Finanzgericht Münster:
Urteil vom 19. Juni 2015
Aktenzeichen: 14 K 3865/12 E, U
(FG Münster: Urteil v. 19.06.2015, Az.: 14 K 3865/12 E, U)
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger in den Jahren 2007 bis 2009 (Streitjahre) wiederholt über bestimmte Internetplattformen (autoscout24.de und ebay.de) sowie über Zeitungsannoncen Pkw zum Verkauf anbot, später veräußerte und --wenn ja-- in welcher Höhe er dadurch Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielte bzw. der Umsatzsteuer zu unterwerfende Umsätze tätigte.
Der Kläger, der für die Streitjahre bei dem Beklagten weder Einkommensteuer- noch Umsatzsteuererklärungen eingereicht hatte, meldete im Jahr 2010 erstmals einen Handel mit Pkw beim Ordnungsamt der Stadt C an. Im Rahmen dieses Betriebes gab der Kläger Verkaufsangebote über Zeitungen ab.
Die Internet-Ermittlungsstelle des Bundeszentralamtes für Steuern (BZSt) ermittelte bei den Internetplattformen autocout24.de und ebay.de zu bestimmten Accounts (ID) die bei den Internetplattformen gespeicherten Daten (Vor- und Nachname, Straße, Postleitzahl, Telefon- und Mobilfunknummer, Zeitraum der Nutzung der Rufnummern bei der Einstellung von Angeboten sowie E-Mail-Adressen). Zu den Telefonnummern führte die Internet-Ermittlungsstelle des BZSt automatisierte Auskunftsverfahren nach § 112 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) bei den Mobilfunkanbietern durch (vgl. Ausdruck der Antworten vom 19.10.2010 und vom 13.09.2011). Aufgrund von Verknüpfungen der so gewonnen Daten ordnete die Internet-Ermittlungsstelle des BZSt dem Kläger mehrere Accounts bei den Internetplattformen zu, unter denen im Prüfungszeitraum Verkaufsangebote für Pkw abgeben worden waren (u.a. im Jahr 2007: 50 Angebote, im Jahr 2008: 97 Angebote und im Jahr 2009: 38 Angebote). Zu jedem Account (ID) machte die Internet-Ermittlungsstelle des BZSt die jeweils angebotenen Waren einschließlich ihrer Spezifikationen (insbesondere bei angebotenen Pkw: Marke, Modell, Modellzusatz, Laufleitung, Baujahr und -monat des jeweils angebotenen Pkw) den jeweiligen Angebotspreis) sowie jeweils das Datum der Einstellung des Angebots auf der Internetplattform ausfindig.
Aufgrund dieser Erkenntnisse führte das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung C am 16.06.2011 eine Durchsuchung bei dem Kläger durch. Zugleich ordnete der Beklagte mit Bescheid vom 16.06.2011 die Durchführung einer Außenprüfung bei dem Kläger an, deren Gegenstand die Prüfung der Einkommen- und Umsatzsteuer der Jahre 2006 bis 2009 ist.
Im Rahmen dieser Außenprüfung stellte die mit der Durchführung der Prüfung beauftragte Außenprüferin fest, dass der Kläger während der Zeit vom 10.04.2007 bis zum 22.11.2009 nach einem "Verzeichnis der Fahrten mit dem roten Kennzeichen Nr. XX-000000 und Nachweis der ausgefertigten Probefahrtbescheinigungen", auf das verwiesen wird, an 17 Tagen Probefahrten durchführte.
Des Weiteren ermittelte die Außenprüferin, dass von einem Konto des Klägers bei der Bank C für Zeitungsannoncen insgesamt 52-mal Beträge abgebucht wurden (2007: 2.015,98 € für 27 Abbuchungen; 2008: 1.040,48 € für 16 Abbuchungen; 2009: 841,73 € für 9 Abbuchungen) sowie in den Streitjahren auf einem Konto des Klägers bei der Bank C (Kontonummer xxx1) Bar- und Scheckeinzahlungen eingingen (2007: Bareinzahlungen von insgesamt 10.305 €, Scheckeinzahlungen von insgesamt 127,23 €; 2008: Bareinzahlungen von insgesamt 13.650 €, Scheckeinzahlungen von insgesamt 1.945,77 €; 2009: Bareinzahlungen von insgesamt 18.900 €). Insoweit wird verwiesen auf die Betriebsprüfungsakte der Betriebsprüfungsstelle, Heftstreifen 6.
