Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. September 2004
Aktenzeichen: 25 W (pat) 160/03
(BPatG: Beschluss v. 30.09.2004, Az.: 25 W (pat) 160/03)
Tenor
Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke wird zurückgewiesen, soweit die Marke 300 22 419 wegen des Widerspruchs aus der Marke 1 021 460 gelöscht worden ist.
Gründe
I.
Das Zeichenist am 12. Juli 2000 für die Waren "pharmazeutische Erzeugnisse für die Gesundheitspflege" in das Markenregister eingetragen worden. Die Veröffentlichung der Eintragung erfolgte am 10. August 2000.
Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der älteren, am 10. August 1981 eingetragenen und für die Waren "pharmazeutische Präparate, nämlich Aufbaumittel" geschützten Marke 1 021 460, MICROSAN deren Benutzung bereits im Verfahren vor dem DPMA bestritten worden ist. Nach Vorlage von Unterlagen zur Glaubhaftmachung hat die Inhaberin der angegriffenen Marke mit Schriftsatz vom 2. Oktober 2001 die Einrede der Nichtbenutzung aufrechterhalten, ausgenommen für ein Magnesium-Vitamin Präparat in Kapselform. Eine weitergehende Benutzung der Widerspruchsmarke ist von Seiten der Widersprechenden nicht geltend gemacht worden.
Widerspruch erhoben hat ferner die Inhaberin der älteren, am 25. Februar 1953 für die Waren "Arzneimittel, nämlich ein Präparat zur Behandlung vorzeitiger Alterserscheinungen" eingetragenen Marke 634 717 Methusanderen rechtserhaltende Benutzung uneingeschränkt bestritten ist.
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat in einem Beschluss vom 17. April 2003 - unter gleichzeitiger Abweisung weiterer Widersprüche - eine Verwechslungsgefahr zwischen der angegriffenen Marke und den Widerspruchsmarken bejaht und die Löschung der angegriffenen Marke aufgrund dieser Widersprüche angeordnet.
Zur Widerspruchsmarke "Microsan" hat die Markenstelle ausgeführt, dass trotz der Endung "san" der Widerspruchsmarke noch von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und einem normalen Schutzumfang auszugehen sei. Aufgrund der anerkannten Benutzung der Widerspruchsmarke für ein "Magnesium-Vitamin-Präparat in Kapselform" - mithin einer Benutzung für Vitamin-Mineralstoff-Präparate könne auch Identität dieser Waren bestehen. Hierbei seien mangels einer in den Warenverzeichnissen festgeschriebenen Rezeptpflicht der Fachverkehr wie auch Endverbraucher als Verkehrskreise maßgeblich. Insgesamt seien deshalb strenge Anforderungen an den von der angegriffenen Marke einzuhaltenden Markenabstand zu stellen. Diesen werde die jüngere Marke in klanglicher Hinsicht nicht gerecht. Denn die Marken wiesen eine übereinstimmende Vokalfolge auf und seien in der ersten und dritten Silbe identisch. Lediglich der wie "k" gesprochene stimmlose Konsonant "c" der unbetonten zweiten Silbe der Widerspruchsmarke weiche von dem "t"-Laut der angegriffenen Marke ab, während das zusätzliche "r" in der Widerspruchsmarke klanglich nicht markant in Erscheinung trete. Aufgrund der großen klanglichen Ähnlichkeit werde eine Verwechslungsgefahr auch nicht durch den abweichenden Sinngehalt der Wörter ausgeschlossen. Hinsichtlich der Widerspruchsmarke "Methusan" hat die Markenstelle gleichfalls eine Verwechslungsgefahr in klanglicher Hinsicht bejaht.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke, die sinngemäß beantragt, den Beschluss der Markenstelle vom 17. April 2003 aufzuheben, soweit die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet worden ist.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke führt zur Begründung ihrer Beschwerde aus, dass die Markenstelle zu Unrecht hinsichtlich der Widerspruchsmarke "Microsan" eine Verwechslungsgefahr angenommen habe. Denn diese weise wegen des glatt beschreibenden Bestandteils "san" und des gleichfalls beschreibenden Bestandteils "Micro" insgesamt nur eine sehr geringe Kennzeichnungskraft und einen geringen Schutzumfang auf. Auch wenn beide Markenwörter dreisilbig seien, so werde entgegen der Ansicht der Markenstelle das Gesamtklangbild wesentlich durch die abweichenden Mittelkonsonanten geprägt. Dies gelte sinngemäß für die Widerspruchsmarke "Methusan".
