Kammergericht:
Beschluss vom 26. Mai 2006
Aktenzeichen: 5 Ws 258/06
(KG: Beschluss v. 26.05.2006, Az.: 5 Ws 258/06)
Tenor
Die Beschwerde der Rechtsanwältin D K-D, ... Berlin, I Straße ..., gegen den Beschluß des Landgerichts Berlin € Strafvollstreckungskammer € vom 6. April 2006 wird verworfen.
Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Der Beschwerdewert beträgt 168,20 EUR.
Gründe
Der Beschuldigte ist aufgrund des Urteils des Landgerichts Berlin vom 22. Januar 1998 € (516) 53 Js 1572/96 KLs (35/97) € nach § 63 StGB in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. Sein Krankheitsbild ist geprägt durch eine Störung der Sexualpräferenz (Paraphilie) in Form der Nekrophilie sowie transvestitischen Fetischismus und eine spezifische Persönlichkeitsstörung mit schizoiden Anteilen. Im Rahmen des jährlichen Überprüfungsverfahrens nach § 67e Abs. 1, Abs. 2 StGB bestellte der Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer dem Untergebrachten im Anhörungstermin am 14. Februar 2005 in entsprechender Anwendung des § 140 Abs. 2 StPO (erneut) die im Termin anwesende Rechtsanwältin K-D als Pflichtverteidigerin. Im Ergebnis der Anhörung beauftragte die Strafvollstreckungskammer durch Beschluß vom 16. Februar 2005 einen Sachverständigen mit der Erstellung eines Prognosegutachtens gemäß §§ 454 Abs. 2, 463 Abs. 3 StPO. Nach Vorlage des Gutachtens fand am 6. Februar 2006 ein weiterer Anhörungstermin € nunmehr unter Mitwirkung des Sachverständigen und des den Untergebrachten behandelnden Arztes € statt, an dem die Beschwerdeführerin ebenfalls teilnahm. Mit Beschluß vom selben Tage, der inzwischen rechtskräftig ist, ordnete die Strafvollstreckungskammer die Fortdauer der Unterbringung an.
Mit Antrag vom 14. Februar 2005, der infolge eines Versehens erst im März 2006 bearbeitet wurde, begehrte die Beschwerdeführerin die Festsetzung von Pflichtverteidigergebühren gemäß Nrn. 4201, 4203 und 7002 VV (Vergütungsverzeichnis, Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG) in Höhe von 465,€ EUR zzgl. Mehrwertsteuer, insgesamt also 539,40 EUR, die am 15. März 2006 antragsgemäß festgesetzt wurden. Die Beschwerdeführerin beantragte ferner am 6. Februar 2006 mit dem Zusatz "Termin: 13.10.05" € gemeint war ersichtlich der Anhörungstermin am 6. Februar 2006 € die Festsetzung einer Pflichtverteidigergebühr gemäß Nr. 4203 VV in Höhe von 145,€ EUR zzgl. Mehrwertsteuer, insgesamt somit 168,20 EUR. Diesen Antrag wies die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Landgerichts durch Beschluß vom 16. März 2006 mit der Begründung zurück, daß die Terminsgebühr innerhalb eines Überprüfungsabschnitts nur einmal entstehe, unabhängig davon, wieviele Anhörungstermine stattfänden. Die gegen diesen Beschluß gerichtete Erinnerung der Beschwerdeführerin hat die Strafvollstreckungskammer durch ihren Vorsitzenden als Einzelrichter mit dem angefochtenen Beschluß als unbegründet zurückgewiesen.
Die Beschwerde ist zulässig. Zwar ist der Beschwerdewert nach § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG in Verbindung mit § 56 Abs. 2 Satz 1 RVG nicht erreicht. Jedoch hat das Landgericht die Beschwerde in dem angefochtenen Beschluß gemäß § 33 Abs. 3 Satz 2 RVG wegen grundsätzlicher Bedeutung der zu entscheidenden Rechtsfrage zugelassen. Das Rechtsmittel ist auch innerhalb der Frist des § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG erhoben. In der Sache hat es jedoch keinen Erfolg. Das Landgericht hat die beantragte Festsetzung einer weiteren Terminsgebühr zu Recht abgelehnt.
1. Die Vergütung des Pflichtverteidigers im Verfahren nach § 67e StGB bemißt sich nach den Gebührentatbeständen aus Teil 4 Abschnitt 2 (Nrn. 4200 bis 4207) des Vergütungsverzeichnisses (vgl. Senat NStZ-RR 2005, 127 = JurBüro 2005, 251 = AGS 2005, 393 = RVGreport 2005, 102).
