kläger auf eine Forderung einer Frau W . von 19.500 € monatliche Ratenzahlungen in Höhe von 1.000 € erbringe (Bl. 220 ff. PA).
Daneben bestünden nach Angaben des Klägers selbst Verpflichtungen gegenüber der Commerzbank aus einer Darlehensforderung in Höhe von 50.000 € mit einer monatlichen Belastung von 228 €, über 30.000 € mit einer monatlichen Belastung von 115 € sowie einem Annuitätendarlehen über 15.761 € mit einer monatlichen Belastung von 194 €. Darüber hinaus bestünde ein weiteres Annuitätendarlehen bei der DBV W. über 108.773,00 € mit einer monatlichen Belastung von 546,33 €. Ein weiteres Darlehen sei mit Schreiben vom 15.06.2010 benannt worden, wobei keine weiteren Einzelheiten angegeben seien.
Die Interessengefährdung Rechtssuchender ergebe sich daraus, dass die Staatsanwaltschaft O. unter dem 22.05.2012 zum Az. ... einen Strafbefehl wegen des Verdachts der Untreue beantragt habe. Dieser sei allerdings noch nicht rechtskräftig.
Des Weiteren resultiere ein anwaltsgerichtliches Ermittlungsverfahren Aktenzeichen EV 132/12 aus einem Mandatsverhältnis mit Frau V. P. und Herrn Y. H. N.. Dem Kläger wird vorgeworfen, er habe einen dem Mandanten T. zustehenden Schadensersatzbetrag in einer Unfallsache nicht an diesen weitergeleitet, sondern für sich verwendet.
Gegen den Widerrufsbescheid erhob der Kläger mit Schriftsatz vom 08. November 2012 Klage, die an diesem Tage bei der gemeinsamen Faxannahmestelle des Oberlandesgerichtes Celle und des Niedersächsischen Anwaltsgerichtshofes eingegangen ist (Bl. 1 GA).
Zur Begründung seiner Klage verweist der Kläger zu Ziff. 1. darauf, dass die Forderung des Rechtsanwaltes G. aus dem Schuldanerkenntnis vom 07.10.1999 auf zwischenzeitlich 22.000 € reduziert sei und er eine neue Tilgungsregelung mit Herrn G. getroffen habe. Zu Ziff. 2. trägt er vor, das Tilgungsdarlehen bei der Sparkasse O. sei vollständig getilgt. Weiter verweist er darauf, dass die Forderungen der RVN gemäß den Leistungsbescheiden vom 14.11.2011 sowie 11.01. und 12.04.2012 vollständig getilgt seien, wobei der Kläger ankündigt, Nachweise beizubringen, ebenso wie hinsichtlich der Verbindlichkeiten gegenüber der HypoVereinsbank und seiner geschiedenen Ehefrau H. W.. Bisher sind keinerlei Nachweise vorgelegt.
Es bestünden lediglich noch Kreditverbindlichkeiten aus der Eigenheimfinanzierung bei der Commerzbank resp. der DBV-W., welche bedient würden und entsprechend besichert seien.
Weiter weist er darauf hin, dass das Strafverfahren vor dem Amtsgericht O. (Staatsanwaltschaft O. Az. ...) gem. § 153a Abs. 2 StPO eingestellt sei.
Hinsichtlich des Ermittlungsverfahrens betreffend die Angelegenheit J. /P. /N. seien die Mandate nicht abrechnungsreif.
Eine Gefährdung Rechtsuchender sei ausgeschlossen, weil die Vereinnahmung von Fremdgeldern reduziert worden sei und für unvermeidliche Zahlungen ein spezifisches Treuhandkonto bei der Kreissparkasse R. geführt werde.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 05. Oktober 2012 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist sie zunächst in vollem Umfange auf die Widerrufsverfügung. Mit Schriftsatz vom 14. Oktober 2013 teilt sie mit, dass zwischenzeitlich weitere Vollstreckungsverfahren gegen den Kläger bekannt geworden seien. Im Einzelnen:
