Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 13. August 1993
Aktenzeichen: 6 U 24/93
(OLG Köln: Urteil v. 13.08.1993, Az.: 6 U 24/93)
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 8. Dezember 1992 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 O 415/92 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Beklagten gestattet wird, die Auskunft gemäß Ziff. 2 des vorgenannten Urteils, soweit sie die Namen der Abnehmer betrifft, gegenüber einem vereidigten Wirtschaftsprüfer zu erteilen, sofern sie diesen ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf Anfrage darüber Auskunft zu geben, ob ein bestimmter Abnehmer oder eine bestimmte Lieferung in dem zu erstellenden Verzeichnis enthalten ist. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung abzuwenden, und zwar wegen der Unterlassungsverurteilung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 250.000,00 DM, hinsichtlich der Verurteilung zur Auskunftserteilung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 25.000,00 DM und hinsichtlich des Kostenausspruchs gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 35.000,00 DM, wenn nicht die Klägerin ihrerseits vor der Voll-streckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Beide Parteien können die von ihnen zu erbringende Sicherheit auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse leisten. Die Beschwer der Beklagten durch dieses Urteil beträgt 550.000,00 DM.
Gründe
Die Klägerin, die ebenso wie die
Beklagte Pflanzenschutzmittel vertreibt, besitzt für das Produkt
"M." die von der Biologischen Bundesanstalt für Land- und
Forstwirtschaft verliehene Zulassungsnummer 20727-62. Nachdem die
Zulassung ursprünglich der Firma B. AG erteilt worden war, wurde
sie im Jahre 1986 auf die Klägerin, die damals noch unter "W.
Pflanzenschutz GmbH" firmierte, übertragen.
Die Beklagte führt ein von der Firma P.
in Frankreich hergestelltes Pflanzenschutzmittel ebenfalls unter
der Bezeichnung "M." in die Bundesrepublik Deutschland ein. Bei der
Etikettierung verwendet auch sie die Zulassungsnummer 20727-62 der
Biologischen Bundesanstalt. Wegen der Art und Weise, in der die
Zulassungsnummer angebracht ist, wird auf die Ablichtung auf Seite
5 des landgerichtlichen Urteils (Bl. 77 d.A.) verwiesen.
Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen
des Gebrauchs der ihr erteilten Zulassungsnummer auf Unterlassung
und Auskunft in Anspruch und begehrt die Feststellung von
Schadensersatzansprüchen gegenüber der Beklagten.
Sie hat behauptet, die Zusammensetzung
des von der Beklagten importierten und in der Bundesrepublik
Deutschland vertriebenen Produktes sei nicht mit der
Zusammensetzung des zugunsten der Klägerin in Deutschland
zugelassenen Pflanzenschutzmittels identisch. Das von der Beklagten
in Verkehr gebrachte "M." sei nicht stabilisiert und neige zur
Selbstentzündung.
Die Klägerin hat geltend gemacht, die
Beklagte verstoße gegen § 1 UWG i.V.m. §§ 20 Abs. 2 Nr. 2, 15 Abs.
1 PflSchG, indem sie das Produkt "M. " nicht unter einer eigenen,
sondern unter der Zulassungsnummer der Klägerin vertreibe.
Sie hat beantragt,
1.
die Beklagte zu verurteilen,
a.
es bei Vermeidung eines vom Gericht für
jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis
zu 500.000,00 DM, ersatzweise Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft
bis zu 6 Monaten zu unterlassen,
in der Bundesrepublik Deutschland das
in Frankreich hergestellte Pflanzenschutzmittel "M." unter
Verwendung der von der Biologischen Bundesanstalt erteilten
Zulassungsnummer 20727-62 anzukündigen, anzubieten und/oder in
den Verkehr zu bringen;
b.
der Klägerin Auskunft zu erteilen, in
welchem Umfang die Beklagte Handlungen der unter Ziff. 1. a.
bezeichneten Art vorgenommen hat, unter Vorlage eines
Verzeichnisses, das die Verkaufspreise, Liefermengen, Lieferzeiten
und Namen der Abnehmer enthält;
2.
festzustellen, daß die Beklagte
verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu erstatten, der ihr
durch die unter Ziff. 1. a. bezeichneten Handlungen entstanden ist
und noch entstehen wird.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat bestritten, daß das von ihr in
der Bundesrepublik Deutschland vertriebene Produkt nicht identisch
mit demjenigen sei, das die Klägerin unter ihrer Zulassungsnummer
als "M." vertreibe.