Zudem stellte die Außenprüferin fest, dass der Kläger im Jahr 2008 vor dem Amtsgericht D im Zusammenhang mit dem Verkauf eines gebrauchten Pkw vom Käufer verklagt wurde. Insoweit wird auf zwei Schreiben der Rechtsanwältin E vom 12.03.2009 und ein Protokoll über die öffentliche Sitzung des AG D vom 00.00.2009 Bezug genommen (Betriebsprüfungsakte der Betriebsprüfungsstelle, Heftstreifen 4.2).
Ferner erlangte die Außenprüferin im Rahmen ihrer Prüfung Kenntnis davon, dass das Amtsgericht (AG) C in einem (weiteren) Ermittlungsverfahren gegen den Kläger am 01.11.2011 - 00 Gs-0 Js 000/00-000/00 einen Beschluss erlassen hatte, in dem es das Betreten und die Durchsuchung der Wohnung des Klägers zu dessen Ergreifung und zum Zweck der Durchführung einer erkennungsdienstlichen Behandlung anordnete. Nach diesem Beschluss wurde der Kläger verdächtigt, am 23.09.2009 einen Smart mit einer angeblichen Kilometerleistung von rund 38.000 km verkauft zu haben, obwohl ihm bekannt gewesen war, dass die Kilometerleistung tatsächlich mindestens 151.000 € betragen hatte. Auf den übrigen Inhalt des Beschlusses wird Bezug genommen.
Aufgrund der vorgenannten Erkenntnisse gelangte die Außenprüferin zu dem Ergebnis, dass der Kläger im Prüfungszeitraum mindestens 202 Verkaufsangebote abgegeben und deshalb Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt habe, deren Höhe zu schätzen sei. Wegen der weiteren Einzelheiten zur Schätzung wird auf den Bericht über die Betriebsprüfung vom 15.06.2012, Tz. 2.2.2 und 2.2.3 sowie die Anlagen 2 bis 5 verwiesen.
Der Beklagte folgte zunächst den Feststellungen der Außenprüferin und setzte für den Kläger erstmalig Einkommensteuer für die Streitjahre sowie Umsatzsteuer für die Jahre 2006 bis 2009 mit Bescheiden vom 16.07.2012 entsprechend fest. Hiergegen legte der Kläger mit bei dem Beklagten am 18.07.2012 eingegangenem Schreiben Einspruch ein.
Mit Einspruchsentscheidungen vom 23.10.2012 half der Beklagte dem Einspruch teilweise ab, indem er zwar annahm, der Kläger betreibe einen Handel mit Pkw, dem Verkauf von Kfz-Teilen und Bootsmotoren, jedoch die Höhe der von der Außenprüferin geschätzten Gewinne sowie Umsätze herabsetzte. Auf die Einspruchsentscheidungen wird Bezug genommen.
Gegen die Einspruchsentscheidungen vom 23.10.2012 erhob der Kläger mit bei Gericht am 12.11.2012 eingegangenem Schriftsatz Klage.
Nachdem der Beklagte die Festsetzungen der Umsatzsteuer für die Jahre 2006 und 2007 aufgrund der Anwendung der Kleinunternehmerregelung des § 19 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) auf 0 € festgesetzt und die Beteiligten das Verfahren daraufhin übereinstimmend insoweit für erledigt erklärt hatten, richtet sich die Klage nur noch gegen die Festsetzungen der Einkommensteuer für die Jahre 2007 bis 2009 sowie die Festsetzung der Umsatzsteuer 2008 und 2009.
Während des Klageverfahrens verurteilte das AG C den Kläger mit Urteil vom 00.00.2013 - 00 Ls 00 Js 000/00-00/00 u.a. wegen in den Jahren 2008 und 2009 begangener Straftaten, nämlich Steuerhinterziehung in 4 Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Missbrauch von Wegstreckenzählern und gewerbsmäßigen Betrugs, und wegen eines weiteren gewerbsmäßigen Betrugs unter Einbeziehung einer früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 3 Monaten. Auf das Urteil wird vollumfänglich verwiesen.
Gegen dieses Urteil des AG C legte der Kläger beim Landgericht (LG) C Berufung ein, die er auf den Straffolgenausspruch beschränkte.
