Verwaltungsgericht Sigmaringen:
Urteil vom 20. Mai 2015
Aktenzeichen: 5 K 5439/14
(VG Sigmaringen: Urteil v. 20.05.2015, Az.: 5 K 5439/14)
1. Art. 35 LV BW und § 13 UAG BW sind "besondere Vorschriften" im Sinne von § 2 Abs. 5 DSG BW.
2. Die parlamentarischen Kontrollrechte eines Untersuchungsausschusses haben regelmäßig gegenüber dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung das größere Gewicht.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin, bis Mai 2011 Ministerin für Umwelt, Naturschutz und Verkehr, erstrebt die Löschung sämtlicher noch vorhandener Daten der sie betreffenden Exchange-Postfächer mit den darin enthaltenen, an sie gerichteten und von ihr versandten E-Mails sowie E-Mail-Entwürfen, die im derzeitigen Umweltministerium noch vorhanden sind.
Mit ihrer Klage will sie vor allem die Weitergabe von Sicherungskopien ihrer Exchange-Postfächer durch das derzeitige Umweltministerium an den Untersuchungsausschuss €Polizeieinsatz Sch. II€ des Landtags verhindern.
Der Auftrag des Untersuchungsausschusses umfasst nach dem Einsetzungsbeschluss des Landtags vom 18.12.2013 (vgl. Landtagsdrucksache 15/XXX)
€I. zu untersuchen,
1. ob und in welchem Umfang der Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses
€Aufarbeitung des Polizeieinsatzes am 30. September 2010 im S. Sch.€ (Drucksache 14/XXX) unvollständig ist, welche Unterlagen € auch unter Berücksichtigung des Kernbereichs exekutiver Verantwortung € diesem Untersuchungsausschuss nicht vorgelegt wurden, insbesondere wann und von wem welche Unterlagen vorenthalten wurden, aus welchen Gründen und unter wessen Verantwortung;
2. ob und ggf. in welchem Umfang der Landtag durch unvollständig vorgelegte Akten in seinen Rechten verletzt worden ist;
3. ob und ggf. auf welche Weise und mit welchen Zielen es eine politische Einfluss-nahme der CDU-geführten Landesregierung (...) oder von Dritten auf den Poli-zeieinsatz am 30. September 2010 im S. Sch. gab, insbesondere ob neu aufgetretene Tatsachen oder neu zu beurteilende Tatsachen eine neue Bewertung des Polizeieinsatzes erfordern;
4. wann und aus welchem Grund der 30. September 2010 für den Polizeieinsatz im Sch. festgelegt wurde und welche Personen auf Seiten der CDU-geführten Landesregierung (...), der Ministerien, der Polizei oder Dritte an dieser Entscheidung beteiligt waren;
5. ob die für den 6. Oktober 2010 geplante Regierungserklärung des damaligen Mi-nisterpräsidenten (...) Einfluss auf den Zeitpunkt des Polizeieinsatzes hatte; (...)€
In der konstituierenden Sitzung des Untersuchungsausschusses am 19.12.2013 wurde folgender Beweisbeschluss Nr. 3 gefasst:
€Es wird Beweis erhoben über die Fragen zu (...) I. des Untersuchungsauftrages durch Beiziehung sämtlicher Akten, einschließlich Handakten, Dokumente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel, die den Untersuchungsgegenstand direkt, indirekt, konkret oder abstrakt betreffen, und die sich befinden im Bereich der Landesregierung und ihrer Ministerien, die mit dem Polizeieinsatz am 30. September 2010 im S. Sch. befasst waren (v.a. Staatsministerium, Innenministerium, Justizministerium, Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft, Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, Ministerium für Verkehr und Infrastruktur, Ministerium für Finanzen und Wirtschaft).€
Eine Recherche im Umweltministerium ergab darauf, dass keine für den Untersuchungsgegenstand relevante Akten vorhanden waren mit Ausnahme eines kurzen Vermerks des damaligen Ressortbeobachters des Umwelt- und Verkehrsministeriums in der Landesvertretung in Berlin über die €Sondersitzung des Innenausschusses des Bundestages am 01. Oktober 2010 zum Polizeieinsatz auf der Baustelle von S.€, welcher dem Untersuchungsausschuss übermittelt wurde. Im Besitz des Umweltministeriums befinden sich allerdings noch drei Magnetbänder, die eine Datensicherung des gesamten Serverbestandes des ehemaligen Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Verkehr enthalten. Im Anschluss an die Landtagswahl 2011 erfolgte die Datensicherung wegen zu erwartender Umressortierungen bei den Ministerien. Die Regierungsbildung im Juni 2011 erbrachte eine Neuverteilung der Ressortbereiche des ehemaligen Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Verkehr auf drei Ministerien (Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft, Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, Ministerium für Verkehr und Infrastruktur). Zweck der seinerzeit erfolgten Datensicherung war es, im Hinblick auf die mit der Verschiebung einzelner Ressortbereiche einhergehenden IT-Veränderungen bei Bedarf eine Wiederherstellung des ursprünglichen Serverbestandes ermöglichen zu können. Nach Angaben des Ministeriums war eine redundante Datensicherung über einen längeren Zeitraum zwingend erforderlich, weil bei der Umorganisation mit der Neubildung ganzer Ressortbereiche IT-Strukturen erst neu konzipiert, aufgebaut oder reorganisiert und deren Verlässlichkeit verifiziert werden mussten. Die Datensicherung beinhaltet eine Speicherung aller Abteilungs- und Referatsablagen und aller etwa 600 Exchange-Postfächer der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des damaligen Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Verkehr einschließlich des Postfachs der Klägerin. Die Datensicherung ist in der vorliegenden Form ohne technische Aufbereitung und Wiederherstellung nicht lesbar.
Nachdem der Untersuchungsausschuss über diesen Umstand informiert worden war, fasste er am 26.09.2014 den folgenden Beweisbeschluss Nr. 24 a:
€Es wird Beweis erhoben über die Fragen [des Untersuchungsauftrags] durch Beiziehung der Sicherungskopien mit Bezug zum Untersuchungsgegenstand, die die e-mail-Postfächer für den Zeitraum 1.8.2010 bis 31.1.2011 von Ministerin a.D. (€) und Ministerialdirektor a.D. (€) enthalten, vom Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft.€
In der Begründung dieses Beweisbeschlusses wird ausgeführt, es bestünden begründete Anhaltspunkte, dass sich in den Sicherungskopien relevante Daten für die Erfüllung des Untersuchungsauftrags finden ließen. Die damalige Verkehrsministerin sei in das Projekt S X und den Polizeieinsatz im Sch. am 30.09.2010 eng eingebunden gewesen. Es habe am 20.09.2010 ein Strategiegespräch in kleiner Runde mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten und dem ehemaligen Polizeipräsidenten gegeben, an dem sie teilgenommen habe. Ebenso habe sie an einem Gespräch am 29.09.2010 im Staatsministerium teilgenommen, bei dem es um die Vorverlegung des Einsatzes auf 10:00 Uhr gegangen sei. Weiter habe sie an der Pressekonferenz am 30.09.2010 im Landtag und an der Besprechung im Eckzimmer am Abend des 30.09.2010 teilgenommen. In den Akten finde sich eine E-Mail-Nachricht der ehemaligen Verkehrsministerin an den damaligen Ministerpräsidenten vom 21.09.2010 mit folgendem Inhalt: €Es wurde gestern vereinbart, dass die Bäume ab 1.10.2010 gefällt werden. Damit soll verhindert werden, dass die Parkschützer zu lange Zeit haben, etwaige Baumbesetzungen vorzunehmen. Ziel ist es, dass bis zu Deiner Regierungserklärung mit den Bäumen alles erledigt ist. Planungen laufen ordentlich, es wird aber eine Herausforderung.€ Nach dieser E-Mail scheine die damalige Regierungserklärung einen größeren Einfluss auf die Festsetzung des Termins des Polizeieinsatzes gehabt zu haben als bislang bekannt. Es könnten daher politische Rahmenbedingungen polizeiliche Erwägungen überstrahlt haben. Weiter sei dem Ausschuss eine Liste vorgelegt worden mit Einschätzungen zur Wichtigkeit von Dokumenten und zur Strategie im ersten Untersuchungsausschuss. Schließlich seien vom Umweltministerium auffallend wenig Akten zur Verfügung gestellt worden (€nur ein einseitiges Protokoll€), obwohl das damalige Verkehrsministerium wesentliche Zuständigkeiten im Projekt besessen habe. Der Ausschuss wolle sich bei der Beweiserhebung auf die zentralen Entscheidungsträger im Hinblick auf den Polizeieinsatz beschränken. Zum Schutz der Grundrechte der Betroffenen, der Wahrung der Persönlichkeitsrechte und des Datenschutzes sowie des Schutzes des Kernbereichs der Regierung werde folgender Verfahrensvorschlag unterbreitet: Die Daten sollten ungeöffnet und ohne Einblick zu nehmen an den Untersuchungsausschuss übermittelt werden. Dies solle den Betroffenen vorher angezeigt werden. Nach der Lesbarmachung der Daten erfolge - gegebenenfalls durch einen Amtsrichter - eine Aussonderung der privaten Datenbestände und derjenigen Daten, die keinen Bezug zum Untersuchungsgegenstand hätten. Die dienstlichen Datenbestände mit Bezug zum Untersuchungsgegenstand würden dann dem Ministerium mit der Bitte zugeleitet, diejenigen Daten auszusortieren, die dem Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung zuzurechnen seien. Die danach verbleibenden Daten seien dem Ausschuss zu übermitteln. Die übrigen Daten seien sämtlich und unverzüglich zu löschen.