Im übrigen hat die Beklagte den
Standpunkt vertreten, als bloße Importeurin bedürfe sie keiner
eigenen Zulassung durch die Biologische Bundesanstalt für Land-
und Forstwirtschaft. Vielmehr erlaube die produktbezogene
Zulassung, die für das Mittel "M." erteilt sei, auch den Vertrieb
durch sie, die Beklagte. Allein diese Sichtweise erhalte den
freien Wettbewerb auf dem Pflanzenschutzmittelmarkt. Die
Durchführung eines eigenen Zulassungsverfahrens sei nämlich
problematisch, weil es mehrere Jahre in Anspruch nehme. Die
Erteilung von Unterzulassungen sei von der Einwilligung des
"Hauptzulassungsinhabers" abhängig, der aber regelmäßig nur den
von ihm beauftragten Vertreibern, nicht aber Wettbewerbern eine
Unterzulassung gestatten werde. Sinn und Zweck des
Pflanzenschutzgesetzes erforderten im übrigen auch keine
personenbezogene Zulassung von Pflanzenschutzmitteln.
Die Annahme, die Zulassung von
Pflanzenschutzmitteln durch die Biologische Bundesanstalt für
Land- und Forstwirtschaft sei personenbezogen, führe überdies zu
einer gemäß Art. 30, 36 EWG-Vertrag unzulässigen verschleierten
Beschränkung des Handels, da auch Export und anschließender
Reimport zugelassener Mittel unmöglich würde. Auch im
Arzneimittelrecht sei der Einführer eines bereits zugelassenen
Mittels nicht gehalten, eine weitere Zulassung zu beantragen, weil
andernfalls der Zulassungsinhaber ein Monopol für Einfuhr und
Vertrieb bereits zugelassener Arzneimittel erreichen könne.
Durch Urteil vom 8. Dezember 1992, auf
dessen Inhalt verwiesen wird, hat das Landgericht den Klageanträgen
in vollem Umfang stattgegeben. Gegen das ihr am 18. Dezember 1992
zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 18. Januar 1993
eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach
entsprechender Fristverlängerung mit einem am 25. März 1993
eingegangenen Schriftsatz begründet.
Die Beklagte wiederholt und vertieft
ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie hebt hervor, daß das aus
Frankreich importierte Pflanzenschutzmittel "M." stofflich
identisch mit dem Produkt sei, für das ursprünglich der Firma B. AG
und 1986 der Klä-gerin von der Biologischen Bundesanstalt die
Zulassung erteilt worden sei.
Die Beklagte macht geltend, § 15
PflSchG mit seiner Formulierung, daß die Biologische Bundesanstalt
"dem Antragsteller" die Zulassung erteile, gebe nichts dafür her,
daß die Zulassung personenbezogen sei. § 15 PflSchG sei vielmehr im
Zusammenhang mit § 12 PflSchG zu lesen und so zu verstehen, daß die
Zulassung demjenigen erteilt werde, der sie beantragt habe. Daraus
folge aber nicht, daß jeder Vertreiber eine eigene Zulassungsnummer
zu beantragen habe. Die Zulassung gem. § 15 Abs. 1 PflSchG sei ein
begünstigender Verwaltungsakt, der, wenn er wirksam sein solle,
einen Adressaten haben müsse. Die Formulierung, daß die Zulassung
"dem Antragsteller" erteilt werde, besage hingegen nichts über die
Wirkungen der Zulassung nach ihrer Erteilung.
Dem stehe auch § 12 PflSchG nicht
entgegen. Diese Bestimmung besage zwar, daß unter anderem der
"Einführer" die Zulassung beantragen könne. Die Bestimmung regele
aber lediglich, wer antragsberechtigt sei. Sie treffe hingegen
keine Aussage dergestalt, daß der Antrag, wenn ihm stattgegeben
werde, nur für den Antragsteller wirksam sei und nicht insgesamt
für das Produkt.
