Bundespatentgericht:
Beschluss vom 9. August 2005
Aktenzeichen: 27 W (pat) 118/04

(BPatG: Beschluss v. 09.08.2005, Az.: 27 W (pat) 118/04)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 15. März 2004 die Anmeldung der für

"Chemische und biotechnologische Erzeugnisse zur Analyse von Getränken; Nährmedien, nicht für medizinische Zwecke; Maschinen zur Herstellung von Getränken; Wissenschaftliche und Messinstrumente zur Analyse von Getränken; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Grundstoffe, Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von alkoholfreien Getränken; Fruchtextrakte; Grundstoffe, Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von alkoholhaltigen Getränken; Wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen und Forschungsarbeiten, industrielle Analyse und Forschungsdienstleistungen, alle Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Herstellung, Analyse und Kontrolle von Getränken"

beanspruchten Kennzeichnung Integrated Beverage Solutionsnach § 37 Abs 1, § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG als nicht unterscheidungskräftige Angabe zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die mit dem Aussagegehalt "integrierte Getränkelösungen" leicht verständliche Anmeldemarke besage in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen lediglich, dass der gesamte Herstellungsprozess von Getränken in ein allumfassendes, wissenschaftliches Konzept, dh in eine "integrierte Lösung" eingebettet sei; sie stelle sich daher als eine beschreibende Angabe für analytische, wissenschaftliche Forschungsdienstleistungen dar, die vor dem Hintergrund der Zusammensetzung und der Zutaten für die Getränke erfolge; hierdurch werde eine umfassende Kontrollfunktion in der Getränkeherstellung erzielt, wodurch beim Verbraucher Vertrauen in die Qualität des Getränkes geweckt werden solle. Dieses analytische Verfahren werde durch die beanspruchten Waren aus dem Bereich der (Bio-) Chemie sowie durch (klassische) Instrumente der Analyse bewerkstelligt und durch wissenschaftlichtechnologische Dienstleistungen ergänzt. Auch für die beanspruchten Getränke selbst und deren Herstellung einschließlich der Zutaten und der Maschinen sei die angemeldete Bezeichnung beschreibend. Die angemeldete Wortkombination sei daher eine sprachüblich gebildete beschreibende Sachaussage über die angemeldeten Waren und Dienstleistungen, die dazu bestimmt seien, einen umfassenden Service im Sinne von gesundheitlich unbedenklichen und qualitativ hochwertigen Getränken anzubieten, was heutzutage geradezu als Standard bezeichnet werden könne. Dem stehe auch eine mögliche Mehrdeutigkeit des Bestandteils "solutions, der auch im Sinne einer physikalischen Lösung verstanden werden könne, nicht entgegen, da die Anmeldemarke auch in diesem Fall für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen noch eine hinreichende beschreibende Sachaussage darstelle, da sowohl der Herstellungsprozess von Getränken als auch deren analytische Kontrolle mit einer solchen (Flüssigkeits-)Lösung in Zusammenhang stehe. Die angesprochenen Verkehrskreise würden diesen Bedeutungsgehalt der Anmeldemarke ohne Weiteres verstehen und diese daher nicht als betrieblichen Herkunftshinweis erkennen, so dass ihr die erforderliche Unterscheidungskraft fehle.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie hält die Anmeldemarke für unterscheidungskräftig. Schon wegen der Mehrdeutigkeit des Bestandteils "solutions" sei sie schutzfähig; die Auffassung der Markenstelle, auch im Sinne von "physikalischer Lösung" sei die Anmeldemarke noch beschreibend, sei unzutreffend, da eine solche weder eine Maschine noch eine Dienstleistung sei und für die Analyse und Kontrolle von Getränken auch nicht eingesetzt werden könne. Vielmehr stelle die Anmeldemarke ein Wortspiel dar, welches mit den beiden Bedeutungen von "solutions" im Sinne einer physikalischen Lösung und einer geistigen Lösung, dh einer Problemlösung spiele. Auch sei für die angesprochenen Verkehrskreise nicht offensichtlich, wodurch eine "integrierte Getränkelösung" im Sinne einer physikalischen Lösung definiert sei; zwar lasse sich erschließen, dass getrennte Elemente zu einem miteinander verbundenen Ganzen integriert, dh kombiniert würden; die einzelnen Elemente seien aber nicht näher definiert und blieben somit unklar. Schließlich bleibe auch der erste Bestandteil "integrated", der für sich genommen ebenfalls mehrdeutig sei, interpretationsbedürftig, da unklar bleibe, ob er sich auf "beverage" oder "solutions" beziehe.

