Bundespatentgericht:
Beschluss vom 16. Februar 2000
Aktenzeichen: 28 W (pat) 80/99

(BPatG: Beschluss v. 16.02.2000, Az.: 28 W (pat) 80/99)

Tenor

Die Beschwerden werden zurückgewiesen

Gründe

I.

Gegen die Eintragung der am 11. September 1996 eingetragenen Marke 396 15 978 Redy Linefür

"08: manuell betriebene Handwerkzeuge für die Elektrotechnik und Elektronik; 07: maschinelle Geräte zum Schweißen, Abmanteln, Abisolieren, Verlegen, Anschließen und/oder Verpressen von elektrischen Leitern und/oder Kabeln; 09: elektrische/elektronische Meß- und Testgeräte wie Durchgangstester, Spannungs- und Stromprüfer; 08: handbetätigte Ausklinkwerkzeuge, handbetätigte Kabelbinderwerkzeuge und Kabelbinder, Schraubendreher; 09: Zubehör für die vorstehend genannten Handwerkzeuge und maschinellen Geräte, nämlich Aderendhülsen, Kabelschuhe, elektrische Steck- und Buchsenkontakte; 07: motorisch oder hydraulisch betriebene Handwerkzeuge für die Elektrotechnik und Elektronik; 09: maschinelle Geräte zum Schweißen von elektrischen Leitern und/oder Kabeln"

ist Widerspruch erhoben wordena) aus der unter der Nummer 11 81 606 eingetragenen Wort-/Bildmarkesiehe Abb. 1 am Endeb) sowie aus der unter der Nummer 11 81 605 eingetragenen Marke AGA Redlinedie beide seit dem 15. Oktober 1991 jeweils für die Waren "Regler und Ventile für Gas, auch als Maschinenteile für Gasleitungen" geschützt sind.

Die Markeninhaberin hat den Einwand der Nichtbenutzung erhoben, woraufhin die Widersprechende zur Glaubhaftmachung verschiedene Unterlagen in Form von Prospekten, Preislisten, Produktbeschreibungen und Auszügen aus Fachzeitschriften sowie eine eidesstattliche Versicherung ua zur Höhe des Umsatzes für die beiden Marken im Jahr 1995 eingereicht hat.

Die Markenstelle hat die Widersprüche zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Aus den zur Glaubhaftmachung der Benutzung vorgelegten Unterlagen ergebe sich nicht die funktionsgerechte Benutzung der Marken in Verbindung mit den beanspruchten Waren; insbesondere sei das Wort Redline nirgends auf den Waren angebracht zu erkennen. Auch hinsichtlich der Angaben zur Umsatzhöhe werde nicht zwischen den beiden Widerspruchsmarken differenziert. Darüber hinaus sei schon deshalb keine Verwechslungsgefahr gegeben, weil aus dem allein für eine Kollision in Frage kommenden Element "Redline" keine Rechte hergeleitet werden könnten, da es die jeweilige Gesamtmarke nicht entscheidend präge.

Hiergegen richten sich die Beschwerden der Widersprechenden. Sie legt weiteres Prospektmaterial zur Benutzung vor und weist unter Bezugnahme auf die Rechtsliteratur darauf hin, daß eine rechtserhaltende Benutzung nicht notwendig das Anbringen der Marke auf den Waren erfordere; vielmehr reiche ein konkreter Produktbezug aus, der vorliegend dadurch hergestellt sei, daß zumindest die Marke 11 81 605 jeweils auf Gebrauchsanweisungen, Preislisten und technischen Merkblättern deutlich aufgebracht (zB in der Form von Überschriften) zu lesen sei. Aber auch auf den Waren finde sich der Bestandteil "REDLINE" wieder, und zwar in bildlicher Darstellung in der Form eines roten Ringes bzw in der Seitenansicht einer roten Linie, die deutlich sichtbar auf einer metallglänzenden Grundplatte in Erscheinung träte. Durch diese bildliche Wiedergabe sei sogar der kennzeichnende Charakter der Marke 11 81 606 gewahrt, der sich in der "roten Linie" in jeglicher Wiedergabeform verkörpere. Damit werde die Funktion der Marke erfüllt, die mit einem Ring gekennzeichneten Waren von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden.

Vor dem Hintergrund bestehender Warenähnlichkeit sei eine Verwechslungsgefahr angesichts der Nähe der Marken nicht mehr auszuschließen, zumal sich der Verkehr in beiden Widerspruchsmarken am Bestandteil "Redline" als eigentlicher Produktmarke und nicht etwa am Firmennamen "AGA" bzw dem graphischen Beiwerk orientieren werde. Redy Line und Redline seien unmittelbar zu verwechseln.

Die Widersprechende stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluß des Deutschen Patent- und Markenamtes aufzuheben und die angegriffene Marke zu löschen.

Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerden zurückzuweisen.

Sie ist weiterhin der Ansicht, daß es an einer ausreichenden Glaubhaftmachung der Benutzung beider Marken fehle. Darüber hinaus müsse sowohl Waren- wie Markenähnlichkeit bezweifelt werden.

II.

Die zulässigen Beschwerden der Widersprechenden sind schon deshalb unbegründet, weil auch nach Auffassung des Senates keine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarken iS von § 26 MarkenG vorliegt. Damit stellt sich die Frage einer Verwechslungsgefahr zwischen den Marken nicht mehr.

1. Nachdem die Markeninhaberin in zulässiger Weise die Benutzung der Widerspruchsmarken bestritten hat, wäre es nach §§ 43 Abs 1, 26 MarkenG Aufgabe der Widersprechenden gewesen, glaubhaft zu machen, daß die Widerspruchsmarken sowohl innerhalb der letzten 5 Jahre vor der Bekanntmachung der angegriffenen Marke - Zeitraum Dezember 1991 bis Dezember 1996 - wie vor der Entscheidung über die Widersprüche im Beschwerdeverfahren - Zeitraum Februar 1995 bis Februar 2000 - rechtserhaltend benutzt worden sind (vgl BGH BlPMZ 1998, 519 - DRAGON -). Die Glaubhaftmachung hat sich dabei auf die Verwendung der Marke nach Art, Zeit und Umfang zu erstrecken, wobei sich eindeutig ergeben muß, in welcher Form, in welchem Zeitraum und in welchem Umfang die Benutzung erfolgt ist. Diese Erfordernisse müssen insgesamt erfüllt sein. Das ist vorliegend schon deshalb nicht der Fall, weil bei beiden Widerspruchsmarken keine funktionsgemäße Benutzung, die einen unmittelbaren Bezug zu den betroffenen Waren aufweist, festgestellt werden kann.

An diesem Erfordernis des unmittelbaren Warenbezugs ist auch unter Geltung von § 26 MarkenG festzuhalten (BGH GRUR 1996, 267 - AQUA -), so daß in der bloßen isolierten Wiedergabe der Marke in Preislisten, Katalogen und Gebrauchsanweisungen oder Technischen Informationsblättern regelmäßig dann keine funktionsgemäße Benutzung der Marke im Rechtssinne vorliegt, wenn eine Anbringung auf der Ware technisch möglich und branchenüblich ist (BPatGE 36, 226 - ESTAVITAL -). Entgegen der Auffassung der Widersprechenden läßt sich dem neuen Markengesetz nicht entnehmen, daß die Verwendung der Marke schon im bloßen Umfeld der Ware, wenn dies im wirtschaftlichen Kontext mit ihr geschieht, für eine rechtserhaltende Benutzung ausreicht. Bei einer solchen Verwendung der Marke wird nämlich dem angesprochenen Verkehr nur die Fähigkeit und Bereitschaft des Markeninhabers zur Lieferung von Markenwaren vermittelt, ohne jedoch die Markenfunktion zu verwirklichen. Die unmittelbare Verbindung von Marke und Ware bleibt jedenfalls dann maßgeblich, wenn dies auf dem beanspruchten Warensektor gängige Praxis ist und wenn es sich um eine wirtschaftlich mögliche, sinnvolle und zumutbare Verwendung der Marke handelt (BGH GRUR 1995, 347 - Tetrasil -; Starck, "Rechtsprechung des BGH zum neuen Markenrecht" in WRP 1996, 269, 272; BGH GRUR 1996, 267, 268 - AQUA -; MarkenR 1999, 297 - HONKA -). Von diesem Grundsatz kann im Hinblick auf die Verwirklichung der Markenfunktion als Unternehmenszuordnungs- und -unterscheidungselement, die weder von der Europäischen Markenrechtsrichtlinie noch dem Markengesetz in Frage gestellt worden ist, allerdings nur in Ausnahmefällen abgesehen werden. Hier liegt jedoch kein Fall einer wirtschaftlich unzumutbaren, unmöglichen oder sinnlosen Verwendung der Marke an der Ware vor.