Auch die Óberlegung, § 15 Abs. 1
PflSchG entspreche dem Bedürfnis nach behördlicher Kontrolle von
Pflanzenschutzmitteln, stehe der Produktbezogenheit der Zulassung
nicht entgegen. Die Biologische Bundesanstalt habe nämlich, da die
von ihr erteilte Zulassungsnummer auch auf denjenigen Behältnissen
stehe, die die Beklagte in der Bundesrepublik Deutschland in den
Verkehr bringe, dieselben prä-ventiven behördlichen
Kontrollmöglichkeiten wie bei den Produkten, die die Klägerin in
den Verkehr bringe.
Die Beklagte macht weiter geltend, die
vom Landgericht vertretene Ansicht führe zu einer Abschottung der
internationalen Märkte und verstoße gegen das Europäische
Gemeinschaftsrecht. Die Verpflichtung, vor dem Inverkehrbringen von
Pflanzenschutzmitteln ein Anmeldeverfahren zu durchlaufen, werde
vom Europäischen Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung als
Maßnahme gleicher Wirkung nach Art. 30 EWG-Vertrag angesehen.
Demgegenüber greife die Ausnahmeregelung des Art. 36 EWG-Vertrag
nicht ein. Diese Bestimmung setze nämlich voraus, daß die in Rede
stehende Maßnahme erforderlich und geeignet sei, den Schutz der
Gesundheit und des Lebens der Bürger sicherzustellen. Dies sei bei
der erneuten Zulassung eines mit einem zugelassenen Mittel
identischen Produkts nicht der Fall. Wegen der weiteren
Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Beklagten wird auf den
Inhalt der Schriftsätze vom 24. März 1993 (Bl. 128 ff.) und 28. Mai
1993 (Bl. 165 ff.) ergänzend Bezung genommen.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des landgerichtlichen
Urteils die Klage abzuweisen;
vorsorglich hinsichtlich des
Auskunftsanspruchs,
ihr den Wirtschaftsprüfervorbehalt zu
gewähren.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil
und vertieft und ergänzt ebenfalls ihr erstinstanzliches
Vorbringen.
Die Klägerin behauptet erneut, die
beiderseitigen Produkte seien nicht identisch. Hierzu trägt sie
vor, die Bundesanstalt für Materialprüfung habe den ursprünglichen
Zulassunginhaber seinerzeit veranlaßt, der Zusammensetzung des
Produktes zwei zusätzliche Stabilisatoren hinzuzufügen, um der
Gefahr einer Selbstentzündung vorzubeugen. Deswegen seien der für
den deutschen Markt bestimmten Zusammensetzung des Produktes "M."
Zink und Hexamethylentetramin beigegeben worden. Diese
Stabilisatoren fehlten in der in Frankreich für den Vertrieb in
Belgien hergestellten Zusammensetzung. Die von der Beklagten
importierte Ware sei nicht stabilisiert und neige daher sehr stark
zur Selbstentzündung. Zwar entspreche der Wirkstoffgehalt des von
der Beklagten importierten Produktes dem für den deutschen Markt
bestimmten und unter der Nr. 20727-62 zugelassenen
Planzenschutzmittel; die übrige Zusammensetzung sei aber nicht
identisch (Beweis: Zeugnis des Herrn Dr. K., B. AG, XXXX L.;
Sachverständigengutachten).
Die Klägerin macht geltend, schon der
Wortlaut des § 15 Abs. 1 PflSchG spreche für die naheliegende und
allein sachgerechte Annahme, daß die Zulassung des Mittels
personenbezogen nur für den jeweiligen Antragsteller erteilt
werde. Dem entspreche auch die Regelung der Antragsberechtigung in
§ 12 Abs. 1 PflSchG. Für die Notwendigkeit eines Zulassungsantrags
der jeweils betroffenen Partei spreche überdies die
"Zweitanmelderproblematik" in § 13 PflSchG. Entscheidend sei aber
vor allem, daß die Frage der Identität zwischen dem zugelassenen
und dem eingeführten Produkt geprüft werden müsse und zu einer
solchen Prüfung allein die Biologische Bundesanstalt für Land- und
Forstwirtschaft berufen sei. Keinesfalls dürfe dies der einseitigen
Behauptung des jeweiligen Importeurs überlassen bleiben.
