Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 23. August 1996
Aktenzeichen: 11 U 19/96
(OLG Köln: Urteil v. 23.08.1996, Az.: 11 U 19/96)
Entfaltet nur Sperrwirkung, wenn derselbe Streitgegenstand bei einem anderen Gericht rechtshängig gemacht werden soll. Gegenstand der sozialgerichtlichen Anfechtungsklage ist die Behauptung des Klägers, der Verwaltungsakt sei rechtswidrig und greife in seine Rechte ein. Wenn auch beide Verfahren rückständige Sozialversicherungsbeiträge betreffen, geht es im zivilrechtlichen Verfahren um deliktische Ansprüche betreffend Rechtsfolgen aus einem Verhältnis privatrechtlicher Gleichordnung. § 17 Abs. 2 GVG führt nur zur Konzentration der Entscheidung bei dem zeitlich primär angerufenen Gericht, soweit ein Streitgegenstand vorliegt, der nach verschiedenen Gesichtspunkten zu beurteilen ist, für den ansich unterschiedliche Rechtswege eröffnet sind. Sie zwingt indessen nicht dazu, daß einem Gerichtszweig wesensfremde Streitgegenstände (und Verfahrensarten) zugewiesen werden, weil sie mit dem anhängigen Sachverhalt irgendwie in Zusammenhang stehen.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 8.12.1995 - 9 O 213/95 - abgeändert und wie folgt neu gefaßt:Die Klage ist zulässig. Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000,00 DM, die auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer Deutschen Großbank oder öffentlichen Sparkasse erbracht werden darf, vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Beklagte war Alleingeschäftsführer der "Bauunternehmung A.
GmbH" (im Folgenden: A. GmbH). Für die Monate Juni und Juli 1992
führte die A. GmbH die Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile der
Sozialversicherung nicht an die Klägerin ab. Das Anfang August 1992
auf Antrag des Beklagten eingeleitete Konkursverfahren wurde
mangels Masse eingestellt.
Mit Leistungsbescheid vom 6.05.1994 nahm die Klägerin den
Beklagten persönlich auf Zahlung der rückständigen
Sozialversicherungsbeiträge einschließlich Kosten und Gebühren in
Höhe von insgesamt 195.590,78 DM in Anspruch. Dieser Bescheid wurde
wie folgt begründet:
"Nach § 4 Abs. 1 b Verwaltungsvollstreckungsgesetz
Nordrhein-Westfalen kann als Vollstreckungsschuldner in Anspruch
genommen werden, wer für die Leistung die ein anderer Schuldner
schuldet, kraft Gesetzes persönlich haftet. Haftungsschuldner in
diesem Sinne haben für die Leistung, die ein anderer schuldet, an
seiner Stelle neben ihm mit ihren eigenen Vermögen, regelmäßig
uneingeschränkt, kraft Gesetzes einzustehen. Ihre Haftung kann auf
Vorschriften des öffentlichen und bürgerlichen Rechts beruhen (4.2.
VV).
Nach dem vom Bundesgerichtshof aufgestellten Haftungsgrundsätzen
im qualifiziert faktischem Konzern besteht eine
Verlustausgleichspflicht auch im GmbH-Konzern für den
Mehrheitsgesellschafter analog den Vorschriften der §§ 302, 303
Aktiengesetz.
Nach unseren Feststellungen sind die durch den Bundesgerichtshof
aufgestellten Haftungsgrundsätze hier anwendbar, da sie als
Einzelunternehmer tätig waren und gleichzeitig die Geschäfte der
Gemeinschuldnerin, deren einziger Gesellschafter sie waren, geführt
haben."
Der gegen diesen Bescheid eingelegte Widerspruch des Beklagten
wurde mit Widerspruchsbescheid der Klägerin vom 27.06.1994
zurückgewiesen.
