Bundespatentgericht:
Beschluss vom 16. März 2000
Aktenzeichen: 25 W (pat) 96/99
(BPatG: Beschluss v. 16.03.2000, Az.: 25 W (pat) 96/99)
Tenor
Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 21. Januar 1999 in der Hauptsache insoweit aufgehoben, als der Widerspruch aus der Marke 2 064 479 zurückgewiesen worden ist.
Wegen des Widerspruchs aus dieser Marke wird die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet.
Gründe I.
Die Bezeichnung PEDIKUTAN ist unter der Nummer 396 15 941 als Marke für "Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, insbesondere Fußpflege; pharmazeutische Erzeugnisse, Präparate für die Gesundheitspflege, insbesondere Mittel für die medizinische Fußpflege und die Behandlung von Fußkrankheiten" im Markenregister eingetragen worden. Nach der Veröffentlichung der Eintragung am 10. Dezember 1996 ist Widerspruch erhoben worden von der Inhaberin der älteren, seit dem 10. Mai 1994 für "Arzneimittel, nämlich topische Arzneimittel zur Behandlung der Haut, sowie kosmetische Produkte und Waschmittel" eingetragenen Marke 2 064 479 medicusan.
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Verwechslungsgefahr zwischen den Marken verneint und den Widerspruch zurückgewiesen. Die Marken könnten sich auf identischen Waren begegnen. Auch wenn es sich um frei verkäufliche Waren handeln könne, würden diese mit einer gewissen Sorgfalt erworben, da sie Einfluß auf die Gesundheit hätten. Ausgehend davon und bei anzunehmender normaler Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei ein deutlicher Markenabstand erforderlich, der noch eingehalten sei. Die Markenwörter hätten zwar die gleiche Silbenzahl und den gleichen Sprech- und Betonungsrhythmus. Sie unterschieden sich jedoch im Konsonantengerüst. Die Widerspruchsmarke klinge melodiöser als die etwas härter klingende jüngere Marke. Ferner erleichterten die in den Marken enthaltenen Bedeutungsanklänge "PEDI" für "Fuß", "KUTAN" für "Haut", "medicu(s)" für "Arzt" bzw "Medizin" und "san" für "sanus" (= gesund) das Auseinanderhalten. Auch in schriftbildlicher Hinsicht bestehe keine Verwechslungsgefahr.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, die sinngemäß beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die angegriffene Marke im Register zu löschen.
Die von der Markenstelle vorgenommene zergliedernde Betrachtungsweise bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr sei nicht zulässig. Die Markenstelle sei nicht auf die zahlreichen Übereinstimmungen eingegangen, sondern habe nur etwas über die einzelnen Bestandteile gesagt und daraus den Schluß gezogen, daß eine Verwechslungsgefahr nicht bestehe. Die Markenwörter stimmten bei gleicher Silbenzahl, gleichem Sprech- und Betonungsrhythmus in der Vokalfolge überein. Im Gesamteindruck würden die übereinstimmenden Merkmale stärker hervortreten als die Unterschiede. Daher könne die Abweichung in lediglich zwei Buchstaben bei den hier zu beurteilenden langen Markenwörtern eine Verwechslungsgefahr nicht ausschließen, zumal die Waren identisch seien und auf alle Verkehrskreise abzustellen sei. Die Bedeutungsanklänge seien nicht hinreichend ausgeprägt, um der Verwechslungsgefahr ausreichend entgegenzuwirken.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Ausführungen im Beschluß der Markenstelle seien zutreffend. Eine Verwechslungsgefahr sei weder in klanglicher noch in optischer Hinsicht gegeben. Die abweichenden Konsonanten sorgten für einen ausreichenden Unterschied. Klanglich übereinstimmend seien nur die Silben "ku" und "cu". In der Gesamtkombination seien aber diese beiden Silben nicht ausschlaggebend. Auch im allgemeinen Handel seien keine Verwechslungen zu befürchten. Der Großhändler werde stets genau darauf achten, was er bestelle. Bei einer Begegnung der beiderseitigen Waren im Supermarkt, komme neben der Unterscheidbarkeit der Bezeichnungen auch noch jene durch Aufmachung und Preis hinzu.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluß der Markenstelle sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt, § 66 Abs 1 Satz 1, Abs 2 MarkenG.
Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Nach Auffassung des Senats besteht wegen der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Marken und der Ähnlichkeit der jeweiligen Waren die Gefahr von Verwechslungen im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG, so daß auf den nach § 42 Abs 2 Nr 1 MarkenG erhobenen Widerspruch hin die Löschung der angegriffenen Marke gemäß § 43 Abs 2 Satz 1 MarkenG anzuordnen ist.
Da Benutzungsfragen im vorliegenden Verfahren keine Rolle spielen, ist bei den Waren von der Registerlage auszugehen. Danach kann die angegriffene Marke im Bereich der von ihr beanspruchten pharmazeutischen Erzeugnisse und der Präparate für die Gesundheitspflege im Verhältnis zur Widerspruchsmarke zur Kennzeichnung gleicher Waren verwendet werden, da diese weiten Warenbegriffe die spezielleren Arzneimittel der Widerspruchsmarke umfassen können. Dabei kann es sich jeweils auch um rezeptfrei erhältliche Arzneimittel handeln, weshalb die allgemeinen Verkehrskreise auch in diesem Warenbereich uneingeschränkt zu berücksichtigen sind. Soweit die angegriffene Marke "Mittel zur Körper- und Schönheitspflege" beansprucht, können die Marken sogar in weitem Umfang zur Kennzeichnung gleicher Waren verwendet werden. Es fallen nämlich zahlreiche verschiedene, in Drogerien, Parfümerien, aber auch Supermärkten erhältliche Waren sowohl unter diesen Warenbegriff als auch unter Warenbegriff der "kosmetischen Produkte und Waschmittel" der Widerspruchsmarke. Die im Warenverzeichnis der angegriffenen Marke nach "insbesondere" genannten Waren stellen im übrigen keine warenmäßigen Beschränkungen auf "Mittel für die Fußpflege bzw medizinische Fußpflege" dar, worauf der Senat bereits in der Ladung vom 17. Januar 2000 hingewiesen hat.
Bei seiner Entscheidung geht der Senat von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke aus. Im Hinblick auf die im Bereich pharmazeutischer Erzeugnisse übliche Praxis, Marken in der Weise zu bilden, daß einzelne Zeichenteile Art, Zusammensetzung, Wirkung, Indikation, Darreichungsform und dergleichen jedenfalls für den Fachmann erkennen lassen, erscheinen die in der Widerspruchsmarke enthaltenen Bestandteile mit den Bedeutungsanklängen im Sinne von "Arzt" (lat. medicus) oder vielleicht auch "Medizin" und "gesund" (von lat. sanus) hinreichend phantasievoll zusammengefügt, so daß keine Kennzeichnungsschwäche der Gesamtbezeichnung angenommen werden kann.