Das Rechtsschutzziel der Klägerin und
der Urteilsausspruch des Landgerichts kollidierten auch nicht mit
EG-Recht. Die Forderung nach Zulassung importierter
Pflanzenschutzmittel entspreche vielmehr Art. 36 EWG-Vertrag. Dies
habe der Europäische Gerischtshof für die gleichgelagerte Einfuhr
von Arzneimitteln auch bereits anerkannt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des
Vorbringens der Klägerin im Berufungsrechtszug wird auf den Inhalt
der Schriftsätze vom 2. Mai 1992 (Bl. 151 ff.) und 7. Juni 1993
(Bl. 171 ff.) nebst Anlage ergänzend Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d
Die Berufung ist zulässig; das
Rechtsmittel hat aber in der Sache keinen Erfolg. Der
erstinstanzliche Urteilsausspruch war lediglich um den von der
Beklagten beantragten sog. Wirtschaftsprüfervorbehalt zu
ergänzen.
1.
Das Landgericht hat die Beklagte zu
Recht verurteilt, den Vertrieb des importierten
Pflanzenschutzmittels unter der der Klägerin von der Biologischen
Bundesanstalt erteilten Zulassungsnummer zu unterlassen. Die
Verfahrensweise der Beklagten - Import und Vertrieb ohne vorherige
Einschaltung der Zulassungsbehörde sowie unter Angabe der einem
Dritten erteilten Zulassungsnummer - ist mit den Bestimmungen des
Pflanzenschutzgesetzes nicht zu vereinbaren und verstößt deswegen
zugleich gegen § 1 UWG.
Pflanzenschutzmittel dürfen nach § 20
Abs. 2 Nr. 2 PflSchG nur in Verkehr gebracht werden, wenn auf den
Behältnissen und Packungen die Zulassungsnummer angegeben ist.
Hierunter ist die Nummer zu verstehen, die dem jeweiligen
Produzenten, Einführer oder Vertreiber von der Biologischen
Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft als Zulassungsbehörde
erteilt ist. Zwar mag, wie die Beklagte hervorhebt, die
Zulassungsnummer für ein bestimmtes Mittel vergeben werden, das die
Zulassungsvoraussetzungen erfüllt. Die Zulassung wird jedoch, wie
§ 15 Abs. 1 PflSchG ausdrücklich sagt, "dem - jeweiligen -
Antragsteller" erteilt.
Auch wenn, wie die Beklagte ausführt,
ein begünstigender Verwaltungsakt, wie ihn die
Zulassungsverfü-gung der biologischen Bundesanstalt darstellt, nach
§§ 35 Satz 1, 43 Abs. 1 VwVfg einen Adressaten haben muß, spricht
gleichwohl die Nennung des Antragstellers in § 15 Abs. 1 PflSchG
als desjenigen, dem die Zulassung zu erteilen ist, für die Annahme,
daß die Zulassung des Mittels personenbezogen für den jeweiligen
Antragsteller vergeben wird. Der von der Beklagten angeführte
Grundsatz ergibt sich ohne weiteres aus den Regeln des allgemeinen
Verwaltungsrechts. Wenn das Pflanzenschutzgesetz gleichwohl
besonders anordnet, die Zulassung sei "dem Antragsteller" zu
erteilen, so liegt hierin ein deutlicher Hinweis darauf, daß die
Zulassung nicht ausschließlich produktbezogen, sondern zugleich
auch personenbezogen für den jeweiligen Antragsteller gewährt
wird.
