Landgericht Düsseldorf:
Beschluss vom 31. Juli 2015
Aktenzeichen: 19 T 152/14
(LG Düsseldorf: Beschluss v. 31.07.2015, Az.: 19 T 152/14)
1. Bei einer überwiegend vermögensverwaltend tätigen Gesellschaft iSv § 54 S. 3 GNotKG ist ein Geschäftsanteil nach dem Aktivvermögen der Gesellschaft zu bewerten, wobei Grundstücke nicht mit Bilanzwerten, sondern nach § 46 GNotKG zu bewerten sind.
2. Maßgebend für die Frage, ob es sich um eine überwiegend vermögensverwaltende Gesellschaft handelt, ist nicht der im Handelsregister abstrakt umschriebene Geschäftsgegenstand, sondern die im zeitlichen Zusammenhang mit der beurkundeten Anteilsübertragung konkret entfaltete Geschäftstätigkeit. Den Regelungen des Gesellschaftsvertrages kommt dabei ebenso wie in der Zukunft liegenden Vermarktungsabsichten lediglich indizielle Bedeutung bei.
3. Bei einem im Wesentlichen auf den Besitz und die Vermietung von Immobilienvermögen beschränkten operativen Geschäft liegen typische vermögensverwaltende Tätigkeiten vor.
Tenor
Die Kostenrechnung des Notars wird bestätigt.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Die Antragstellerin und Beteiligte zu 2) ist eine Gesellschaft der Gruppe. Die Unternehmensgruppe betreibt eine Sparte, die sich mit der Projektentwicklung von Immobilien beschäftigt.
Bei der Gesellschaft GmbH handelt es sich um eine Projektgesellschaft im Zusammenhang mit Immobilien. Die Gesellschaft hat ein Stammkapital von 25.000,00 EUR und hält seit etwa fünf Jahren ein Grundstück.
Im Jahr 2012 erwarb die GmbH zum Preis von 1,00 EUR einen Geschäftsanteil an der Gesellschaft.
Der Beteiligte zu 1) beurkundete mit der Urkunde die Abtretung des zuvor von der GmbH erworbenen Anteils an der GmbH an die Antragstellerin. Der streitgegenständlichen Anteilsabtretung gingen schuldrechtliche Vereinbarungen voraus, in denen der Kaufpreis für die übertragenen Anteile von 1,00 EUR bestimmt wurde. Der mit €Geschäftsanteil Nr. 4€ bezeichnete Anteil hat einen Nennwert von 1.250,00 EUR, während zum Zeitpunkt der Abtretung die übrigen Geschäftsanteile mit einem Gesamtnennwert von 23.725,00 EUR von der Beteiligungs-GmbH gehalten wurden. Die Beteiligung der Antragstellerin als Minderheitsgesellschafterin erfolgte zur Vermeidung der Grunderwerbssteuer anlässlich des Verkaufs der (übrigen) Geschäftsanteile an einen Investor. Aus diesem Grund wurde der Antragstellerin bezogen auf das jeweilige Stammkapital der Gesellschaften in Höhe von 25.000 EUR jeweils ein Anteil in Höhe von 5,1% ( = 1.275,00 EUR) übertragen. Die Beteiligung der Antragstellerin wird als sog. €RETT-Blocker€ (Real Estate Transfer Tax Blocker) bezeichnet. Bei der Veräußerin und der erwerbenden Beteiligten zu 2) handelt es sich um verbundene Unternehmen im Sinne des § 15 AktG.
Zur Rechnungserstellung bat der Notar die Antragstellerin in einer E-Mail um Mitteilung des Verkehrswerts des abgetretenen Geschäftsanteils, woraufhin diese mitteilte, dass die GmbH nahezu überschuldet sei und der Marktwert der Beteiligung daher 1,00 EUR betrage. In einer weiteren E-Mail vom 20.03.2014 erläuterte der Beteiligte zu 1), für die Wertgebühr sei nach Bestimmungen des GNotKG der auf den Anteil der Beteiligung entfallende Wert des Vermögens der Gesellschaft maßgeblich, wobei ein Schuldenabzug nicht erfolge. Von der Antragstellerin sei ihm ein Wert der Gesamtgesellschaft GmbH in Höhe von 250 Mio. EUR mitgeteilt worden. Die Antragstellerin reagierte auf die Mail durch Übersendung der Bilanzen der Gesellschaft vom 30.04.2011. Wegen deren Einzelheiten wird auf Bl. 132 ff. d.A. verwiesen.
