Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 22. Juli 2015
Aktenzeichen: 1 U 182/13

(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 22.07.2015, Az.: 1 U 182/13)

Eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Kapitalanlagegesellschaft, die es dieser ermöglicht, das verwaltete Sondervermögen mit einer - jeweils prozentual bezifferten - Verwaltungsvergütung und einer Administrationsgebühr zu belasten, die Kosten für Maßnahmen abdecken soll, zu denen die Kapitalanlagegesellschaft nach dem InvG verpflichtet ist (hier: Kosten für den Druck und Versand der für die Anleger bestimmten Jahres- und Halbjahresberichte, Kosten der Bekanntmachung der Jahres- und Halbjahresberichte sowie des Auflösungsberichts, der Ausgabe und Rücknahmepreise und der Ausschüttungen bzw. der thesaurierten Erträge), unterliegt einer richterlichen Inhaltskontrolle nur in Bezug auf die Transparenz.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt a. M. vom 28. Februar 2013 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das vorliegende Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

A. Der Kläger ist ein in die Liste nach § 4 UKlaG eingetragener Verbraucherschutzverein, die Beklagte eine Kapitalanlagegesellschaft, die u. a. die €X€-Fonds verwaltet. Die im Verkaufsprospekt der Fonds (Anlage K 3, Bl. 22 ff. d. A.) abgedruckten €Besonderen Vertragsbedingungen€ zur Regelung des Rechtsverhältnisses zwischen den Anlegern und der Beklagten enthalten folgende Regelung:

ۤ 8 Kosten

1. Die Gesellschaft erhält für die Verwaltung des Sondervermögens eine jährliche Vergütung von bis zu 1,40 v.H. des Wertes des Sondervermögens, die auf den börsentäglich ermittelten Inventarwert zu berechnen und am Ende eines jeden Monats zahlbar ist. Die Gesellschaft gibt im Falle der Bildung von Anteilklassen für jede Anteilklasse im Verkaufsprospekt sowie im Jahres- und Halbjahresbericht die jeweils berechnete Verwaltungsvergütung an.

2. Daneben erhält die Gesellschaft eine jährliche Administrationsgebühr in Höhe von 0,5 v.H. des Wertes des Sondervermögens, die auf den börsentäglich ermittelten Inventarwert zu berechnen und am Ende eines jeden Monats zahlbar ist. Es steht der Gesellschaft frei, in einzelnen oder mehreren Anteilklassen eine niedrigere Administrationsgebühr zu berechnen. Mit dieser Administrationsgebühr sind folgende Vergütungen und Aufwendungen abgedeckt und werden dem Sondervermögen nicht separat belastet:

a. Vergütung für die Depotbank,

b. bankübliche Depotgebühren, ggf. einschließlich der banküblichen Kosten für die Verwahrung ausländischer Wertpapiere im Ausland,

c. Kosten für den Druck und Versand der für die Anleger bestimmten Jahres- und Halbjahresberichte,

d. Kosten der Bekanntmachung der Jahres- und Halbjahresberichte sowie des Auflösungsberichts, der Ausgabe und Rücknahmepreise und der Ausschüttungen bzw. der thesaurierten Erträge,

e. Kosten für die Prüfung des Sondervermögens durch den Abschlussprüfer der Gesellschaft, einschließlich der Kosten der Bescheinigung, dass die steuerlichen Angaben nach den Regeln des deutschen Steuerrechts ermittelt wurden,

f. ggf. Kosten zur Analyse des Anlageerfolges durch Dritte,

g. ggf. Kosten für die Einlösung der Ertragsscheine,

h. ggf. Kosten für die Ertragsschein-Bogenerneuerung.

3. Daneben gehen die folgenden Aufwendungen zulasten des Sondervermögens:€ (€)

Der Kläger meint, die Regelung in § 8 Nr. 2 der Vertragsbedingungen hinsichtlich der Erhebung einer Gebühr für die unter lit. c und d genannten Kosten sei nach § 307 BGB unwirksam, soweit sie sich auf den Erwerb und das Halten von Investmentanteilen nach dem Investmentgesetz (InvG) durch Verbraucher beziehe.

Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes einschließlich der Anträge nimmt der Senat auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug.

Das Landgericht hat die Beklagte entsprechend dem Antrag des Klägers zur Unterlassung der weiteren Verwendung der Klausel und zur Zahlung von Abmahnkosten verurteilt, außerdem dem Kläger die Befugnis zur Veröffentlichung der Urteilsformel erteilt.

Die Beklagte rügt mit ihrer Berufung Rechtsfehler. Sie habe mit der Gestaltung ihrer Vertragsbedingungen zur Vergütung eine besondere Kostentransparenz hergestellt. § 41 InvG sei eine gegenüber §§ 305 ff. BGB abschließende Spezialregelung. Die streitige Klausel benachteilige die Vertragspartner der Beklagten nicht unangemessen. Sie führe dazu, dass die - im Übrigen erstattungsfähigen - Veröffentlichungskosten gerade nicht gesondert berechnet würden. Die Normierung der Berichtspflichten im InvG ändere nichts daran, dass diese Pflichten primär den Interessen der Anleger dienten. Aus §§ 44 Abs. 7 InvG, 8 InvRBV folge, dass die Anlagegesellschaft die Veröffentlichungskosten nicht selbst tragen müsse. Die beiden unmittelbar nacheinander aufgeführten Vergütungsbestandteile gemäß § 8 Nrn. 1 und 2 müssten nicht im Klauselwerk selbst addiert werden. Jedenfalls gehe der Unterlassungstenor zu weit; verboten werden dürfe allenfalls die Regelung zu den Veröffentlichungskosten.

Die Beklagte beantragt,

das landgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das landgerichtliche Urteil.

B. Die Berufung ist zulässig und begründet.

I. Der Kläger hat gegen die Beklagte nach §§ 1, 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UKlaG keinen Unterlassungsanspruch bezüglich der Verwendung der streitgegenständlichen Klausel, denn diese ist hinreichend transparent und im Übrigen einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB nicht unterworfen.

1. Eine Inhaltskontrolle der streitgegenständlichen Vertragsbedingungen ist allerdings entgegen der Rechtsansicht der Beklagten nicht allein deshalb von vornherein ausgeschlossen, weil in § 41 InvG eine abschließende Spezialregelung zu den Vertragsbedingungen zu sehen wäre. §§ 305 ff. BGB sind auf investmentrechtliche Vertragsbedingungen grundsätzlich anwendbar (vgl. Emde/Dornseifer/Dreibus/Hölscher/Rozok, InvG [2013], § 43 Rn. 18; Jakovou, in: L/B/S, Bankrechtskommentar [2013], 39. Kapitel Rn. 151).

2. Die streitgegenständlichen Vertragsbedingungen sind nicht wegen Intransparenz unwirksam (§ 307 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 S. 2 BGB). Sie lassen keinen vernünftigen Zweifel daran aufkommen, dass die Tätigkeiten gemäß § 8 Nr. 2 lit. c) und d) mit der Administrationsgebühr in Höhe von 0,5 % des Vermögenswertes abgegolten sind und dem Sondervermögen nicht gesondert berechnet werden.

3. Im Übrigen ist eine Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 S. 1 BGB ausgeschlossen.

a) Zwar handelt es sich nicht um eine €deklaratorische€ Klausel, die lediglich Vorgaben des InvG zur Gestaltung der Vertragsbedingungen umsetzt. Das InvG enthält keine Vorgabe des Inhalts, dass die in lit. c) und d) der streitgegenständlichen Klausel genannten Kosten den Vertragspartnern der Investmentgesellschaft aufzuerlegen sind. Eine solche Vorgabe ist insbesondere nicht allein dem Umstand zu entnehmen, dass § 8 Abs. 1 InvRBV für die Erstellung der Ertrags- und Aufwandsrechnung eine gesonderte Darstellung der Verwaltungsvergütung einerseits, der Veröffentlichungskosten andererseits vorschrieb. Regelungen dieser Art zielen nicht auf die materielle Zuordnung bestimmter Kosten zu einem der Vertragspartner, sondern in formeller Hinsicht auf eine transparente Darstellung berechneter Kosten unabhängig von der Berechtigung dieser Berechnung (vgl. BGH NJW 2011, 2640, 2642 zu §§ 6 PAngV, 30 Abs. 1 S. 2 RechKredV; NJW 2014, 2420, 2423 f. zur PAngV).

b) Die Klausel ist aber als Regelung des Preises für die vertragliche Hauptleistung der Beklagten kontrollfrei. Es handelt sich nicht um eine uneingeschränkt der Inhaltskontrolle unterliegende Preisnebenabrede.

