Bundespatentgericht:
Beschluss vom 13. September 2007
Aktenzeichen: 23 W (pat) 42/05

(BPatG: Beschluss v. 13.09.2007, Az.: 23 W (pat) 42/05)

Tenor

Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen.

Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Gründe

I.

Die Prüfungsstelle für Klasse H01R des Deutschen Patent- und Markenamts hat die am 29. Mai 2002 eingereichte Patentanmeldung mit der Bezeichnung "Hebelartiger Verbinder", für die die Priorität einer Anmeldung in Japan vom 31. Mai 2001 (Aktenzeichen 01-165106) in Anspruch genommen ist, durch Beschluss vom 20. Dezember 2004 zurückgewiesen.

Im vorausgegangenen Prüfungsbescheid vom 21. Juli 2004 sind zum Stand der Technik u. a. die vorveröffentlichten Entgegenhaltungen:

- DE 199 42 753 A1 (Entgegenhaltung 4) und - EP 0 654 862 A2 (Entgegenhaltung 5)

in Betracht gezogen worden.

Der Anmelderin ist mitgeteilt worden, dass der Gegenstand des ursprünglichen Patentanspruchs 1 gegenüber dem Stand der Technik nach den Entgegenhaltungen 4 und 5 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Im Hinblick auf den Unteranspruch 6 seien dem Fachmann aus der Entgegenhaltung 4 bereits Gleitführungsabschnitte am Hebel (vgl. Fig. 2 und 3) bekannt. Auf den Bescheid hat die Anmelderin mit Schriftsatz vom 26. November 2004 neue Patentansprüche 1 bis 10 eingereicht und gebeten, ihr vor etwaiger Beschlussfassung Gelegenheit zu weiterer Äußerung zu geben. Für den Fall einer drohenden Zurückweisung der Anmeldung hat sie vorsorglich um eine Anhörung nachgesucht. Die Anmeldung ist daraufhin durch Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H01R des Deutschen Patent- und Markenamts vom 20. Dezember 2004 mit der Begründung zurückgewiesen worden, dass der Fachmann bei Kenntnis der Entgegenhaltungen 4 und 5 nicht erfinderisch tätig sein müsse, um zum Gegenstand des neugefassten Patentanspruchs 1 zu gelangen. Auf den Anhörungsantrag ist dabei nicht eingegangen worden.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 7. März 2005 eingelegte und mit Schriftsatz vom 24. Februar 2006 begründete Beschwerde der Anmelderin, mit der die Anmelderin das Schutzbegehren nach Hauptantrag mit den dem angefochtenen Beschluss zugrundeliegenden Patentansprüchen 1 bis 10 und hilfsweise mit am 24. Februar 2006 eingegangenen Patentansprüchen 1 bis 9 nach Hilfsantrag weiterverfolgt. Die Anmelderin bemängelt dabei, dass ihre Argumente von der Prüfungsstelle nicht angemessen berücksichtigt worden seien und der Anhörungsantrag ohne Angabe von Gründen übergangen worden sei. Zudem sei ihr vor der Beschlussfassung nicht mitgeteilt worden, dass ein Gleitführungsabschnitt aus der Entgegenhaltung 5 bekannt sei. Hierauf stütze sich aber der angefochtene Beschluss, ohne dass sie sich hierzu habe äußern können.

Mit Schriftsatz vom 30. August 2007 hat die Anmelderin zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung zudem Patentansprüche 1 bis 9 nach Hilfsantrag 2 und Patentansprüche 1 bis 8 nach Hilfsantrag 3 eingereicht.

In der mündlichen Verhandlung am 13. September 2007 hat die Anmelderin zuletzt einen neugefassten Patentanspruch 1 überreicht und die Auffassung vertreten, dass dieser zulässig sei und dass dessen Gegenstand gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik patentfähig sei.

Die Anmelderin beantragt, den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H01R des Deutschen Patent- und Markenamts vom 20. Dezember 2004 aufzuheben und das Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Anspruch 1 überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 13. September 2007; Ansprüche 2 bis 10, eingegangen am 26. November 2004, ursprüngliche Beschreibung, Seiten 1 bis 24, ursprüngliche Zeichnung, Figuren 1 bis 9.

Der Anmeldervertreter erklärte die Teilung der Anmeldung.