Mit am 4.07.1994 beim Sozialgericht eingegangenem Schriftsatz
hat der Beklagte gegen den Bescheid der Klägerin Klage erhoben und
beantragt:
"Den Haftungsbescheid der Beklagten vom 4.05.1994 in Gestalt des
Widerspruchbescheides vom 27.06.1994 aufzuheben und festzustellen,
daß der Beklagte gegenüber dem Kläger der geltend gemachte Anspruch
von 195.590,78 DM nicht zusteht."
In dem sozialgerichtlichen Verfahren ist Termin noch nicht
bestimmt.
Im Mai 1995 hat die Klägerin gegen den Beklagten vor dem
Landgericht Aachen Klage auf Zahlung von insgesamt 178.961,88 DM
mit der Begründung erhoben, er schulde die
Sozialversicherungsbeiträge für die Monate Juni und Juli 1992
persönlich gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 a Abs. 1 StGB, § 64
Abs. 1 GmbH-Gesetz. Zur Begründung hat sie ausgeführt, der Beklagte
habe in strafrechtlich relevanter Weise die
Sozialversicherungsbeiträge hinterzogen. Darüber hinaus sei er als
Geschäftsführer seiner Konkursantragspflicht gemäß § 64 Abs. 1
GmbH-Gesetz nicht nachgekommen.
Nachdem sich der Beklagte darauf berufen hat, daß die Klage vor
dem Landgericht gemäß § 261 Abs. 3 Ziffer 1 ZPO wegen des
anhängigen sozialgerichtlichen Verfahrens unzulässig sei hat das
Landgericht durch Beschluß vom 22.08.1995 die gesonderte
Verhandlung über die Zulässigkeit angeordnet.
Die Klägerin hat beantragt,
die Zulässigkeit der Klage
festzustellen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage als unzulässig
abzuweisen.
Mit Urteil vom 8.12.1995 hat das Landgericht Aachen die Klage
als unzulässig abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der
Klage stünde das Prozeßhindernis der anderweitigen Rechtshängigkeit
entgegen (§ 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Der Streitgegenstand des
sozialgerichtlichen Verfahrens sei identisch mit dem des
vorliegenden. In beiden Verfahren gehe es nämlich gleichermaßen um
die von der A. GmbH für die Monate Juni und Juli 1992 nicht
abgeführten Sozialversicherungsbeiträge, so daß der
Streitgegenstand gleich sei. Der formell unterschiedlichen
Antragstellung in beiden Verfahren komme für die Bestimmung des
Streitgegenstandes keine Bedeutung zu, da der Grund dafür darin
liege, daß die Klägerin einen Beitragsbescheid erlassen habe. Die
Situation sei vergleichbar mit dem Verhältnis einer negativen
Feststellungsklage zur nachträglichen Leistungsklage bezüglich
desselben Anspruchs. Für diese Konstellation sei das Vorligen eines
einheitlichen Streitgegenstandes anerkannt. Ein einheitlicher
Streitgegenstand werde schließlich nicht dadurch ausgeschlossen,
daß die Haftung des Beklagten im sozialgerichtlichen Verfahren auf
die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Haftung im
"qualifiziert faktischen GmbKonzern" und im vorliegenden Verfahren
auf Deliktsansprüche aus § 823 BGB geschützt werde. Es liege
insofern Anspruchskonkurrenz vor, die der Annahme eines
einheitlichen prozessualen Anspruchs nicht entgegenstehe.
Gegen das am 14.12.1995 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit
am 15.01.1996 beim Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz
Berufung eingelegt. Diese hat sie, nach Verlängerung der
Berufungsbegründungsfrist -durch Verfügungen vom 16.02.1996 und
13.08.1996- bis zum 22.03.1996, mit an diesem Tag eingegangenem
Schriftsatz begründet.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des landgerichtlichen
Urteils festzustellen, daß die Klage zulässig ist.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil und tritt den Ausführungen
der Klägerin entgegen.
Gründe
Die gemäß §§ 280 Abs. 2, 511 f ZPO zulässige und in förmlicher
Hinsicht nicht zu beanstandende Berufung führt zur Abänderung des
landgerichtlichen Urteils.
1.