Die Widersprechenden beantragen, die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Widersprechenden verweisen auf die Ausführungen des angegriffenen Beschlusses und machen geltend, dass ausgehend von einer normalen Kennzeichnungskraft und der möglichen Identität der Waren sowie der angesprochenen Verkehrskreise zutreffend eine Verwechslungsgefahr zwischen den Marken von der Markenstelle bejaht worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss und Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt, § 66 Abs 1 Satz 1, Abs 2 MarkenG. Sie ist in der Sache aber nicht begründet, da auch nach Auffassung des Senats bereits unter Berücksichtigung des Widerspruchs aus der Marke "MICROSAN" und der insoweit maßgeblichen Benutzungslage Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG besteht. Der angefochtene Beschluss hat deshalb zu Recht die Löschung der Eintragung der angegriffenen Marke angeordnet, §§ 43 Abs 1 Satz 3, Abs 2 Satz 1, 42 Abs 2 Nr 1 MarkenG.
1) Entgegen der Auffassung der Inhaberin der angegriffenen Marke ist bei der Entscheidung noch von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke "MICROSAN" auszugehen (vgl auch PAVIS PROMA Knoll BPatG 25 W (pat) 074/97 CITROSAN # MICROSAN), auch wenn sich diese als eine Wortzusammenfügung von Bestandteilen erweist, welche als sogenannte "sprechende Hinweise" geeignet sind, auf Eigenschaften, die Indikation der Arzneimittel oder ähnliches hinzuweisen und wie "san" zudem sehr häufig Bestandteil von Arzneimittelkennzeichnungen sind. Insoweit ist allerdings auch zu berücksichtigen, dass der Bestandteil "MICRO" in Bezug auf die hier maßgeblichen Vitamin-Mineralstoff-Präparate nicht ohne weiteres als beschreibender Hinweis nahegelegt ist, wie auch allgemein beschreibende Anklänge keineswegs mit glatt beschreibenden Angaben gleichgesetzt werden können und durchaus in der Zusammenstellung eine phantasievolle Markenbildung ermöglichen - was im übrigen auch die Widerspruchsmarke "Methusan" zeigt. Aus der Kennzeichnungsschwäche einzelner Wortbestandteile kann deshalb nicht ohne weiteres auf die allein maßgebende Kennzeichnungskraft der Gesamtbezeichnung geschlossen werden, zumal es bei pharmazeutischen Erzeugnissen sogar der üblichen Praxis entspricht, Marken in der Weise zu bilden, dass diese als sogenannte "sprechende Zeichen" jedenfalls für den Fachmann erkennbarer Wirkstoff- und/oder Anwendungsangaben die stoffliche Beschaffenheit und/oder das Indikationsgebiet der Arzneimittel kenntlich machen (vgl BGH GRUR 1998, 815, 817 - Nitrangin).
2) Nach der vorliegend maßgeblichen und nicht im Streit stehenden Benutzungslage können sich die Widerspruchsmarke "MICROSAN" und die angegriffene Marke wegen des von der angegriffenen Marke beanspruchten weiten Oberbegriffs "pharmazeutische Erzeugnisse für die Gesundheitspflege" auch auf identischen Waren begegnen. Im Rahmen der Integrationsfrage ist hierbei auf Seiten der Widerspruchsmarke aufgrund der nach ständiger Rechtsprechung anzuwendenden erweiterten Minimallösung (vgl Ströbele/Hacker MarkenG, 7. Aufl., § 26 Rdn 212 mwN) von Mineralstoffpräparaten (Hauptgruppe 62 der Roten Liste) allgemein und mangels entgegenstehender Festschreibung im Warenverzeichnis ohne Beschränkung auf eine Rezeptpflicht, bestimmte Darreichungsformen oder enthaltene Wirkstoffe auszugehen (st Rspr, vgl BPatG Mitt 1979, 223 - Mastu; BPatG Pharma Recht 2000, 217, 218 - Taxanil; ausführlich BPatG MarkenR 2004, 361, 363- CYNARETTEN/Circanetten; vgl auch allgemein zur Integrationsfrage BGH GRUR 1990, 39 ff - Taurus; GRUR 1999, 164, 165 - JOHN LOBB; MarkenR 2001, 371, 376 - ISCO).