Das Urteil des AG C vom 00.00.2013 - 00 Ls Js 00/00-00/00 wurde durch das Urteil des LG C aufgrund der Hauptverhandlung vom 00.00.2014 0-00 Ns-00 Js 000/00-00/00 00 Ls 00/00 im Straffolgenausspruch aufgehoben und zur Klarstellung dahingehend neu gefasst, dass der Kläger u.a. wegen Steuerhinterziehung in 4 Fällen, versuchten Betruges, Urkundenfälschung in 2 Fällen, davon in Tateinheit mit Missbrauch von Wegstreckenzählern und Betrug, wegen eines weiteren Betrugs und wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung unter Einbeziehung einer Strafe aus einem Urteil des AG C aus dem Jahre 2012 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt wird. Die Vollstreckung der Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt.
Das LG C legte u.a. dar, dass wegen der Beschränkung der Berufung auf den Straffolgenausspruch der Schuldspruch und die ihn tragenden Feststellungen rechtskräftig sind. Des Weiteren führte es aus: "An das Finanzamt C hat [der Kläger] zur Anrechnung auf die im Urteil des Amtsgerichts beschriebene Steuerschuld eine erste Rate von 500 Euro gezahlt. Er erklärt sich bereit und in der Lage, monatlich weitere 500 Euro zu zahlen, bis die Steuerschuld in Höhe von 12.578 Euro getilgt ist. Dem [Kläger] bleibt dabei vorbehalten, gegen die entsprechende Steuerfestsetzung durch die Finanzbehörde Rechtsmittel einzulegen. Sollte die Verhandlung vor dem Finanzgericht ergeben, dass in der Person des [Klägers] die vom Amtsgericht beschriebene Steuerschuld tatsächlich nicht oder in eingeschränkter Höhe besteht, soll ihm vorbehalten bleiben, bereits geleistete Zahlungen zurückzufordern, ohne dass dies als Verstoß gegen die Bewährungsauflagen gewertet wird. Abgesehen von hier nicht interessierenden Details einer Steuerfestsetzung durch die Finanzbehörde zeigt sich der [Kläger] im Rahmen der Berufungsverhandlung geständig und schuldeinsichtig. [...] Bei der Strafzumessung waren die bereits vom Amtsgericht zutreffend beschriebenen Zumessungsründe - einschließlich der Ausführungen zur gewerblichen Begehungsweise - um den Gedanken der nunmehr gezeigten Schuldeinsicht und der Schadenswiedergutmachung zu erweitern. Die Kammer hat deshalb die Freiheitsstrafen bei den Taten Nr. 7, 8 und 9 um jeweils einen Monat reduziert und folglich zweimal 8 und einmal 6 Monate verhängt. Im Übrigen konnte es bei den vom Amtsgericht verhängten Strafen verbleiben. [...] Da er seine Taten nunmehr eingestanden hat, sich reumütig zeigt und nach unwiderlegbarer Einlassung den Handel mit Gebrauchtwagen aufgegeben hat, kann ihm eine günstige Zukunftsprognose ... erstellt werden. Die nunmehr gezeigte Schuldeinsicht sowie die zum Teil bereits erfolgte, zum anderen Teil ins Auge gefasste Schadenswiedergutmachung stellen zugleich besondere Gründe im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB dar." Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil Bezug genommen.
Der Kläger stützt seine Klage darauf, dass er dem Beklagten bereits mehrfach mitgeteilt habe, es würden zu den streitbefangenen Bescheiden die erforderlichen Unterlagen (Inserate/Anzeigen zu den angeblich veräußerten Pkw, An- und Verkaufsrechnungen, Rechnungen von Internetplattformen) fehlen. Diese habe er --der Kläger-- bis zum heutigen Tage nicht erhalten. Er habe die vom Beklagten angenommenen Verkäufe von Pkw nicht getätigt. Er habe in den Streitjahren von der Internet-Ermittlungsstelle des BZSt festgestellte IP-Adresse gar nicht besitzen können, weil er keinen Internet-Anschluss gehabt habe. Im Jahre 2008 sei ein Internet-Anschluss gelegt worden, der seinem Vater gehöre. Der Beklagte habe nicht nachgewiesen, welche IP-Adressen zu welchem Computer gehöre, um detaillierte Zuordnungen vornehmen zu können. Die Behauptungen des Beklagten seien irreführend und seien "nicht glaubhaft niedergelegt worden". Bisher sei damit nicht nachgewiesen, welche Pkw (mit Rechnung) zu welchem Zeitpunkt durch wen veräußert worden seien. Insbesondere fehle der Nachweis, welche Pkw durch ihn --den Kläger-- verkauft worden seien. Er bitte das Gericht innigst, den Beklagten aufzufordern, die entsprechenden Belege und Nachweise einschließlich der Ankaufs- und Verkaufsrechnungen einzureichen.