Unter dem 21.03.2014 erstellte der Beteiligte zu 1) die Kostenrechnung zu der Beurkundung des Geschäftsanteilsabtretungsvertrags mit einem Rechnungsbetrag von 39.118,99 EUR (Rechnungsnummer). Der Kostenberechnung über die Abtretung der Geschäftsanteile an der GmbH legte der Notar einen Geschäftswert von 12.750.000,00 EUR zugrunde.
Zahlungen der Antragstellerin auf die Rechnungen erfolgten nicht.
Die Antragstellerin ist der Auffassung, der Geschäftswert für die Beurkundung des Vertrags bestimme sich nach § 54 Satz 1, Satz 2 GNotKG. Sie macht in diesem Zusammenhang geltend, der Geschäftszweck der GmbH sei die Errichtung von Immobilien, deren Vermietung und Weiterverkauf. Dies ergebe sich aus den Bilanzunterlagen der GmbH vom 30.04.2011, in denen sich € was unstreitig ist € davon die Rede sei, dass Verwaltungskosten wegen der noch nicht in der engeren Herstellungsphase befindlichen Projektentwicklung nicht aktiviert würden. Auch fänden sich auf der Internetseite zur Projektvermarktung Mitteilungen über die Übergabe von Wohnungen im Juli 2014 und über das Erreichen von Bauzielen im August 2014. Die Gesellschaft bediene sich Projektsteuerern der Muttergesellschaft bzw. externer Unternehmen.
In ihrer Antragsschrift nennt die Antragstellerin einen Verkehrswert des Grundstücks der GmbH in Höhe von 151.849.905,69 EUR. Nach Auffassung der Antragstellerin ist der Rechnung ein Geschäftswert von 176.076,16 EUR zugrundezulegen. Wegen der Einzelheiten der von der Antragstellerin für zutreffend erachteten Geschäftswertberechnung wird auf die Antragsschrift (Bl. 109 f.) und die geänderte Berechnung im Schriftsatz vom 11.11.2014 (Bl. 241) verwiesen.
Die Antragstellerin hat ursprünglich beantragt, die Kostenrechnung vom 21.03.2014 aufzuheben.
Der Beteiligte zu 3) hat am 28.10.2104 (Bl. 226) zu der beanstandeten Rechnung Stellung genommen, eine Verletzung des Zitiergebots des § 19 Abs. 3 GNotKG gerügt und die rechnerische Ermittlung der Geschäftsgebühr beantragt.
Der Beteiligte zu 1) übersandte in der Folge eine berichtigte Kostenrechnung vom 10.11.2014 (Rechnung Nr. ). Den Wertgebühren für das Beurkundungsverfahren (KV-Nr. 21100), der Vollzugsgebühr (KV-Nr 22110) und der Gebühr für den Elektronischen Vollzug (KV-Nr. 22114) legte er einen Geschäftswert in Höhe von 12.500.000,00 EUR zu Grunde. Der Endbetrag in der um Angabe der Wertvorschriften ergänzten Rechnung lautet nunmehr 38.672,74 EUR.
Die Antragstellerin erklärte daraufhin ihren ursprünglichen Antrag unter Verwahrung gegen die Kostenlast für erledigt. Sie beantragt nunmehr die berichtigte Kostenrechnung vom 10.11.2014 aufzuheben und verfolgt ihren ursprünglichen Antrag als Hilfsantrag weiter.
