Landgericht Bamberg:
Beschluss vom 14. Januar 2011
Aktenzeichen: 2 O 764/04

(LG Bamberg: Beschluss v. 14.01.2011, Az.: 2 O 764/04)

Tenor

1. Der Antrag des Gläubigers vom 09.11.2010 auf Festsetzung eines Ordnungsgeldes wird zurückgewiesen.

2. Der Gläubiger trägt die Kosten des Ordnungsmittelverfahrens.

3. Der Wert des Verfahrens wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Das Landgericht Bamberg hat die Schuldnerin mit Endurteil vom 08.02.2006, Aktenzeichen 2 O 764/04, verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen,

"nachfolgende oder diesen Inhalts gleiche Bestimmungen in Altersvorsorgeverträgen einzubeziehen sowie sich auf die Bestimmungen bei der Abwicklung der Verträge zu berufen, (...), ohne den effektiven Jahreszins gemäß § 6 Preisangabenverordnung (PAngV) für die halbjährliche, vierteljährliche oder monatliche Zahlung anzugeben:

§ 4 Was haben Sie bei der Beitragszahlung zu beachten€

(2) Nach Vereinbarung können Sie Jahresbeiträge auch in halbjährlichen, vierteljährlichen oder monatlichen Raten zahlen.

Für die Zahlung des Beitrages in unterjährigen Raten werden Ratenzahlungszuschläge von 2 % bei halbjährlicher, 3 % bei vierteljährlicher und 5 % bei monatlicher Zahlungsweise erhoben."

Mit Anerkenntnisurteil des Bundesgerichtshofs vom 29.07.2009 (Aktenzeichen I ZR 22/07) wurde das der eingelegten Berufung stattgebende Urteil des Oberlandesgerichts Bamberg vom 24.01.2007 aufgehoben und die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Bamberg vom 08.02.2006 zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin wies mit Schreiben vom 28.08.2009 ihre Versicherungsnehmer mit Altersvorsorgeverträgen auf folgendes hin:

"Sie nehmen die mögliche Ratenzahlung in Anspruch. Hierfür wird ein Ratenzahlungszuschlag erhoben. Dieser entspricht nach der Preisangabenverordnung (PAngV) einem effektiven Jahreszins von 8,33 % bei halbjährlicher Zahlung, 8,27 % bei vierteljährlicher Zahlung und 11,35 % bei monatlicher Zahlung.

Der Versicherungsnehmer P. zahlte die monatlichen Beiträge zunächst weiter. Er beantragte dann zum 01.01.2010 eine Umstellung auf eine jährliche Beitragszahlung, die auch vorgenommen wurde. Mit Schreiben vom 02.02.2010 wandte sich der Versicherungsnehmer an die Schuldnerin. Er forderte unter Berufung auf das Urteil des LG Bamberg vom 08.02.2006 "die Neuberechnung des Ratenzahlungszuschlages seit Vertragsbeginn auf Basis des gesetzlichen Zinssatzes vom 4 % p.a. und die Rückerstattung der zu viel gezahlten Zinsen (plus Zinsen)".

Die Schuldnerin reagierte mit Schreiben vom 22.02.2010. Darin heißt es:

"Dieses BGH-Urteil betrifft ausschließlich die Verpflichtung von Lebensversicherungsunternehmen zur Angabe des effektiven Jahreszinses bei Altersvorsorgeverträgen nach den Vorschriften des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes, sogenannte "Riester-Renten-Verträge".

Wir haben im August 2009 alle Versicherungsnehmer der betroffenen Verträge (unterjährige Zahlung, laufender Beiträge) schriftlich informiert. (...)

Somit sind wir unseren Verpflichtungen nachgekommen. Da aus dem Urteil keine außerordentlichen Rechtsansprüche entstehen, finden keine Neuberechnungen, Rückerstattungen oder der Gleichen statt."

Mit weiteren vom 30.03.2010 und 17.09.2010 wurde nochmals eine Neuberechnung der Beiträge verweigert. Auch beim Versicherungsnehmer A weigerte sich die Schuldnerin, eine Neuberechnung der Beiträge und anschließende Rückerstattung vorzunehmen.

Dem Versicherungsnehmer P. erstattete die Schuldnerin aus Kulanz noch vor Antragstellung der Gläubigerin gezahlte Zuschläge in Höhe von 371,08 €.