Für die Annahme, daß die Beklagte als
Einfuhrunternehmen einer eigenen Zulassung und damit der
Erteilung einer eigenen Zulassungsnummer durch die Biologische
Bundesanstalt bedarf, spricht im Ergebnis überdies folgender
Gesichtspunkt, auf den der Senat bereits in der den Parteien
bekannten Entscheidung vom 21. Februar 1992 (6 U 99/91, Bl. 16 ff.
d.A.) hingewiesen hat:
Soweit ein für die Bundesrepublik
Deutschland zugelassenes und ein einzuführendes
Pflanzenschutzmittel nicht identisch, sondern nur ähnlich oder
vergleichbar sind, bedarf es unzweifelhaft einer Zulassung durch
die Biologische Bundesanstalt. Bei einem Importprodukt stellt sich
aber stets die Frage nach der Identität mit dem in Deutschland
zugelassenen Erzeugnis, für die die bloße Namensgleichheit nicht
ausreichen kann. Bedürfte es insoweit nicht der Einschaltung der
Biologischen Bundesanstalt, so läge die Entscheidung über die
Identität der Produkte bei einem Parallelimport praktisch in der
Hand des Einführers. Ein solches Ergebnis - keinerlei Anzeige oder
Zulassungsantrag durch den Einführer bei einem Produkt, sofern es
mit einem bereits zugelassenen Pflanzenschutzmittel vom Einführer
als identisch bezeichnet wird - wäre im Zusammenhang mit den hier
in Rede stehenden hochgiftigen Stoffen untragbar.
Die Beklagte macht demgegenüber
geltend, das Bedürfnis nach behördlicher Kontrolle von
Pflanzenschutzmitteln stehe der Annahme, die Zulassung werde
jeweils produktbezogen und nicht nur für den betreffenden
Antragsteller erteilt, nicht entgegen. Die Biologische
Bundesanstalt habe nämlich dieselbe präventive Kontrollmöglichkeit
wie bei den Produkten, die die Klägerin in den Verkehr bringe, da
die behördlich erteilte Zulassungsnummer auch auf denjenigen
Behältnissen stehe, die die Beklagte in der Bundesrepublik
Deutschland vertreibe. Diese Kontrollmöglichkeit werde der
Biologischen Bundesanstalt gerade durch den Aufdruck der
Zulassungsnummer auch auf den Behältnissen, die die Beklagte auf
den Markt bringe, eröffnet.
Diese Ausführungen rechtfertigen keine
abweichende Beurteilung. Sie lassen die besondere Gefahr
unberücksichtigt, die darin liegt, daß Pflanzenschutzmittel
eingeführt werden, die mit einem zugelassenen Mittel nicht
identisch sind. Bedürfte es bei importierten Pflanzenschutzmittel
vor dem Vertrieb in Deutschland nicht der Einschaltung der
Biologischen Bundesanstalt, so wären der Einfuhr und dem Vertrieb
von Pflanzenschutzmitteln in bislang noch nicht zugelassener
Zusammensetzung Tür und Tor ge-öffnet. Die Gefahren für die
Gesundheit von Mensch und Tier sowie für die Umwelt wären aber
unübersehbar, wenn nicht schon vor der ersten Einfuhr eines
Mittels die vom Importeur behauptete Identität mit einem in
Deutschland bereits zugelassenen Produkt geprüft würde. Angesichts
der potentiellen Gefährlichkeit derartiger Mittel könnten bei
einer erst nachträglichen Einschaltung staatlicher Stellen - etwa
aufgrund der Anzeige eines wachsamen Wettbewerbers des Importeurs
oder aufgrund einer behördlichen Óberprüfung am Markt befindlicher
Pflanzenschutzpräparate - bereits Schäden eingetreten sein, die
nicht oder kaum zu beheben sind. Durch den Aufdruck der früher
einmal einem anderen Unternehmen für ein gleichnamiges Produkt
erteilten Zulassungsnummer läßt sich entgegen der Ansicht der
Beklagten derartigen Gefahren nicht begegnen.
In dem Vertrieb des
Pflanzenschutzmittels in einer Weise, die den Vorschriften des
Pflanzenschutzgesetztes nicht entspricht, liegt zugleich ein
Verstoß gegen § 1 UWG. Nach § 1 Nr. 4 PflSchG dienen die
Regelungen des Pflanzenschutzgesetzes über das Zulassungsverfahren
und das Vertreiben von Pflanzenschutzmitteln der Gesundheit der
Bevölkerung. Normen zum Schutz der menschlichen Gesundheit sind
nicht wettbewerbsneutral; ihre Einhaltung enspricht vielmehr einer
sittlichen Pflicht, so daß ein Verstoß gegen diese Vorschriften
stets wettbewerbswidrig ist (vgl. auch Senat WRP 1984, 164, 166
m.w.N.).