Dass 20.000 € auf seinem Konto eingegangen seien, könne er damit erklären, dass er bei der Bank einen Kredit aufgenommen habe, der bis zum heutigen Tage nicht getilgt worden sei.
Aufgrund der mehrfach durchgeführten Hausdurchsuchungen im Betrieb und Wohnhaus seiner Eltern seien mehrere Akten durch die Steuerfahndung beschlagnahmt und nicht mehr ausgehändigt worden.
Er weise darauf hin, dass auf dem Gelände der A Straße 151 in C vier Unternehmen ihren Sitz hätten.
Auch sei er hauptsächlich wegen der Manipulation eines Tachos und wegen Körperverletzung verurteilt worden. Aus dem Urteil vom 00.00.2013 - Js 000/00-00/00 (unter I.4. der Entscheidungsgründe) gehe hervor, dass er bis zur endgültigen Klärung der angeblichen Steuerhinterziehung einen Betrag von 500 € monatlich an den Beklagten zu entrichten habe und nach erfolgreicher Klärung die eingezahlten Beträge zurückgefordert werden könnten. Dies sei allein darauf zurückzuführen, dass die Staatsanwaltschaft C "bewusst sämtliche Verfahren in einem Verfahren abgegolten" habe, um eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren "zu erhalten". Er habe niemals zugegeben, Steuerschulden zu haben wie auch aus dem Urteil des LG C folge.
Nach Durchsicht des Protokolls zu einem am 28.05.2015 durchgeführten Erörterungstermin habe sich herausgestellt, dass hier ganz klar "Prozessbetrug durch die Finanzbeamten gemacht" werde. Auch müsse er mit Verwunderung noch zusätzlich die Telefonnummern bzw. E-Mail-Accounts von Herrn M L feststellen. Hier sei also auch ermittelt worden, was ihm bis zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt gewesen sei. Des Weiteren werde hier gegen einen Herrn I T ermittelt, was ihm ebenfalls nicht bekannt gewesen sei. Er frage sich, wie der Beklagte dazu komme, dass er die Fahrzeuge verkauft haben solle. Anders als es der Beklagte meine, müssten ihm --dem Kläger-- doch mindestens 40 Telefonnummern zugeordnet werden, da ein Anbieter unter einer Telefonnummer nur maximal 2 Fahrzeuge inserieren könne.
Auf den sonstigen Inhalt des Schriftsatzes des Klägers vom 06.06.2015 wird Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
die Bescheide vom 16.07.2012 über die Festsetzung von Einkommensteuer für die Jahre 2007 bis 2009 sowie von Umsatzsteuer für die Jahre 2008 und 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 23.10.2012 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält die Ermittlungen des Internet-Ermittlungsstelle des BZSt und der Außenprüferin für zutreffend und verweist auf seine Einspruchsentscheidung vom 23.10.2012 sowie (ergänzend) auf die Urteile des AG C vom 00.00.2013 - 00 Ls Js 000/00-00/00 und des LG C vom 00.00.2014 - 00-00 Ns-00 Js 000/00-00/00.
Am 28.05.2015 fand vor dem Berichterstatter ein Erörterungstermin und am 19.06.2015 eine mündliche Verhandlung vor dem Senat statt. Auf die entsprechenden Protokolle wird verwiesen.
Gründe
Die Klage ist unbegründet.
Die auf Schätzungen des Beklagten beruhenden Einkommensteuer- und Umsatzsteuerfestsetzungen sind im Ergebnis nicht zu beanstanden, da der Kläger mit dem Verkauf von gebrauchten Pkw gewerblich bzw. unternehmerisch tätig war, dem Grunde nach eine Schätzungsbefugnis besteht und der Höhe nach bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb Gewinne zu schätzen waren, deren Höhe über denjenigen liegen, die der Beklagte schätzte. Der Senat war jedoch aufgrund des Verböserungsverbots an einer weiteren Erhöhung der zu schätzenden Gewinne gehindert.