Der Notar beantragt, die Kostenbeschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, die Wertbestimmung richte sich nach § 54 Satz 3 GNotKG. Eine Abgrenzung zwischen vermögensverwaltenden und werbenden Gesellschaften habe in erster Linie nach kostenrechtlichen Maßstäben zu erfolgen. Der Notar trägt in diesem Zusammenhang vor, es handele sich bei der Gesellschaft um eine sog. Objektgesellschaft, deren wesentlicher Vermögenswert eine bereits bebaute Liegenschaft sei. Die Verfügung über die Geschäftsanteile stelle im Wesentlichen eine Verfügung über die von der Gesellschaft gehaltene Immobile dar. Einen Betrieb im eigentlichen Sinne auf dem Grundstück habe das Unternehmen nicht. Es verfüge, was unstreitig ist, insbesondere nicht über Personal und weitere Produktionsmittel. Außer Mieteinnahmen generiere die Gesellschaft € ebenfalls unstreitig € keine nennenswerten Einnahmen. Die bloße Absicht späterer Veräußerung stehe der Annahme einer Vermögensverwaltung nicht entgegen. Die im Internet erfolgte Vermarktung von Wohnungen betreffe einen anderen Immobilienbesitz verbundener Unternehmen. Der Gesetzgeber habe mit der Regelung in § 54 Satz 3 GNotKG beabsichtigt, auf das bloße Haben, Entwickeln und einen späteren Verkauf der gehaltenen Immobilie ausgerichtete Gesellschaften zu erfassen, weil eine Verfügung über alle Anteile einer Verfügung über das Grundstück gleichstehe und sonst kein substantieller Austausch stattfinde. Bei einer bloßen Grundbesitzübertragung finde ebenfalls kein Schuldenabzug statt.
Mit Schreiben vom 28.11.2014 (Bl. 258) hat der Beteiligte zu 3) zu den geänderten Rechnungen Stellung genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf gerichtliche Überprüfung der Notarkostenrechnung nach § 127 Abs. 1 GNotKG ist zulässig (vgl. Korintenberg/Sikora, GNotKG, § 127 Nr. 22). Die Überprüfung der Kostenberechnung ergibt jedoch keine Beanstandungen; die Kostenrechnung ist ordnungsgemäß.
1.)
Die Kostenrechnung in der geänderten Fassung vom 10.11.2014 ist formell ordnungsgemäß. Sie genügt insbesondere dem Zitiergebot des § 19 Abs. 3 GNotKG. Soweit in der Kostenrechnung in ihrer ursprünglichen Fassung § 54 GNotKG nicht genannt wurde, hat der Notar diesem Mangel durch die neue Fassung abgeholfen.
2.)
Die in Rechnung gestellten Gebühren entsprechen den Gesetzen und sich zwischen den Parteien auch nicht streitig. Streitig ist hingegen, ob die Bewertung des Geschäftsanteils für den Geschäftsanteilsabtretungsvertrag sich nach § 54 Satz 1, 2 GNotKG richtet, oder ob § 54 Satz 3 GNotKG einschlägig ist.
Ein GmbH-Geschäftsanteil ist gemäß § 54 Satz 3 GNotKG zu bewerten, wenn die Gesellschaft überwiegend vermögensverwaltend tätig ist. Beispielhaft sind Immobilienverwaltungs-, Objekt-, Holding-, Besitz- oder sonstige Beteiligungsgesellschaften zu nennen. Bei diesen richtet sich der Geschäftswert nach dem Wert des Vermögens der Gesellschaft. Maßgeblich ist insoweit das Vermögen der Gesellschaft. Anders als bei der Bewertung des Gesellschaftsvermögens gemäß § 54 Satz 1, 2 GNotKG kommt es nicht auf die Bilanzwerte an. Insbesondere sind Grundstücke im Gesellschaftsvermögen nicht mit deren Bilanzwerten anzusetzen, sondern nach § 46 GNotKG zu bewerten.