Mit Schreiben des Umweltministeriums vom 21.10.2014 wurde darauf die Klägerin in Kenntnis gesetzt, dass sich das Ministerium verpflichtet sehe, ihre ehemaligen Exchange-Postfächer für den Zeitraum vom 01.08.2010 bis 31.01.2011 ohne Einsicht zu nehmen vom Gesamtdatenbestand getrennt und sodann ungelesen und versiegelt an den Untersuchungsausschuss zu übermitteln. Es sei beabsichtigt, mit der technischen Abwicklung eine auf Computer-Forensik spezialisierte Fachfirma zu beauftragen, welche vom Ministerium auf die Sicherstellung aller Geheimschutz- und Datenschutzaspekte verpflichtet werde. Der Klägerin wurde weiter angeboten, an diesem Vorgang in der einen oder anderen Weise selbst teilzunehmen. Sie wurde weiter darauf hingewiesen, dass die rechtlichen Voraussetzungen einer Einsichtnahme allein durch den Untersuchungsausschuss zu beachten und zu verantworten seien.
Das Umweltministerium wurde darauf vom Bevollmächtigten der Klägerin mit Schreiben vom 06.11.2014 aufgefordert, von der Herausgabe Abstand zu nehmen. Zugleich wurde die Löschung der Sicherungskopien beantragt. Mit Schreiben des Umweltministeriums vom 04.12.2014 wurde der Klägerin mitgeteilt, ihrem Anliegen nicht nachkommen zu wollen. Gleichzeitig erhielt sie Gelegenheit, zur beabsichtigten formellen Ablehnung des Löschungsantrags Stellung zu nehmen. Es wurde ihr zugesichert, keine Vollzugshandlungen vorzunehmen, sofern eine gerichtliche Geltendmachung ihres Anspruchs unverzüglich erfolge und solange ein erstinstanzliches Hauptsacheverfahren anhängig sei. Mit Schreiben vom 05.12.2014 kündigte die Klägerin an, ihre Ansprüche gerichtlich geltend zu machen.
Anschließend lehnte das Umweltministerium mit Bescheid vom 12.12.2014 die Löschung der Sicherungskopien der früheren E-Mail-Postfächer der Klägerin derzeit ab. Ein Löschungsanspruch bestehe derzeit nicht. Denn eine Löschung der Dateien würde verhindern, dass das Ministerium seiner verfassungsrechtlichen Verpflichtung gegenüber dem Untersuchungsausschuss nachkommen könne. Die Sicherungskopien würden aber gelöscht, sobald eine gerichtliche Klärung der Übermittlung von Daten an den Untersuchungsausschuss erfolgt und nachdem die Sicherungskopien dem Landesarchiv zur Übernahme als Archivgut angeboten worden seien.
Am 20.12.2014 hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht Sigmaringen Klage erhoben. Sie lässt vortragen, seinerzeit sei im damaligen Umweltministerium allen Beschäftigten ausdrücklich gestattet gewesen, die E-Mail-Postfächer auch für private Post zu nutzen. Eine Regelung zur Speicherung von E-Mails habe es nicht gegeben. Der jeweilige Empfänger einer E-Mail habe eigenständig zu entscheiden gehabt, wie er mit den E-Mail-Nachrichten umgehe. Soweit eingehende Nachrichten für die Aktenführung bestimmt und geeignet gewesen seien, seien jeweils Ausdrucke der eingegangenen E-Mails angefertigt und zu den Akten genommen worden. Erst dadurch sei die betreffende E-Mail zu einem offiziellen Aktenstück geworden und damit die Verfügungsgewalt des Dienstherrn entstanden. Bei einer Auswertung der E-Mail-Postfächer würden einzelne Personen Kenntnis sowohl von dienstlichen als auch von privaten E-Mails nehmen. Wegen eines hohen Interesses der Presse und bestimmter Bevölkerungsteile an deren Veröffentlichung sei es wahrscheinlich, dass E-Mails mit dienstlichem, aber auch privatem Inhalt an die Öffentlichkeit gelangten.
Der Löschungsanspruch beruhe auf § 23 Abs. 1 Nr. 2 Landesdatenschutzgesetz (LDSG). Diese Vorschrift ordne als zwingende Rechtsfolge die Löschung personenbezogener Daten an, wenn ihre Kenntnis für die speichernde Stelle zur Erfüllung ihrer Aufgabe nicht mehr erforderlich sei. § 2 Abs. 5 LDSG komme keine entscheidende Bedeutung zu. Denn es handle sich bei den Regelungen des Untersuchungsausschussgesetzes nicht um spezifische Datenschutzvorschriften und damit nicht um €besondere Vorschriften€ im Sinne des § 2 Abs. 5 LDSG. Der Verweis auf die Strafprozessordnung gehe fehl, da diese Normen für die Zulässigkeit der Datenweitergabe an den Untersuchungsausschuss nicht herangezogen werden könnten. Das Untersuchungsausschussgesetz regle die Verpflichtung zur Übermittlung von Daten abschließend.
Zwischen § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG und § 15 LDSG bestehe ein inhaltlicher Zusammenhang. Wenn die Verarbeitung personenbezogener Daten nach § 15 LDSG nicht mehr zulässig sei, bestehe ein Löschungsanspruch gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG. Dasselbe gelte im Fall des § 16 Abs. 1 LDSG. €Erforderlich€ sei die Kenntnis der personenbezogenen Daten zur Erfüllung der Aufgaben der speichernden Stelle, wenn entweder die Kenntnis notwendig sei zur Erfüllung des Zwecks, zu dem die Daten gespeichert worden seien, oder die Kenntnis erforderlich sei für die Erfüllung eines anderen Zwecks und dies gemäß § 15 Abs. 3 LDSG keine Zweckänderung im Rechtssinne sei oder diese Zweckänderung nach § 15 Abs. 2 LDSG zulässig sei. § 15 Abs. 4 LDSG enthalte ein absolutes Zweckentfremdungsverbot. Damit solle verhindert werden, dass Datenbestände, die zu Zwecken des Datenschutzes und der Datensicherheit angelegt worden seien, als allgemeine Informationsgrundlage Verwendung finden könnten. Im vorliegenden Fall wäre mit einer Wiederherstellung der Originaldateien aus den vorhandenen Sicherungskopien eine mit § 15 Abs. 4 LDSG unvereinbare Zweckänderung verbunden. Denn der ursprüngliche Zweck zur Erstellung der Sicherungskopien - die Datensicherung für den Fall des Datenverlustes - könne nun nicht mehr erreicht werden. Der Zweck, zu dem die Originaldateien gespeichert worden seien, sei nämlich weggefallen. Die Datensicherung sei allein zur Verhinderung etwaiger Datenverluste im Zuge der Umressortierungen erfolgt. Die Ressortneubildung sei aber spätestens 2011 abgeschlossen worden. Damit habe sich der Sicherungszweck erledigt. An den im Schreiben des Ministeriums vom 21.10.2014 benannten Zweck sei das beklagte Land gebunden. Falls es entscheidungserheblich sei, sei über die Frage, bis zu welchem Zeitpunkt die Datensicherung zur Verhinderung etwaiger Datenverluste im Zuge der Umressortierung erforderlich gewesen sei, Beweis zu erheben. Es existiere keine Rechtsvorschrift, die die weitere Speicherung der E-Mails datenschutzrechtlich gestatte. Die E-Mail-Accounts der Bediensteten des damaligen Umweltministeriums seien dem €Persönlichkeitsbereich€ zugeordnet gewesen. Die Nutzer hätten selbst über die Verwendung der Postfachinhalte entscheiden dürfen. Die Speicherung diene damit ausschließlich den persönlichen Belangen der Postfachinhaber. Dieser Speicherungszweck bestehe, nachdem sie, die Klägerin, ihren E-Mail-Account im Umweltministerium nicht mehr nutze, nun nicht mehr. Sie habe erst mit dem Schreiben des Umweltministeriums vom 21.10.2014 davon Kenntnis erhalten, dass von ihr noch elektronische Postfach-Daten gespeichert seien.
