Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 19. November 2012
Aktenzeichen: AnwZ (Brfg) 41/12

(BGH: Beschluss v. 19.11.2012, Az.: AnwZ (Brfg) 41/12)

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des II. Senats des Anwaltsgerichtshofs in der Freien und Hansestadt Hamburg vom 15. Mai 2012 wird abgelehnt.

Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Der Geschäftswert für das Zulassungsverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Zulassung zur Rechtsanwaltschaft. Die Beklagte hat mit Bescheid vom 9. März 2011 und Widerspruchsbescheid vom 11. Mai 2011 die Zulassung des Klägers wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO) widerrufen. Dessen hierauf erhobene Klage hat der Anwaltsgerichtshof abgewiesen. Dagegen richtet sich der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung.

II.

Der nach § 112e Satz 2, § 124a Abs. 4 VwGO statthafte Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Grundsätzliche Bedeutung kommt einem Rechtsstreit nur dann zu, wenn dieser eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. nur BGH, Beschluss vom 27. März 2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288, 291 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

Der Kläger hat keine klärungsbedürftige Frage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt, sondern hält die Senatsrechtsprechung, wonach es für die Feststellung des Vermögensverfalls auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung ankommt und nachträgliche Entwicklungen dem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten sind (BGH, Beschluss vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187), für falsch. Im Übrigen ist die Frage nicht entscheidungserheblich. Der Kläger hat auch in dem Zulassungsantrag nicht dargelegt, dass seine Vermögensverhältnisse nachträglich geordnet sind (dazu unter 3.)

2. Der Kläger hat keinen Verfahrensfehler geltend gemacht, auf dem die Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs beruhen kann (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Der Kläger beanstandet, dass an der Beschlussfassung des Vorstands der Beklagten am 2. Februar 2011 die Rechtsanwälte U. und K. mitgewirkt haben, die seine geschiedene Ehefrau bzw. ihn selbst in anderen Verfahren vertreten hätten. Außerdem habe der Anwaltsge-2 richtshof das in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Teilprotokoll vom 4. Mai 2011 unzureichend gewürdigt. Dabei handele es sich um das Protokoll einer Vorstandssitzung, bei der nur über den sofortigen Vollzug des Widerrufs der Anwaltszulassung verhandelt worden sei.

a) Soweit der Kläger eine aktenwidrige Sachverhaltsfeststellung durch den Anwaltsgerichtshof behauptet, trifft sein Vortrag nicht zu. Aus dem Teilprotokoll vom 4. Mai 2011 ergibt sich eindeutig, dass beschlossen wurde, den Widerspruch des Klägers gegen den Widerrufsbescheid zurückzuweisen, wie es der Anwaltsgerichtshof in den Urteilsgründen festgestellt hat.

b) Ob die Mitwirkung der Rechtsanwälte U. und K. an der ersten Beschlussfassung des Vorstands der Beklagten vom 2. Februar 2011 zur Nichtigkeit oder Aufhebbarkeit des Zulassungswiderrufs führt, berührt nicht das Verfahren vor dem Anwaltsgerichtshof, sondern die Sachentscheidung. Insoweit bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die zuständige Behörde ist im Falle eines von ihr erkannten Verfahrensfehlers grundsätzlich nicht gehalten, das eingeleitete Verfahren insgesamt abzubrechen und neu zu beginnen (BVerwGE 75, 214, 227; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Aufl., § 20 Rn. 67). Die Fehlerhaftigkeit von Verfahrenshandlungen, die von einem nach § 20 VwVfG ausgeschlossenen Amtsträger vorgenommen wurden, wird im Verfahren durch die Neuvornahme geheilt. Dies ist hier sowohl durch die dem Widerrufsbescheid vom 9. März 2011 zugrunde liegende Beschlussfassung vom 2. März 2011 als auch durch die dem Widerspruchsbescheid vom 11. Mai 2011 zugrunde liegende Beschlussfassung vom 4. Mai 2011, die jeweils ohne die Rechtsanwälte U. und K. stattgefunden haben, geschehen.

c) Soweit der Kläger rügt, die Beklagte hätte ihm vor der Wiederholung des Verwaltungsakts rechtliches Gehör hinsichtlich der Befangenheit der Rechtsanwälte U. und K. gewähren müssen, ist nicht ersichtlich, wie sich das Unterlassen der Anhörung auf die ohne Mitwirkung der Rechtsanwälte U. und K. ergangenen Entscheidungen ausgewirkt haben soll.

3. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen auch sonst nicht. Der Anwaltsgerichtshof hat zutreffend ausgeführt, dass zum Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerspruchsverfahrens eine gesetzliche Vermutung für den Vermögensverfall des Klägers bestand, weil mit Beschluss des Amtsgerichts H. vom 9. März 2011 - IN - das Insolvenzver- fahren über sein Vermögen wegen Zahlungsunfähigkeit eröffnet worden war (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbs. 2 BRAO). Geordnete Vermögensverhältnisse sind erst wieder hergestellt, wenn dem Schuldner entweder durch Beschluss des Insolvenzgerichts die Restschuldbefreiung angekündigt wurde (§ 291 Abs. 1 InsO) oder ein vom Insolvenzgericht bestätigter Insolvenzplan (§ 248 InsO) oder angenommener Schuldenbereinigungsplan (§ 308 InsO) vorliegt, bei dessen Erfüllung der Schuldner von seinen übrigen Forderungen gegenüber den Gläubigern befreit wird (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 31. Mai 2010 - AnwZ (B) 27/09, ZInsO 2010, 1380 Rn. 12, vom 28. Oktober 2011 - AnwZ (Brfg) 20/11, NZI 2012, 106 Rn. 8 und vom 23. Juni 2012 - AnwZ (Brfg) 23/12, juris Rn. 3). Diese Voraussetzungen lagen zu dem nach der Senatsrechtsprechung (vgl. Beschlüsse vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 9 ff. und vom 28. Oktober 2011, aaO Rn. 7) für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens - hier Bescheid der Beklagten vom 11. Mai 2011 - nicht vor; die Beurteilung zeitlich späterer Entwicklungen ist einem Wiederzulassungsverfah-8 ren vorbehalten. Im Übrigen trägt der Kläger auch im Zulassungsantrag nicht vor, dass das Insolvenzgericht seinen Insolvenzplan mittlerweile bestätigt hat.

Auch eine fehlende Gefährdung der Rechtsuchenden durch künftige Angestelltentätigkeit bei einer noch nicht gegründeten Rechtsanwaltsgesellschaft hat der Anwaltsgerichtshof zutreffend verneint.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Gegenstandswerts auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.

Kayser Roggenbuck Lohmann Wüllrich Hauger Vorinstanzen:

AGH Hamburg, Entscheidung vom 15.05.2012 - II ZU 6/11 - 10






BGH:
Beschluss v. 19.11.2012
Az: AnwZ (Brfg) 41/12


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