1. Das Finanzgericht ist gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 162 Abs. 2 Satz 2 Alternative 2 der Abgabenordnung (AO) zur Schätzung befugt, weil der Kläger als Gewerbetreibender entgegen seiner gesetzlichen Verpflichtung weder Bücher noch Aufzeichnungen führte, die nach § 158 AO der Besteuerung zugrunde gelegt werden können.
a) Der Kläger war zur Führung von Büchern und Aufzeichnungen verpflichtet.
Denn er handelte nach der Überzeugung des Gerichts in den Streitjahren mit gebrauchten Pkw und erzielte hieraus Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) bzw. Umsätze i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, weil er in den Streitjahren über Internetportale und/oder Zeitungsannoncen gebrauchte Pkw an Privatleute verkaufte.
aa) Dass der Kläger jedenfalls in den Streitjahren 2008 und 2009 einen Handel mit gebrauchten Pkw betrieb, ergibt sich bereits aufgrund strafgerichtlicher Feststellungen.
(1) Nach § 76 Abs. 1 FGO hat das Finanzgericht den entscheidungserheblichen Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen. Dies gilt insoweit, als Aufklärungsmaßnahmen durch den Inhalt der Akten, das Beteiligtenvorbringen oder sonstige Umstände veranlasst sind. Dabei steht die Art und Weise der Beweiserhebung und die Auswahl der Beweismittel grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs wird die dem Finanzgericht obliegende Sachaufklärungspflicht nicht dadurch verletzt, dass sich das Finanzgericht die tatsächlichen Feststellungen, Beweiswürdigungen und rechtliche Beurteilungen des Strafverfahrens zu eigen macht, wenn nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) diese Feststellungen zutreffend sind. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Tatsachen, auf die es ankommt, bereits im Strafverfahren rechtskräftig festgestellt worden sind, die Beteiligten die im Strafurteil getroffenen Feststellungen als zutreffend anerkennen bzw. keine substantiierten Einwendungen dagegen erheben und für das Gericht kein Grund besteht, gleichwohl eine weitere Aufklärung vorzunehmen (BFH-Urteil vom 23.04.2014 - VII R 41/12, BFHE 245, 493, BStBl II 2015, 117, m.w.N.).
(2) Nach diesen Grundsätzen macht sich der Senat nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) die in dem Urteil des AG C widerspruchsfrei getroffenen Feststellungen zu eigen.
(a) Das AG C hat in seinem Urteil vom 00.00.2013 - 00 Ls 00 Js 000/00-00/00 festgestellt, dass der Kläger als Autohändler selbständig tätig war (Seite 3 des Urteils), u.a. am 23.09.2009 einen Pkw Smart verkaufte (Seite 8 des Urteils) und in den Streitjahren 2008 und 2009 Gewinne aus der Tätigkeit als Kfz-Händler erzielte (Seite 6 des Urteils).
Diese Feststellungen sind durch die Beschränkung des Straffolgenausspruchs rechtskräftig geworden, wie sich auch aus dem Urteil des LG C aufgrund der Hauptverhandlung vom 00.00.2014 - 00-00 Ns-00 Js 000/00-00/00 00 Ls 00/00, Seite 3 ergibt.
Diese Feststellungen werden --entgegen der Ansicht des Klägers-- nicht durch das Urteil des LG C aufgrund der Hauptverhandlung vom 00.00.2014 - 00-00 Ns-00 Js 000/00-00/00 00 Ls 00/00 in Frage gestellt. Zwar führt das LG auf Seite 4 aus, dass es dem Kläger vorbehalten bleibe, gegen die Steuerfestsetzungen durch den Beklagten Rechtsmittel einzulegen und es ihm vorbehalten bleiben soll, auf die festgesetzte Steuer geleistete Zahlungen zurückzufordern, wenn die Verhandlung vor dem Finanzgericht ergeben sollte, dass in der Person des Klägers die vom AG beschriebene Steuerschuld tatsächlich nicht besteht. Indes führt das LG C aus Seite 5 des Urteils aus, dass der Kläger den Handel mit Gebrauchtfahrzeugen aufgegeben habe. Hat er ihn aber nach dem Urteil des LG C mittlerweile aufgegeben, muss er zuvor bestanden haben.