Die Gläubigerin ist der Ansicht, die Schuldnerin habe sich durch ihr Verhalten auf § 4 Abs.2 AVB bei der Abwicklung von Altersvorsorgeverträgen berufen. Den Rechtsgrund für die Forderung der Schuldnerin sei § 4 Abs.2 AVB, dessen Verwendung ihr durch das Urteil des Landgerichts Bamberg untersagt sei. Die Schuldnerin handle auch schuldhaft, da sie über eine eigene Rechtsabteilung verfüge und sich auf einen eventuellen Rechtsirrtum nicht berufen könne.

Die Antragsgegnerin beruft sich zunächst darauf, dass sie durch ihr Schreiben vom 28.08.2009 ihren Verpflichtungen aus dem Urteil des Landgerichts Bamberg nachgekommen sei. Bei Bestandsverträgen dürfe sie sich daher nach dem Wortlaut des Tenors weiter auf § 4 Abs.2 AVB berufen.

II.

Eine schuldhafte Zuwiderhandlung der Schuldnerin gegen ihre Verpflichtungen aus Ziffer I. des Urteilstenors vom 18.02.2006 liegt nicht vor. Es fehlt an einer Verwendung der unwirksamen Klausel nach Rechtskraft des Urteils.

Der Verstoß gegen die Unterlassensverpflichtung liegt nach Auffassung der Gläubigerin hier darin, dass sich die Schuldnerin zwei Versicherungsnehmern gegenüber weigert, eine Neuberechnung der in der Vergangenheit ab Vertragsschluss geleisteten Beiträge vorzunehmen und die über den gesetzlichen Zinssatz von 4% hinausgehenden gezahlten Zinsen zurückzuerstatten. Entgegen der Auffassung der Gläubigerin ist hierin jedoch kein unzulässiges Berufen auf § 4 Abs.2 AVB bei der Abwicklung der betreffenden Verträge zu sehen.

1.

Der Schutzumfang des Verbotsurteils bestimmt sich nach dem Tenor, der auszulegen ist. Dabei sind zunächst die Entscheidungsgründe der Verbotsentscheidung heranzuziehen, es können aber auch Umstände außerhalb des Titels berücksichtigt werden, soweit dem nicht schutzwürdige Interessen des Schuldners entgegenstehen (BGH NJW 2004, 506, 507; Hk-ZPO/Pukall, § 890, Rn.6; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 67.Aufl., § 890, Rn.3).

2.

Ziffer I. des streitgegenständlichen Tenors umfasst zwei unterschiedliche Fallkonstellationen. Beim Abschluss von Neuverträgen darf eine Einbeziehung des § 4 Abs.2 AVB oder einer inhaltsgleichen Klausel ohne Angabe des effektiven Jahreszinses gem. § 6 PAngV nicht erfolgen. Darüber hinaus darf sich die Schuldnerin bei der Abwicklung bestehender Verträge auf § 4 Abs.2 AVB nicht berufen.

Die auf den Antrag der Gläubigerin im Erkenntnisverfahren zurückgehende Formulierung des Urteilstenors orientiert sich an der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Begriff des Verwendens in § 1 UKlaG. Gemäß § 1 UKlaG kann derjenige auf Unterlassen in Anspruch genommen werden, der in allgemeinen Geschäftsbedingungen Bestimmungen "verwendet", die nach dem §§ 307 - 309 BGB unwirksam sind. Nach mittlerweile ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung erstreckt sich die Verpflichtung, unwirksame AGB nicht mehr zu verwenden, sowohl auf Neuverträge als auch auf Bestandsverträge: Der Verwender darf nicht mehr erklären, dass die AGB für künftige Verträge gelten sollen, und er darf sich bei der Abwicklung bereits geschlossener Verträge nicht mehr auf sie berufen (BGH NJW 2003,1237,1238; NJW 2002, 2386).

Bei der Auslegung des Tenors ist daher der Schutzzweck des § 1 UKlaG, der inhaltsgleich mit dem vor der Schuldrechtsreform geltenden § 13 Abs.1 AGBG ist, zu berücksichtigen.

3.