Die Übermittlung der Daten an den Untersuchungsausschuss sei nach § 16 Abs. 1 LDSG unzulässig. Denn diese sei nicht zur Erfüllung der Aufgaben des Umweltministeriums erforderlich. Die Datenübermittlung sei auch nicht zur Erfüllung der Aufgaben des Untersuchungsausschusses erforderlich, da die vom Ausschuss geäußerten Vermutungen €ins Blaue hinein€ erfolgt seien und einem Ausforschungsantrag gleich kämen. Selbst wenn man die Übermittlung von Daten an den Ausschuss für erforderlich halten würde, könnte dies allenfalls auf E-Mails dienstlicher Natur für einen eng definierten Zeitraum zutreffen. Die Forderung des Untersuchungsausschusses zur Vorlage von E-Mails für den Zeitraum vom 01.08.2010 bis zum 31.01.2011 habe keine sachliche Grundlage, sondern sei willkürlich gewählt. Der Polizeieinsatz im Sch. habe am 30.09. bzw. 01.10.2010 stattgefunden. Eine sachliche Begründung, warum die Vorlage der Postfachinhalte bereits ab 01.08.2010 gefordert werde, fehle. Dasselbe gelte hinsichtlich der Vorlage der Postfachinhalte bis zum 31.01.2011.
Es bestehe auch keine Aktenvorlagepflicht gemäß § 14 Abs. 1 Untersuchungsausschussgesetz (UAG). Diese Regelung stelle keine €besondere Vorschrift€ im Sinne des § 2 Abs. 5 LDSG dar. Es handle sich um eine sehr allgemeine und abstrakte Verpflichtung zur Aktenvorlage. Darüber hinaus seien die Regelungen der Strafprozessordnung zur Beweiserhebung hier nicht einschlägig. Denn das Untersuchungsausschussgesetz habe hierzu eigene Regelungen in § 14 Abs. 1 UAG. Darüber hinaus verfolge die Strafprozessordnung andere Ziele als das Untersuchungsausschussgesetz. § 15 Abs. 2 LDSG nenne für das Speichern, Verändern und Nutzen personenbezogener Daten für andere Zwecke gerade nicht deren Verwertung für Untersuchungen von Untersuchungsausschüssen. Nach § 15 Abs. 5 LDSG sei die Übermittlung €verbundener Daten€ wie im vorliegenden Fall wegen der schutzwürdigen Interessen der Klägerin nicht zulässig. Denn es bestehe die Gefahr, dass die im Zuge der Trennung gesichteten privaten E-Mails der Klägerin an die Öffentlichkeit gelangten. In der Vergangenheit seien Einzelheiten zu den Entscheidungen und dem Schriftverkehr des Amtschefs an die Presse gelangt. Es bestehe daher die konkrete Gefahr, dass das Umweltministerium auch eine Veröffentlichung von Inhalten der E-Mails der Klägerin nicht verhindern könne. Eine Aktenvorlagepflicht gemäß § 14 Abs. 1 UAG sei nach § 14 Abs. 2 UAG ausgeschlossen, weil Vorschriften des Landesdatenschutzgesetzes dieser Verpflichtung entgegen stünden.
Dem Löschungsanspruch der Klägerin nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG stünde weder der Einwand des Rechtsmissbrauchs noch nachwirkender Pflichten aus der Organtreue als ehemalige Ministerin des Landes entgegen. Ein Verstoß gegen die Organtreue komme schon deshalb nicht in Betracht, weil diese keine nachwirkenden Pflichten begründe.
Schließlich sei vom Untersuchungsausschuss der nicht ausforschbare Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung zu beachten. So komme etwa der Erörterung im Kabinett besondere Schutzwürdigkeit zu. Je weiter ein parlamentarisches Informationsbegehren in den innersten Bereich der Willensbildung der Regierung eindringe, desto gewichtiger müsse es sein, um sich gegen ein von der Regierung geltend gemachtes Interesse an Vertraulichkeit durchsetzen zu können. Die unbeeinträchtigte Kommunikation zwischen Regierungsmitgliedern sei ein unverzichtbares Element zur Erzielung möglichst sachgerechter Regierungsentscheidungen. Der Austausch von Ministern untereinander oder mit dem Ministerpräsidenten sei besonders schutzwürdig. Das Informationsbegehren des Untersuchungsausschusses könne sich gegen das Interesse der Regierung an Vertraulichkeit hier nicht durchsetzen. Hinzu komme, dass die Untersuchung vergangenheitsbezogen sei und nicht zum Ziel habe, Schaden abzuwehren. Bei einer umfassenden Kontrolle der Legislative komme es zu einem Ungleichgewicht im Verhältnis zur Exekutive.
Als wesensgleiches Minus erfasse der Löschungsanspruch auch den Anspruch, die Übermittlung der streitgegenständlichen Daten an den Untersuchungsausschuss zu unterlassen.
Die Klägerin beantragt,
die Bescheide des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft vom 04.12.2014 und vom 12.12.2014 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, sämtliche bei ihm vorhandenen Daten ihrer Exchange-Postfächer, insbesondere die darin enthaltenen, an sie gerichteten und von ihr versandten E-Mails sowie die enthaltenen E-Mail-Entwürfe, unverzüglich zu löschen, nachdem diese nach Maßgabe des § 3 Landesarchivgesetz dem Landesarchiv zur Übernahme als Archivgut angeboten worden sind,
hilfsweise die Bescheide des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft vom 04.12.2014 und vom 12.12.2014 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, die bei ihm vorhandenen Daten ihrer Exchange-Postfächer, insbesondere die darin enthaltenen an sie gerichteten und von ihr versandten E-Mails sowie die enthaltenen E-Mail-Entwürfe, an den Untersuchungsausschuss €Polizeieinsatz Sch. II€ des Landtags herauszugeben.
Das beklagte Land beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung wird ausgeführt, dem Löschungsanspruch der Klägerin nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG stehe das Beweiserhebungsrecht des Untersuchungsausschusses entgegen. Im Verhältnis zum Landesdatenschutzgesetz habe das Untersuchungsausschussgesetz als lex specialis Vorrang. Die Regelungen für den Untersuchungsausschuss in Art. 35 Abs. 2 - 4 Landesverfassung (LV) in Verbindung mit den speziellen Regelungen in §§ 13 ff UAG gingen nach § 2 Abs. 5 Satz 1 LDSG den allgemeinen datenschutzrechtlichen Regelungen im Landesdatenschutzgesetz vor. Die Regelungen des Untersuchungsausschussgesetzes stellten auch datenschutzspezifische Spezialregelungen dar, da sie für die Beweisaufnahme auf die Strafprozessordnung verweisen würden, die ihrerseits als datenschutzbezogene Spezialregelungen dem allgemeinen Datenschutzrecht vorangingen. Dabei seien § 13 Abs. 5 UAG und § 16 Abs. 4 UAG als spezielle Datenschutzregelung anzusehen. Danach könne die Beweiserhebung durch einen Richter erfolgen, wie dies in der Begründung zum Beweisbeschluss Nr. 24 a des Untersuchungsausschusses auch vorgeschlagen worden sei.