(b) Gegen diese Feststellungen hat der Kläger keine substantiierten Einwendungen erhoben.
Er zieht sich lediglich darauf zurück, er habe keinen Handel mit gebrauchten Pkw betrieben, was schon daraus folge, dass er in den Streitjahren keinen Internetanschluss besessen habe. Da das Internet auch über den Zugang anderer Personen oder aber über ein Mobiltelefon genutzt werden kann --der Kläger besaß im Streitzeitraum unstreitig einen Anschluss für ein Mobiltelefon-- greifen die pauschalen Einwendungen des Klägers nicht durch.
bb) Gleichwohl ist der Senat --unabhängig von den strafgerichtlichen Feststellungen-- wegen des Vorliegens weiterer Umstände davon überzeugt, dass der Kläger nicht nur in den Streitjahren 2008 und 2009, sondern auch in dem Streitjahr 2007 einen Handel mit gebrauchten Pkw betrieb.
(1) Zunächst steht fest, dass der Kläger in den Streitjahren wiederholt gebrauchte Pkw auf automobile24.de bzw. auf ebay.de anbot.
(a) Insoweit können dem Kläger zumindest die nachfolgenden Accounts (ID) aufgrund folgender Telefonnummern und/oder E-Mail-Adressen zugeordnet werden, die aufgrund der Auskünfte der Internetportale sowie der automatisierten Auskunftsverfahren nach § 112 TKG eindeutig vom Kläger genutzt wurden.
[...]
(b) Dagegen hat der Beklagte keinen Nachweis dafür erbracht, dass der Kläger unter den weiteren Accounts (ID) [...] Pkw anbot. Denn es lassen sich weder aus den Auskünften der Internetportale noch anhand der Auskünfte aufgrund des automatisierten Auskunftsverfahrens Telefonnummern oder E-Mail-Adressen finden, die dem Kläger zuordenbar sind.
(c) Ebenfalls steht --entgegen der Auffassung der Beklagten-- nicht nach der Überzeugung des Gerichts fest, dass der vom Kläger betriebene Handel auch den Verkauf von Kfz-Teilen und Bootsmotoren umfasste.
Insoweit hat der Beklagte lediglich nachweisen können, dass der Kläger 2-mal Autoteile über das Internetportal ebay.de zum Verkauf anbot (vgl. Bericht über die Betriebsprüfung vom 15.06.2012, Anlage 2, Verkaufsangebote 2008 Nrn. 19 und 24). Dass der Kläger also bei dem Verkauf von Ersatzteilen für Pkw nachhaltig handelte, vermag der Senat aus dem bloß 2-maligen Anbieten auf einer Internetplattform nicht zu schließen. Für die Annahme des Beklagten, der Kläger habe in den Streitjahren einen Handel mit Bootsmotoren betrieben, lassen sich ebenfalls keine Anhaltspunkte finden.
(d) Damit sind die in den Anlagen 2 bis 4 zum Bericht über die Betriebsprüfung vom 15.06.2012 enthaltenen Angebote unter den vorgenannten, nicht dem Kläger zuzuordnenden Angebote zu bereinigen. Gleiches gilt für die Angebote, die nicht Pkw, sondern lediglich Ersatzteile für Pkw betreffen.
(e) Aus den vorgenannten Gründen sind die folgenden Umsätze nach den Anlagen 2 bis 2 bis 4 zum Bericht über die Betriebsprüfung vom 15.06.2012 nicht dem Kläger zuzurechnen:
€ Jahr 2007: Angebot Nr. 13 (ID ...), da eine Zuordnung zum Kläger nicht möglich ist;
€ Jahr 2008: Angebote Nrn. 19 und 24 (jeweils ID ...), da es sich um den Verkauf von Autoteilen handelt;
€ Jahr 2009: Angebote Nrn. 17, 19, 20, 24, 26, 27, 30, 31, 32, 33 und 34 (ID ...), da eine Zuordnung zum Kläger nicht möglich ist.
(f) Mithin bot der Kläger zur Überzeugung des Senats in den Streitjahren über Internetplattformen insgesamt 173 gebrauchte Pkw an (2007: 49 Angebote, 2008: 95 Angebote und 2009: 29 Angebote).