Auf dem Warengebiet der Armaturen, zu denen die von der Widersprechenden hergestellten Reglerventile gehören, ist es technisch und tatsächlich möglich, die Marke sowohl auf der Ware selbst als auch auf der Verpackung anzubringen (BPatGE 39, 212, 215 - MAPAG -; BPatG GRUR 1996, 981 - ESTAVITAL -). Das wird auch von der Widersprechenden nicht in Frage gestellt. Die von ihr selbst vorgelegten Prospekte und Werbematerialien belegen deutlich, daß es ohne weiteres möglich ist, an der Stirnseite der Ventile und Reglerarmaturen nicht nur den Herstellername AGA groß herauszustellen, sondern auch noch den Markenbestandteil "Redline" wiederzugeben oder die vollständige Wort-/Bildmarke 11 81 606 abzubilden. In dem Maße, in dem auch die Widersprechende üblicherweise ihren Firmennamen "AGA" auf der Ware verwendet, kann es ihr weder technische Schwierigkeiten bereiten, die Marke "AGA Redline", aus der sie Rechte geltend macht, vollständig wiederzugeben, noch ist für den Senat ersichtlich, daß eine solche Handhabung zu wirtschaftlich wenig sinnvollen Ergebnissen oder unangemessenen Nachteilen führt. Dies gilt gleichermaßen für die Wort-/ Bildmarke 11 81 606, deren Wiedergabe auf den Reglerventilen ebenfalls weder ein erkennbar technisches noch ein wirtschaftliches Problem im Sinne der angeführten Rechtsprechung entgegensteht.

Die von der Widersprechenden geforderte großzügigere Handhabung des Benutzungszwangs findet im Markengesetz, wie ausgeführt, keine Stütze. Vielmehr ist für eine rechtserhaltende Benutzung an der Verbindung von Ware und Marke festzuhalten (BPatG aaO - ESTAVITAL und MAPAG -). Auch der Bundesgerichtshof hat in den vorgenannten neueren Entscheidungen deutlich gemacht, daß von einer Verbindung von Marke und Ware nur in Ausnahmefällen abgesehen werden kann, und damit zu erkennen gegeben, daß auch er von einem körperlichen Bezug der Marke zu den in Frage stehenden Waren nicht Abstand nehmen will.

2. Soweit die Widersprechende die Widerspruchsmarke in der Weise benutzt, daß sie auf den Ventilen zusätzlich zur Bezeichnung "AGA" einen roten Ring an der Armatur angebracht hat, sieht der Senat auch hierin keine rechtserhaltende Benutzung. Insbesondere kann der Senat der Argumentation der Widersprechenden nicht folgen, bei dem Ring handele es sich um eine Vergegenständlichung des Wortes "rote Linie" in der Marke 11 81 605 und des Bildbestandteils "Ring" in der Marke 11 81 606 und demzufolge um eine vom kennzeichnenden Charakter der Marke nicht abweichende Benutzungsform gem § 26 Abs 3 MarkenG. Bei dieser von der Markeninhaberin vorgenommenen gedanklichen Transformation geht es nicht mehr um die Frage der Abweichung der benutzten von der eingetragenen Form, sondern die Benutzung stellt sich als eine völlig andere Markenform, nämlich als "Positionsmarke" im Sinne einer sonstigen Marke, dar (vgl Jahresbericht BPatG 1998, GRUR 1999, 608). Eine solche Positionsmarke liegt vor, wenn auf der beanspruchten Ware an stets derselben Stelle und Position, in stets derselben Farbe und in stets gleichbleibenden Proportionen ein Bestandteil angebracht ist, der weder auf dem Warengebiet üblich ist, noch eine funktionelle Bedeutung hat, und dem deshalb eine herkunftshinweisende Funktion zukommen kann (BPatGE 40, 76; Fezer, Markenrecht 2. Aufl, 1999, § 3 Rdn 294 a, 294 b). Diese Benutzung hat indes mit der Form, in der die Widerspruchsmarke eingetragen ist, nichts mehr zu tun, auch wenn das Wort "Redline" und ein figürlicher "roter Ring" im Sinngehalt übereinstimmen mögen. Damit ist auch die Rechtsprechung des BGH zur Frage der rechtserhaltenden Benutzung bei Hinzufügung von Bestandteilen (vgl BGH GRUR 1999, 167 - Karolus Magnus -) auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden, da sich dort die Hinzufügungen im Rahmen der eingetragenen Markenform hielten, bildlich die Worte wiedergaben oder belanglose Anfügungen waren. Vergleichbar ist jedoch die Entscheidung des Bundesgerichtshofes zu "Achterdieck" (GRUR 1999, 498). Darin hatte der Bildteil zwar den Sinngehalt übernommen, war aber ansonsten durch Abwandlungen und Zusätze von der Eintragung abgewichen. Dies war vom BGH nicht als rechtserhaltende Benutzung anerkannt worden.

Im Ergebnis kann damit eine hinreichende Glaubhaftmachung der bestrittenen Benutzung beider Widerspruchsmarken nicht festgestellt werden, so daß die Beschwerden zurückzuweisen waren.

Stoppel Grabrucker Martens Fa Abb. 1 http://agora/bpatgkollision/docs/28W(pat)80-99.3.3.gif






BPatG:
Beschluss v. 16.02.2000
Az: 28 W (pat) 80/99


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