Die Kammer geht ausgehend von diesen Grundsätzen davon aus, dass es sich bei der GmbH zum Zeitpunkt der Beurkundung um eine vermögensverwaltende Gesellschaft handelte. Zwar ist der Geschäftsgegenstand laut Handelsregistereintrag mit dem Erwerb, Besitz, der Bebauung und der Vermietung und Verpachtung sowie der Vermarktung von Grundbesitz und grundstücksgleichen Rechten in Köln weitgehend beschrieben und kann nach dieser Umschreibung auch auf eine operativ tätige Gesellschaft hindeuten. Maßgeblich ist jedoch nicht der abstrakt umschriebene Geschäftsgegenstand, sondern die konkret entfaltete Geschäftstätigkeit (vgl. Heinze in Renner/Otto/Heinze, GNotKG, § 54 Rn. 24 unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung). Dabei kommt es aus Sicht der Kammer auf die Tätigkeiten an, wie sie im zeitlichen Zusammenhang mit der beurkundeten Anteilsübertragung konkret zutage getreten sind. Den Regelungen des Gesellschaftsvertrages kommt dabei ebenso wie in Zukunft liegenden Vermarktungsabsichten lediglich indizielle Bedeutung bei (Heinze aaO.; a.A. wohl Korintenberg/Tiedtke, GNotKG, 19. Aufl., § 54 Rn. 9). Unstreitig verfügt die GmbH über keine Arbeitnehmer. Sie verfügt im Wesentlichen auch nur über ein Grundstück, deren Eigentümerin sie ist. Soweit in den Bilanzen Umsatzerlöse aus Mieten und Umlagen sowie Forderungen aus Lieferungen und Leistungen aufgeführt werden, betreffen diese jeweils die Vermietung von Flächen dieses einzigen Grundstücks. Damit ist Gegenstand der Gesellschaft im Wesentlichen das Halten und Bewirtschaften eines einzigen Grundstücks. Weiter ergibt sich aus dem Jahresabschluss zum 30.04.2011, dass die Immobilie zu Anschaffungs- und Herstellungskosten von 151.849.905,69 EUR bilanziert und entsprechend werthaltig ist. Dies entspricht dem von der Schuldnerin behaupteten Verkehrswert der Immobilie. Hiervon waren entsprechend dem veräußerten Geschäftswert 5% als Geschäftswert anzusetzen. Da der Verkehrswert zwischen den Parteien unstreitig ist, braucht nicht näher auf die Problematik eingegangen zu werden, dass der Geschäftswert sich nicht nach einem bilanziellen Buchwert, sondern nach dem Verkehrswert berechnet. Ausweislich des Jahresabschlusses waren zum 02.04.2002 Baukosten von 147,96 Mio. EUR aktiviert, mithin die Bautätigkeit anlässlich der Beurkundung im März 2014 abgeschlossen bzw. im Wesentlichen abgeschlossen. Folglich beschränkte sich das operative Geschäft im Wesentlichen auf den Besitz und die Vermietung des Immobilienvermögens, was typische vermögensverwaltende Tätigkeiten sind (vgl. Früchtl/Prokscha, DStZ 2010, 595, 598). Dem Umstand der Bebauung und Vermarktung kam mithin zum Zeitpunkt der Beurkundung nicht die Bedeutung bei, dass von einer operativ tätigen Projektgesellschaft hätte ausgegangen werden müssen.
3.)
Nach dem Vorgesagten greift die Höchstregelung aus § 107 Abs. 2 GNotKG nicht. Der Geschäftswert ist vielmehr nach dem Wert der Gesellschaft zu bestimmen. Der Wert der Gesellschaft wird vorliegend durch den Verkehrswert des verwalteten Grundstücks bestimmt. Dieser ist wie dargelegt mit ca. 152 Mio. EUR (151.849.905,69 EUR) unstreitig. Hieraus errechnet sich der insoweit von Schuldnerseite beanstandete Geschäftswert von 12,5 Mio. EUR bemessen nach dem übertragenen Geschäftsanteil von 5%. Dass es sich bei der Angabe des Verkehrswerts durch den ehemaligen Kaufmännischen Leiter der Antragstellerin gegenüber dem beteiligten Notar nur um eine Überschlagsrechnung gehandelt habe, ändert daran nichts.
III.
Gerichtsgebühren waren in Ermangelung eines Gebührentatbestandes in Teil 1 des Kostenverzeichnisses zum GNotKG nicht zu erheben. Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten beruht auf §§ 130 Abs. 3 Satz 1 GNotKG in Verbindung mit § 81 FamFG.
Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde zulässig, die bei dem Landgericht Düsseldorf durch Einreichung einer Beschwerdeschrift oder zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden kann. Die Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen den Beschluss eingelegt werde. Sie ist von dem Beschwerdeführer oder seinem Bevollmächtigten zu unterzeichnen. Die Einlegung der Beschwerde muss binnen einer Frist von einem Monat nach schriftlicher Bekanntmachung des Beschlusses erfolgen, wobei der Eingang beim Landgericht entscheidend ist.
LG Düsseldorf:
Beschluss v. 31.07.2015
Az: 19 T 152/14
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