Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. Oktober 2002
Aktenzeichen: 32 W (pat) 82/02
(BPatG: Beschluss v. 30.10.2002, Az.: 32 W (pat) 82/02)
Tenor
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 30 vom 5. Februar 2002 ohne Sachentscheidung aufgehoben.
Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.
Gründe
I.
Die Anmeldung der Wortmarke Collectionfür die Waren Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, Reis, Tapioka, Sago, Kaffee-Ersatzmittel; Mehle und Getreidepräparate, Brot, feine Backwaren und Konditorwaren, Speiseeis; Honig, Melassesirup; Hefe, Backpulver, Salz, Senf; Essig, Saucen (Würzmittel); Gewürze; Kühleis;
Biere; Mineralwässer, kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke, Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken; alkoholische Getränke (ausgenommen Biere)
hat die Markenstelle für Klasse 30 mit Beschluss vom 5. Februar 2002 zurückgewiesen, weil "Collection" Bestandteil der Welthandelssprachen Englisch und Französisch sei und dort jeweils u.a. für Zusammenstellung (von Waren) stehe. Das angemeldete Zeichen beschreibe die beanspruchten Waren als Teil einer Auswahl, Produktpalette. Damit sei die angemeldete Marke freihaltungsbedürftig. Die Eintragung von Drittzeichen gebe keine rechtlichen Ansprüche auf Eintragung. Außerdem gebe es eine Reihe entgegenstehender Entscheidungen (BPatGE 36, 29 - Color COLLECTION; BPatG Beschlüsse vom 18. November 1997, 24 W (pat) 47/97 - Soft Collection, vom 31. Juli 1995, 30 W (pat) 284/93 - SAT1 COLLECTION; vom 31. Januar 2001, 29 W (pat) 36/00 - SWING COLLECTION), die nicht Mode beträfen.
Gegen diese Entscheidung hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt. Sie beantragt sinngemäß, den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 5. Februar 2002 aufzuheben.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
Der Beschluss der Markenstelle war gemäß § 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG ohne Sachentscheidung aufzuheben, weil das Verfahren vor der Markenstelle an einem wesentlichen Mangel leidet.
Nach § 33 Abs. 2 Satz 2 MarkenG hat der Anmelder Anspruch auf Eintragung der Marke, es sei denn, dass ein absolutes Eintragungshindernis der Eintragung entgegensteht. Daraus folgt, dass die "Darlegungslast" für das Vorliegen von absoluten Eintragungshindernissen das Patentamt trägt, das für die Prüfung zuständig ist (§§ 37, 59 Abs. 1 MarkenG). Eine Anmeldung ist nur dann wegen eines absoluten Eintragungshindernisses zurückzuweisen, wenn die zuständige Prüfungsstelle tatsächliche Feststellungen im Hinblick auf die Marke mit ihren Waren/Dienstleistungen treffen konnte, nach denen die Marke als schutzunfähig zu beurteilen ist (vgl. BGH GRUR 2002, 261 - AC). Die Ermittlung von Tatsachen hat die Markenstelle unterlassen. Da die pauschale Behauptung der Schutzunfähigkeit der Marke ohne Berücksichtigung der unterschiedlichen Waren die Entscheidung nicht trägt, wird die Markenstelle eine erneute Entscheidung auf tatsächliche Feststellungen gründen müssen. (Eine Eingabe der Marke in das Internet - Suchmaschine Google - ergab eine außerordentlich hohe Trefferquote, die es im Hinblick auf die Waren der Anmelderin im einzelnen auszuwerten gilt).
Zwar ist § 70 Abs. 3 MarkenG eine Kann-Vorschrift, d.h. der Senat kann statt der Aufhebung des angefochtenen Beschlusses auch in der Sache selbst entscheiden. Von einer Sachentscheidung hat der Senat aus folgenden Gründen abgesehen:
Der Verfahrensmangel wiegt schwer, da eine der Markenstelle zugewiesene Prüfungspflicht (§ 37 MarkenG) verletzt wurde. Da der Senat als Beschwerdeinstanz im wesentlichen für die Überprüfung angefochtener Entscheidungen zuständig ist, ist es grundsätzlich nicht seine vorrangige Aufgabe, die erstmalige Prüfungspflicht des Amtes an dessen Stelle zu erfüllen.
Eine Heilung des Verfahrensmangels durch Ermittlung, Treffen der notwendigen tatsächlichen Feststellungen und Sachentscheidung durch den Senat wäre nur geboten, wenn dies sachdienlich wäre, insbesondere im berechtigten Interesse der Anmelderin läge. Eine solches Interesse ist nicht ersichtlich. Allein der etwaige Zeitgewinn durch Sachentscheidung gegenüber einer Fortsetzung des Anmeldeverfahrens vor der Markenstelle und erneuter Entscheidung durch diese, lässt einen bedeutsamen Vorteil für die Anmelderin nicht erkennen, da die vorerwähnte hohe Trefferquote erwarten lässt, dass die Eintragung hinderndes Material für Waren der Anmeldung aufgefunden werden dürfte. Bei dieser Sachlage wäre die Fortsetzung des Anmeldeverfahrens vor der Markenstelle mit der Möglichkeit, sachdienliche Beschränkungen unter Vermeidung einer Beschwerde vorzunehmen, eher günstiger. Im Falle einer erneuten Zurückweisung der Anmeldung durch die Markenstelle hätte die Anmelderin die Möglichkeit, Beschwerde einzulegen, ein Rechtsmittel, das bei Sachentscheidung durch den Senat verwehrt ist.
Das Absehen von einer Sachentscheidung beruht auch auf der Berücksichtigung der Interessen all jener, die in ihrem Verfahren jeweils auf eine Beschwerdeentscheidung des Senats warten. Eine Sachentscheidung in Fällen der vorliegenden Art, die eine umfangreiche Recherche erfordert, bei der viele Treffer in Bezug auf eine Fülle von Waren auszuwerten sind, ist derart zeitraubend, dass sie zu einer Erhöhung der Verfahrensdauer der noch zur Entscheidung stehenden Beschwerdeverfahren führen würde. Bei dem hohen Bestand solcher Verfahren ist daher eine Senatsentscheidung in dieser Sache nicht vertretbar.
Gemäß § 71 MarkenG entspricht die Rückzahlung der Beschwerdegebühr bei der gegebenen Behandlung der Sache durch das Deutsche Patent- und Markenamt der Billigkeit. Die Antragstellerin hätte unter Hinweis auf einschlägige Nachweise reagieren können, ohne dass es der Einlegung einer Beschwerde bedurft hätte.
Winkler Sekretaruk Dr. Albrecht Hu
BPatG:
Beschluss v. 30.10.2002
Az: 32 W (pat) 82/02
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