Die Vorschriften des Datenschutzrechts seien verfassungskonform auszulegen. Hierbei stünden gewichtige Informationsansprüche des Untersuchungsausschusses dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung gegenüber, welches nur im überwiegenden Allgemeininteresse und unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit beschränkt werde. So komme auch eine Herausgabe von als geheim eingestuften Regierungsunterlagen an das Parlament in Betracht, wenn Vorkehrungen für den Geheimnisschutz getroffen würden. Die Aufgabe der Abwägung zwischen dem Beweiserhebungsrecht und dem Geheimhaltungsinteresse obliege aber dem Untersuchungsausschuss.
Das Rechtsschutzbedürfnis für eine verwaltungsgerichtliche Klage sei fraglich, da im Rahmen der untersuchungsausschussrechtlichen Beweiserhebung eigenständige und spezielle Rechtsschutzmöglichkeiten bestünden. Ein grundrechtsrelevanter Eingriff in Persönlichkeitsrechte liege nicht vor, wenn, wie der Klägerin mit Schreiben vom 21.10.2014 mitgeteilt, ihr Exchange-Postfach für den Zeitraum vom 01.08.2010 bis 31.01.2011 ohne Einsicht zu nehmen vom Gesamtdatenbestand getrennt und sodann ungelesen und versiegelt an den Untersuchungsausschuss übermittelt werde. Die allein auf einem technischen Vorgang beruhende Abtrennung des Postfaches der Klägerin vom Gesamtdatenbestand sei für sich allein nicht grundrechtsrelevant. Eine Grundrechtsrelevanz entstehe erst mit der Beweisaufnahme durch den Untersuchungsausschuss. Dieser habe eigenständig und eigenverantwortlich die rechtlichen Voraussetzungen einer Einsichtnahme zu beachten und die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um Persönlichkeitsrechte, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und Datenschutzrechte zu wahren. Das Verfahren nach dem Untersuchungsausschussgesetz biete im Streitfall effektiven Rechtsschutz. Danach sei die richterliche Durchsicht elektronischer Speichermedien nach § 16 Abs. Satz 4 UAG in Verbindung mit § 110 Abs. 1 StPO mit der entsprechenden Beschwerdemöglichkeit nach § 16 Abs. 6 Satz 2 UAG vorgesehen.
Die Beweiserhebung des Untersuchungsausschusses finde ihre Grundlage in § 14 Abs. 1 UAG. Danach seien alle Behörden des Landes unmittelbar u.a. zur Vorlage von Akten an einen Untersuchungsausschuss verpflichtet. Entsprechend einem Beschluss des OLG Stuttgart vom 15.11.2012 erfasse der Aktenbegriff alle schriftlich erstellten Unterlagen, ebenso aber auch etwaige Ton- und Bildaufnahmen sowie Computerdateien. Es sei also von einem €dynamischen€ Aktenbegriff auszugehen. Abzugrenzen sei dieser vom Begriff des Beweisstückes in § 147 StPO wie beispielsweise PC€s oder Festplatten. Auf die Frage, ob die streitgegenständlichen Dateien unter den Aktenbegriff des § 14 Abs. 1 UAG subsumiert werden könnten, komme es hier aber nicht an. Die Beweiserhebung des Untersuchungsausschusses finde ihre Grundlage in Artikel 35 Abs. 2 Landesverfassung in Verbindung mit § 13 Abs. 1 UAG. Zur Beweiserhebung im Sinne der soeben genannten Vorschriften zähle nicht nur die Beweisaufnahme im engeren Sinne (§ 244 Abs.1 StPO), sondern nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der gesamte Vorgang der Beweisverschaffung, Beweissicherung und Beweisauswertung. Er erfasse damit auch die Anforderung von Dokumenten und Datenträgern zur Vorlage.
In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und auch des Staatsgerichtshofs sei geklärt, dass der Schutz geheimhaltungsbedürftiger Informationen im Verhältnis von Regierung und Parlament beiden Verfassungsorganen gemeinsam anvertraut sei. Die Geschäftsordnung des Landtags enthalte ausreichende Vorkehrungen zur Geheimhaltung, so dass das Umweltministerium davon ausgehen müsse, dass der Landtag bei den an ihn übersandten Unterlagen und Vorgängen das entsprechende Geheimhaltungsinteresse selbst wahre. Der Untersuchungsausschuss habe im konkretisierenden Beweisbeschluss Nr. 24 a einen Verfahrensvorschlag unterbreitet. Damit verhalte sich der Untersuchungsausschuss völlig rechtskonform. Der Schutz der Rechte der Klägerin werde gewährleistet. Betroffen seien ausschließlich E-Mails der Klägerin als Ministerin und Politikerin. Der Untersuchungsausschuss strebe eine konsensuale Lösung an. So könnte eine Aussonderung der privaten Datenbestände und derjenigen Daten, die keinen Bezug zum Untersuchungsgegenstand hätten, durch einen von beiden Seiten akzeptierten Dritten, beispielsweise den Landesdatenschutzbeauftragten, erfolgen. Zuletzt verbleibe die bereits aufgeführte Aussonderung durch einen Amtsrichter nach § 16 Abs. 4 Satz 4 UAG. Anschließend erhalte das Umweltministerium die ausgesonderten dienstlichen Datenbestände mit Bezug zum Untersuchungsgegenstand, um diejenigen Daten auszusortieren, die dem Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung zuzurechnen seien. Die verbleibenden Daten würden dem Ausschuss übermittelt. Die übrigen Daten würden sämtlich und unverzüglich gelöscht. Es sei daher nicht damit zu rechnen, dass etwa private E-Mails der Klägerin oder Daten ohne Bezug zum Untersuchungsgegenstand an die Öffentlichkeit gelangten.
Die vorgesehene Beweiserhebung sei auch ordnungsgemäß. Die Beweismittel und Beweistatsachen seien hinreichend bestimmt. Das Beweisziel sei klar, was der Beweisbeschluss Nr. 24 a zeige. Der Hintergrund dafür sei der Umstand, dass bisher auffallend wenig Akten zur Verfügung gestellt worden seien. Die Klägerin sei als damalige Ministerin im Vorfeld des Polizeieinsatzes eng in die Entscheidungen eingebunden gewesen. Das Ziel sei die Aufklärung des Sachverhalts im Rahmen der parlamentarischen Kontrolle. Eine unzulässige Ausforschung finde nicht statt. Dies sei erst der Fall, wenn ohne jegliche tatsächliche Grundlage €völlig ins Blaue hinein€ Beweisanträge gestellt würden. Hier wolle der Untersuchungsausschuss jedoch €Licht ins Dunkel€ des Komplexes bringen. Die Erforderlichkeit der Beweisaufnahme sei im Beweisbeschluss Nr. 24 a des Untersuchungsausschusses umfassend dargelegt worden.
Der nicht ausforschbare Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung sei nicht berührt. Es handle sich hier um abgeschlossene Vorgänge aus der vorangegangenen Legislaturperiode, welche die Vorgängerregierung beträfen. Im Übrigen sei vorgesehen, dass Daten aussortiert würden, die diesem Kernbereich zuzurechnen seien.
