Bundespatentgericht:
Beschluss vom 7. Dezember 2000
Aktenzeichen: 25 W (pat) 118/00
(BPatG: Beschluss v. 07.12.2000, Az.: 25 W (pat) 118/00)
Tenor
Auf die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 10. März 1999 und vom 15. Juni 2000 insoweit aufgehoben, als wegen des Widerspruchs aus der Marke 1 153 915 die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet worden ist.
Dieser Widerspruch wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Bezeichnung Sovalipist am 11. Juli 1996 für "pharmazeutische Erzeugnisse" in das Markenregister eingetragen worden. Die Veröffentlichung der Eintragung erfolgte 19. Oktober 1996.
Widerspruch erhoben hat ua die Inhaberin der am 8. Februar 1990 für "pharmazeutische Erzeugnisse, Präparate für die Gesundheitspflege, Pflaster" eingetragenen Marke 1 153 915 MOVALIS.
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat in zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, die Verwechslungsgefahr zwischen den Marken bejaht und die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet. Ausgehend von einer möglichen Warenidentität, der zu berücksichtigen allgemeinen Verkehrskreise und einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei von der jüngeren Marke ein deutlicher Markenabstand einzuhalten, der in klanglicher Hinsicht nicht gewahrt sei. Die jeweils dreisilbigen Markenwörter wiesen die gleiche Anzahl von Lauten auf und enthielten an gleicher Stelle die zusammenhängende Lautfolge "ovali". Demgegenüber reichten die lediglich in zwei von insgesamt sieben Lauten bestehenden Abweichungen, von denen nur diejenige am Wortende deutlich ausfalle, und der etwas andere Sprech- und Betonungsrhythmus der Wörter nicht aus, um zu einer hinreichenden Klangabgrenzung beizutragen. Die Unterschiede seien insbesondere bei etwas undeutlicher Aussprache kaum vernehmbar.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke mit dem (sinngemäßen) Antrag, die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben und den Widerspruch zurückzuweisen.
Eine Begründung der Beschwerde ist nicht erfolgt.
Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke zurückzuweisen.
Sie verweist zur Begründung auf die angefochtenen Beschlüsse.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluß sowie die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt (§ 66 Abs 1 Satz 1, Abs 2 MarkenG). Sie ist auch in der Sache begründet, da nach Auffassung des Senats keine Verwechslungsgefahr zwischen den sich gegenüberstehenden Marken iSv § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG besteht. Der Widerspruch ist deshalb zurückzuweisen, §§ 42 Abs 2 Nr 1, 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG.
Der Senat geht bei seiner Entscheidung mangels entgegenstehender Anhaltspunkte von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke aus.
Nach der vorliegend maßgeblichen Registerlage können sich die gegenüberstehenden Marken auf identischen Waren begegnen. Da in den Warenverzeichnissen eine Rezeptpflicht nicht festgeschrieben ist und auch in tatsächlicher Hinsicht der Fachverkehr nicht im Vordergrund steht, sind die allgemeinen Verkehrskreise uneingeschränkt für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr zu berücksichtigen. Auch insoweit ist allerdings davon auszugehen, daß grundsätzlich nicht auf einen sich nur flüchtig mit der Ware befassenden, sondern auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher abzustellen ist, dessen Aufmerksamkeit je nach Art der Ware oder Dienstleistung unterschiedlich hoch sein kann (vgl BGH MarkenR 2000, 140, 144 ATTACHÉ / TISSERAND; BGH GRUR 1998, 942, 943 li Spalte - ALKA-SELTZER; EuGH MarkenR 1999, 236, 239 unter 24. - Lloyd / Loints) und der insbesondere allem, was mit der Gesundheit zusammenhängt eine gesteigerte Aufmerksamkeit beizumessen pflegt (vgl BGH GRUR 1995, 50, 53 - Indorektal/Indohexal).