Die Auslegung des
Pflanzenschutzgesetzes durch den Senat und die Anwendung der so
ausgelegten Bestimmungen im Rahmen des § 1 UWG verstoßen nicht
gegen die Regelungen des EWG-Vertrages.
Nach Art. 30 EWG-Vertrag sind
mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher
Wirkung zwischen Mitgliedsstaaten verboten. "Maßnahmen gleicher
Wirkung" sind alle hoheitlichen Handelsregelungen der
Mitgliedsstaaten, die geeignet sind, den innergemeinschaftlichen
Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich, oder potentiell zu
behindern (vgl. EuGH GRUR Int. 1974, 467 - "Scotch
Whisky/Dassonville"). Auch wenn vor diesem Hintergrund davon
ausgegangen wird, daß sich das Erfordernis eines
Zulassungsverfahrens zur Identitätskontrolle als Maßnahme gleicher
Wirkung im Sinne des Art. 30 EWG-Vertrag darstellt, liegt hierin
kein Verstoß gegen die EG-rechtlichen Bestimmungen. Die aus dem
innerstaatlichen Recht herzuleitende Notwendigkeit einer Zulassung
für importierte Pflanzenschutzmittel unterfällt nämlich der
Ausnahmeregelung des Art. 36 EWG-Vertrag.
Nach Art. 36 EWG-Vertrag stehen die
Bestimmungen der Art. 30 - 34 EWG-Vertrag Einfuhrverboten oder
-beschränkungen nicht entgegen, die unter anderem zum Schutze der
Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren oder Pflanzen
gerechtfertigt sind, sofern eine solche nationale Regelung weder
ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine
verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den
Mitgliedsstaaten darstellt. Wie bereits in anderem Zusammenhang
ausgeführt, dienen sowohl § 15 PflSchG als auch § 20 PflSchG dem
Schutz der Gesundheit von Menschen. Dies wird auch von der
Beklagten offensichtlich nicht in Zweifel gezogen. Wenn durch das
Erfordernis einer eigenen Zulassung für den Importeur
gewährleistet werden soll, daß keine Pflanzenschutzmittel in
bislang nicht zugelassener Zusammensetzung auf den
innerstaatlichen Markt gelangen, und wenn durch die Verpflichtung
des Einführers, die - eigene - Zulassungsnummer anzugeben,
sichergestellt werden soll, daß bei behördlichen Óberprü-fungen
festgestellt werden kann, woher das Mittel jeweils stammt, dient
dies dem Schutz der öffentlichen Gesundheit und erscheint insoweit
auch angemessen und geboten. Eine den Regelungen des EWG-Vertrages
zuwiderlaufende verschleierte Beschränkung des Handels zwischen
den Mitgliedsstaaten ist hierin nicht zu sehen. Dies gilt
ungeachtet des Umstands, daß von dem Erfordernis der Zulassung
eines importierten Pflanzenschutzmittels im Einzelfall auch ein
Produkt betroffen sein kann, für dessen Zusammensetzung in der
Bundesrepublik Deutschland bereits eine Zulassung erteilt worden
ist.
Die Beklage macht in diesem
Zusammenhang geltend, in der Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofs sei zwar anerkannt, daß Schädlingsbekämpfungsmittel
erhebliche Gefahren für die Gesundheit von Mensch und Tier für die
Umwelt darstellen könnten und deswegen Art. 36 EWG-Vertrag
Anwendung finde, woraus ihr Grundsatz folge, daß es Sache der
Mitgliedsstaaten sei, zu entscheiden, inwieweit und durch welche
Maßnahmen sie den Schutz des Lebens und der Gesundheit ihrer Bürger
sicherstellten. Bei einer diesem Zweck dienenden nationalen
Regelung unterlägen die EG-Mitgliedsstaaten aber den immanenten
Schranken aus Art. 36 EWG-Vertrag, wozu insbesondere das Gebot der
Erforderlichkeit und Geeignetheit einer Maßnahme zähle. Die erneute
Zulassung eines mit einem bereits zugelassenen Mittel identischen
Produktes sei aber nicht geeignet, der Biologischen Bundesanstalt
eine bessere Kontrollmöglichkeit zu verschaffen und damit besseren
Schutz zu gewähren.