Ein Löschungsanspruch nach § 23 Abs.1 Nr. 2 LDSG stehe nicht entgegen. Solange die Regelungen des Untersuchungsausschusses vorgehen, dürfe keine Löschung vorgenommen werden. Denn eine Löschung würde die Erfüllung verfassungsrechtlicher Pflichten des Umweltministeriums gegenüber dem Untersuchungsausschuss verhindern. Der Sicherungszweck sei gewesen, bei der Umressortierung im April 2011 eine Wiederherstellung des ursprünglichen Serverbestandes zu ermöglichen. Dieser Sicherungszweck sei im Zeitpunkt der ersten Beweiserhebung des Untersuchungsausschusses im Dezember 2013 noch vorhanden gewesen. Es sei nämlich hier im Gegensatz zur Fallgestaltung im Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 30.07.2014 - 1 S 1352/13 - nicht um die Datensicherung einer Einzelperson gegangen, sondern um die Datensicherung des Datenbestandes eines gesamten Ministeriums. Es hätten im Zusammenhang mit der Neubildung ganzer Ressortbereiche IT-Strukturen erst neu konzipiert, aufgebaut oder reorganisiert und deren Verlässlichkeit verifiziert werden müssen. Daher sei eine redundante Datensicherung über einen längeren Zeitraum zwingend erforderlich gewesen. Die Datensicherung habe sich daher nicht mit dem Ausscheiden der Klägerin aus dem Amt erledigt. Mittlerweile sei eine datenschutzrechtlich relevante Zweckänderung eingetreten, dass nunmehr eine Nutzung durch den Untersuchungsausschuss im Raume stehe. Zwar bestehe eine strenge Zweckbindung. Dieser Grundsatz stehe jedoch der Beweiserhebung eines Untersuchungsausschusses nicht entgegen. Die strafprozessualen Beweiserhebungsnormen seien als besondere Vorschriften im Sinne des § 2 Abs. 5 LDSG anzusehen, die sich über die Zwecksetzung des § 15 Abs. 4 LDSG hinwegsetzen könnten. Wenn eine Zweckänderung einfachgesetzlich unbeachtlich sein könne, dann gelte dies erst recht, wenn dies Verfassungsrecht gebiete. Es bestehe nach Auffassung des Untersuchungsausschusses eine Diskrepanz zwischen dem vorhandenen Aktenbestand und den Begleitumständen der Polizeiaktion. Diese Diskrepanz sei nur zu klären, wenn auch der E-Mail-Verkehr zwischen den beteiligten Personen ausgewertet werde. Es gebe kein Primat des Datenschutzrechts. Da die Beweiserhebung des Untersuchungsausschusses rechtmäßig sei und die Verfahrensrechte der Klägerin gewährleistet seien, stünden einer Verwertung der den Gegenstand des Untersuchungsauftrages betreffenden E-Mails der Klägerin keine Hinderungsgründe entgegen.
Schließlich bestehe auch kein Verbot der Herausgabe der Sicherungsdateien an den Untersuchungsausschuss.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Dem Gericht liegen die ihm vom Umweltministerium vorgelegten Akten (2 Bände) vor. Hierauf und auf die Gerichtsakte wird wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen.
Gründe
Mit dem Einverständnis der Beteiligten entscheidet das Gericht ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die Klage ist zulässig.
Die örtliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts Sigmaringen ergibt sich aus § 52 Nr. 3 Satz 2 VwGO, da die Klägerin im Zuständigkeitsbezirk dieses Gerichts ihren Wohnsitz hat.
Entsprechend dem Hauptantrag ist hier die Verpflichtungsklage für das Löschungsbegehren die richtige Klageart. Zwar stellt allein die Löschung von Daten einen bloßen Realakt und damit schlichtes Verwaltungshandeln dar. Diesem geht aber im vorliegenden Fall mit dem Bescheid des Umweltministeriums vom 12.12.2014 der behördliche Verwaltungsakt voraus, mit dem der Löschungsantrag förmlich abgelehnt wird. Damit ist das aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG abgeleitete subjektive Recht auf informationelle Selbstbestimmung zum Schutz vor unberechtigter Datenverarbeitung in unmittelbar rechtserheblicher Weise betroffen (vgl. Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Auflage, 2010, § 42 RdNr. 176). In prozessualer Hinsicht steht der Klägerin daher grundsätzlich ein Antrag auf Verpflichtung des Umweltministeriums offen, dem Löschungsantrag förmlich stattzugeben. Auch das hilfsweise geltend gemachte Leistungsbegehren, die Herausgabe der beim Umweltministerium vorhandenen Daten an den Untersuchungsausschuss zu unterlassen, ist in prozessualer Hinsicht nicht zu beanstanden.
Da die Klägerin vor dem Hintergrund eines grundsätzlich bestehenden Löschungsanspruchs einen dementsprechenden Antrag gestellt hat, der von der Behörde abgelehnt wurde, besteht, ebenso betreffend die Abwendung der Herausgabe der Daten an den Untersuchungsausschuss, für die Klage insgesamt ein Rechtsschutzbedürfnis. Schließlich ist kein Vorverfahren erforderlich (§ 68 Abs. 1 Satz 2 Nr.1 VwGO; wegen § 1 Ministergesetz - öffentlich-rechtliches Amtsverhältnis - kein Fall des § 54 Abs. 2 BeamtStG).
Die Klage ist jedoch insgesamt unbegründet.
Der Ablehnungsbescheid des Umweltministeriums vom 12.12.2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Dem Anhörungsschreiben vom 04.12.2014 kommt hingegen keine Verwaltungsaktqualität zu. Die Klägerin kann im hier maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung über ihr Begehren nicht die Löschung ihres als Sicherungskopie auf Magnetbändern des Umweltministeriums vorhandenen E-Mail-Verkehrs aus der Zeit vom 01.08.2010 bis zum 31.01.2011 verlangen (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Auch der Hilfsantrag auf Verurteilung des Beklagten, die Herausgabe des Datenmaterials an den Untersuchungsausschuss zu unterlassen, bleibt erfolglos.
Zur Begründung ihres mit dem Hauptantrag geltend gemachten Löschungsanspruchs beruft sich die Klägerin insbesondere auf §§ 23 Abs. 1 Nr. 2 und 15 Abs. 4 LDSG. Im Ergebnis kann sie damit aber nicht durchdringen.
Nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG sind personenbezogene Daten zu löschen, wenn ihre Kenntnis für die speichernde Stelle zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht mehr erforderlich ist. Unstreitig handelt es sich bei den streitgegenständlichen Dateien um personenbezogene Daten. Nach der Legaldefinition des § 3 Abs. 1 LDSG sind dies Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Betroffener). Die Daten im elektronischen Postfach der Klägerin betreffen solche Einzelangaben jedenfalls über deren sachliche Verhältnisse. Denn es geht um ihre Kommunikation mit Dritten über Sachverhalte, die sich auf sie und ihre ausgeübte Funktion als Ministerin beziehen. Es handelt sich daher um personenbezogene Daten. Speichernde Stelle im Sinne des § 3 Abs. 3 LDSG ist das Umweltministerium.
Die in Rede stehenden Dateien sind für dieses Ministerium jedenfalls im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, welcher hier maßgeblich ist, nicht mehr im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG zur Aufgabenerfüllung erforderlich. Denn die Datensicherung erfolgte allein wegen der nach dem Regierungswechsel im Frühjahr 2011 zu erwartenden IT-Veränderungen infolge der Verschiebung einzelner Ressortbereiche des bisherigen Ministeriums. Diese Umorganisation einschließlich der Verlässlichkeitsprüfungen der neuen IT-Strukturen ist inzwischen abgeschlossen. Damit ist der Zweck der Datensicherung entfallen.
Grundsätzlich ist danach zugunsten der Klägerin ein Löschungsanspruch entstanden. Zweck dieses Anspruchs nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG ist, die aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung folgende Zweckbindung der erhobenen Daten durchzusetzen.
Hinzu kommt das in § 15 Abs. 4 LDSG verankerte absolute Zweckentfremdungsverbot. Danach dürfen personenbezogene Daten, die ausschließlich zum Zweck der Datenschutzkontrolle, der Datensicherung oder zur Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Betriebs einer Datenverarbeitungsanlage gespeichert wurden, nur für diesen Zweck und hiermit im Zusammenhang stehende Maßnahmen gegenüber Bediensteten genutzt werden. Es besteht damit eine strenge Zweckbindung der für Zwecke der Datenschutzkontrolle und/oder Datensicherung gespeicherten Daten. Damit soll grundsätzlich verhindert werden, dass Datenbestände, die zum Zwecke des Datenschutzes und der Datensicherheit angelegt wurden, als allgemeine Informationsgrundlage verwendet werden (vgl. die näheren Ausführungen hierzu im Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 30.07.2014 - 1 S 1352/13 -, juris, dort insbesondere RdNrn. 47, 61 bis 66).