Der mit der Schaffung der Unterlassungsklage gemäß §§ 13 ff AGBG beabsichtigte Zweck liegt darin, den Rechtsverkehr von sachlich unangemessenen Klauseln in AGB freizuhalten. Daneben soll verhindert werden, dass sich Rechtsunkundige von einer Geltendmachung ihrer Rechte abhalten lassen, wenn ihnen eine unwirksame Klausel entgegengehalten wird (BGH NJW 1994, 2693; Palandt-Bassenge, BGB, 70.Aufl., § 1 UKlaG, Rn.1; Köhler/Bornkamm, UWG, 29.Aufl., § 1 UKlaG, Rn.1; Erman-Roloff, BGB, Bd.I, 12. Aufl., § 1 UKlaG, Rn.1).

a)

25Ob die Unterlassungsverpflichtung des Verwenders gemäß § 13 Abs.1 AGBG auch die Abwicklung noch offener Bestandsverträge umfasst, war lange Zeit umstritten. Mit Urteil vom 11.02.1981 (Az.: VIII ZR 335/79, NJW 1981, 1511f.) hat sich der BGH der Literaturansicht angeschlossen, nach der die Unterlassensverpflichtung des § 13 Abs.1 AGBG auch Verträge umfasst, die unter Einbeziehung der später für unwirksam erklärten Klausel bereits vor Erlass des Unterlassungsurteils abgeschlossen worden sind. Er hat hierbei auf den mit der Schaffung der Unterlassungsklage beabsichtigten Zweck abgestellt. Dieser Zweck könne nur unzureichend erreicht werden, wenn Bestandsverträge von der Unterlassungsverpflichtung nicht betroffen wären. Er hat weiter ausgeführt, dass schutzwürdige Belange des Verwenders dieser Auslegung nicht entgegenstehen. Die Auslegung enthalte keine Verpflichtung, die Folgen einer zunächst vereinbarten, nachträglich als unwirksam festgestellten Klausel rückwirkend zu beseitigen. Von dem Verwender einer solchen Klausel werde nicht verlangt, bereits abgewickelte Verträge rückabzuwickeln. Die Pflicht gehe lediglich dahin, sich bei der Durchsetzung seiner Rechte nicht auf die unwirksame Klausel zu berufen (BGH NJW 1981, 1511, 1512).

b)

Die Abwicklung des Vertrags im Sinne des Tenors ist daher sowohl nach dem Wortlaut als auch nach dem Schutzzweck des § 1 UKlaG als weitere Durchführung des Vertrags nach Rechtskraft des ergangenen Urteils zu verstehen. Über die so verstandene Vertragsabwicklung geht es jedoch hinaus, wenn der Kunde in der Vergangenheit entstandene Ansprüche gegen den Verwender geltend macht, welche auf eine teilweise Rückabwicklung des Vertrages abzielen. Verweigert der Verwender diese Rückabwicklung, während er bezüglich der laufenden Abwicklung seinen Verpflichtungen aus dem Unterlassungsurteil nachkommt, so stellt dies keine Verwendung der für unwirksam erklärten Klausel dar.

c)

Diese Konstellation ist hier gegeben. Die Schuldnerin hat beiden Versicherungsnehmern nach Rechtskraft des Urteils den effektiven Jahreszins mitgeteilt. Den Kunden wurde so eine Umstellung der Zahlungsweise ermöglicht. Die Schuldnerin beruft sich bei der laufenden Abwicklung auch nicht auf über dem gesetzlichen Zinssatz liegende Zahlungszuschläge. Streitpunkt ist allein, ob die Schuldnerin zur Neuberechnung der seit Vertragsbeginn geleisteten Raten und zur Rückerstattung in der Vergangenheit geleisteter Zuschläge verpflichtet ist. In der Abwehr dieses Begehrens liegt kein Berufen auf § 4 Abs.2 AVB bei der Abwicklung des Vertrages.

Diese Auslegung führt zu keiner Benachteiligung der von der Klausel betroffenen Versicherungsnehmer. Diese können auf Grund der nach dem Urteilstenor gebotenen und von der Schuldnerin auch vorgenommenen Unterrichtung über die Effektivzinssätze eine andere Zahlungsweise wählen. Dies ist hier auch geschehen. Eine Verwendung der unwirksamen Klausel findet daher nicht mehr statt. Inwieweit ein Anspruch auf Rückzahlung besteht ist in einem gesonderten Verfahren zu klären.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 891 Satz 3, 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über den Streitwert folgt aus § 3 ZPO.






LG Bamberg:
Beschluss v. 14.01.2011
Az: 2 O 764/04


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