Der geltende Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

Hebelartiger Verbinder (37), der aufweist:

- einen Hebel (41), der in Längsrichtung zwischen seinem ersten und seinem zweiten Ende drehbar mit dem männlichen Gehäuse (39) verbunden ist;

- ein weibliches Gehäuse (45), in das das männliche Gehäuse (39) unter Betätigung des Hebels (41) einsteckbar ist, wozu der Hebel (41) an seinem zweiten Ende mit einem Betätigungsabschnitt (65) versehen ist,

- wobei zur drehbaren Verbindung des Hebels (41) mit dem männlichen Gehäuse (39) an einem der beiden Bauteile männliches Gehäuse (39) und Hebel (41) ein Vorsprung (51) vorgesehen ist, der in einem Eingriffsloch (75; 111) an dem anderen der beiden Bauteile männliches Gehäuse (39) und Hebel (41) aufgenommen ist, dadurch gekennzeichnet, dass der Hebel (41) durch seine Betätigung beim Einstecken des männlichen Gehäuses (39) in das weibliches Gehäuse (45) quer zur Betätigungsrichtung nach seinem ersten Ende hin verschiebbar ist, wobei zu diesem Zweck:

- der Hebel (41) an der Stirnseite seines zweiten Endes mit einem Gleitführungsabschnitt (71) mit einer gekrümmten Fläche versehen ist, die bei Betätigung des Hebels (41) an einer Innenwand des weiblichen Gehäuses (45) entlanggleitet und dabei aufgrund ihrer Krümmung die Verschiebung des Hebels (41) nach seinem ersten Ende hin bewirkt, und - das Eingriffsloch (75; 111) derart länglich ausgebildet ist, dass sich der Vorsprung (51) bei der Verschiebung des Hebels (41) in dem länglichen Eingriffsloch (75:111) bewegt.

Wegen der geltenden Unteransprüche 2 bis 10 und der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet; denn der geltende Patentanspruch 1 ist unzulässig erweitert. Die Beschwerdegebühr ist zurückzuzahlen, weil ein schwerwiegender Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs vorliegt.

1. Der geltende Patentanspruch 1 ist unzulässig erweitert.

Das Merkmal des geltenden Patentanspruchs 1, wonach sich der Vorsprung (51) bei Verschiebung des Hebels (41) in dem länglichen Eingriffsloch (75: 111) bewegt, ist in dieser Allgemeinheit weder in den ursprünglichen Patentansprüchen noch in der dazugehörigen Beschreibung als zur Erfindung gehörend offenbart, zumal die ursprünglichen Patentansprüche und die ursprüngliche Beschreibung teilweise sprachlich schwer verständlich sind. Beim ursprünglichen Patentanspruch 1 gilt dies insbesondere für die Merkmale, wonach der hebelartige Verbinder (37) aufweist:

- einen Hebel (41), in dem ein Abschnitt zwischen einer ersten Seite und einer zweiten Seite in einer Längsrichtung drehbar mit dem männlichen Gehäuse verbunden ist;

- ein Eingriffsloch (75), das in dem anderen des männlichen Gehäuses und des Hebels vorgesehen ist;

- worin das Eingriffsloch derart ausgebildet ist, um zu der ersten Seite des Hebels gegenüber dem hervorstehenden Abschnitt länger zu sein, und - worin der Hebel zu der zweiten Seite verschiebbar ist gegenüber einer Einpassposition, wenn der Einspasszustand zwischen dem weiblichen Gehäuse und dem männlichen Gehäuse in einem normalen Zustand ist.