20. Forderung der BKK M. O., H., über 2.133,66 € aus dem Beitragsbescheid vom 23.08.2012 (Az. ...; Bl. 308, 309 SH VI).
21. Ausweislich des Auszuges aus dem Vollstreckungsregister II des AG O. vom 26.09.2012 bestünden weitere Vollstreckungsaufträge in nicht bekannter Forderungshöhe der BKK M. O. aus einem Beitragsbescheid vom 07.12.2011 (Az. ...) sowie 09.03.2012 (Az. ...), wobei Durchsuchungsbeschlüsse des AG O. unter den Az. ... und 24.01.2012 unter dem Az. ... erwirkt worden seien (Bl. 322 ff., 328, 330 SH VI).
22. Vollstreckung der Firma S. S. GmbH & Co. KG, O., einer Forderung über 1.167,16 € aus dem Teilanerkenntnisurteil des AG O. vom 01.12.2011 Az. ... und einer weiteren Forderung über 64,95 €, aus dem Teilanerkenntnisurteil des AG O. vom 28.02.2012 Az. ..., beides zuzüglich Zinsen und Kosten. Unter dem 28.12.2011 resp. 28.02.2012 ergingen Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse des AG O. zu den Az. ... sowie ... (Bl. 322, 323, 332,337 SH VI).
23. Wegen der oben unter Ziff. 16 aufgeführten Forderung der A. G. S. GmbH, K., ergingen weitere Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse des AG O. vom 05.12.2012 (Az. ... richtig: ...) und 27.06.2012 (Az. ...), mit denen die Konten des Klägers bei der Kreissparkasse R. und der Deutschen Postbank AG D. gepfändet wurden (Bl. 322, 341, 351 SH VI).
24. Wegen der unter Ziff. 13 aufgeführten Forderungen erging unter dem Az. ... vom AG O. ein weiterer Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 02.09.2010, mit dem das Konto des Klägers bei der Deutschen Postbank AG D. gepfändet wurde (Bl. 314, 345 SH VI).
25. Forderung des Herrn G. T. aus dem Urteil des LG O. vom 04.07.2013 Az. ... über 6.379,95 € zuzüglich Zinsen und Kosten. Vollstreckung durch Pfändungs- und Überweisungsbeschluss AG O. vom 20.09.2012 Az. ... (Bl. 355 ff. SH VI). Vollstreckt wird in das Konto des Klägers bei der Kreissparkasse R., wobei die Obergerichtsvollzieherin P. mit Schreiben vom 11.12.2012 die Forderungshöhe zu diesem Zeitpunkt mit 4.982,04 € mitgeteilt hat (Bl. 391, 392 SH VI).
26. Vollstreckung des Herrn R. R. aus dem Urteil des OLG O. (Az. ...) über insgesamt 6.997,41 durch Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des AG O. vom 29.10.2009 (Az. ...) mit dem die Konten des Klägers bei der Sparkasse O. und der Postbank H. gepfändet wurden (Bl. 363 ff. SH VI).
27. Vollstreckung der Bayerischen Hypo- und Vereinsbank AG durch Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des AG O. vom 16.02.2009 (Az. ...) aus der Grundschuldbestellungsurkunde des Notars Dr. S. vom 17.12.1999 über 30.000 € zuzüglich Kosten, wobei das Konto des Klägers bei der Sparkasse O. gepfändet wurde (Bl. 369 ff. SH VI).
28. Erneute Vollstreckung der Rechtsschutz Union Schaden GmbH über 1.107,32 € aus dem Beschluss des AG O. vom 21.07.2011 zum Aktenzeichen ... (vgl. Ziff. 8.). Das Az. der Obergerichtsvollzieherin P. lautet ... (Bl. 393, 394 SH VI).
29. Vollstreckung des Herrn C. über 1.527,67 € aus dem am 10.04.2013 vor dem LG O. Az. ... abgeschlossenen Vergleich. Aktenzeichen Obergerichtsvollzieherin P. ... (Bl. 396 ff., 401 SH VI).
