Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. Juli 2002
Aktenzeichen: 33 W (pat) 236/00
(BPatG: Beschluss v. 30.07.2002, Az.: 33 W (pat) 236/00)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I Am 18. Juli 1997 ist die nachfolgend abgebildete dreidimensionale Markesiehe Abb. 1 am Endefür folgende Waren unter anderem für Deutschland international registriert worden:
18 Cuir et imitations du cuir, bagages à l«exception des sacs pour l«emballages en matière textile et sacs pour le transport et l«emmagasinage des marchandises en vrac, malles, valises, coffrets destines à contenir des articles de toilette dits "vanitycase", sacs de voyage, sacs de loisirs, sacs de sport, sac à main, sacs pour chaussures, sacs de plage, bourses; articles de maroquinerie en cuir ou en imitations du cuir (à l«exception des etuis adaptes aux produits qu«ils sont destines à contenir, des gants et des ceintures), trousses de toilette (vides), portedocuments; cartables, sacs à dos, pochettes de ceintures, pochettes, fouets, sellerie, parapluies, fourreaux de parapluies, parasols et cannes, lanières de cuir.
25 Vêtements (habillement), chaussures (à l«exception des chaussures orthopediques); chapellerie.
28 Jeux, jouets; articles de gymnastique et de sport (à l«exception des vêtements, tapis, chaussures); sacs de sport specialement conus et adaptes à des articles de sport.
Mit Refus de Protection vom 26. Februar 1998 und Beschluss vom 9. August 2000 hat die Markenstelle für Klasse 18 IR der Marke den Schutz in der Bundesrepublik Deutschland versagt. Nach Auffassung der Markenstelle fehlt der Marke jegliche Unterscheidungskraft. Es handele sich nur um ein Muster der Waren bzw. ihrer Verpackung, das nicht als Betriebskennzeichen wirke, zumal bei den betreffenden Waren auch keine Übung des Verkehrs bestehe, gerade im Muster einen Betriebshinweis zu sehen. Da die Marke sich auf ein erhaben angebrachtes Rautenmuster beschränke, sei sie angesichts der Üblichkeit von Strukturierungen als übliches Stilmittel auch nicht so fantasievoll gestaltet, dass sie als betriebliches Unterscheidungsmittel geeignet sei. An dieser Beurteilung ändere auch nichts, dass das Muster je nach Lichteinfall variiere, da eine solche Wirkung aus der IR-Marke selbst nicht ersichtlich sei und der Verkehr an solche Wirkungen auch gewöhnt sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin, mit der sie beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben.
und hilfsweise anregt, die Rechtsbeschwerde zuzulassen.
Zur Begründung trägt sie vor, dass die Markenstelle zunächst zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass der Marke jegliche Unterscheidungskraft fehle, weil der Verkehr nicht darin geübt sei, ein Muster als Herkunftskennzeichen zu erkennen. Dies lasse sich dem Gesetz nicht entnehmen und widerspreche § 3 Abs. 1 MarkenG, wonach neue Markenformen auch ohne Verkehrsgeltung als Marke geschützt werden könnten. Im übrigen würden neue Markenformen von Unternehmen als betriebliche Kennzeichnungen eingesetzt und von den Verbrauchern auch zunehmend so verstanden. Dies gelte auch für die beanspruchten Waren, wie auch die Beispiele Louis Vuitton, Pollini, Adidas zeigten. Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft sei von den künftigen Einsatzmöglichkeiten auszugehen. Erscheine (auch) eine Benutzung möglich, die vom Verkehr als Marke erkannt werde, z.B. als kennzeichnender Aufsatz (Labelträger), die nichts mit der Ware oder ihrer Verpackung als solcher zu tun hätte, so könne der Marke nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden. Gegen das Vorliegen der Unterscheidungskraft spreche auch nicht, dass es sich um eine einfache geometrische Form handele. Das Muster sei zwar nicht kompliziert aber phantasievoll und individuell geprägt. Nur allgemein bekannten und benutzten Mitteln, die überlicherweise in bloß ornamentaler Form verwendet würden, fehle jegliche Unterscheidungskraft. Die hier gewählte Rautenform sei ungewöhnlich spitzwinklig und langgezogen mit schmalen, steil ansteigenden Linien. Die Oberfläche des Materials vermittle je nach Lichteinfall einen schillernden Hintergrund. Ein derartiges Muster sei für die beanspruchten Waren nicht gängig. Auch liege kein Freihaltungsbedürfnis vor, da kein Winkelmuster schlechthin, sondern nur die konkrete Form geschützt werden solle. Geringfügige Winkelveränderungen erzeugten bereits einen anderen optischen Eindruck.
Mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung sind der IR-Markeninhaberin Kopien des Ergebnisses einer vom Senat durchgeführten Recherche übersandt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II 1. Die Beschwerde ist nicht begründet. Die IR-Marke weist nicht die für eine Marke erforderliche Unterscheidungskraft auf (Art. 5 Abs. 1 MMA i.V.m. Art. 6 quinquies B Nr. 2 PVÜ). Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschriften ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die angemeldeten Waren eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. Hierbei ist grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen (vgl. BGH Mitt. 1999, 229, 230, li. Sp. - PREMIERE II). Den danach an die Unterscheidungskraft einer Marke zu stellenden Anforderungen wird die angemeldete Bezeichnung nicht gerecht.