Diese Feststellungen sind jedoch - im Gegensatz zur Konstellation, die das Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 30.07.2014 - 1 S 1352/13 - (juris) zum Gegenstand hatte - für den vorliegenden Fall wegen der Überlagerung durch die parlamentarischen Kontrollrechte nicht von entscheidungserheblicher Bedeutung, wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen ergeben wird. Ebenso wenig ist eine Beweiserhebung notwendig zur Frage, bis zu welchem Zeitpunkt die Datensicherung zur Verhinderung etwaiger Datenverluste im Zuge der Umressortierungen infolge der Landtagswahl 2011 aus technischer Sicht erforderlich war. Denn der Zeitpunkt des mit der erfolgten Datensicherung erreichten Zwecks ist nicht entscheidungserheblich. Wie darzustellen sein wird, ist nach Auffassung des Gerichts für die rechtmäßige Ablehnung des Löschungsantrags nicht der Zeitpunkt der Zweckerreichung der Datenspeicherung von Bedeutung, sondern in zeitlicher Hinsicht der bloße Umstand, dass gegenwärtig vor dem Hintergrund der Anforderung der Sicherungskopien durch den Untersuchungsausschuss aufgrund seines Beweisbeschlusses Nr. 24 a das Datenmaterial noch vorhanden ist.
Der im Grundsatz bestehende Löschungsanspruch wird hier durch vorrangige Rechtsvorschriften überlagert. Nach § 2 Abs. 5 Satz 1 LDSG gehen besondere Rechtsvorschriften des Bundes oder des Landes den Vorschriften des Landesdatenschutzgesetzes vor, soweit sie auf personenbezogene Daten anzuwenden sind. Das Landesdatenschutzgesetz erhält damit die Funktion eines Auffanggesetzes. Rechtsgrundlagen mit bereichsspezifischen Regelungen gelten unabhängig davon (vgl. zur entsprechenden Vorschrift des § 1 Abs. 3 BDSG: Gola/Schomerus, BDSG, 10. Auflage, § 1 RdNr. 24). Das in § 2 Abs. 5 Satz 1 LDSG genannte tatbestandliche Erfordernis, dass besondere Rechtsvorschriften auf personenbezogene Daten zur Anwendung kommen müssen, um die Vorschriften des Landesdatenschutzgesetzes zu verdrängen, soll gewährleisten, dass nicht jede Rechtsnorm außerhalb des Datenschutzrechts einen Zugriff auf personenbezogene Daten ermöglichen soll. Einen derartigen Zugriff soll nur eine spezielle Datenschutzvorschrift erlauben können. Normen, die Datenverarbeitungsvorgänge lediglich voraussetzen, reichen nicht aus. Anerkannt ist, dass diesen Anforderungen des § 2 Abs. 5 LDSG an besondere Rechtsvorschriften die §§ 160, 161, 163 StPO über die Beweiserhebung in Ermittlungsverfahren entsprechen. Diese sind die allgemeinen Rechtsgrundlagen für Datenerhebungen durch Strafverfolgungsbehörden. Insbesondere ist § 161 Abs. 1 StPO eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die allgemeine Erhebung personenbezogener Daten im Ermittlungsverfahren (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 17.02.2009 - 2 BvR 1372/07 und 1742/07 -, juris RdNr. 26). Die strafprozessualen Beweiserhebungsnormen sind deshalb besondere Vorschriften im Sinne des § 2 Abs. 5 LDSG, die sich auch über die Zwecksetzung des § 15 Abs. 4 LDSG hinwegsetzen können (hierzu auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 30.07.2014 - 1 S 1352/13 -, juris RdNr. 68 m.w.N.). Die genannten strafprozessualen Vorschriften, darunter vor allem § 161 Abs. 1 StPO, ermöglichen wegen der übergeordneten Interessenlage an der Aufklärung von Straftaten die nicht durch das Landesdatenschutzgesetz beschränkte freie Gestaltung der Ermittlungstätigkeit der Strafverfolgungsbehörde (vgl. dazu ebenso § 1 Abs. 3 Bundesdatenschutzgesetz).
Entgegen der Auffassung der Klägerin stellen auch Vorschriften des Untersuchungsausschussgesetzes, insbesondere § 13 Abs. 1 UAG, die hier zur Anwendung kommen, €besondere Rechtsvorschriften€ im Sinne des § 2 Abs. 5 LDSG dar, welche die Regelungen des Landesdatenschutzgesetzes überlagern.
Für einen Untersuchungsausschuss des Bundestages sind nach Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG auf Beweiserhebungen die Vorschriften über den Strafprozess sinngemäß anzuwenden. In Art. 35 LV findet sich für Untersuchungsausschüsse des Landtags eine derartige direkte Verweisung zwar nicht. Nach Art. 35 Abs. 4 Satz 1 LV wird das Nähere über die Einsetzung, die Befugnisse und das Verfahren der Untersuchungsausschüsse durch Gesetz geregelt. In § 13 Abs. 6 UAG findet sich für die Beweisaufnahme die Verweisung auf die Vorschriften über den Strafprozess, die entsprechend gelten, soweit sich aus dem Untersuchungsausschussgesetz nichts anderes ergibt. Die Verweisung erstreckt sich auf alle Bestimmungen, die die strafprozessuale Sachverhaltsaufklärung regeln. Sie erfasst sowohl befugnisbegründende als auch befugnisbegrenzende Regelungen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.06.2009 - 2 BvE 3/07 -, juris RdNr. 108).
Über § 13 Abs. 6 UAG werden damit strafprozessuale Befugnisse hinsichtlich der Beweiserhebung in entsprechender Weise auf den Untersuchungsausschuss übertragen. Besondere, von strafprozessualen Regelungen abweichende Vorschriften über die Beweiserhebung enthält das Untersuchungsausschussgesetz nicht. Ob § 14 UAG, der u.a. die Pflicht zur Aktenvorlage und Auskunftserteilung der Landesbehörden regelt, in diesem Zusammenhang eine Sonderregelung darstellt, wie die Klägerin meint, kann dahingestellt bleiben. Denn auf diesen Aspekt kommt es, wie an späterer Stelle dargestellt wird, nicht entscheidungserheblich an. Die Übertragung der strafprozessualen Befugnisse ohne die Loslösung von den Vorschriften des Landesdatenschutzgesetzes gemäß § 2 Abs. 5 LDSG würde dazu führen, dass das Beweiserhebungsrecht des Untersuchungsausschusses, soweit dieses Zugriff gerade auch auf von der Exekutive nicht freiwillig bereit gestelltes Datenmaterial über die Regierungstätigkeit verschaffen soll, leer liefe. Die parlamentarische Kontrolle bliebe unwirksam (vgl. im Zusammenhang mit dem Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung: BVerfG, Beschluss vom 17.6.2009 - 2 BvE 3/07 -, juris RdNr. 124 sowie Beschluss vom 30.03.2004 - 2 BvK 1/01 -, juris RdNr. 51).
Darüber hinaus ergibt sich der Vorrang als €besondere Rechtsvorschriften€ im Sinne von § 2 Abs. 5 LDSG auch aus der Teleologie der in Rede stehenden Regelungen für den Untersuchungsausschuss. Das Kontrollrecht des parlamentarischen Untersuchungsausschusses einschließlich des Beweiserhebungsrechts (Art. 35 Abs. 2 bis 4 LV) und der grundrechtliche Datenschutz stehen sich auf der Ebene des Verfassungsrechts gegenüber und müssen im konkreten Fall einander so zugeordnet werden, dass beide so weit wie möglich ihre Wirkungen entfalten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.06.2009 - 2 BvE 3/07 -, juris RdNr. 133 im Hinblick auf Art. 44 GG). Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei dem in Art. 44 GG (für den Bundestag) und Art. 35 LV (für den Landtag) geregelten Untersuchungsrecht um eines der ältesten und wichtigsten Rechte der Parlamente handelt. Das parlamentarische Untersuchungsverfahren dient der Aufklärung eines Sachverhalts zu politischen Zwecken und zur Wahrnehmung der Kontrollfunktion des Parlaments (OLG Stuttgart, Beschluss vom 15.11.2012 - 4a VAs 3/12 -, juris RdNr. 12). Wegen der umfassenden politischen Aufklärungsfunktion eines Untersuchungsausschusses kommt hinzu, dass sogar Regeln und Abwägungen, die etwa für die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter oder rechtswidrig aufbewahrter Informationen in Strafverfahren und anderen gerichtlichen Verfahren maßgebend sind, auf die Verwertung solcher Informationen durch einen Untersuchungsausschuss nicht ohne weiteres übertragen werden können. Insbesondere kann der Gesichtspunkt präventiver Vermeidung künftiger Rechtsverstöße gerade gegen ein Verwertungsverbot sprechen, soweit es um die Zugänglichkeit von Informationen für einen Untersuchungsausschuss geht. Dies gilt vor allem - wie auch im hier vorliegenden Fall - im Rahmen von MissstandsenquĂȘten. Dem parlamentarischen Informationsinteresse kommt besonderes Gewicht zu, soweit es um die Aufklärung behaupteter Rechtsverstöße und vergleichbarer Missstände im Verantwortungsbereich der Regierung geht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.06.2009 - 2 BvE 3/07 -, juris RdNr. 136 und 145, dort auch im Hinblick auf die Berührung des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung). Das Beweiserhebungsrecht des Untersuchungsausschusses ist weit zu fassen. Zur Beweiserhebung gemäß Art. 35 Abs. 2 Satz 1 LV und § 13 Abs. 1 UAG zählt nicht nur die Beweisaufnahme im engeren Sinne (entsprechend § 244 Abs. 1 StPO), sondern der gesamte Vorgang der Beweisverschaffung, Beweissicherung und Beweisauswertung. Erfasst ist daher neben der Ladung und Vernehmung von Zeugen nicht nur die Einsichtnahme in Dokumente und deren Auswertung, sondern auch bereits deren Anforderung zur Vorlage (BVerfG, Beschluss vom 17.06.2009 - 2 BvE 3/07 -, juris RdNr. 109). Die dem Untersuchungsausschuss zugedachte Ermittlungs- und Aufklärungsfunktion kann dieser nur umfassend wahrnehmen, wenn sich sein Beweiserhebungsrecht einschließlich des Rechts auf Vorlage und Auswertung von Beweismitteln, welche wie hier personenbezogene Daten auf Sicherungskopien enthalten, gegenüber den die Datenverarbeitung begrenzenden Vorschriften des Landesdatenschutzgesetzes durchsetzt.