(2) Darüber hinaus folgt nach der Überzeugung des Senats auch noch aus weiteren Umständen, dass der Kläger in sämtlichen Streitjahren einen Handel mit gebrauchten Pkw betrieb.
Denn der Kläger --und nicht, wie in der mündlichen Verhandlung behauptet, sein Vater-- hat nach den Angaben im Verzeichnis zu dem roten Kennzeichen in allen Streitjahren durchgängig Probefahrten durchgeführt und dadurch Tätigkeiten unternommen, die im Rahmen eines Handels mit gebrauchten Pkw typischerweise anfallen.
Ebenfalls charakteristisch für den Handel mit gebrauchten Pkw ist das Anbieten von Pkw in Zeitungen, was der Kläger im Streitfall nach der Überzeugung des Senats tat. Denn aufgrund der Abbuchungen von seinem Konto bei der Bank C schaltete der Kläger zumindest 52-mal Zeitungsannoncen. Dass diese Zeitungsannoncen zumindest auch den Verkauf von Pkw betrafen, ergibt sich für den Senat aus dem Indiz, dass der Kläger in seinem ab dem Jahr 2010 (zunächst) betriebenen Handel ebenfalls Zeitungsannoncen schaltete.
Überdies gingen auf dem Konto des Klägers bei der Bank C (Kontonummer xxx1) in den Streitjahren 2007 bis 2009 Bar- und Scheckeinzahlungen in erheblichem Umfang ein (2007: Bareinzahlungen von insgesamt 10.305 €, Scheckeinzahlungen von insgesamt 127,23 €; 2008: Bareinzahlungen von insgesamt 13.650 €, Scheckeinzahlungen von insgesamt 1.945,77 €; 2009: Bareinzahlungen von insgesamt 18.900 €), was dem Verkauf von gebrauchten Pkw an Privatleute eigentümlich ist, weil hier die Pkw in bar oder durch Hingabe eines Schecks bezahlt werden.
Dass der Kläger einen Handel mit gebrauchten Pkw betrieb, steht nach der Überzeugung des Senats auch aufgrund der Indizien fest, dass er im Jahr 2008 vor dem Amtsgericht D im Zusammenhang mit dem Verkauf eines Pkw verklagt wurde und dass er nach dem Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts am 23.09.2009 einen gebrauchten Pkw verkauft haben soll.
bb) Wegen der vorgenannten Feststellungen zu Art und Umfang der Tätigkeit des Klägers war dieser selbständig, nachhaltig und mit Gewinnerzielungsabsicht am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr tätig, ohne dass seine Betätigung Vermögensverwaltung bzw. als die Ausübung von Land- und Forstwirtschaft, als die Ausübung eines freien Berufs oder als eine andere selbständige Arbeit anzusehen war, weshalb er gewerbliche Einkünfte i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 EStG erzielte. Zugleich erbrachte er dadurch nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbare Umsätze, nämlich Lieferungen eines Unternehmers im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens.
Der deshalb bestehenden Pflicht zum Führen von Büchern und Aufzeichnungen ist der Kläger --wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist-- nicht nachgekommen.
2. Liegen danach im Streitfall die Voraussetzungen für eine Schätzung von Besteuerungsgrundlagen aufgrund der Verletzung von Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten durch den Kläger vor, ist die Finanzbehörde bzw. im finanzgerichtlichen Verfahren gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz FGO das Finanzgericht im Allgemeinen nicht nur berechtigt (vgl. BFH-Urteil vom 29.03.2001 - IV R 67/99, BFHE 195, 261, BStBl II 2001, 484), sondern je nach dem Umständen des Einzelfalls sogar verpflichtet, bei der von ihr bzw. ihm vorzunehmenden Schätzung in dem gegebenen Schätzungsrahmen an die oberste Grenze zu gehen (vgl. BFH-Urteil vom 09.03.1967 - IV 184/63, BFHE 88, 212, BStBl III 1967, 349; BFH-Beschluss vom 25.01.1990 - IV B 140/88, BFH/NV 1990, 484), d. h. die Besteuerungsgrundlagen sind von der Finanzbehörde nach dem für den Kläger ungünstigsten, aber noch möglichen Sachverhalt festzustellen.