Diese Erwägungen rechtfertigen im
Zusammenhang mit Art. 30, 36 EWG-Vertrag keine von der bisherigen
Rechtsprechung des Senats abweichende Beurteilung. Die Beklagte
unterstellt mit ihrer Argumentation, daß sich das
Zulassungserfordernis im Einzelfall auf ein Mittel bezieht, das mit
einem bereits in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen in
seiner Zusammensetzung identisch ist. Gerade dies kann aber in
Fällen, in denen ein Importeur für das eingeführte Produkt
Identität mit einem bereits zugelassenen in Anspruch nimmt,
allenfalls das Ergebnis der von der zuständigen Behörde im Rahmen
des Zulassungsverfahrens vorzunehmenden Untersuchungen sein. Die
Beklagte läßt unberücksichtigt, daß die Gefahr für Gesundheit und
Leben von Menschen, der hier begegnet werden soll, in der
Möglichkeit des Vertriebs von Pflanzenschutzmitteln in bislang
nicht geprüfter und nicht bekannter Zusammensetzung begründet ist.
Dieser Gefährdung kann nur dadurch begegnet werden, daß die von
einem Importeur behauptete Identität im Wege eines
Zulassungsverfahrens geprüft wird.
Auch der im Zusammenhang mit Art. 36
EWG-Vertrag erhobene Einwand der Beklagten, es sei nicht
ersichtlich, daß die Gesundheit und das Leben von Menschen nicht
durch die übrigen Angaben auf dem Etikett des Pflanzenschutzmittels
genauso wirksam geschützt werden könnten wie durch die Vergabe
einer eigenen Zulassungsnummer, muß danach ohne Erfolg bleiben. Daß
durch die übrigen Angaben auf dem Etikett der mit dem möglichen
Vertrieb eines Pflanzenschutzmittels in bislang nicht zugelassener
Zusammensetzung liegenden Gefahr nicht wirksam begegnet werden
kann, bedarf nach dem zuvor Gesagten keiner näheren Ausführungen.
Allein das mit der Pflicht, eine eigene Zulassungsnummer
anzubringen, einhergehende Zulassungserfordernis vermag aus den
dargelegten Gründen die mit dem Vertrieb importierter
Pflanzenschutzmittel verbundene Gefahr zu beheben.
Die Beklagte wendet schließlich ein,
sofern man das Pflanzenschutzgesetz so auslege, daß für den
Importeur vor dem Vertrieb eines Pflanzenschutzmittels ein
Anmeldungsverfahren mit der Erteilung einer eigenen
Zulassungsnummer erforderlich sei, sehe das Gesetz die
minderschwere Maßnahme der Registrierung zur Kontrolle überhaupt
nicht vor. Auch dies rechtfertigt im Ergebnis keine abweichende
Entscheidung.
Nach der Rechtsprechung des
Europäischen Gerichtshofs verbieten Art. 30, 36 EWG-Vertrag im
vergleichbaren Fall der Paralleleinfuhr pharmazeutischer
Erzeugnisse nicht, daß die nationalen Behörden überprüfen, ob die
parallel eingeführten Präparate mit den bereits registrierten
identisch sind (vgl. EuGH Rs. 104/75, NJW 1976, 1575 - "de Peijper"
-; Rs. 32/80, NJW 1981, 1144 - "Kortmann" -). Gegen ein
Zulassungserfordernis, durch das sichergestellt werden soll, daß
das von einem Parallelimporteur eingeführte medizinische Prä-parat
dieselbe Zusammensetzung aufweist wie ein anderes Mittel, das für
den Vertrieb im Inland bereits zugelassen worden ist, bestehen
mithin im Hinblick auf Art. 30, 36 EWG-Vertrag keine Bedenken (vgl.
