Bundespatentgericht:
Beschluss vom 14. September 2006
Aktenzeichen: 27 W (pat) 129/05
(BPatG: Beschluss v. 14.09.2006, Az.: 27 W (pat) 129/05)
Tenor
Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. Mai 2005 wird aufgehoben, soweit darin die Anmeldung für die Waren "Klasse 17: Kautschuk, Guttapercha, Gummi, Asbest, Glimmer und Waren daraus, soweit sie in dieser Klasse enthalten sind; Waren aus Kunststoffen (Halbfabrikate); Dichtungs-, Packungs- und Isoliermaterial; Schläuche (nicht aus Metall)" zurückgewiesen wurde.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
I Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit dem im Tenor genannten Beschluss die Anmeldung der für
"Klasse 9: Rettungsapparate und -instrumente; Schwimmhilfen; Schwimmflügel;
Klasse 17: Kautschuk, Guttapercha, Gummi, Asbest, Glimmer und Waren daraus, soweit sie in dieser Klasse enthalten sind; Waren aus Kunststoffen (Halbfabrikate); Dichtungs-, Packungs- und Isoliermaterial; Schläuche (nicht aus Metall);
Klasse 28: Spiele, Spielzeug, insbesondere aufblasbares Wasserspielzeug; Turn- und Sportartikel, soweit sie in dieser Klasse enthalten sind"
als Wortmarke beanspruchten Kennzeichnungswimwingsnach § 37 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG als nicht unterscheidungskräftige und freihaltungsbedürftige Angabe zurückgewiesen, weil das angemeldete Wort der allgemein gebräuchliche und verbreitete, dem deutschen Wort "Schwimmflügel" unmittelbar entsprechende englische Gattungsbegriff für die beanspruchten Schwimmhilfen und Schwimmflügel sei und für die übrigen Waren eine Bestimmungsangabe darstelle.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie hält die Anmeldemarke für schutzfähig, weil es den Begriff "swimwings" in der englischen Sprache nicht gebe und er damit als Fantasiewort weder freihaltungsbedürftig noch nicht unterscheidungskräftig sei.
II Die zulässige Beschwerde ist nur zum Teil begründet. Während die Markenstelle der angemeldeten Bezeichnung nämlich die Eintragung für die Waren der Klassen 9 und 28 zumindest nach § 37 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zu Recht und mit zutreffender Begründung, der sich der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen anschließt, versagt hat, ist sie für die weiter beanspruchten Waren der Klasse 17 weder freihaltungsbedürftig i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG noch fehlt es ihr an der erforderlichen Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
1. Der Senat teilt die Einschätzung der Markenstelle, dass die Anmeldemarke für die Waren der Klassen 9 und 28 jedenfalls nicht über das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft verfügt, also nicht die nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. EuGH MarkenR 2003, 187, 190 [Rz. 41] - Gabelstapler, WRP 2002, 924, 930 [Rz. 35] - Philips/Remington) und des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH GRUR 2000, 502, 503 - St. Pauli Girl; GRUR 2000, 720, 721 - Unter Uns) zu fordernde Eignung aufweist, von den Abnehmern, an welche sich die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen richten, als Unterscheidungsmittel für die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. Trotz des grundsätzlich gebotenen großzügigen Maßstabs (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 1995, 408 [409] - PROTECH; BGH GRUR 2001, 413, 415 - SWATCH) ist vielmehr davon auszugehen, dass die durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen (vgl. EuGH GRUR 2003, 604, 605 - Libertel; GRUR 2004, 943, 944 - SAT.2) Abnehmer in "swimwings" keinen Hinweis auf die Herkunft der beanspruchten Waren der Klassen 9 und 28 aus einem bestimmten Unternehmen sehen, sondern ihm nur einen für diese Waren im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt entnehmen (vgl. BGH GRUR 2001, 1151, 1153 - marktfrisch; GRUR 2003, 1050, 1051 - City-Service; GRUR 2001, 162, 163 m. w. N. - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION).
Zwar weist die Anmelderin zutreffend darauf hin, dass der Begriff "swimwings" in der englischen Sprache nicht existiert. Soweit die Markenstelle auf die Bedeutung "Schwimmflügel" abgestellt hat, ist dieser deutsche Begriff im Englischen vielmehr mit "water wings" zu übersetzen (vgl. z. B. http://dict.leo.org/ende€lp=ende&p=/ gQPU.&search=water+wings). Dies bedeutet allerdings nicht, dass "swimwings" den inländischen Verbrauchern nicht verständlich ist. Da es aus den beiden einfachen Wörtern des englischen Grundwortschatzes "(to) swim" für "schwimmen" und "wings" für "Flügel" zusammengesetzt und zudem wie in der deutschen Sprache üblich zusammengeschrieben ist, werden die angesprochenen Verbraucher die angemeldete Bezeichnung ohne weiteres Nachdenken im Sinne von "Schwimmflügel" verstehen und vor allem dann, wenn sie ihr zusammen mit den entsprechenden Waren begegnen, nur als deren Gattungsbezeichnung auffassen. Dem steht die fehlende Existenz des Begriffs in der englischen Sprache nicht entgegen, denn bei unmittelbarer Verständlichkeit sind neue Begriffe auch dann nicht schutzfähig, wenn sie bislang nicht in Lexika eingetragen oder gar gebräuchlich sind (vgl. EuGH GRUR 2004, 146, 147 [Rz. 32] - DOUBLEMINT; BGH WRP 2002, 982, 984 - FRÜHSTÜCKS-DRINK I). Damit stellt sich die angemeldete Bezeichnung nur als Gattungsbegriff für die Waren "Schwimmhilfen; Schwimmflügel" dar; gleiches gilt für die Waren "Rettungsapparate und -instrumente" sowie "Spiele, Spielzeug, insbesondere aufblasbares Wasserspielzeug; Turn- und Sportartikel" da unter diese Oberbegriffe auch Schwimmhilfen und -flügel fallen.
