Bundespatentgericht:
Beschluss vom 9. Mai 2000
Aktenzeichen: 27 W (pat) 193/99
(BPatG: Beschluss v. 09.05.2000, Az.: 27 W (pat) 193/99)
Tenor
Auf die Beschwerde werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 29. April 1998 und vom 22. Juni 1999 aufgehoben.
Gründe
I Zur Eintragung als Wortmarke für "Bekleidungsstücke, insbesondere Damenoberbekleidung" angemeldet ist LIVE DRESS Die Markenstelle für Klasse 25 hat durch zwei Beschlüsse, von denen einer im Erinnerungsverfahren erging, die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Wie sich aus den dem Erstbeschluß beigefügten Kopien von Werbeanzeigen ersehen lasse, werde das Wort "live" ähnlich dem Wort "pur" auch auf dem Modesektor mit der Bedeutung "aktuell, lebendig" verwendet. Die angesprochenen Verkehrskreise würden in der Tatsache, daß das Wort "LIVE" dem Wort "DRESS" vorangestellt sei, keine besondere Eigenart sehen und die angemeldete Wortzusammenstellung nur als einen werblichen Hinweis auf aktuelle, lebendige Bekleidung bzw ein aktuelles lebendiges Kleid verstehen, nicht aber als einen individuellen Herkunftshinweis auf ein ganz bestimmtes Unternehmen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie meint, aus der angemeldeten Marke erschließe sich das Tätigkeitsfeld des so gekennzeichneten Unternehmens nicht; deshalb sei sie unterscheidungskräftig (unter Hinweis auf BGH GRUR 1997, 845, 846 "Immo-Data"). Die Wortfolge "LIVE DRESS" sei grammatikalisch falsch und im deutschen Sprachgebrauch völlig unüblich. Ein eindeutiger Sinngehalt könne ihr nicht zugeordnet werden.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II Die Beschwerde ist zulässig und begründet, weil der Eintragung der angemeldeten Marke relevante Hindernisse nicht entgegenstehen.
Insbesondere fehlt ihr nicht die erforderliche Unterscheidungskraft (MarkenG § 8 Abs 2 Nr 1), dh die konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfaßten Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefaßt zu werden.
Ohne eine eingehend analysierende Betrachtung wird der Verkehr in der Marke einen Hinweis auf "aktuelle, lebendige Bekleidung" oder auf ein "aktuelles, lebendiges Kleid" nicht sehen, zu einer derartigen Analyse hat er aber in der Regel keine Veranlassung, er nimmt eine Marke vielmehr regelmäßig so auf, wie sie ihm entgegentritt. Denn ein derart eindeutiger Sinngehalt, wie ihn ihr die Markenstelle beimißt, ist der Bezeichnung "LIVE DRESS" nicht zu entnehmen, auch wenn in dieser Wortfolge eine Werbeaussage anklingt (so auch Beschluß des Bundespatentgerichts vom 15. Mai 1996 im Verfahren 26 W (pat) 134/94 - Live wohnen).
Die dem Erstbeschluß beigefügten Anzeigen, in denen jeweils "live" einem anderen Wort nachgestellt wird, sind mit der angemeldeten Marke nicht zu vergleichen. Denn der schlagwortartige Charakter des Wortes "live" entsteht nur dann, wenn es in Alleinstellung oder nachgestellt benutzt wird. So erzielen zB die Wortfolgen "LIVE DRESS" und "DRESS LIVE" beim Verbraucher deutlich unterschiedliche Eindrücke. Die Wortfolge "DRESS LIVE" könnte der Verkehr als Aufforderung ansehen, sich auf eine bestimmte Art zu kleiden. Dagegen ist die Wortfolge "LIVE DRESS" in dieser Reihenfolge der Wortbestandteile unüblich. So ist das gebräuchliche Adjektiv "live" weder lexikalisch (Webster's Third New International Dictionary of the English Language; Webster's Encyclopedic Unabridged Dictionary of the English Language; Duden/Oxford Großwörterbuch Englisch) noch in Zeitschriften in Verbindung mit Bekleidung nachweisbar. Den vorgenannten Großwörterbüchern ist dagegen zu entnehmen, daß das Adjektiv "live" die Bedeutung "aktuell" im Zusammenhang mit einem Thema oder einer Frage und "lebhaft" im Zusammenhang mit einer Farbe oder mit einer Person haben kann. Insoweit mag die angemeldete Bezeichnung in gewisser Weise eine sprechende Marke darstellen; eine eindeutige Sachaussage für die beanspruchten Waren ist der Wortfolge "LIVE DRESS" in dieser Reihenfolge der Wortbestandteile jedoch nicht zu entnehmen.
Im Hinblick hierauf ist die angemeldete Marke in der gewählten Reihenfolge der beiden (jeweils für sich und gemeinsam in anderer Reihenfolge nicht schutzfähigen) Wortbestandteile nicht freihaltebedürftig (MarkenG § 8 Abs 2 Nr 2); sie weist auch das für eine Eintragung erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft gerade noch auf. Auf die Frage, ob sich aus der Marke das Tätigkeitsfeld des Unternehmens erschließt, das diese (entsprechend der Bestimmung der Bezeichnung als Marke nicht zur Kennzeichnung des Unternehmens, sondern der beanspruchten Waren) verwendet, kommt es entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin nicht an.
Auf die Beschwerde waren die angegriffenen Beschlüsse daher aufzuheben.
Hellebrand Albert Friehe-Wich Pü
BPatG:
Beschluss v. 09.05.2000
Az: 27 W (pat) 193/99
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