In der mündlichen Verhandlung, in welcher weiteres Recherchematerial über die beschreibende Verwendung des angemeldeten Zeichens erörtert wurde, hat die Anmelderin ihren Standpunkt aufrechterhalten und vertieft.

II Die nach den §§ 64, 66 MarkenG sowie nach § 165 Abs 4 und 5 MarkenG in der bis 31. Dezember 2004 geltenden Fassung zulässige Beschwerde ist unbegründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung, der sich der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen anschließt, hat die Markenstelle der angemeldeten Bezeichnung den Schutz wegen Fehlens der nach § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG erforderlichen Unterscheidungskraft versagt. Die Beschwerde bietet für eine abweichende Beurteilung keinen Anlass.

Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG ist nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl EuGH MarkenR 2003, 187, 190 [Rz 41] - Gabelstapler, WRP 2002, 924, 930 [Rz 35] - Philips/Remington) und des Bundesgerichtshofs (vgl. (BGH GRUR 2000, 502, 503 - St. Pauli Girl; GRUR 2000, 720, 721 - Unter Uns) die Eignung einer Marke, vom durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher (vgl EuGH GRUR 2003, 604, 605 - Libertel; GRUR 2004, 943, 944 - SAT.2) als Unterscheidungsmittel für die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. Trotz des grundsätzlich gebotenen großzügigen Maßstabs (stRspr, vgl BGH, GRUR 1995, 408 [409] - PROTECH; BGH GRUR 2001, 413, 415 - SWATCH) fehlt einer Kennzeichnung die Unterscheidungskraft stets dann, wenn die angesprochenen Verkehrskreise in ihr keinen Hinweis auf die Herkunft der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen aus einem bestimmten Unternehmen sehen, was etwa bei einem für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt (vgl BGH GRUR 2001, 1151, 1153 - marktfrisch; GRUR 2003, 1050, 1051 - City-Service; BGH, GRUR 2001, 162, 163 mwN - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION) oder bei Werbeaussagen allgemeiner Art (vgl BGH MarkenR 2000, 262, 263 - Unter uns; WRP 2000, 298, 299 - Radio von hier; WRP 2000, 300, 301 - Partner with the best; GRUR 2001, 1047, 1048 - LOCAL PRESENCE, GLOBAL POWER; GRUR 2001, 735, 736 - "Test it."; GRUR 2002, 1070, 1071 - Bar jeder Vernunft) der Fall ist. Werden rein beschreibende Angaben zu einem Gesamtbegriff zusammengesetzt, ohne dass sich durch die Wortkombination ein über den bloß beschreibenden Inhalt jedes einzelnen Wortbestandteils hinausgehender weitergehender Sinngehalt ergibt, so bleibt dieser auch dann von der Eintragung ausgeschlossen, wenn es sich bei ihm um eine Wortneuschöpfung oder einen bislang nicht verwendeten Begriff handelt (EuGH GRUR 2004, 680, 681 - BIOMILD). Nach diesen Grundsätzen stellt sich die Anmeldemarke als eine im Vordergrund stehende beschreibende Sachaussage über die beanspruchten Waren und Dienstleistungen dar.

Wie auch die Anmelderin nicht bestreitet, wird die angemeldete Bezeichnung, auch wenn sie sich aus englischsprachigen Wörtern zusammensetzt, ohne Weiteres im Sinne von "integrierte Getränkelösungen" verstanden. Dies gilt nicht nur für die beanspruchten Waren der Klassen 1, 7 und 9 sowie für die Dienstleistungen der Klasse 42, die sich ihrer Art nach allein an Fachleute richten, welche mit englischsprachigen Begriffen auf dem Gebiet der Getränkeherstellung bestens vertraut sind, sondern auch für die beanspruchten Waren der Klasse 32, die sich als Endprodukt der Getränkeherstellung (auch) an alle Durchschnittsverbraucher wenden; denn die drei englischsprachigen Wörter gehören zum englischen Grundwortschatz und sind daher einem beachtlichen Kreis der Verbraucher bekannt. Da gerade der Begriff "integrierte Lösungen" heutzutage auf nahezu allen Waren- und Dienstleistungsgebieten als Modeschlagwort verwendet wird, mit dem auf die Fähigkeit hingewiesen wird, in einem umfassenden Serviceangebot möglichst flexible Lösungen zu bieten, die unterschiedliche Ausgangsbedingungen - etwa unterschiedliche (Ausgangs-) Materialien und Stoffe oder individuelle Kundenwünsche - berücksichtigen können, was auch in der Werbung in diesem Sinne herausgestellt wird, wird der Verkehr die Anmeldemarke nur in dem Sinne verstehen, dass die beanspruchten Waren der Klassen 1, 7 und 9 und die beanspruchten Dienstleistungen Teil eines solchen Serviceangebots auf dem hier relevanten Gebiet der Getränkeherstellung sind bzw. die Herstellung der beanspruchten Getränke auf einer solchen Leistung beruht. Wie die Markenstelle hierzu zutreffend ausgeführt hat und wogegen sich auch die Anmelderin nicht gewandt hat, werden solche "integrierten Lösungen" geradezu als Qualitätsmerkmal insbesondere auf dem hier relevanten Produktionsgebiet herausgestellt und vom Verkehr auch so verstanden. Hierfür spricht auch, dass die angemeldete Wortkombination in diesem beschreibenden Sinne, wie die in der mündlichen Verhandlung erörterten Belege zeigen, schließlich nicht nur von der Anmelderin selbst, sondern auch von Dritten bereits jetzt verwendet wird.