Die umfassenden Rechte des Untersuchungsausschusses sind jedoch an verschiedene Voraussetzungen geknüpft, welche im vorliegenden Fall erfüllt sind.
Das Beweiserhebungsrecht eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses wird zunächst begrenzt durch den im Einsetzungsbeschluss zu bestimmenden Untersuchungsauftrag. Dieser muss sich im Rahmen der parlamentarischen Kontrollkompetenz halten und hinreichend deutlich bestimmt sein. Dies folgt aus dem Sinn und Zweck des parlamentarischen Untersuchungsrechts, aus dem Rechtsstaats- und dem Gewaltenteilungsprinzip sowie aus der Stellung des Untersuchungsausschusses als Hilfsorgan des Landtags. Der Landtag hat als Herr des Untersuchungsverfahrens dessen Rahmen selbst abzustecken und darf diese Aufgabe nicht auf den Ausschuss delegieren. Diese Abgrenzung dient auch dem Schutz des Untersuchungsbetroffenen, denen gegenüber das Untersuchungsrecht sogar Eingriffs- und Zwangsbefugnisse verleiht. Die Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes hat auch Bedeutung für die Reichweite der von Behörden und Gerichten zu leistenden Amtshilfe.
Die förmlichen Beweisbeschlüsse Nr. 3 und Nr. 24 a halten sich im Rahmen des Einsetzungsbeschlusses des Landtags vom 18.12.2013 (vgl. § 2 Abs. 2 UAG sowie Landtagsdrucksache 15/XXX). Insbesondere der Beweisbeschluss Nr. 24 a, mit dem die Beiziehung der den E-Mail-Verkehr der Klägerin enthaltenden Sicherungskopien vom Umweltministerium beschlossen wurde, ist vor dem Hintergrund des Untersuchungsauftrags keineswegs aus der Luft gegriffen. Die Beweismittel und die Beweistatsachen sind in einer für die Vollziehbarkeit des Beschlusses hinreichend bestimmten Weise angegeben worden. Auch ist das Beweisziel erkennbar. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass das parlamentarische Untersuchungsverfahren Besonderheiten gegenüber dem Strafverfahren, das anderen Zielen dient, unterliegt. Während im Strafverfahren die Verwirklichung eines bestimmten festumrissenen Tatbestandes im Hinblick auf die individuelle Schuld einer Person geprüft wird, geht es im Untersuchungsausschuss um die Aufklärung eines Sachverhalts zu politischen Zwecken, vor allem um die Wahrnehmung der Kontrollfunktion des Parlaments. Es bedarf mit Rücksicht auf den Schutz der Grundrechte der von der Untersuchung betroffenen Person aus Gründen der Verhältnismäßigkeit greifbarer, hinreichend tatsachengestützter Anhaltspunkte, dass die Beweiserhebung der Erfüllung des Untersuchungsauftrags dienen kann. Unzulässig wäre es, lediglich einen €Schuss ins Dunkle€ abzugeben, um den Gesamtbereich der Regierungspolitik oder gar den privaten Bereich eines Betroffenen auszuforschen. Die einzelne Beweiserhebung eines Untersuchungsausschusses muss aber nicht auf bestimmte Tatsachen bezogen sein, sondern kann darauf abzielen, zunächst €Licht ins Dunkel€ eines Untersuchungskomplexes zu bringen, um auf diese Weise die Aufklärung von politischen Verantwortlichkeiten zu ermöglichen. Im Untersuchungsausschussverfahren ist eine Beweisbehauptung im strafprozessualen Sinne daher nicht Voraussetzung einer Beweiserhebung. Die Grenze zulässiger Ausforschung ist erst dort erreicht, wo Beweisanträge ohne jegliche tatsächliche Grundlage €völlig ins Blaue hinein€ gestellt werden (BVerfG, Beschluss vom 17.06.2009 - 2 BvE 3/07 -, juris RdNr. 111 m.w.N. sowie StGH Baden-Württemberg, Urteil vom 13.08.1991 - GR 1/91 - VBlBW 1991, 414, 421).
Aus der umfangreichen Begründung zum Beweisbeschluss Nr. 24 a wird deutlich, dass hinreichend tatsachengestützte Anhaltspunkte für die Beiziehung der Sicherungskopien durch den Untersuchungsausschuss vorliegen. Die Grenzen der reinen Ausforschung im Sinne eines €Schusses ins Dunkle€ sind nicht erreicht. Das betrifft wegen des Vorlaufs und der Nachwirkungen hinsichtlich des Untersuchungskomplexes auch den Zeitraum vom 01.08.2010 bis 31.01.2011, aus dem der E-Mail-Verkehr der Klägerin beigezogen wird. Die Klägerin hat nach der Begründung zu diesem Beweisbeschluss wenige Tage vor dem Termin vom 30.09.2010 für den Polizeieinsatz im Sch. an einem Strategiegespräch in kleiner Runde mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten und dem ehemaligen Polizeipräsidenten teilgenommen, ebenso bei einem Gespräch im Staatsministerium am Vortag des Polizeieinsatzes. Ferner war sie Teilnehmerin an der Pressekonferenz am 30.09.2010 im Landtag sowie an einer Besprechung am Abend desselben Tages. Zudem ist eine E-Mail der Klägerin an den ehemaligen Ministerpräsidenten vom 21.09.2010 aufgetaucht, in der von einer Vereinbarung die Rede ist, die Bäume ab dem 01.10.2010 zu fällen, um zu verhindern, dass Parkschützer lange Zeit für etwaige Baumbesetzungen haben. Es sei Ziel, dass bis zur Regierungserklärung des damaligen Ministerpräsidenten mit den Bäumen alles erledigt sei. Wie die Begründung nachvollziehbar ausführt, scheine nach dieser E-Mail die damalige Regierungserklärung einen größeren Einfluss auf den Termin des Polizeieinsatzes gehabt zu haben als bislang bekannt. Es könnten daher politische Rahmenbedingungen polizeiliche Erwägungen überstrahlt haben. Diese Begründung ist plausibel. Die angestrebte Beweiserhebung ist daher grundsätzlich nicht zu beanstanden.
Beweismittel sind die beim Umweltministerium noch vorhandenen Sicherungskopien, die von diesem dem Untersuchungsausschuss vorgelegt werden sollen.