Das Landgericht hat in dem angegriffenen Zwischenurteil die
Zulässigkeit der Klage zu Unrecht wegen eines vermeintlich
bestehenden Prozeßhindernisses gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO
verneint. Das beim Sozialgericht Aachen anhängige Verfahren steht
der erhobenen Klage vor dem Zivilgericht nicht entgegen.
§ 261 Abs. 3 Nr. 1 entfaltet nur Sperrwirkung, wenn derselbe
Streitgegenstand bei einem anderen Gericht rechtshängig gemacht
werden soll. Zwar tritt diese Wirkung gemäß § 17 Abs. 1 S. 2 GVG
rechtswegübergreifend ein. Die Klage vor dem Zivilgericht ist damit
unzulässig, wenn derselbe Streitgegenstand zuvor bei einem
Sozialgericht anhängig gemacht worden ist. Im vorliegenden Fall
liegt nach Auffassung des Senats jedoch keine
Streitgegenstandsidentität vor.
Gegenstand der sozialgerichtlichen Anfechtungsklage ist nach der
ständigen, zutreffenden Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
(BSG 41, 99 (100)), die in Einklang steht mit der Literatur
(Meyer/Ladewig, SGG, 4. Auflage, § 95 Rn. 6; Hennig-Pawlak, SGG, §
95, Rn. 28), die Behauptung des Klägers, der Verwaltungsakt sei
rechtswidrig und greife in seine Rechte ein. Insofern entspricht
der Streitgegenstand des sozialgerichtlichen Anfechtungsprozesses
dem der verwaltungsgerichtlichen Anfechtungsklage (BVerwG 29, 210
(211 f); Eyermann/Fröhler, VwGO, 9. Auflage, § 121 Rn. 10 c; Kopp,
VwGO, 10. Auflage, § 90 Rn. 8).
Während das sozialgerichtliche Verfahren gemäß § 95 SGG den
Leistungsbescheid der Klägerin vom 4.05.1994 als den Beklagten
belastenden Hoheitsakt zum Gegenstand hat, geht es im vorliegenden
zivilrechtlichen Verfahren um einen Streit auf anderer Ebene im
Sinne der §§ 13 GVG, 40 VwGO. Die hier geltend gemachten
deliktischen Ansprüche betreffend Rechtsfolgen aus einem Verhältnis
privatrechtlicher Gleichordnung.
An dieser prinzipiell unterschiedlichen Ausgangslage des
sozialgerichtlichen und des vorliegenden zivilgerichtlichen
Verfahrens ändert sich auch nichts dadurch, daß beide Verfahren die
rückständigen Sozialversicherungsbeiträge der A. GmbH für die
Monate Juni und Juli 1992 betreffen. Im sozialgerichtlichen
Verfahren ist der Streitgegenstand insofern auf den die
Beitragsrückstände erfassenden Verwaltungsakt vom 4.05.1994
eingeengt. Es ist dort nur zu prüfen, ob die Klägerin in zulässiger
Weise von ihrem Ermessen gemäß §§ 4 Abs. 1 b, 10 VwVG NW Gebrauch
gemacht hat und die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze
zur Haftung des herrschenden Unternehmers im qualifiziert
faktischen GmbH Konzern als bürgerlich rechtliche Mitverpflichtung
in Sinne dieser Bestimmungen angesehen werden können. Die Klägerin
hat zutreffend darauf hingewiesen, daß demgegenüber die im
vorliegenden Zivilprozeß geltend gemachten deliktischen Ansprüche
nicht zum Gegenstand des sozialgerichtlichen Verfahrens gemacht
werden können. Zum einen ist das Sozialgericht gemäß § 35 Abs. 1
SGG X an die behördliche Ermessensbetätigung, die nur die Haftung
des Beklagten nach den Grundsätzen zum qualifizierten faktischen
GmbH Konzern zum Gegenstand hatte, gebunden. Zum anderen hätte der
Leistungsbescheid vom 11.05.1994 auch nicht auf deliktische
Bestimmungen (§§ 823 ff BGB) gestützt werden können, da diese
direkte und originäre Ansprüche gegen den Schuldner zum Gegenstand
haben, nicht aber die in § 4 Abs. 1 b VwVG NW geregelte gesetzliche
Mithaftung für die Schuld eines Dritten.
