Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. November 2002
Aktenzeichen: 25 W (pat) 168/02

(BPatG: Beschluss v. 21.11.2002, Az.: 25 W (pat) 168/02)

Tenor

Die Beschwerde des Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Bezeichnung MEDI-Ferrodol-2-plusist am 17. November 1998 für die Waren "Veterinärmedizinischpharmazeutische Erzeugnisse, insbesondere für kleine Haus- und Nutztiere; eisenhaltige Präparate, ernährungsphysiologisch wirkende Ergänzungsmittel für die Ernährung von Haus- und Nutztieren zur vorbeugenden Gesundheitspflege; Ergänzungsmittel für die Ernährung von Haus- und Nutztieren zur vorbeugenden Gesundheitspflege; Ergänzungsmittel für die Ernährung von Haus- und Nutztieren soweit in Klasse 31 enthalten" zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden. Die Veröffentlichung der Eintragung erfolgte am 22. April 1999.

Widerspruch erhoben hat der Inhaberin der am 3. Januar 1978 für "Futtermittel und medizinischer Futtermittelzusatz und Trinkwasserzusatz" eingetragenen Marke 966 215 Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat in einem Beschluss eine Verwechslungsgefahr zwischen den Marken verneint und den Widerspruch zurückgewiesen. Auch wenn nach der maßgeblichen Registerlage eine Warenidentität möglich sei, die Widerspruchsmarke eine normale Kennzeichnungskraft aufweise und vorliegend die allgemeinen Verkehrskreise angesprochen seien, halte die jüngere Marke einen ausreichenden Markenabstand ein. Selbst wenn man davon ausgehe, dass die Ziffer "2" und das Wort "plus" als regelmäßig warenbeschreibende Angaben für den Gesamteindruck der angegriffenen Marke vernachlässigbar seien, bestehe keine Veranlassung dem weiteren Bestandteil "MEDI" eine mitkennzeichnende Funktion abzusprechen, auch wenn diesem eine gewisse Kennzeichnungsschwäche anhafte. "MEDI" stelle vielmehr neben "Ferrodol" in der Wortkombination "MEDI-Ferrodol" ein nahezu gleichgewichtiges Element der jüngeren Marke dar, so dass eine isolierte Gegenüberstellung von "Ferrodol" mit "Ferro-Prodol" nicht in Betracht komme. Aber selbst wenn man unterstellt, dass noch erhebliche Teile des Verkehrs den Bestandteil "Ferrodol" als allein prägend ansähen, bestehe keine Verwechslungsgefahr, da ein hinreichender Abstand zu "Ferro-Prodol" gewahrt sei.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Widersprechenden mit dem (sinngemäßen) Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Kennzeichnend in der jüngeren Marke sei ausschließlich das Phantasiewort "Ferrodol", da dieses im Gegensatz zu allen übrigen Zeichenbestandteilen der jüngeren Marke nicht lediglich warenbeschreibend sei. Nicht nur die Ziffer "2" und das Wort "plus" seien beschreibende Angaben, sondern auch - wie bereits die Markenstelle zutreffend ausgeführt habe -, der Bestandteil "MEDI", der als Abkürzung für "Medizin, medizinisch, medizinal" stehe. Die Kennzeichnungskraft von "Ferrodol" werde auch nicht dadurch beeinträchtigt, dass darin das lateinische Wort "ferro" für "Eisen" enthalten sei, da vorliegend die allgemeinen Verkehrskreise angesprochen seien. Aus Rechtsgründen und auch faktisch sei deshalb davon auszugehen, dass die jüngere Marke auf das kennzeichnungskräftige Element "Ferro-Prodol" verkürzt werde und bei mündlicher Benennung eine erhebliche Verwechslungsgefahr zwischen den Marken bestehe.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss sowie die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde des Widersprechenden ist zulässig, sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Es besteht auch nach Auffassung des Senats keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG. Der Widerspruch ist deshalb von der Markenstelle zu Recht zurückgewiesen worden.

Nach der vorliegend maßgeblichen Registerlage können sich die Marken auf identischen Waren begegnen, für die mangels Festschreibung einer Rezeptpflicht in den Warenverzeichnissen auch in bezug auf die pharmazeutischen Präparate Laien als angesprochene Verkehrskreise uneingeschränkt zu berücksichtigen sind (vgl auch BGH MarkenR 2002, 49, 51 - ASTRA/ESTRA-PUREN). Auch insoweit ist allerdings davon auszugehen, dass grundsätzlich nicht auf einen sich nur flüchtig mit der Ware befassenden, sondern auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher abzustellen ist, dessen Aufmerksamkeit je nach Art der Ware oder Dienstleistung unterschiedlich hoch sein kann (vgl BGH MarkenR 2000, 140, 144 ATTACHÉ / TISSERAND; BGH MarkenR 2001, 465, 469 - Bit/Bud; zum geänderten Verbraucherleitbild BGH MarkenR 2002, 124, 127 - Warsteiner III; vgl ferner EuGH MarkenR 1999, 236, 239 unter 24. - Lloyd / Loints; EuGH MarkenR 2002, 231, 236 - Philips/Remington) und der insbesondere allem, was mit der Gesundheit zusammenhängt eine gesteigerte Aufmerksamkeit beizumessen pflegt (vgl BGH GRUR 1995, 50, 53 - Indorektal / Indohexal).

