Bundespatentgericht:
Beschluss vom 9. Januar 2001
Aktenzeichen: 10 W (pat) 53/00
(BPatG: Beschluss v. 09.01.2001, Az.: 10 W (pat) 53/00)
Tenor
Auf die Beschwerde des Patentinhabers wird der Beschluß des Deutschen Patent- und Markenamts - Patentabteilung 11 - vom 1. Februar 2000 aufgehoben.
Dem Patentinhaber wird Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Zahlung der Veröffentlichungsgebühr für die deutsche Übersetzung der Patentschrift gewährt.
Gründe
I.
Im europäischen Patentblatt ist am 4. Februar 1999 das nicht in deutscher Sprache vorliegende, mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilte europäische Patent 0714 769 veröffentlicht worden, das beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nr. 691 30 874.8 geführt wird.
Am 3. Mai 1999 hat der Patentinhaber die deutsche Übersetzung der europäischen Patentschrift eingereicht.
Auf die am 19. Juli 1999 formlos übersandte Mitteilung des Patentamts, daß die Gebühr von DM 250,- für die Veröffentlichung der Übersetzung nicht gezahlt worden sei und die Wirkungen des europäischen Patents daher für die Bundesrepublik Deutschland als nicht eingetreten gälten, hat der Patentinhaber Wiedereinsetzung in die versäumte Frist beantragt und die Gebühr von DM 250,- gezahlt. Zur Begründung hat der anwaltliche Vertreter vorgetragen, daß die Frist unverschuldet versäumt worden sei. Er habe die in seiner Kanzlei als Patentanwaltsfachkraft ausgebildete Frau J... mit der Abfassung des Schriftsatzes vom 3. Mai 1999, der Anfertigung des Abbuchungsauftrags für die Veröffentlichungsgebühr und der Zusammenstellung der gesamten Unterlagen beauftragt. Gesetzliche Fristen würden in seinem Büro in einem zentral geführten Fristenkalender und in dem für jeden Arbeitstag erstellten Amtszettel rot vermerkt. Die Streichung der Fristen in dem Amtszettel erfolge durch den jeweils mit der Bearbeitung beauftragten Mitarbeiter - hier Frau P... -, sobald die entsprechenden Unterlagen in den zur Absendung an das Patentamt bestimmten Umschlag verbracht worden seien. Weshalb Frau P..., die in seinem Büro regelmäßig fristgebundene Ar- beiten erledigt und die Bedeutung der Fristen gekannt habe, den ihm zusammen mit den übrigen Unterlagen in einer Unterschriftsmappe vorgelegten Abbuchungsauftrag nicht abgesandt, sondern das Original des Abbuchungsauftrags in der Anwaltsakte abgelegt habe, könne nicht nachvollzogen werden.
Auf den Hinweis des Patentamts, daß das behauptete Versehen von Frau P... nicht glaubhaft gemacht worden sei, hat der Vertreter des Patentinha- bers eine Kopie des kanzleiinternen Amtszettels vom 3. Mai 1999 und eine eidesstattliche Versicherung von Frau J... eingereicht. Eine den Bearbeitungsvorgang erläuternde Erklärung von Frau P... könne er nicht vorlegen, weil sie zwi- schenzeitlich aus seiner Kanzlei ausgeschieden sei.
Durch Beschluß vom 1. Februar 2000 hat das Deutsche Patent- und Markenamt - Patentabteilung 11 - den Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen, weil der Vertreter der Patentinhaberin lediglich glaubhaft gemacht habe, daß Frau P... mit der Bearbeitung des Vorgangs beauftragt gewesen sei. Die Tatsa- chen, die unmittelbar zu der Versäumung der Frist geführt hätten, seien nicht dargelegt worden. Der Vortrag beschränke sich auf die Schilderung eines allgemeinen Büroversehens.
Mit der am 21. Februar 2000 erhobenen Beschwerde beantragt der Patentinhaber, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und dem Antrag auf Wiedereinsetzung stattzugeben.
Zur Begründung trägt er vor, er habe in seinem Büro alle notwendigen Vorkehrungen für eine ordnungsgemäße Fristenüberwachung getroffen und die ausgebildete Patentanwaltsfachkraft Frau P... mit der Erstellung der für die Auf- rechterhaltung der Wirkungen des europäischen Patents in der Bundesrepublik Deutschland erforderlichen Unterlagen beauftragt. Es stelle ein typisches Büroversehen dar, daß die ihm in der Unterschriftsmappe komplett vorgelegten Unterlagen, die er ordnungsgemäß geprüft und unterzeichnet habe, von Frau P... ohne den Abbuchungsauftrag an das Patentamt abgesandt worden seien. Dieses Versehen sei ihm entgegen der Ansicht des Patentamts gerade nicht zuzurechnen. Ergänzend hat der anwaltliche Vertreter seine Darlegungen, einschließlich der von Frau P... ausgesprochenen fristgerechten Kündigung zum 17. Mai 1999 eidesstattlich versichert.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung ist stattzugeben, nachdem die zur Begründung der Wiedereinsetzung vorgetragenen Tatsachen im Beschwerdeverfahren ausreichend glaubhaft gemacht worden sind.
