Bundespatentgericht:
Beschluss vom 22. April 2002
Aktenzeichen: 30 W (pat) 117/01

(BPatG: Beschluss v. 22.04.2002, Az.: 30 W (pat) 117/01)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Marke PHYSIOPHARM ist international registriert unter der Nummer IR 575 419 - nach einer Teillöschung - noch für

"Parfumerie, cosmetiques;

Produits veterinaires; produits dietetiques à usage medical;

Oeufs, lait et produits laitiers;

Farines et preparations faites de cereales; miel; levure; sirop de melasse;

Examens chimiques et evaluation de materiaux chimiques".

Für diese Marke ist Schutzbewilligung für die Bundesrepublik Deutschland beantragt.

Widerspruch erhoben hat unter anderem die Inhaberin der rangälteren, seit dem 5. Mai 1964 für

"Arzneimittel, nämlich Nervenberuhigungs- und Nervenstärkungsmittel"

eingetragenen Marke 788 075 PHYTOGRAN, deren Schutzdauer zuletzt am 3. Dezember 1999 verlängert wurde.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat mit Beschluss vom 28. Februar 2001 den Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, bei Zugrundelegung eines durchschnittlichen Schutzumfangs der Widerspruchsmarke sei eine Verwechslungsgefahr schon deshalb nicht gegeben, weil der Markenabstand so groß sei, dass selbst im Fall einer Warenidentität der Tatbestand des § 9 Abs 2 Nr 2 MarkenG nicht vorliege. Zwar stimmten die Marken in der jeweiligen Anfangssilbe "PHY-" und in der Vokalfolge "oa" überein und würden beide in der Endsilbe betont. Der Bestandteil "PHYTO-" der Widerspruchsmarke sei jedoch im Sinn von Pflanze(n) oder pflanzlich rein beschreibend, wobei es rund 100 eingetragene Marken mit diesem Bestandteil gebe und sich der Verkehr daher an dem kennzeichnungsstärkeren Element "-gran" orientieren werde. Hinsichtlich der Endsilben bestehe aber ein so deutlicher Markenabstand aufgrund des Doppelkonsonanten "ph" der schutzsuchenden Marke und aufgrund des beschreibenden Sinnanklangs, dass sowohl klanglich, schriftbildlich als auch begrifflich keine Verwechslungsgefahr gegeben sei.

Die Widersprechende hat Beschwerde eingelegt. Sie hält zwischen den Waren "produits veterinaires" und "produits dietetiques à usage medical" und den Waren der Widerspruchsmarke eine hochgradige Warenähnlichkeit für gegeben, weshalb ein deutlicher Markenabstand zu fordern sei, den die angegriffene Marke nicht einhalte. Sowohl klanglich als auch schriftbildlich bestehe quasi eine Identität der Marken, weshalb der angegriffenen Marke der Schutz in der Bundesrepublik Deutschland zu versagen sei.

Die Widersprechende beantragt, den angefochtenen Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 28. Februar 2001 aufzuheben und der IR-Marke den nachgesuchten Schutz zu verweigern.

Der Markeninhaber hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert und auch keinen Antrag gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist unbegründet.

Die Markenstelle hat den Widerspruch zu Recht zurückgewiesen, da eine Verwechslungsgefahr iSv § 9 Abs 2 Nr 1 MarkenG nicht besteht.

Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr erfolgt durch Gewichtung von in Wechselbeziehung zueinanderstehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, so dass ein geringer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen hohen Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt (ständige Rechtsprechung zB EuGH MarkenR 1999, 22 - CANON; BGH MarkenR 1999; 297 - HONKA; BGH MarkenR 2000, 359 - BAYER/BeiChem; MarkenR 2001, 204, 205 - REVIAN/EVIAN).

Bezüglich der angegriffenen Waren "Parfumerie; Oeufs, lait et produits laitiers; Farines et preparations faites de cereales; miel; levure; sirop de melasse; Examens chimiques et evaluation de materiaux chimiques" scheitert die Annahme einer Verwechslungsgefahr bereits daran, dass diese Waren deutlich außerhalb des Ähnlichkeitsbereichs der Waren der Widerspruchsmarke liegen (vgl Richter/ Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 11. Aufl, S. 63, 65). Zwischen den Widerspruchswaren und den übrigen Waren der angegriffenen Marke besteht zwar zum Teil ("Produits veterinaires; produits dietetiques à usage medical") sogar eine enge Ähnlichkeit (vgl Richter/Stoppel aaO, S. 64, 114).

Der Senat geht bei seiner Beurteilung von einer unterdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke aus, da sowohl der Bestandteil "PHYTO" als Hinweis auf Pflanze oder pflanzlich als auch der Bestandteil "GRAN" als Verkürzung von Granulat warenbeschreibende Bedeutung haben.

Da infolgedessen an den markenrechtlich erforderlichen Abstand keine allzu hohen Anforderungen zu stellen sind, ist die Verwechslungsgefahr zu verneinen. Obwohl die beiden Markenwörter in der Abfolge der Buchstaben beziehungsweise Laute "PHY-O-A" identisch sind und sich insbesondere am regelmäßig stärker beachteten Wortanfang gleichen, sind dennoch die Unterschiede in klanglicher wie auch in schriftbildlicher Hinsicht ausreichend deutlich, um den erforderlichen Abstand zu wahren. Dabei fällt auch ins Gewicht, dass beide Markenwörter, insbesondere aber die angegriffene Marke, über deutliche auch dem Laien erkennbare Bedeutungsanklänge verfügen, was sich zusätzlich verwechslungsmindernd auswirkt (vgl BGH WRP 1992, 96 - BALLY/BALL).

Insbesondere unterscheiden sich die beiden Marken in ihrem Wortinnern deutlich. Die Buchstabenfolgen "SI-PH-RM" der angegriffenen beziehungsweise "T-GR-N" der Widerspruchsmarke verfügen über keine Gemeinsamkeit und unterscheiden sich daher klanglich - auch bei undeutlicher und wenig betonter Aussprache - deutlich; schriftbildlich fällt besonders der Doppelkonsonant "-PH-" am Anfang des zweiten Bestandteils der schutzsuchenden Marke auf, so dass bei jeder bekannten Schreibweise eine Verwechslungsgefahr ausscheidet.

Die Unterschiede der beiden Zeichen sind im Ergebnis so deutlich, dass die Vergleichswörter auch bei flüchtiger Wahrnehmung durch die hier angesprochenen allgemeinen Verkehrskreise markenrechtlich als unähnlich anzusehen sind. Dies gilt umso mehr, als auf die Auffassung eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers und nicht nur auf den oberflächlichen und unaufmerksamen Verkehr abzustellen ist (vgl EuGH GRURInt 1999, 734 - Lloyd; BGH GRUR 2000, 506 - ATTACHÉ/TISSERAND), zumal es sich um Waren mit Bezug zum Bereich der Gesundheit handelt, bei dem das angesprochene Publikum in aller Regel aufmerksamer ist (vgl BGH NJW-RR 1995, 424 - Indorektal/Indohexal).

Für die Annahme einer durch gedankliche Verbindung hervorgerufenen Verwechslungsgefahr fehlt es bereits an einem identischen oder wesensgleichen Markenbestandteil.

Zu einer Auferlegung von Kosten gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG besteht keine Veranlassung.

Dr. Buchetmann Schramm Voit Fa






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Beschluss v. 22.04.2002
Az: 30 W (pat) 117/01


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