Andererseits gehören Merkmale, die allein der Zeichnung zu entnehmen sind und im Inhalt der Beschreibung und der Patentansprüche keine Stütze finden, grundsätzlich nicht zum Gegenstand der Anmeldung. Nur ausnahmsweise kann ein lediglich gezeichnetes Merkmal dann als zum Gegenstand der Anmeldung gehörig betrachtet werden, wenn es nach dem Gesamtinhalt der Beschreibung für die Erfindung von Bedeutung ist, etwa in der Form, dass erkennbar wird, dass das der Zeichnung zu entnehmende Merkmal zur Lösung der Aufgabe bestimmt und geeignet ist (vgl. BGH GRUR 1985, 214, 215, re. Sp. le. Abs. bis 216, li. Sp. Abs. 1 - "Walzgut-Kühlbett"). Letzteres unterstellt, ist vorliegend den Figuren 4 bis 7 bzw. 8 und 9 - die den zwei Ausführungsbeispielen entsprechen - jeweils entnehmbar, dass sich der Vorsprung (51) vor der Verschiebung des Hebels (41) an einem von dem Betätigungsabschnitt (65) abgewandten Ende des länglichen Eingriffslochs (75: 111) befindet und sich bei der Verschiebung des Hebels (41) jeweils nach einem dem Betätigungsabschnitt (65) zugewandten Ende des länglichen Eingriffslochs (75: 111) hin bewegt. Demgegenüber umfasst das Merkmal des geltenden Patentanspruchs 1, wonach sich der Vorsprung (51) bei Verschiebung des Hebels (41) in dem länglichen Eingriffsloch (75: 111) bewegt, auch die in den gesamten ursprünglichen Anmeldungsunterlagen nicht offenbarte Alternative, dass sich der Vorsprung (51) bei der Verschiebung des Hebels (41) - umgekehrt - von einem dem Betätigungsabschnitt (65) zugewandten Ende des länglichen Eingriffslochs (75: 111) nach einem dem Betätigungsabschnitt (65) abgewandten Ende des länglichen Eingriffslochs (75: 111) hin bewegt.

Der geltende Patentanspruch 1 ist daher insoweit unzulässig erweitert.

2. Es entspricht vorliegend der Billigkeit, die Beschwerdegebühr gemäß § 80 Abs. 3 PatG zurückzuzahlen. Die Rückzahlung hat zu erfolgen, wenn es aufgrund besonderer Umstände unbillig wäre, die Gebühr einzubehalten. Als Gründe für eine Rückzahlung kommen insbesondere fehlerhafte Sachbehandlung oder Verfahrensfehler seitens des Patentamts in Betracht (vgl. hierzu Schulte, PatG, 7. Aufl., § 80 Rdn. 66, 67 und § 73 Rdn. 142 ff.).

Ein in diesem Sinne relevanter Fehler ist im vorliegenden Fall gegeben, da die Anmelderin im Verfahren vor dem Patentamt in ihrem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs und in ihrem Anspruch auf ein faires Prüfungsverfahren verletzt worden ist. Sie ist durch den angefochtenen Beschluss insofern überrascht worden, als sie sich zu der für die Zurückweisung maßgeblichen Entgegenhaltung 5 nicht stichhaltig äußern konnte. Mit dem einzigen Prüfungsbescheid (vgl. Seite 4, Absatz 2) ist der Anmelderin nämlich zu dem einen Gleitführungsabschnitt betreffenden ursprünglichen Patentanspruch 6 mitgeteilt worden, dass Gleitführungsabschnitte am Hebel aus der Entgegenhaltung 4 (vgl. Fig. 2 und 3) bekannt seien. Demgegenüber heißt es im angefochtenen Beschluss (vgl. Seite 4, vorletzter Absatz bis Seite 5, Absatz 1) zu den - inzwischen in den neugefassten Patentanspruch 1 aufgenommenen - Merkmalen des ursprünglichen Patentanspruchs 6, dass der Hebel nach der Entgegenhaltung 4 keinen Gleitführungsabschnitt mit den Merkmalen des ursprünglichen Patentanspruchs 6 aufweise, der Drehzapfen 18 beim Stand der Technik nach der Entgegenhaltung 5 (vgl. insbesondere die Figuren 2 bis 4) könne aber unter Wirkung von Gleitführungsabschnitten 17 bei der Verbindung der beiden Steckverbinderteile 1, 13 entlang des Eingriffsloches 24 gleiten. Somit stützt sich der angefochtene Beschluss insoweit auf Gründe, zu denen sich die Anmelderin nicht hat äußern können. Zudem ist der Antrag der Anmelderin auf Anberaumung einer Anhörung vor der Beschlussfassung ohne Angabe von Gründen übergangen worden, obwohl diese sachdienlich gewesen wäre.

Bei der dargelegten Sachlage war die Beschwerde der Anmelderin wegen unzulässiger Erweiterung des geltenden Patentanspruchs 1 zurückzuweisen und die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.

Dr. Tauchert Dr. Gottschalk Schramm Dr. Staudenmaier Pr






BPatG:
Beschluss v. 13.09.2007
Az: 23 W (pat) 42/05


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/f2ae9439313a/BPatG_Beschluss_vom_13-September-2007_Az_23-W-pat-42-05




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share