Die im Anhörungstermin vom 14. Februar 2005 vorgenommene neuerliche Pflichtverteidigerbestellung € die erforderlich war (vgl. EGMR StV 1993, 88; OLG Brandenburg NStZ-RR 1997, 96; OLG Braunschweig StV 2001, 21; Meyer-Goßner, StPO 48. Aufl., § 140 Rdn. 33 a) € galt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats zum Umfang der Bestellung eines Pflichtverteidigers im Vollstreckungsverfahren, namentlich im Unterbringungsverfahren, für das inzwischen rechtskräftig abgeschlossene jährliche Überprüfungsverfahren nach § 67e Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 StGB (vgl. Senat aaO; NStZ-RR 2002, 63 = StV 2004, 39; Beschlüsse vom 10. März 1998 € 5 Ws 149/98 €, 24. Juni 1997 € 5 Ws 395/97 € und vom 5. September 1995 € 5 Ws 343 und 344/95 €), das heißt für den damals zu beurteilenden Vollstreckungsabschnitt bis zur Rechtskraft der Entscheidung über die Fortdauer der Unterbringung (vgl. OLG Schleswig SchlHA 1989, 105).
Aus der Bestellung (nur) für einen Verfahrensabschnitt folgt indes nicht, daß es sich bei der Bestellung lediglich um die Übertragung einer Einzelaufgabe aus dem Arbeitsbereich des Verteidigers gehandelt hätte. Die Beiordnung entsprechend § 140 Abs. 2 StPO ist vielmehr im Rahmen des jeweiligen Verfahrensabschnitts grundsätzlich eine umfassende und betrifft demgemäß alle insoweit denkbaren Tätigkeiten des Verteidigers (vgl. Senat NStZ-RR 2005, 127). Die Vergütung richtet sich daher nicht nach Teil 4 Abschnitt 3, sondern nach Teil 4 Abschnitt 2 des Vergütungsverzeichnisses (Nrn. 4200 bis 4207 VV).
Abweichend von der früheren Rechtslage regelt das neue Gebührenrecht in Teil 4 Abschnitt 2 des Vergütungsverzeichnisses ausdrücklich die Vergütung der Rechtsanwälte als Verteidiger im Strafvollstreckungsverfahren, um die nach altem Recht als unangemessen niedrig empfundene Vergütung zu verbessern. Danach aber ist ein Rückgriff auf Abschnitt 3, der eine Vergütung für Einzeltätigkeiten des Verteidigers oder eines nicht als Verteidiger tätigen Rechtsanwalts vorsieht (Nrn. 4300 bis 4304 VV), aus systematischen Gründen grundsätzlich ausgeschlossen (vgl. Senat aaO).
2. Der Senat teilt die Auffassung der Strafvollstreckungskammer, daß die Terminsgebühr nach Nr. 4203 innerhalb eines Überprüfungsabschnitts nur einmal entsteht, unabhängig davon, wieviele Anhörungstermine stattfinden.
Das RVG regelt den Abgeltungsbereich der Gebühren dahingehend, daß diese € soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt € die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit entgelten (§ 15 Abs. 1 RVG) und daß der Rechtsanwalt die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern kann (§ 15 Abs. 2 Satz 1 RVG). Angelegenheit im Sinne dieser Norm ist vorliegend das Verfahren über die Erledigung oder Aussetzung der Maßregel der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (Nr. 4200 VV), mithin das jährliche Überprüfungsverfahren nach § 67e Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 StGB (vgl. Volpert in Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, VV Nr. 4200 Rdn. 18, Nr. 4201 Rdn. 16, Rdn. 13 zu Nr. 4202; Madert in Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG 17. Aufl., VV 4200-4207, Rdn. 14; zur Rechtslage vor Inkrafttreten des RVG: OLG Schleswig SchlHA 1989, 105), das mit der Rechtskraft der Entscheidung über die Fortdauer der Unterbringung endet. Denn auf dieses bezieht sich € im Falle der notwendigen Verteidigung € die Bestellung des Pflichtverteidigers, die insoweit € wie ein dem Rechtsanwalt erteilter Auftrag (vgl. BGH NJW 1995, 1431; OLG Düsseldorf AnwBl 1997, 624; Hartmann, Kostengesetze 36. Aufl., § 15 RVG Rdn. 11) € Abgrenzungsfunktion hat. Danach stehen dem Rechtsanwalt für jedes Überprüfungsverfahren einmalig die in Teil 4 Abschnitt 2 VV vorgesehenen Gebühren zu (vgl. Volpert, aaO, VV Nr. 4202 Rdn. 13, Nr. 4203 Rdn. 15), nämlich die Verfahrensgebühr nach Nr. 4200 und, sofern der Rechtsanwalt an einem Anhörungstermin teilgenommen hat, die Terminsgebühr nach Nr. 4202 bzw. € bei einem nicht auf freiem Fuß befindlichen Beschuldigten (Vorbemerkung 4 Abs. 4 zum Vergütungsverzeichnis) € die Verfahrensgebühr nach Nr. 4201 und gegebenenfalls die Terminsgebühr nach Nr. 4203. Eine (in § 15 Abs. 1 RVG vorbehaltene) abweichende gesetzliche Bestimmung ist nicht getroffen (vgl. Volpert aaO).