30. Weitere Vollstreckung der Forderung der Rechtsschutz Union Schaden GmbH (vgl. Ziff. 8. und 28.) gemäß Urteil des AG O. vom 31.07.2011 (Az. ...) über 1.169,89 € ( Az. der Zwangsvollstreckung durch Obergerichtsvollzieherin P. ...; Bl. 402 bis 405 SH VI).
Ergänzend weist auch die Beklagte auf das Strafverfahren AG O. Az. ...(... ) ... wegen Untreue hin, das zwischenzeitlich gemäß § 153a Abs. 2 StPO nach Zahlung der Auflage von 2.000 € endgültig eingestellt worden ist. Das dieserhalb anhängige anwaltsgerichtliche Ermittlungsverfahren bei der Generalstaatsanwaltschaft O. sei hingegen noch nicht abgeschlossen.
Zuletzt weist die Beklagte auf das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft O. Az. ... hin, in dem gegen den Kläger am 02.09.2013 Anklage wegen des Verdachts der Untreue vor dem Amtsgericht O. erhoben worden ist. Betroffen ist hier das Mandat H. N. /V. P., wobei der Kläger Fremdgelder nicht weitergeleitet und anderweitig für sich verwendet haben soll.
Das anwaltsgerichtliche Ermittlungsverfahren ist von der Generalstaatsanwaltschaft O. bis zum Abschluss des Strafverfahrens zurückgestellt worden (Az. ...).
Der Kläger hat sich zunächst dazu nicht geäußert. In der mündlichen Verhandlung vom 09.12.2013 hat er unter Vorlage einer Bestätigung des Rechtsanwalts G. die Behauptung erhoben, dass bei diesem nur noch eine Restschuld von 3.000 € bestünde, wobei er den Betrag am Morgen des 09.12.2013 überwiesen habe, ihm ein Beleg jedoch nicht vorläge. Daneben hat er eine Aufstellung von Frau Obergerichtsvollzieherin P. vom 06.12.2013 über die bei dieser eingegangenen Vollstreckungsaufträge vorgelegt und behauptet, dass danach nur noch eine Restforderung von 933,39 € bestehe, die er am Vorabend bezahlt habe. Hierzu ist im Termin ein nicht rechtsverbindlicher Überweisungsbeleg der Kreissparkasse B. vom 09.12.2013 über die Überweisung dieses Betrages an Frau Obergerichtsvollzieherin P. vorgelegt worden (Anlage zum Protokoll).
Dem Senat lagen bei der Verhandlung und Entscheidung die den Kläger betreffenden Personalakten (Band I € III) nebst Sonderheft VI (Band 1 und 2) (Mitteilungen über Klagen und Vollstreckungsmaßnahmen sowie EV-Verfahren) vor, ferner als Retente die Akten zu den Beschwerdeverfahren 141/08 €B- und 53/12 €B- der Beklagten; sie waren sämtlichst Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
II.
Die vom Kläger erhobene Anfechtungsklage ist zulässig. Insbesondere wurde sie fristgerecht erhoben. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Die Beklagte hat die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft mit Bescheid vom 05.10.2012 wegen Vermögensverfalls gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zu Recht widerrufen.
1. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung eines Rechtsanwaltes zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist. Ein solcher ist gegeben, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen für einen solchen Vermögensverfall sind die Erwirkungen von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn (st. Rspr. BGH vom 25.03.2003, AnwZ (B) 80/90, NJW 1991, 2083 bis 2084). Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO wird ein Vermögensverfall vermutet, wenn der Rechtsanwalt in das durch das Vollstreckungsgericht oder Insolvenzgericht zu führende Verzeichnis eingetragen ist (§§ 26 Abs. 2 InsO, 915 ZPO).