Die Annahme eines einheitlichen Streitgegenstandes würde damit
dazu führen, daß der Klägerin die Geltendmachung von deliktischen
Schadensersatzansprüchen gegenüber der Beklagten abgeschnitten
wäre. Das Sozialgericht darf nämlich nicht über die
Ermessensbetätigung der Klägerin gemäß § 35 Abs. 1 S. 1 SGG X
hinaus gehen und den Verwaltungsakt vom 4.05.1994 mit der nicht im
Verwaltungsvollstreckungsgesetz vorgesehenen Begründung aufrecht
erhalten, der Beklagte sei der Klägerin gemäß §§ 823 ff BGB
schadenersatzpflichtig. Auf die Frage, ob nach dem zweigliedrigen
Streitgegenstandsbegriff die deliktischen Ansprüche aus §§ 823 Abs.
2 BGB, 266 a StGB, 64 GmbH Gesetz und aus der Haftung des
herrschenden Unternehmers im qualifizierten faktischen GmbH Konzern
im Zivilprozeß einen einheitlichen Streitgegenstand bilden, darf
das Sozialgericht bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit des
Verwaltungsakts vom 4.05.1992 nicht abstellen. Auch dies zeigt die,
verschiedene Streitgegenstände begründende, schon im Ansatz
unterschiedliche Fragestellung beider Rechtsstreite.
Dem steht auch nicht entgegen, daß die Klägerin vom Beklagten
nur einmal die Zahlung der rückständigen
Sozialversicherungsbeiträge für Juni und Juli 1992 verlangen kann,
wenn sich sowohl der Bescheid vom 4.05.1994 als rechtmäßig als auch
die vorliegende zivilgerichtliche Klage als begründet erweist. Die
erfüllungsmäßige Verknüpfung beider Haftungsgrundlagen führt
nämlich nicht zur Annahme eines einheitlichen Streitgegenstands.
Nachdem sowohl für das sozialgerichtlich sowie das zivilrechtlich
Verfahren geltenden zweigliedrigen Gegenstandsbegriff ist auf die
bei normativer Betrachtung unterschiedlichen tatsächlichen
Grundlagen beider Zahlungsbegehren abzustellen. Das eine wird hier
durch den Bescheid vom 4.05.1992 der Klägerin geprägt und das
andere durch die behaupteten Manipulationen des Beklagten vor
Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der A. GmbH.
Insofern beruht die Zahlungsverpflichtung des Beklagten auf einem
bei natürlicher Betrachtung unterschiedlichen tatsächlichen
Geschehen. Die Situation ist insofern vergleichbar der Klagen
einerseits gestützt auf einen Scheck oder Wechsel und andererseits
auf den ihm zugrundeliegenden Kaufvertrag. Obwohl auch in diesem
Fall Zahlung nur einmal begehrt werden kann, liegen nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH NJW 1992, 117; NJW RR
1987, 58) und der herrschenden Auffassung der Literatur (vgl.
Zöller-Vollkommer, ZPO; 19 Auflage, Einleitung Rn. 75)
unterschiedliche Streitgegenstände vor, weil die tatsächliche
Grundlage des Zahlungsbegehrens unterschiedlich ist.
Auch § 17 Abs. 2 GVG, wonach das zuständige Gericht den
Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen
Gesichtspunkten prüft, rechtfertigt keine andere Wertung. Diese
Bestimmung führt nur zur Konzentration der Entscheidung beim
zeitlich primär angerufenen Gericht, soweit ein Streitgegenstand
vorliegt, der nach verschiedenen Gesichtspunkten zu entscheiden
ist, für die an sich unterschiedliche Rechtswege eröffnet sind
(Wolf in Münchener Kommentar, ZPO, § 17 GVG Rdn 2). Sie zwingt
indessen nicht dazu, daß einem Gerichtszweig wesensfremde
Streitgegenstände (und Verfahrensarten) zugewiesen werden, weil sie
mit dem anhängigen Sachverhalt irgendwie in Zusammenhang stehen.