Auch soweit danach unter Berücksichtigung einer normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke zur Vermeidung einer Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG strenge Anforderungen an den von der jüngeren Marke einzuhaltenden Markenabstand zu stellen sind, so ist die Ähnlichkeit der Marken nach Auffassung des Senats dennoch in keiner Richtung derart ausgeprägt, dass die Gefahr von Verwechslungen zu bejahen wäre, wenn es sich auch eher um einen Grenzfall handelt.

Eine Verwechslungsgefahr kann vorliegend von vornherein nur dann ernsthaft in Betracht gezogen werden, wenn für die Beurteilung der Ähnlichkeit der Marken dem Wort "Ferrodol" in der jüngeren Marke eine den Gesamteindruck prägende und selbständig kollisionsbegründende Bedeutung zukommt (vgl hierzu Althammer/Ströbele MarkenG, 6. Aufl § 9 Rdn 175 mit weiteren Nachweisen auf die ständige Rechtsprechung). Dies ist jedoch auch nach Auffassung des Senats nicht der Fall. Auszugehen ist von dem Grundsatz, dass zur Beurteilung der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr auf den Gesamteindruck der Marke in ihrer registrierten Form abzustellen ist, da sich ihr Schutzbereich nach dem Schutzgegenstand der gewählten Gesamtgestaltung bestimmt (vgl BGH MarkenR 2000, 134, 137 - ARD-1), wobei selbst kennzeichnungsschwache oder schutzunfähige Elemente zur Prägung des Gesamteindrucks beitragen oder gar entscheidendes Gewicht erlangen können und dann nicht unberücksichtigt bleiben dürfen (vgl Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 9 Rdn 152, 160 mit weiteren Hinweisen). Dieser Grundsatz schließt zwar auch die Erkenntnis ein, dass einzelnen Zeichenbestandteilen unter Umständen eine besondere, das gesamte Zeichen prägende Kennzeichnungskraft zukommen kann und dass dann bei einer Übereinstimmung von Zeichen in dem jeweils prägenden Bestandteil die Gefahr einer Verwechslung der beiden Gesamtzeichen zu bejahen ist (st Rspr, vgl BGH MarkenR 2000, 20, 21 - RAUSCH / ELFI RAUCH mwN; BGH WRP 2002, 326, 329 - ASTRA / ESTRA-PU-REN). Hierfür ist allerdings Voraussetzung, dass hinreichende Anhaltspunkte aus der allgemeinen Lebenserfahrung vorliegen, welche in dem jeweils zu prüfenden Einzelfall die Annahme rechtfertigen, der Verkehr werde andere Wortbestandteile vernachlässigen (vgl BGH MarkenR 2001, 465, 469 - Bit/Bud). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs reicht für eine derartige Annahme einer allein prägenden Bedeutung deshalb in der Regel noch nicht aus, dass der maßgebliche Bestandteil den Gesamteindruck des Zeichens nur gleichwertig oder wesentlich mitbestimmt (vgl BGH MarkenR 2000, 20, 21 und 22 - RAUSCH / ELFI RAUCH; MarkenR 2000, 321, 323 - PAPPAGALLO BGH MarkenR 2002, 165, 167 - BIG - mwH). Hierbei dürfen auch die auf dem in Frage stehenden Warengebiet üblichen Bezeichnungsgewohnheiten nicht unberücksichtigt bleiben (vgl hierzu BGH MarkenR 2001, 465 469, - Bit/Bud - mwH). Auf dem hier maßgeblichen Warengebiet der (medizinischen) Futtermittelzusätze, veterinärmedizinischpharmazeutischen Erzeugnisse und der Gesundheitspflege ist aber angesichts der Bedeutung der Arzneimittel und sonstigen Präparate für die Gesundheit des Tieres - ähnlich wie bei humanmedizinischpharmazeutischen Erzeugnissen hinsichtlich der Gesundheit des Patienten (vgl hierzu BGH MarkenR 2002, 49, 52 ASTRA / ESSTRA-PUREN) - eine Markenverkürzung eher unüblich.