Die Sicherungskopien stellen keine Akten im Sinne von § 14 Abs. 1 UAG dar. Der Aktenbegriff des Untersuchungsausschussgesetzes ist mit dem in den §§ 147, 199 StPO identisch. Dazu gehören alle schriftlich erstellten Unterlagen, die in einem (Ermittlungs-) Verfahren angefallen sind, sowie auch Ton- und Bildaufnahmen ebenso wie Computerdateien. Beweisstücke wie PCs oder Festplatten stellen hingegen keine Aktenbestandteile dar. Dementsprechend sind die vorhandenen Magnetbänder, auf denen völlig unabhängig von einer thematischen Zuordnung zu bestimmten Vorgängen oder Verfahren die Daten von etwa 600 Accounts gesammelt sind, als Beweisstücke zu qualifizieren. Dies hat zur Folge, dass im vorliegenden Fall § 14 UAG nicht zur Anwendung kommen kann. Dies beinhaltet zugleich aber auch keine Beschränkung der Beweiserhebung dahingehend, dass der Untersuchungsausschuss von den Landesbehörden nur die Vorlage von Akten verlangen könnte und die Vorlage anderer Beweismittel auf der Grundlage von § 13 UAG ausgeschlossen wäre.
Die Beweiserhebung nach Art. 35 Abs. 2 Satz 1 LV und § 13 Abs. 1 UAG umfasst entsprechend des dargestellten weiten rechtlichen Rahmens dieses Begriffes die Vorlage der Sicherungskopien an den Untersuchungsausschuss zur Auswertung durch ihn. Denn die Beweiserhebung beinhaltet neben der Anforderung des Beweismittels auch dessen Einsichtnahme und Auswertung. Die auf den Sicherungskopien enthaltenen Daten sind nicht durch das Umweltministerium sichtbar zu machen.
Nach den bisherigen Ausführungen zeigt sich, dass die rechtlichen Voraussetzungen einer Beweiserhebung durch Heranziehung der Magnetbänder mit den Sicherungskopien als Beweisstücke vorliegen. Es bestehen hinreichende Anhaltspunkte, dass die auf den Sicherungskopien vorhandenen Daten für die Erfüllung des Untersuchungsauftrags relevant sein können. Die Anforderung des Datenmaterials durch den Untersuchungsausschuss beim Umweltministerium erscheint daher rechtmäßig.
Andere mögliche Begrenzungen des Rechts des Untersuchungsausschusses sind im vorliegenden Fall nicht durchgreifend.
Anzusprechen sind hier zunächst mögliche Begrenzungen aufgrund des Gewaltenteilungsgrundsatzes. Das Gewaltenteilungsprinzip zielt auf Machtverteilung und die daraus sich ergebende Mäßigung der Staatsherrschaft. In der Verfassungsordnung des Grundgesetzes ist die Teilung der Gewalten nicht als absolute Trennung realisiert und geboten. Die Zweige der Staatsgewalt sind aufeinander bezogen und miteinander verschränkt, dürfen aber ihrer jeweiligen Eigenheit und ihrer spezifischen Aufgaben und Zuständigkeiten nicht beraubt werden. Die Verantwortung der Regierung gegenüber dem Parlament und dem Volk setzt notwendigerweise einen Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung voraus, der einen auch von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich einschließt. Dabei sind Informationen aus dem Bereich der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen, die Aufschluss über den Prozess der Willensbildung geben, umso schutzwürdiger, je näher sie der gubernativen Entscheidung stehen. So kommt den Erörterungen im Kabinett besonders hohe Schutzwürdigkeit zu. Die vorgelagerten Beratungs- und Entscheidungsabläufe sind demgegenüber einer parlamentarischen Kontrolle in einem geringeren Maße entzogen. Besonders hohes Gewicht kommt aber dem parlamentarischen Informationsinteresse zu, soweit es sich - wie ausgeführt - um die Aufdeckung möglicher Rechtsverstöße und vergleichbarer Missstände innerhalb der Regierung handelt (zum Ganzen: BVerfG, Beschluss vom 17.06.2009 - 2 BvE 3/07 -, juris RdNrn. 120 bis 127 m.w.N.). Einer Beurteilung, ob und inwiefern im vorliegenden Fall der Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung tangiert wird, bedarf es hier jedoch nicht. Denn diese Thematik betrifft nicht eigene Rechte der Klägerin, sondern solche der Exekutive. Eine Verletzung von Rechten der Klägerin wegen diesen Gesichtspunkts ist daher hier nicht zu befürchten.
Schließlich haben parlamentarische Untersuchungsausschüsse gemäß Art. 1 Abs. 3 GG die Grundrechte zu beachten. Dabei stößt das Beweiserhebungsrecht des parlamentarischen Untersuchungsausschusses auf das aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG abgeleitete Recht auf informationelle Selbstbestimmung in seiner einfachgesetzlichen Ausgestaltung durch die Vorschriften des Landesdatenschutzgesetzes. Betroffen ist hier insbesondere der auf den Sicherungskopien auch enthaltene private E-Mail Verkehr der Klägerin. Die Wahrung der Rechte der Klägerin hat jedoch nicht das Umweltministerium, sondern der die Beweisstücke empfangende Untersuchungsausschuss sicherzustellen. Zu diesem Komplex hat das OLG Stuttgart in seinem Beschluss vom 15.11.2012 - 4a VAs 3/12 - (juris, RdNr. 15) folgende Erwägungen angestellt, denen sich das Verwaltungsgericht auch hinsichtlich des Datenmaterials auf den Magnetbändern anschließt:
€Nach der neueren Rechtsprechung des BVerfG (E 124, 78 [117, 125]) hat der Untersuchungsausschuss die Grundrechte Dritter, etwa das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, zu beachten, das nur im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eingeschränkt werden darf. Auch dazu sind ihm die vollständigen Akten vorzulegen, damit er sich ein Bild vom Umfang ihrer Entscheidungserheblichkeit machen kann. Hieraus ergibt sich, dass die erforderliche Verhältnismäßigkeitsprüfung in Fällen der Betroffenheit des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung bei der Gewährung von Akteneinsicht gegenüber parlamentarischen Untersuchungsausschüssen nicht im Kompetenzbereich der die Akteneinsicht gewährenden Stelle liegt. Es ist nicht deren Aufgabe diese Beschränkungen zu prüfen und gegebenenfalls die Einsicht zu versagen. Vielmehr obliegt es dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss in eigener Verantwortung den Schutz solcher Rechtspositionen durch Geheimhaltungsmaßnahmen oder - in letzter Konsequenz - durch Rückgabe entsprechender Aktenbestandteile nach Vorprüfung zu gewährleisten.€
Die Sicherstellung der Rechte der Klägerin kann, sofern konsensual keine andere Lösung zustande kommt, etwa erfolgen bereits durch Begrenzung des sichtbar gemachten und dem Ausschuss vorgelegten Materials entsprechend dem Verfahrensvorschlag in der Begründung zum Beweisbeschluss Nr. 24 a, durch den Ausschluss der Öffentlichkeit (Artikel 35 Abs. 2 Satz 3 LV, § 32 Geschäftsordnung des Landtags) sowie durch eine die Rechte der Klägerin wahrende Abfassung des Schlussberichts und einer Prüfung, ob die Verfügung einer Geheimhaltungsstufe in Betracht kommt.
Zusammenfassend gesehen bleibt damit der Hauptantrag ohne Erfolg, da dem von der Klägerin geltend gemachten Löschungsanspruch im vorliegenden Fall die Pflicht des Umweltministeriums gegenübersteht, das Datenmaterial dem Untersuchungsausschuss, der dieses rechtmäßig angefordert hat, zur Verfügung zu stellen. Im Ergebnis kommt hier den parlamentarischen Kontrollrechten gegenüber dem Recht der Klägerin auf informationelle Selbstbestimmung das größere Gewicht zu.
Entsprechend den obigen Ausführungen bleibt auch der Hilfsantrag mit dem Ziel, das Umweltministerium zu verurteilen, es zu unterlassen, das Datenmaterial an den Untersuchungsausschuss herauszugeben, erfolglos.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Von der Möglichkeit, das Urteil hinsichtlich der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären (167 Abs. 2 VwGO), macht das Gericht keinen Gebrauch.
Wegen des obergerichtlich nicht abschließend geklärten Verhältnisses des Landesdatenschutzgesetzes zum Untersuchungsausschussgesetz lässt das Verwaltungsgericht die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu (§§ 124 a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
VG Sigmaringen:
Urteil v. 20.05.2015
Az: 5 K 5439/14
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/f44a9817d1dc/VG-Sigmaringen_Urteil_vom_20-Mai-2015_Az_5-K-5439-14