Unter Berücksichtigung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und der Warenlage sind an den zur Vermeidung von Verwechslungen erforderlichen Markenabstand strenge Anforderungen zu stellen, die in klanglicher Hinsicht nicht erfüllt sind. Die Markenwörter stimmen bei gleicher Silbenzahl, gleichem Sprechrhythmus und gleicher Vokalfolge in der Struktur bzw der Abfolge von Konsonanten und Vokalen, im Lautbestand "-edikuan/-edicuan" und damit auch in den beiden Mittelsilben überein. Die Vergleichsbezeichnungen stimmen bei jeweils neun Buchstaben in sieben Lauten an gleicher Wortstelle überein. Diese Gemeinsamkeiten erzeugen nach Auffassung des Senats einen verwechselbar ähnlichen Gesamteindruck, auf den bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr abzustellen ist. Die gegenüberstehenden und abweichenden Konsonanten "P" und "m" bzw "T" und "s" mögen bei isolierter Betrachtungsweise recht unterschiedlich sein. Sie kommen vorliegend aber nicht ausreichend kollisionshemmend zum Tragen. Dabei ist auch von Bedeutung, daß im Verhältnis von Vokallauten und Konsonanten den "Vokallauten" regelmäßig - so auch hier - größere Bedeutung für das Klangbild zufällt (vgl hierzu Althammer/Ströbele MarkenG, 5. Aufl, § 9 Rdn 82). Auch wenn die Markenwörter sich im Anfangskonsonanten unterscheiden und dabei der Erfahrungssatz beachtet wird, daß der Verkehr Wortanfänge regelmäßig stärker zu beachten pflegt als nachfolgende Wortteile, führt dies vorliegend angesichts der weitreichenden Übereinstimmungen im übrigen zu keiner anderen Beurteilung. Dies gilt insbesondere dann, wenn berücksichtigt wird, daß die Marken im Verkehr nicht nebeneinander aufzutreten pflegen und dann ein Vergleich aufgrund eines undeutlichen Erinnerungsbildes erfolgt (vgl hierzu Althammer/Ströbele MarkenG, 5. Aufl, § 9 Rdn 72).
Die in den Vergleichsbezeichnungen enthaltenen unterschiedlichen Bedeutungsanklänge, wie sie die Markenstelle im angefochtenen Beschluß aufzeigt, sind nicht hinreichend ausgeprägt, um hier in entscheidungserheblichem Umfang verwechslungsmindernd wirken zu können. Es handelt sich jedenfalls nicht um Bestandteile, deren Sinngehalt rasch und unmittelbar erkannt wird (iSv BGH GRUR 1992, 130 ff "BALL/Bally"), so daß die Verwechslungsgefahr schon deshalb ausgeschlossen wäre. Ein Teil des angesprochenen Verkehrs wird diese Sinnanklänge zwar zu deuten wissen und sich hieran orientieren können. Dies kann der Verwechslungsgefahr in gewissem Umfang entgegenwirken und mag bei einer weniger stark ausgeprägten Ähnlichkeit der Vergleichsbezeichnungen oder einem Warenabstand den Ausschlag in Richtung Verneinung der Verwechslungsgefahr geben. Dieser Gesichtspunkt kann insbesondere dann zum Tragen kommen, wenn ein beschreibendes Verständnis von der Warenlage eindeutig nahegelegt ist, was im Hinblick auf allgemein bekannte Begriffe wie "Pediküre" etwa für den Bestandteil "Pedi" im Bereich von "Fußpflegemitteln" gelten könnte. Da eine entsprechende Festlegung im Warenverzeichnis der angegriffenen Marke aber unterblieben ist, wird ein solches beschreibendes Verständnis vorliegend jedenfalls nicht in ausreichendem Umfang gefördert.
Soweit die Inhaberin der angegriffenen Marke meint, daß bei einer Begegnung der jeweils mit den Vergleichsmarken gekennzeichneten Waren im Supermarkt eine Unterscheidung auch durch die Aufmachung und den Preis hinzukomme, kann dies nicht berücksichtigt werden. Im registerrechtlichen Widerspruchsverfahren sind die Marken grundsätzlich in ihrer registrierten Form zu beurteilen (vgl hierzu Althammer/Ströbele MarkenG, 5. Aufl, § 9 Rdn 64).
Da bereits die klangliche Verwechslungsgefahr zu bejahen war, kann dahinstehen, ob Verwechslungsgefahr auch in schriftbildlicher Hinsicht besteht.
Der Widerspruch greift nach alledem durch. Auf die Beschwerde der Widersprechenden hin war deshalb der angefochtene Beschluß der Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlaß, § 71 Abs 1 MarkenG.
Kliems Brandt Knoll Pü
BPatG:
Beschluss v. 16.03.2000
Az: 25 W (pat) 96/99
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