2. Demgegenüber kann für die Waren "Kautschuk, Guttapercha, Gummi, Asbest, Glimmer und Waren daraus, soweit sie in dieser Klasse enthalten sind; Waren aus Kunststoffen (Halbfabrikate); Dichtungs-, Packungs- und Isoliermaterial; Schläuche (nicht aus Metall)", auch wenn es sich bei ihnen um die - sich regelmäßig nur an den Fachverkehr richtenden - Ausgangsmaterialien für Schwimmflügel und -hilfen handelt, weder ein Freihaltungsbedürfnis noch ein Mangel an Unterscheidungskraft festgestellt werden.
a) In keiner ihrer möglichen Bedeutungen (vgl. EuGH, MarkenR 2004, 450, 453 [Rz. 32] - DOUBLEMINT) besteht die Anmeldemarke für diese Waren der Klasse 17 ausschließlich aus Zeichen oder Angaben, die im Verkehr zur Bezeichnung von Merkmalen der Waren oder Dienstleistungen dienen können und bei denen es sich um für den Warenverkehr wichtige und für die umworbenen Abnehmerkreise irgendwie bedeutsame Umstände handelt (vgl. hierzu BGH GRUR 1999, 1093, 1094 - FOR YOU; GRUR 2000, 211, 232 - FÜNFER), die hinreichend eng mit einer Ware oder Dienstleistung selbst in Bezug stehen (vgl. BGH GRUR 2005, 417, 419 - Berlin Card).
Dem steht entgegen, dass es sich bei dem Begriff "swimwings" um keinen üblichen oder bekannten Ausdruck handelt, mit dem die angesprochenen Fachkreise die Eignung und Bestimmung der hier in Rede stehenden Waren der Klasse 17 benennen würden; vielmehr werden sie, soweit eine Verwendbarkeit bei der Herstellung von Schwimmflügeln oder -hilfen in englischer Sprache zum Ausdruck kommen soll, auf den zutreffenden englischen Begriff "water wings" zurückgreifen.
Der Eintragung der angemeldeten Bezeichnung steht daher für die Waren der Klasse 17 nicht das im Allgemeininteresse liegende Ziel entgegen, dass Zeichen oder Angaben, die Merkmale der angemeldeten Waren bzw. Dienstleistungen beschreiben, von allen Unternehmen frei verwendet werden und nicht aufgrund ihrer Eintragung als Marke zugunsten eines Unternehmens monopolisiert werden können (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, 725 Rn. 25 - CHIEMSEE; GRUR 2004, 680, 681 Rn. 35, 36 - BIOMILD).
b) Es steht aber auch nicht zu erwarten, dass die angesprochenen Fachkreise der angemeldeten Bezeichnung in Zusammenhang mit den Waren der Klasse 17 nur einen im Vordergrund stehenden, auf deren Eignung und Bestimmung hinweisenden beschreibenden oder allgemein üblichen Sinngehalt beilegen werden, aufgrund dessen ihr auch für diese Waren die nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erforderliche Unterscheidungskraft abzusprechen wäre.
Zwar mag es auch für den Fachverkehr erkennbar sein, dass es sich bei dem Begriff "swimwings" um die wörtliche Übersetzung des deutschen Begriffs "Schwimmflügel" in die englische Sprache handelt. Beim Fachverkehr ist aber davon auszugehen, dass ihm die korrekte Übersetzung "water wings" geläufig ist und er deshalb erkennt, dass es sich bei der angemeldeten Marke um ein in der englischen Sprache nicht existentes Wort handelt. Da der Fachverkehr aber gewohnt ist, Fachbegriffe in einer fremden, zumal wie hier in der schlechthin geläufigsten Welthandelssprache korrekt wiederzugeben, wird ihm die Abweichung der angemeldeten Bezeichnung von dem zutreffenden englischen Ausdruck "water wings" sofort auffallen, so dass er die Anmeldemarke wegen ihrer Anlehnung an den deutschen Begriff "Schwimmflügel" zwar als sprechendes Zeichen, nicht aber als bloße unmittelbare Bestimmungsangabe für die damit gekennzeichneten Materialien ansehen wird; insoweit weist die angemeldete Bezeichnung in Zusammenhang mit den beanspruchten Waren der Klasse 17 einen fantasievollen Überschuss auf, aufgrund dessen ihr das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft noch zuzusprechen ist.
3. Da die Markenstelle somit im Ergebnis der Anmeldemarke teilweise zu Unrecht die Eintragung wegen der Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG versagt hat, war der Beschluss auf die Beschwerde der Anmelderin teilweise aufzuheben, während die weitergehende Beschwerde keinen Erfolg hatte.
BPatG:
Beschluss v. 14.09.2006
Az: 27 W (pat) 129/05
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