Rauten- oder Rhombenmuster sind auf dem Mode und Dekorationssektor seit langem bekannt und werden traditionell umfangreich verwendet. So spricht man etwa vom "klassischen" Rhomben- oder Rautenmuster. Derartige Muster tauchen insbesondere in Büchern über die Mode des vergangenen Jahrhunderts auf. Auch sind die Worte "Rauten" oder "Rhomben" Stichworte von Modelexika (vgl. z.B. In- ternetseiten www. deutschestandards.de/out/beispielhafte_geschäftsberichte/a.s. creation/,www.modemacher.at/content/lexikon/5_03r_neu.htm; vgl. auch Markert, MASCHEN ABC, 9. Aufl., S. 367 f., sowie diverse, der Anmelderin übersandte Auszüge aus Seeling, MODE - Das Jahrhundert der Designer - 1900-1999).
Auch Rautenmuster, bei denen die Rautenlinien erhaben sind, und dabei durch das Spiel von Licht und Schatten einen plastischen Effekt verursachen, sind bekannt und werden in der Mode verwendet. Neben der Abbildung eines Kostüms mit langem Rock (DEJA VU - Moden 1950 - 1999) wird hierzu vor allem auf A. Hofer, Textil- und Modelexikon, 7. Aufl., S. 36 und die Internetseite www.journal. de/jfdf/html/C_ Mein_Stil/c20/03985.htm verwiesen, in denen die plastische bzw. Reliefwirkung von erhaben gestrickten Rautenmustern besprochen wird. Die dort abgebildeten Muster haben zudem eine deutlich komplexere Struktur, als die IR-Marke aufweist.
Ebenso werden auch Rautenmuster mit unterschiedlichen, also z.T. auch spitzen Winkeln verwendet (vgl. z.B. Abbildung eines Pullovers in TextilWirtschaft, Heft 53 vom 31.12.1998, S. 53; Muster eines Gewehrschafts im Prospekt 2000 von Weatherby, Muster eines Sportklettergurts im Prospekt 1999 von Salewa Alpintechnology).
Diese und weitere der insgesamt 20 Abbildungen aus dem Mode- und Sportbereich, die der IR-Markeninhaberin zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung übersandt worden sind, belegen deutlich, dass Rhombenmuster der angemeldeten Art in Zusammenhang mit Waren, die dem engeren Bereich der Bekleidungsmode und Assecoires angehören, vom Verkehr naturgemäß nicht als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst werden. Angesichts der Gewöhnung des Verkehrs an unterschiedliche Arten solcher Muster wird die IR-Marke von Haus aus nur als eine weitere Variation des klassischen Rhombenmusters aufgefasst werden.
Nichts anderes gilt für den Bereich der Sportwaren und Schuhe, wobei hier zusätzlich zu berücksichtigen ist, dass plastische Rhombenmuster teilweise, etwa bei Sohlen oder Handgriffen offensichtlich zur Erreichung einer technischen Wirkung (Erhöhung der Rutschfestigkeit) verwendet werden (vgl. og. Abbildung eines Gewehrschafts; Sandalensohle in Sport-Scheck, Katalog Frühj./Sommer 2002, S. 79). Der Marke fehlt daher von Haus aus jegliche Unterscheidungskraft.
Soweit die IR-Markeninhaberin auf ähnliche Kennzeichnungen, wie etwa das Muster von Louis Vuitton-Koffern oder Burlington-Socken verweist, so mag es sich dabei um bekannte Muster mit Verkehrsgeltung, eventuell sogar Verkehrsdurchsetzung handeln. Diese Beispiele geben jedoch nichts für die Frage her, ob die IR-Marke von Haus aus über eine Eignung zur betrieblichen Herkunftskennzeichnung verfügt.
Die Beschwerde war damit zurückzuweisen.
2. Für die von der IR-Markeninhaberin angeregte Zulassung der Rechtsbeschwerde sieht der Senat keinen Anlass. Bei der Beurteilung, ob die IR-Marke über die erforderliche Unterscheidungskraft verfügt, ist der Senat von dem großzügigen Maßstab ausgegangen, den der Bundesgerichtshof bei allen Markenformen anlegen will, also - vorbehaltlich des Ergebnisses eines Vorabentscheidungsersuchens an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (vgl. BGH, MarkenR 2001, 67- Gabelstapler; 2001, 71- Stabtaschenlampen; 2001, 75 - Montres) - auch an die Form der Ware. Insbesondere hat der Senat einen Vergleich mit den tatsächlich vorhandenen Gestaltungsformen auf den betreffenden Warengebieten vorgenommen, was insoweit den Anforderungen entspricht, die der Bundesgerichtshof bei Warenformmarken an die Beurteilung des Vorliegens der Unterscheidungskraft stellt (BGH Bl.f.PMZ 2001, 215 - Uhrengehäusering; GRUR 2001, 418 - Montre; Bl.f.PMZ 2001, 216 - SWATCH-Gehäuseträger). Dabei war weder eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden (§ 83 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) noch ist erkennbar, inwiefern die Rechtsbeschwerde der Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dienen könnte (§ 83 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG).
Winkler Dr. Hock Kätker Kr Abb. 1
BPatG:
Beschluss v. 30.07.2002
Az: 33 W (pat) 236/00
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/f2a7141047db/BPatG_Beschluss_vom_30-Juli-2002_Az_33-W-pat-236-00