EuGH Rs. C-347/89, Rn. 32 - "Eurim-Pharm"- ). Nichts anderes kann
gelten, wenn das einzelstaatliche Recht vor dem Vertrieb eines
importierten Pflanzenschutzmittels zum Schutze der Gesundheit der
Bevölkerung eine Zulassung mit dem Zweck der Óberprüfung fordert,
ob das eingeführte Mittel mit einem bereits registrierten identisch
ist. Liegt mithin das Zulassungserfordernis für importierte
Pflanzenschutzmittel im Rahmen des in Art. 36 EWG-Vertrag
enthaltenen Vorbehalts, so stehen Gründe des Rechts der
Europäischen Gemeinschaft der vom Senat vorgenommenen Auslegung des
innerstaatlichen Pflanzenschutzrechts nicht entgegen.
Soweit die Beklagte in diesem
Zusammenhang ausführt, das Pflanzenschutzgesetz sehe für den
Vertrieb importierter Pflanzenschutzmittel, deren Identität mit
einem bereits zugelassenen Produkt vom Importeur vorgetragen wird,
kein Zulassungsverfahren vor, das der Rechtsprechung des
Europäischen Gerichtshofs Rechnung trage, verkennt sie, daß es für
die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits allein darauf
ankommt, o b die Beklagte beim Vertrieb eine eigene
Zulassungsnummer anzugeben hat und o b sie für das importierte
Produkt einer eigenen Zulassung bedarf. Der Senat hat hingegen
nicht darüber zu befinden, welche Anforderungen an die Zulassung
eines aus einem EG-Mitgliedsstaat eingeführten
Pflanzenschutzmittels zu stellen sind, das nach Angabe des
Importeurs dieselbe Zusammensetzung wie ein in der Bundesrepublik
Deutschland bereits zugelassenes Mittel aufweist. Die
Anforderungen an die Zulassung eines Pflanzenschutzmittels ergeben
sich grundsätzlich aus den innerstaatlichen Regelungen der §§ 12
ff. PflSchG. Im Falle eines Zulassungsantrags ist es die
Zulassungsbehörde, die diese Bestimmungen anzuwenden hat. Dies hat
unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofs in EG-rechtskonformer Auslegung zu geschehen. Die sich
hieraus für die an die Zulassung zu stellenden Anforderungen
ergebenden Grundsätze hat die zuständige Behörde unter Beachtung
der gemeinschaftsrechtlichen Regelungen festzustellen.
Zu der von der Beklagten angeregten
Vorlage der Sache an den Europäischen Gerichtshof gem. Art. 177
Abs. 2 EWG-Vertrag bestand keine Veranlassung. Der Senat hat sich
über die Auslegung der einschlägigen Vorschriften des EWG-Vertrages
durch den Europäischen Gerichtshof aufgrund der bereits
vorliegenden Entscheidungen eine hinreichend sichere Óberzeugung
verschaffen können.
2.
Der geltend gemachte Auskunftsanspruch
steht der Klägerin gem. §§ 1 UWG, 242 BGB zu; er dient als
Hilfsanspruch der Vorbereitung der Durchsetzung des gleichfalls
begründeten Schadensersatzanspruchs. Insoweit wird ebenso wie
hinsichtlich des auf Feststellung des Schadensersatzanspruchs
gerichteten Begehrens auf die zutreffenden Ausführungen im Urteil
des Landgerichts verwiesen.
Dem im Berufungsrechtszug gestellten
Hilfsantrag der Beklagten hinsichtlich der Verurteilung zur
Auskunftserteilung, durch den die Gewährung des
Wirtschaftsprüfervorbehalts erstrebt wird, war, nachdem die
Klägerin insoweit nicht widersprochen hat, stattzugeben. Der Antrag
ist - auch unter Berücksichtigung der Belange der Klägerin -
aufgrund des berechtigten Interesses der Beklagten an der
Geheimhaltung ihrer Kundenbeziehungen gerechtfertigt.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97
Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit ergeht nach §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die nach § 546 Abs. 2 ZPO
festzusetzende Beschwer der Beklagten entspricht dem Wert ihres
Unterliegens im Rechtsstreit.
OLG Köln:
Urteil v. 13.08.1993
Az: 6 U 24/93
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/f3d2f7858529/OLG-Koeln_Urteil_vom_13-August-1993_Az_6-U-24-93