Vor diesem Hintergrund ist der Widerrufsbescheid der Beklagten zu Recht ergangen. Im Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheides war gegen den Kläger eine Vielzahl von Vollstreckungstiteln ergangen, aus denen die Zwangsvollstreckung € teilweise auch wegen geringer Beträge unter 500 € - gegen ihn betrieben wurde. Die vollstreckbaren Forderungen Ziff. 3 bis 19 beliefen sich im Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheides auf ca. 26.000 €. Hinzu kam die Forderung des Rechtsanwaltes G. in Höhe von jedenfalls 39.773,56 € zuzüglich Zinsen. Der Kläger hat zwar behauptet, er habe später weitere Zahlungen geleistet und eine modifizierte Tilgungsregelung getroffen. Die angekündigten Belege sind zunächst nicht nachgereicht worden, wobei Herr Rechtsanwalt G. im Gegensatz dazu am 04.09.2012 mitgeteilt hat, dass die Vollstreckung fortgesetzt werde. Im Zeitpunkt des Erlasses der Widerrufsverfügung waren noch 39.773,56 € zuzüglich Zinsen offen.
Entsprechendes gilt für das Tilgungsdarlehen der Sparkasse O.. Der Kläger hat zwar behauptet, dass das Darlehen vollständig getilgt sei, Nachweise trotz entsprechender Ankündigung jedoch nicht vorgelegt. Im Zeitpunkt des Widerrufsbescheides ist daher mangels gegenteiliger Angaben und fehlender Nachweise des Klägers von einem Saldo von 20.498,25 € auszugehen.
Der Kläger hat darüber hinaus unsubstantiiert behauptet, die unter Ziff. 18. aufgeführten Forderungen seien durch Zahlung erledigt. In welcher Höhe wann an wen Zahlungen erbracht wurden, trägt er nicht vor. Die angekündigten Nachweise hat er nicht beigebracht. Nachweise wurden vom Kläger auch nicht vorgelegt, soweit er behauptet, die Verbindlichkeiten gegenüber der HypoVereinsbank resp. Frau H. W. aus der Schuldübernahme über 19.500 € beglichen zu haben.
Der Kläger hat also weder substantiiert Zahlungen behauptet noch belegt, sodass davon auszugehen ist, dass die im Widerrufsbescheid aufgeführten vollstreckbaren Forderungen von rund 104.000 € im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides weiterhin Bestand hatten, zumal hinsichtlich der unter Ziff. 8. aufgeführten Forderung der Rechtsschutz Union von ursprünglich lediglich 1.000 € weiter vollstreckt wird (Ziff. 28. und 30.). Die zahlreichen Vollstreckungsaufträge über teilweise relativ geringe Beträge unter 500 € (Ziff. 6., 9., 10., 12., 19.) bilden ein gewichtiges Indiz dafür, dass der Kläger neue Schulden auflaufen lässt, um andere Verbindlichkeiten zu begleichen. Dies belegt auch das zwischenzeitlich am 22.04.2013 gemäß § 153 a Abs.2 StPO eingestellte Strafverfahren AG O. Az. ...). Hier lag der Sachverhalt zugrunde, wonach der Kläger in einer Unfallsache erhaltene Schadensersatzbeträge nicht an den Mandanten T. weiterleitete.
2. Auch nach Erlass des Widerrufsbescheides haben sich die Vermögensverhältnisse des Klägers in keiner Weise gebessert. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 14. Oktober 2013 unter den Ziff. 20. bis 30. weitere Forderungen aufgeführt, hinsichtlich derer bereits die Vollstreckung läuft. Die vollstreckten Beträge belaufen sich auf rund 46.000 €, wobei die Höhe der unter Ziff. 21. aufgeführten Forderungen der BKK M. O. nicht bekannt ist und noch hinzukommt. Der Kläger hat zwar belegt, dass sich die Forderung des Rechtsanwalts G. auf 3.000 € reduziert hat, einen Nachweis für die Zahlung dieses Restbetrages jedoch nicht beigebracht. Dass sich die Forderungen aus den Frau Obergerichtsvollzieherin P. eingegangenen Vollstreckungsaufträgen auf 933, 39 € reduziert haben, ergibt sich aus der im Termin vorgelegten Aufstellung gerade nicht. Die Aufstellungen weisen u.a. die folgenden offenen Forderungen aus:
DR II € 0935/13 Rechtsschutz Union Schaden GmbH (Ziff. 8, 28, 30) 1.169,98 €DR II - 1075/13 OFD Niedersachsen 928,59 €DR II € 1153/13 H. W. (Ziff. 7) 6.944,99 €DR II € 1026/13 BKK M. O. (Ziff. 20) 1.758,71 €DR II - 1418/13 G. T. (Ziff. 25) 4.982,04 €,die den vom Kläger genannten Betrag von 933,39 € deutlich übersteigen. Darauf, ob die Zahlung dieses Betrages durch den nicht rechtsverbindlichen Überweisungsbeleg ausreichend belegt ist, kommt es daher nicht an. Auf die Vollstreckungsaufträge bei Herrn Obergerichtsvollzieher H. (Ziff. 18) geht der Kläger nicht ein, sodass davon auszugehen ist, dass auch diese Forderungen weiterhin Bestand haben.