Wie in dem angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt worden ist, sind weder rechtliche noch tatsächliche Gründe ersichtlich, welche die Annahme rechtfertigen, die weiteren - die Bezeichnung "Ferrodol" einschließenden - Bestandteile träfen nach der Verkehrsanschauung völlig in den Hintergrund. Dies gilt um so mehr, als auch der Bestandteil "Ferrodol" durch den Hinweis auf eisenhaltige Präparate einen deutlichen warenbeschreibenden Anklang aufweist. Die Bestandteile "2-plus" sind jedenfalls in ihrer Gesamtheit nicht mit glatt beschreibenden Angaben, wie zB "extra, forte, aktiv" oder auch "plus" in Alleinstellung gleichzusetzen (vgl hierzu Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 9 Rdn 197 mwN). Insbesondere unter Berücksichtigung des hinzukommenden - und erfahrungsgemäß stärker beachteten - weiteren Anfangsbestandteils "MEDI" lässt sich deshalb kein Erfahrungssatz des Inhalts feststellen, die vorliegend angesprochenen Endverbraucher orientierten sich ausschließlich an dem Bestandteil "Ferrodol", weil sie nur hierin die eigentliche Kennzeichnung sähen. Selbst wenn man unterstellt, dass ein Verständnis von "MEDI" in bezug auf die maßgeblichen Waren - auch der Klasse 31 - als Kürzel für "medizinisch" oder "Medizin" durchaus für einen erheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise nahegelegt ist und zudem ein in Arzneimittelkennzeichnungen häufig verwendeter Anfangsbestandteil von Wortzusammensetzungen ist, kann hieraus nicht gefolgert werden, der Verkehr vernachlässige gleichermaßen beide weiteren Bestandteile in der angegriffenen Marke. Denn auch bei einem derartigen Verständnis kann hieraus nicht gefolgert werden, "MEDI" sei hier den glatt beschreibenden Sachangaben "medizinisch" oder "Medizin" gleichzusetzen.

Es besteht deshalb auch keine Veranlassung zu der Annahme, der Verkehr werde sich bei der jüngeren Marke ausschließlich an dem Bestandteil "Ferrodol" orientieren und die Marke so benennen. Im übrigen wäre dieser Umstand auch für die Beurteilung der klanglichen Verwechslungsgefahr nicht allein ausschlaggebend. Denn die auf einen Bestandteil verkürzte Wiedergabe einer Marke ist weder Voraussetzung für die Zuerkennung eines insoweit den Gesamteindruck allein prägenden Charakters noch kann allein aufgrund der verkürzten Wiedergabe eines Zeichens ohne weiteres auf eine alleinige Prägung des benannten Bestandteils geschlossen werden. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Verkehr in einem Markenbestandteil die eigentliche Kennzeichnung des Gesamtzeichens sehen wird, wofür die Art der Benennung allerdings durchaus ein wichtiges Indiz sein kann (vgl hierzu auch Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 9 Rdn 176; BPatG GRUR 1998, 821, 822 - Tumarol / DURADOL Mundipharma; BPatG MarkenR 2000, 103 - Netto 62). Selbst wenn aber - in geringem Umfang - der Markenbestandteil "Ferrodol" als eigentliche Kennzeichnung angesehen werden sollte, kann daraus noch nicht ohne weiteres auf eine in erheblichem Ausmaß bestehende Verwechslungsgefahr geschlossen werden. Denn auch dann besteht noch eine beachtliche Abweichung zu "Ferro-Prodol", wobei markenrechtlich zu berücksichtigen ist, dass der Übereinstimmung in "Ferro-" wegen des beschreibenden Charakters dieses Wortelements kein großes Gewicht beigemessen werden darf.

Anhaltspunkte dafür, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht und so verwechselt werden (§ 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG) bestehen unter diesen Umständen gleichfalls nicht. Diese Art der Verwechslungsgefahr erfasst nämlich nicht jegliche gedanklich mögliche Verbindung und begründet keinen eigenen, über die markenrechtliche Verwechslungsgefahr hinausgehenden Verletzungstatbestand (vgl BGH GRUR 1996, 200, 202 - Innovadiclophlont; BGH WRP 1998, 1177, 1178 - STEPHANSKRONE I - unter Hinweis auf EuGH WRP 1998, 39 - Sabèl/Puma).

Nach alledem war die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlaß, § 71 Abs 1 MarkenG.

Kliems Bayer Engels Pü






BPatG:
Beschluss v. 21.11.2002
Az: 25 W (pat) 168/02


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/f30b3e16b0a9/BPatG_Beschluss_vom_21-November-2002_Az_25-W-pat-168-02




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share