Der Patentinhaber hat die tarifmäßige Gebühr von 250,- DM für die Veröffentlichung der deutschen Übersetzung der Patentschrift innerhalb der Frist von drei Monaten nach der Veröffentlichung des Hinweises auf die Patenterteilung im Europäischen Patentblatt - hier: 4. Februar 1999 - nicht gezahlt. Wird die Frist versäumt, gelten die Wirkungen des europäischen Patents für die Bundesrepublik Deutschland gemäß Art. II § 3 Abs. 1 IntPatÜG als von Anfang an nicht eingetreten.
Zur Beseitigung dieses Rechtsnachteils hat der Patentinhaber gemäß § 123 Abs. 2 PatG rechtzeitig innerhalb von zwei Monaten, nachdem er durch den Bescheid des Patentamts von der Nichtzahlung der Gebühr in Kenntnis gesetzt worden war, Wiedereinsetzung beantragt. Der zulässige Wiedereinsetzungsantrag ist auch begründet.
Der anwaltliche Vertreter des Patentinhabers hat schlüssig dargelegt und glaubhaft gemacht, daß ihn kein Verschulden an der Fristversäumung trifft. Nach seinem Vortrag war die Frist für die Einreichung der deutschen Übersetzung der europäischen Patentschrift und die Zahlung der Gebühr in dem Fristenkalender und dem für jeden Tag erstellten kanzleiinternen Amtszettel notiert. Die mit der Führung des Fristenkalenders und der Erstellung des Amtszettels befaßte Frau J... hat sodann in Absprache mit dem anwaltlichen Vertreter Frau P... als Bear- beiterin der vorliegenden Fristsache auf dem Amtszettel eingetragen. Dies ergibt sich aus der vorgelegten Kopie des Amtszettels vom 3. Mai 1999, der in einer Zeile neben dem Aktenzeichen der europäischen Patentanmeldung und dem Kürzel NPH DE (=nationale Phase Deutschland) auch die Abkürzung "IP" enthält. Wie der anwaltliche Vertreter ausführt, hat ihm Frau P... die komplett zu- sammengestellten Unterlagen in einer Unterschriftsmappe vorgelegt. Auch dieser Vortrag ist schlüssig, weil in dem am 3. Mai 1999 beim Patentamt eingegangenen und von dem anwaltlichen Vertreter unterzeichneten Schriftsatz nicht nur die zweifach eingereichte deutsche Übersetzung als Anlage aufgeführt ist, sondern auch ausdrücklich gebeten wird, die Gebühr von 250,- DM gemäß dem beiliegendem Abbuchungsauftrag abzubuchen. Der Schriftsatz mit den darin genannten Anlagen war von Frau P... gemäß der allgemeinen Büroanweisung in den zur Absendung an das Patentamt vorbereiteten Umschlag zu geben. Erst dann durfte sie die Sache auf dem Amtszettel als erledigt streichen. Dies wird von Frau J... in ihrer eidesstattlichen Versicherung bestätigt.
Damit hat der anwaltliche Vertreter dargelegt und glaubhaft gemacht, daß die Fristenüberwachung in seinem Büro ordnungsgemäß organisiert ist und die Frist auch in dem konkreten Fall korrekt notiert war. Den weiteren Vorgang der Bearbeitung und insbesondere Unterzeichnung der Unterlagen hat er im Verfahren vor dem Patentamt allerdings nicht ausreichend glaubhaft gemacht, wie das Patentamt zu Recht ausgeführt hat. Nachdem der anwaltliche Vertreter jedoch nunmehr selbst eidesstattlich versichert hat, daß das von ihm unterzeichnete Original des Abbuchungsauftrags in der Anwaltsakte verblieben ist, hält der Senat bestehende Zweifel wegen eines möglichen eigenen Verschuldens des anwaltlichen Vertreters bei der Bearbeitung der Unterlagen in dem hier vorliegenden Einzelfall für ausgeräumt. In Anbetracht seines übrigen schlüssigen Vorbringens sprechen keine hinreichenden Gründe gegen die Glaubwürdigkeit seiner Aussage. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, daß wegen des Ausscheidens von Frau P... eine eidesstattliche Erklärung der einzigen, mit dem Vorgang unmittelbar befaßten Bürokraft nicht mehr ohne weiteres zu beschaffen war.
Die Gründe, die nach der Unterzeichnung des Abbuchungsauftrags durch den anwaltlichen Vertreter trotz ordnungsgemäßer Büroorganisation dazu geführt haben, daß der Abbuchungsauftrag in der Anwaltsakte verblieben ist, statt mit den anderen Unterlagen an das Patentamt abgesandt zu werden, liegen nicht mehr in seinem Verantwortungsbereich. Es handelt sich hier um Tätigkeiten, die er seinen Bürokräften überlassen darf.
Bühring Dr. Schermer Schuster Pr
BPatG:
Beschluss v. 09.01.2001
Az: 10 W (pat) 53/00
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