a) Dabei kann sich die Finanzbehörde unter anderem auch der Werte der amtlichen Richtsatzsammlung bedienen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 195, 261, BStBl II 2001, 484). Im Hinblick auf die im Streitfall gegebenen großen Manipulationsmöglichkeiten (fast ausschließlich Bargeschäfte) und die von den Klägern zu vertretenden fehlenden Überprüfungsmöglichkeiten (fehlende Belege, keine Aufzeichnungen) ist lediglich eine grobe Schätzung geboten (vgl. BFH-Urteil vom 12.04.1988 - VIII R 154/84, BFH/NV 1989, 636). Eine Schätzung nach Richtsätzen ist im Streitfall schon deshalb sachgerecht, weil für die Streitjahre mangels Vorlage von vollständigen Wareneinkaufsbelegen ein interner Betriebsvergleich ausscheidet (Finanzgericht Münster, Urteil vom 31.10.2000 - 5 K 6660/98 E, Entscheidungen der Finanzgerichte 2001, 401). Allerdings darf das Schätzungsergebnis nicht unwahrscheinlich sein, weshalb Hinzuschätzungen, die die höchsten Reingewinnsätze laut Richtsatzsammlung überschreiten, nur dann zulässig sind, wenn plausible Gründe dafür bestehen (BFH-Urteile vom 17.06.2004 - IV R 45/03, BFH/NV 2004, 1618; vom 25.01.1989 - I R 289/83, BFHE 156, 353, BStBl II 1989, 620).
b) Dementsprechend kann sich das Gericht zur Schätzung des Reingewinns grundsätzlich auch der Werte der amtlichen Richtsatzsammlung bedienen, die für mit dem Betrieb des Klägers vergleichbare Betriebe Reingewinnsätze von 3 % bis 20 % (mittlerer Wert: 10 %) für die Jahre 2007 und 2008 bzw. von 3 % bis 18 % (mittlerer Wert: jeweils 10 %) für das Streitjahr 2009 ausweist.
c) In Ausübung des ihm zustehenden eigenen Schätzungsrechts und in Anbetracht der Umstände des Streitfalls schätzt der erkennende Senat die vom Kläger getätigten Umsätze
€ für das Jahr 2007 auf 13.460,04 € (Umsatzsteuer nach § 25a UStG: 2.793,81 €),
€ für das Jahr 2008 auf 49.029 € (Umsatzsteuer nach § 25a UStG: 10.176,61 €) und
€ für das Jahr 2009 auf 14.606,48 € (Umsatzsteuer nach § 25a UStG: 4.320,91 €).
aa) Seiner Schätzung legt der Senat lediglich die Angebote zugrunde, die dem Kläger aus den bereits genannten Gründen zweifelsfrei zuordenbar sind.
Im Einzelnen sind dies:
(1) Angebote im Jahr 2007
[...]
(2) Angebote im Jahr 2008
[...]
(3) Angebote im Jahr 2009
[...]
bb) Hinsichtlich der Höhe der Schätzung hat sich der Senat von folgenden Überlegungen leiten lassen:
Ausgangspunkt sind die vom Senat festgestellten Preise, zu denen der Kläger die Pkw auf den Internetportalen zum Verkauf anbot. Hiervon nimmt der Senat einen Abschlag vor, um dem gerichtsbekannten Umstand Rechnung zu tragen, dass die Angebotspreise auf Internetplattformen wie autoscout24.de bzw. ebay.de aufgrund späterer Verkaufsverhandlungen nicht dem Verkaufspreis entsprechen und dieser regelmäßig unterhalb des Angebotspreises liegt. Hierauf wendet der Senat zur Ermittlung der Bruttoeinnahmen einen Sicherheitszuschlag für Bareinnahmen an. Unter Berücksichtigung des vom Senat geschätzten Wareneinsatzes ergibt sich der Rohgewinn, der zwar grundsätzlich der Besteuerung zugrunde zu legen ist, jedoch durch den Reingewinn begrenzt wird.
Die Einzelheiten hierzu ergeben sich aus folgender Berechnung:
d) Da die Schätzung des Senats zu Beträgen führt, die sogar noch über den vom Beklagten geschätzten Beträgen liegen, hat es der Senat bei den streitbefangenen Festsetzungen zu belassen, da er nach dem sog. Verböserungsverbot daran gehindert ist, die streitbefangenen Einkommensteuerfestsetzungen zum Nachteil des Klägers zu ändern (vgl. § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
FG Münster:
Urteil v. 19.06.2015
Az: 14 K 3865/12 E, U
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