Nur bei identischen Streitgegenständen tritt die einheitliche
Gesamtzuständigkeit des zunächst angerufenen Gerichts ein (Wolf
aaO., § 17 Rdn 13).
2.
Schließlich hindert der im sozialgerichtlichen Verfahren
erhobene Feststellungsantrag, daß der Klägerin gegenüber dem
Beklagten der geltend gemachte Zahlungsanspruch nicht zusteht, die
Erhebung einer zivilgerichtlichen Leistungsklage nicht. Auf die
Frage, ob der Feststellungsantrag im sozialgerichtlichen Verfahren
überhaupt zulässig ist, kommt es nicht an.
Es ist nämlich anerkannt, daß durch eine negative
Feststellungsklage weitergehende Leistungsanprüche des Gläubigers
nicht abgeschnitten werden dürfen. Die Erhebung einer
Leistungsklage wird durch die vorangegangene,
streitgegenstandsidentische negative Feststellungsklage nicht
ausgeschlossen ( BGH MDR 1989, 623; Zöller-Greger, ZPO, 19.
Auflage, § 256 Rn. 16). Dies gilt unmittelbar für Ansprüche, die im
Zivilverfahren geltend gemacht werden, und erst recht dann, wenn
die Ansprüche (Feststellung und Leistung) in unterschiedlichen
Gerichtszweigen erhoben werden.
3.
Der Klägerin kann auch nicht das Rechtschutzbedürfnis für die
zivilrechtliche Klage mit der Begründung abgesprochen werden, sie
könne die Forderung im Wege der Verwaltungsvollstreckung selbst
titulieren. Nach der Rechtsprechung schließt ein bereits
vorliegender Vollstreckungstitel eine neue Leistungsklage dann
nicht aus, wenn ein verständiger Grund hierfür besteht (vgl. die
Nachweise bei Zöller-Greger, a.a.O., vor § 253 Rn. 18).
Insbesondere fehlt demgemäß das Rechtschutzbedürfnis nicht für
eine Leistungsklage, die zur Unterbrechung der Verjährung geboten
ist (BGB MDR 1985, 562). Da aus den angeführten Gründen die von er
Klägerin behaupteten deliktischen Ansprüche nicht Gegenstand des
sozialgerichtlichen Verfahrens werden können, ist die
zivilgerichtliche Klage zur Verjährungsunterbrechtung
erforderlich.
Im übrigen kann das Rechtschutzbedürfnis für eine Leistungsklage
auch dann nicht verneint werden, wenn die Durchsetzung eines
bestehenden Titels zweifelhaft ist (BGH LM § 212 BEG Nr. 4). Unter
diesem Gesichtspunkt ist das Rechtschutzbedürfnis für die
zivilgerichtliche Klage schon deshalb zu bejahen, weil der Bestand
des Leistungsbescheid vom 4.05.1992 zweifelhaft ist. Es ist bislang
nämlich rechtlich nicht eindeutig geklärt, ob ein Haftungsbescheid
gemäß §§ 4, 10 VwVG NW auf die Ausgleichspflicht des herrschenden
Unternehmers im qualifiziert faktischem GmbH Konzern analog §§ 302,
303 AktG gestützt werden kann.
4.
Die Kostenentscheidung hinsichtlich des vorliegenden
Zwischenstreits über die Zulässigkeit bleibt dem Endurteil
vorbehalten.
Die übrigen prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708
Nr. 10, 713 ZPO.
Streitwert für das Berufungsverfahren und Beschwer für den
Beklagten: 178.961,88 DM.
OLG Köln:
Urteil v. 23.08.1996
Az: 11 U 19/96
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/f407d2d5a90e/OLG-Koeln_Urteil_vom_23-August-1996_Az_11-U-19-96