Auch wenn danach an den zur Vermeidung einer Verwechslungsgefahr erforderlichen Markenabstand strenge Anforderungen zu stellen sind, ist die Ähnlichkeit der Marken nach Auffassung des Senats in keiner Richtung derart ausgeprägt, daß die Gefahr von Verwechslungen im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG zu bejahen wäre. Die angegriffene Marke hält vielmehr in jeder Hinsicht einen noch ausreichenden Abstand zu der Widerspruchsmarke ein.
In klanglicher Hinsicht unterscheiden sich die gegenüberstehenden Markenwörter ihrem jeweiligen Gesamteindruck nach hinreichend, da sie sowohl im Lautbestand als auch im Sprech- und Betonungsrhythmus deutliche Unterschiede aufweisen, die in ihrer Gesamtheit den jeweiligen Gesamtklang der Wörter hinreichend unterschiedlich beeinflussen. So weisen die Marken deutlich abweichende konsonantischen Anfangslaute auf, die insbesondere auch deshalb zur Unterscheidung beitragen, weil sie aufgrund ihrer Stellung am jeweiligen Wortanfang erfahrungsgemäß stärker beachtet werden als die weiteren Wortbestandteile (so ständige Rechtsprechung; vgl hierzu zB BGH GRUR 1995, 50, 53 - Indorektal/ Indohexal). Hinzu kommt, daß die Marken auch markant voneinander abweichende Endlaute aufweisen und sich zudem im Sprech- und Betonungsrhythmus klar unterscheiden. Während nämlich die jüngere Marke regelmäßig auf der ersten und dritten Silbe betont und mit kurzem "a" in der Mittelsilbe gesprochen wird, weist die Widerspruchsmarke eine Betonung der mittleren Silbe mit einer zudem eher gedehnten Aussprache des Vokals "a" auf. Trotz der bei formaler Betrachtung überwiegenden Übereinstimmung der Laute gewährleisten deshalb die in ihrer Gesamtheit deutlich hervortretenden klanglichen Unterschiede ein hinreichend sicheres Auseinanderhalten der Wörter nach ihrem jeweiligen Gesamteindruck, auch wenn erfahrungsgemäß die Auffassung des Verkehrs eher von einem undeutlichen Erinnerungsbild bestimmt ist (vgl hierzu auch EuGH MarkenR 1999, 236, 239 - Lloyd / Loints) und schlechtere Übermittlungsbedingungen oder eine etwas undeutlichere Aussprache berücksichtigt werden. Allein aus einem Übergewicht an übereinstimmenden Einzellauten kann eine Verwechslungsgefahr nicht hergeleitet werden. Eine solche formale Sichtweise wird der markenrechtlichen Beurteilung, die sich am Gesamteindruck zu orientieren hat, häufig nicht gerecht, zumal dabei insbesondere die Elemente zu berücksichtigen sind, welche die Marken unterscheiden und dominieren (vgl EuGH GRUR 1998, 387, 390, Tz 23 - Springende Raubkatze - bzw - Sabel / Puma).
Ebenso weisen die gut überschaubaren, nicht langen Markenwörter im Schriftbild in jeder üblichen Schreibweise aufgrund der markanten Konturabweichungen der jeweiligen Anfangs- und Endbuchstaben einen hinreichenden Markenabstand auf, zumal in Normalschrift und bei handschriftlicher Wiedergabe die nur in der jüngeren Marke vorhandene Unterlänge des Endbuchstaben "p" hinzukommt und das Schriftbild erfahrungsgemäß sehr viel besser eine ruhige oder auch wiederholte Wahrnehmung der Bezeichnung gestattet als das schnell verklingende gesprochene Wort.
Nach alledem erweist sich die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke als begründet. Die Beschlüsse waren deshalb insoweit aufzuheben, als die Markenstelle die Löschung der angegriffenen Marke wegen des Widerspruchs aus der Marke MOVALIS angeordnet bzw aufrechterhalten hat.
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlaß, § 71 Abs 1 MarkenG.
Knoll Brandt Engels Na
BPatG:
Beschluss v. 07.12.2000
Az: 25 W (pat) 118/00
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