Dem steht auch die Ansicht der Anmelderin nicht entgegen, der Bestandteil "solutions" könne gleichzeitig nicht nur im Sinne von (Problem-) Lösung, sondern auch im Sinne von physikalischer Lösung verstanden werden, wobei ein Verständnis im letztgenannten Sinn - jedenfalls für die meisten der beanspruchten Waren und Dienstleistungen - keine beschreibende Bedeutung habe, weil diese weder physikalische Lösungen seien noch diese sich für diese Waren und Dienstleistungen eigne. Denn den angesprochenen Verkehrskreisen wird gerade wegen der häufigen Verwendung des Begriffs "integrierte Lösung", in welchem mit dem Substantiv "Lösung" allein eine geistige, insbesondere eine Problemlösung gemeint ist, der Gedanke, dass hiermit auch eine physikalische Lösung gemeint sein könne, erst gar nicht kommen. Dies gilt erst recht, sofern man mit der Anmelderin davon ausgeht, dass die beanspruchten Waren und Dienstleistungen mit einer solchen physikalischen Lösung nicht in Zusammenhang stehen können, weil in einem solchen Fall ein Verständnis der Anmeldemarke, das sich nur in Bezug auf die mit ihr gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen ergeben kann, im Sinne einer "integrierten physikalischen Getränkelösung" von Vornherein ausgeschlossen ist, so dass die angesprochenen Verkehrskreise die Anmeldemarke schon aus diesem Grund nicht als Wortspiel mit mehreren Bedeutungen ansehen können. Sollte es aber doch möglich sein, dass die beanspruchten Waren und Dienstleistungen mit einer physikalischen Lösung in Zusammenhang stehen können, oder dass die angesprochenen Verkehrskreise das Substantiv "Lösung" gar im Sinne einer chemischen Lösung verstehen, werden diese die Anmeldemarke gleichwohl nur als Sachaussage über (dann ja mögliche) Eigenschaften der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen ansehen, während ihnen auch in einem solchen Fall der Gedanke fern liegt, dass die angemeldete Bezeichnung ein betriebliches Unterscheidungsmittel sei. Denn wie die Anmelderin selbst ausgeführt hat, ergibt sich dann ohne Weiteres, dass "getrennte Elemente zu einem miteinander verbundenen Ganzen kombiniert (integriert) werden", was aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise nur als Sachaussage und nicht als betrieblicher Herkunftshinweis gewertet werden kann. Dem steht auch nicht die Auffassung der Anmelderin entgegen, dass die Einzelheiten der integrierten Lösung nicht definiert seien. Denn daran, dass der Verkehr eine Bezeichnung nur als Sachaussage entgegennimmt, ändert sich nichts dadurch, dass er diese als unvollständig ansieht oder gar unrichtig (miss-) versteht; denn auch in einem solchen Fall sieht der Verkehr eine Bezeichnung ja nur als Sachaussage und damit gerade eben nicht als Herkunftshinweis an.

Da die Markenstelle daher im Ergebnis zu Recht die Anmeldemarke von der Eintragung ins Register ausgeschlossen hat, war die hiergegen eingelegte Beschwerde der Anmelderin zurückzuweisen.

Dr. van Raden Reker Schwarz WA






BPatG:
Beschluss v. 09.08.2005
Az: 27 W (pat) 118/04


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