(1) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der der Senat folgt, stellen Regelungen, die Aufwendungen für die Erfüllung gesetzlich oder nebenvertraglich begründeter eigener Pflichten des Klauselverwenders oder für Tätigkeiten in dessen eigenem Interesse auf den Kunden abwälzen, eine kontrollfähige Abweichung von Rechtsvorschriften dar (vgl. nur BGH NJW 2009, 2051, 2052; 3570, 3571; 2011, 2640; 2014, 2420, 2422). Derartige Klauseln sind regelmäßig wegen unangemessener Benachteiligung des Kunden unwirksam, denn es gehört zu den wesentlichen Grundgedanken des dispositiven Rechts, dass jeder Rechtsunterworfene solche Tätigkeiten zu erfüllen hat, ohne dafür ein gesondertes Entgelt verlangen zu können; ein Anspruch hierauf besteht nur, wenn dies im Gesetz ausnahmsweise besonders vorgesehen ist (vgl. neuerdings etwa BGH NJW 2014, 2420, 2427). Aus diesen in der Rechtsprechung gesicherten Grundsätzen folgt, dass der Verwender den Aufwand für solche Tätigkeiten in seine Hauptvergütung einkalkulieren muss (vgl. BGH NJW 2009, 3570, 3571 [Tz. 17]; 2014, 2420, 2430 [Tz. 95]; Schmidt LMK 2013, 342773 [unter 3.]; Hertel jurisPR-BKR 10/2014 Anm. 1 [unter D]).

(2) Eben dies hat die Beklagte in ihren streitgegenständlichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen getan.

(i) Es ist zwar richtig, dass die Beklagte zu den Leistungen, die in den streitgegenständlichen Klauseln genannt sind, schon von Gesetzes wegen verpflichtet war. Die Pflicht zur kostenlosen Bereitstellung der Berichte an das allgemeine Publikum und Anleger folgte aus §§ 45, 121 Abs. 1 S. 2 InvG, die zur Veröffentlichung der Ausgabe- und Rücknahmepreise aus § 36 Abs. 6 InvG; dabei hatten die zu veröffentlichenden Jahresberichte nach § 44 Abs. 1 S. 3 Nr. 4a InvG auch Angaben zur beschlossenen Ertragsverwendung zu enthalten.

(ii) Die Beklagte hat sich für diese Leistungen indessen kein gesondertes Entgelt versprechen lassen, ihren Aufwand hierfür nicht zusätzlich auf den Kunden abgewälzt. Vielmehr hat sie sich für die Verwaltung des Sondervermögens eine pauschale Vergütung in Höhe von 1,9 % des Vermögenswertes ausbedungen - 1,4 % Verwaltungsvergütung + 0,5 % Administrationsgebühr - und im Gegenteil unmissverständlich klargestellt, dass gerade die vom Kläger herausgehobenen Leistungen dem Sondervermögen nicht separat belastet werden sollen. Die Aufgliederung der Vergütung in die beiden genannten Bestandteile war allein den Transparenzanforderungen des § 41 InvG geschuldet.

II. Da ein Unterlassungsanspruch nicht besteht, kann der Kläger auch keine Abmahnkosten aus § 5 UKlaG i. V. mit § 12 I UWG beanspruchen; ebenso wenig besteht Raum für einen Ausspruch zur Veröffentlichungsbefugnis (§ 7 UKlaG).

III. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 543 Abs. 2 ZPO.






OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 22.07.2015
Az: 1 U 182/13


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