3. Der Kläger hat schließlich keinerlei Tatsachen vorgebracht, die den Schluss zulassen, dass trotz des anzunehmenden Vermögensverfalles die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Von einem Widerruf der Zulassung des in Vermögensverfall geratenen Anwalts kann somit nur dann abgesehen werden, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung eine sichere Prognose dahingehend getroffen werden kann, dass sich die typischen Gefahren, die mit dem Vermögensverfall eines Anwalts verbunden sind, nicht realisieren werden (BGH AnwBl 2010, 442 ff.) Die Feststellungslast für das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalles obliegt dem Rechtsanwalt (BGH Urteil vom 02.07.2012 AnwZ (Brfg) 16/11). Der Kläger trägt insoweit vor, dass im Verfahren des AG O. Az. ...) eine Gefährdung von Mandanteninteressen nicht bestanden habe. Die Gefährdung bestand hier indes bereits schon deswegen, weil der Geschädigte die Gelder nur im Rahmen der Zahlung der Auflage des Gerichts und damit verspätet zurückerhalten hat.
Zudem ist zwischenzeitlich in einem weiteren Verfahren der Geschädigten H. N. und P. Anklage wegen des Verdachts der Untreue durch die Staatsanwaltschaft O. Az. ... vom 02.09.2013 erhoben worden.
Eine Gefährdung der Interessen Rechtssuchender ergibt sich zudem daraus, dass diverse Male in die Geschäftskonten des Klägers vollstreckt worden ist (u.a. Ziff. 1., 7., 24.). Selbst wenn man unterstellt, dass Fremdgeld entsprechend der Behauptung des Klägers auf ein Treuhandkonto bei der Kreisparkasse R. geleitet wird, reicht dies nicht aus, wobei unklar bleibt, ob auch in dieses Konto vollstreckt wird (vgl. Forderung Ziff. 23). Aus dem Briefkopf des Klägers in der Klageschrift ergibt sich zwar ein Konto bei der Kreissparkasse R., das allerdings nicht als Treuhandkonto bezeichnet ist. Aus dem letzten Schriftsatz des Klägers vom 08.12.2013 ist kein Konto, auch kein Treuhandkonto, ersichtlich, das bei der Kreissparkasse R. geführt wird.
Anzeichen für eine nachhaltige Konsolidierung der Vermögensverhältnisse des Klägers sind somit weder vorgetragen noch sonst zweifelsfrei ersichtlich. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs käme es darauf allerdings nicht einmal an (BGH Beschluss vom 29.06.2011 € AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190,187).
Nach alledem ist der Widerrufsbescheid zu Recht ergangen.
III.
Gründe, die Berufung nach §§ 124 Abs. 2 VwGO, 112c Abs. 1, 112e BRAO zuzulassen, bestehen nicht.
IV.
Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 112c Abs. 1 BRAO, 154 Abs. 1, 167 Abs. 1 und 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.
V.
Die Festsetzung des Streitwertes ergibt sich aus § 194 Abs. 2 BRAO.
AGH Celle:
Urteil v. 09.12.2013
Az: AGH 24/12, AGH 24/12 (II 15/12a)
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