Vielmehr ergibt sich aus dem Vergütungsverzeichnis eindeutig, daß es bei dem Anspruch auf (nur) eine Terminsgebühr auch dann verbleibt, wenn in dem jeweiligen Überprüfungsverfahren mehrere Anhörungstermine unter Mitwirkung des Rechtsanwalts stattgefunden haben. Nach Vorbemerkung 4 Abs. 3 Satz 1 zum Vergütungsverzeichnis entsteht die Terminsgebühr für die Teilnahme "an gerichtlichen Terminen", soweit nichts anderes bestimmt ist. Sie deckt somit grundsätzlich auch die Teilnahme an einer Mehrzahl von Terminen ab. Von der vorbehaltenen Möglichkeit, abweichende Regelungen zu treffen, hat der Gesetzgeber bei verschiedenen Gebührentatbeständen in Teil 4 des Vergütungsverzeichnisses Gebrauch gemacht. So ist hinsichtlich der in Nr. 4102 aufgeführten Termine außerhalb der Hauptverhandlung bestimmt, daß die Gebühr im vorbereitenden Verfahren und in jedem Rechtszug für die Teilnahme an jeweils bis zu drei Terminen (Terminstagen) einmal entsteht. Ferner sehen Nr. 4108 und Nr. 4114 vor, daß die Terminsgebühr in erstinstanzlichen Verfahren vor dem Amtsgericht bzw. vor der Strafkammer je Hauptverhandlungstag anfällt. Die in Teil 4 Abschnitt 2 des Vergütungsverzeichnisses enthaltene Gebührenregelung für den Bereich der Strafvollstreckung aber sieht entsprechende Sonderregelungen gerade nicht vor. Vielmehr nimmt die Terminsgebührenregelung in Nrn. 4202, 4203 VV nur pauschal auf die in Nr. 4200 genannten Verfahren Bezug. In Anbetracht dieser eindeutigen € von sonstigen Gebührentatbeständen in Teil 4 des Vergütungsverzeichnisses gerade abweichenden € Regelung ist für die mehrfache Gewährung einer Terminsgebühr im Rahmen desselben Überprüfungsverfahrens nach § 67e Abs. 1, Abs. 2 StGB kein Raum. Dies gilt um so mehr, als dem Rechtsanwalt auch nach der obergerichtlichen Rechtsprechung zur früheren gesetzlichen Regelung in §§ 91, 92 BRAGO die Gebühr nach § 91 Nr. 2 BRAGO für seine gesamte Tätigkeit in einem Überprüfungsverfahren zustand; er durfte nicht etwa für jede einzelne Tätigkeit innerhalb ein und desselben Überprüfungsverfahrens eine einzelne Gebühr abrechnen (vgl. OLG Frankfurt am Main JurBüro 2000, 306; Senat NStZ-RR 2002, 63 = StV 2004, 39; vgl. auch OLG Düsseldorf JurBüro 2001, 363). Eine hiervon abweichende Honorierung der anwaltlichen Tätigkeit mit einer Terminsgebühr für jeden unter Mitwirkung des Rechtsanwalts durchgeführten Anhörungstermin hätte einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung bedurft.
Zwar mag es Fälle geben, in denen die Bewilligung einer Terminsgebühr nach Nrn. 4202, 4203 VV dem erhöhten Arbeitsaufwand des beigeordneten Rechtsanwaltes bei Mitwirkung an mehreren Anhörungsterminen nicht mehr gerecht wird. Für derartige Konstellationen sieht das Gesetz unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf Festsetzung einer (höheren) Pauschgebühr € und eben nicht die Bewilligung mehrerer Terminsgebühren € vor (§ 51 Abs. 1 Satz 1 RVG). Zur Prüfung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 RVG besteht vorliegend indes kein Anlaß. Die Durchführung von insgesamt zwei Anhörungsterminen innerhalb desselben Überprüfungsabschnitts, von denen der erste zur Einholung eines Prognosegutachtens führte und der zweite sodann unter Mitwirkung des beauftragten Sachverständigen stattfand, stellt keinen Ablauf dar, der von der üblichen Gestaltung des Überprüfungsverfahrens € das der Gesetzgeber bei der Neufassung des Gebührenrechts vor Augen hatte (vgl. Volpert, aaO, VV Teil 4 Abschnitt 2 Vorb. Rdn. 2; Madert, aaO, VV 4200-4207, Rdn. 1) € abweicht und mit einem weit überdurchschnittlichen Arbeitsaufwand für die beigeordnete Rechtsanwältin verbunden gewesen wäre. § 51 RVG soll nur unzumutbare Benachteiligungen verhindern und ist daher eng auszulegen; die Bewilligung einer Pauschgebühr kommt lediglich in Ausnahmefällen in Betracht (vgl. OLG Frankfurt am Main NStZ-RR 2006, 63).
3. Der Gebührenanspruch der Beschwerdeführerin ist daher durch die Festsetzung vom 15. März 2006 abgegolten. Diese enthielt unter anderem eine Terminsgebühr nach Nr. 4203 VV für den am 14. Februar 2005 durchgeführten Anhörungstermin. Für den Anhörungstermin am 6. Februar 2006, der noch innerhalb desselben Überprüfungsabschnitts stattfand, ist eine weitere Terminsgebühr € wie dargelegt € nicht angefallen.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG.
KG:
Beschluss v. 26.05.2006
Az: 5 Ws 258/06
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