3) Unter Berücksichtigung dieser Umstände sind zur Vermeidung einer Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG strenge Anforderungen an den von der angegriffenen Marke einzuhaltenden Markenabstand zu stellen, wobei allgemeine Verkehrkreise uneingeschränkt einzubeziehen sind und auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher abzustellen ist, dessen Aufmerksamkeit je nach Art der Ware oder Dienstleistung unterschiedlich hoch sein kann (vgl zum geänderten Verbraucherleitbild BGH MarkenR 2002, 124, 127 - Warsteiner III - mit weiteren Hinweisen; EuGH MarkenR 2002, 231, 236 - Philips/Remington). Auch nach Auffassung des Senats wird die angegriffene Marke den hieraus resultierenden Anforderungen an einen hinreichenden Markenabstand jedenfalls in klanglicher Hinsicht nicht gerecht.
a) Zureffend ist die Markenstelle davon ausgegangen, dass die angegriffene farbige Wort-/Bildmarke in klanglicher Hinsicht wegen der grundsätzlichen Orientierung des Verkehrs bei der Markenbenennung durch den wie "mitosan" gesprochenen Wortbestandteil geprägt wird (vgl Ströbele/Hacker MarkenR, 7. Aufl., § 9 Rdn 434 mwH). Anhaltspunkte für eine entgegenstehende Annahme - wie die Schutzunfähigkeit oder Kennzeichnungsschwäche des Wortbestandteils (vgl zur ständigen Rspr zB BGH MarkenR 2002, 253, 256 - Festspielhaus; BGH MarkenR 2004, 31, 35 - Kinder) bestehen nicht, zumal sich weder die farbliche noch die grafische Gestaltung der Marke als phantasievoll hervorhebt.
b) Auch der Senat sieht wegen der erheblichen Ähnlichkeit des klanglichen Gesamteindrucks der wie "mikrosan" gesprochenen Widerspruchsmarke "MICROSAN" zu "mitosan" eine Verwechslungsgefahr begründet. Entgegen der Ansicht der Inhaberin der angegriffenen Marke können die - zudem nicht markanten - konsonantischen Unterschiede der Mittelsilben angesichts der Übereinstimmungen der Markenwörter im übrigen nicht für eine ausreichende Differenzierung in klanglicher Hinsicht sorgen, zumal der Verbraucher die Wörter in der Regel nicht gleichzeitig nebeneinander wahrnimmt und miteinander vergleicht, sondern seine Auffassung meist aufgrund eines meist undeutlichen Erinnerungsbildes gewinnt (vgl Ströbele/Hacker MarkenR, 7. Aufl., § 9 Rdn 162 mwH).
So stimmen die Markenwörter in der Anzahl der Silben, im Sprechrhythmus, in der Vokalfolge und der gemeinsamen Betonung überein und weisen nicht nur identische Endsilben, sondern zudem auch identische und betonte Anfangssilben auf, welche erfahrungsgemäß stärker beachtet werden als die weiteren Wortbestandteile. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass selbst kennzeichnungsschwache Bestandteile - wie vorliegend die gemeinsame Endung "san" - den jeweiligen maßgeblichen Gesamteindruck der Markenwörter durchaus mitbestimmen und im Zusammenhang mit weiteren Ähnlichkeiten beider Marken für die Bejahung der Verwechslungsgefahr Bedeutung erlangen (vgl Ströbele/Hacker MarkenR, 7. Aufl., § 9 Rdn 331 mwH). Zutreffend hat die Markenstelle auch darauf hingewiesen, dass angesichts des hohen Grades klanglicher Übereinstimmung der Markenwörter begriffliche Unterscheidungshilfen bereits von vornherein nicht in entscheidungserheblichem Maß zum Tragen kommen, selbst wenn sich den angesprochenen Verkehrskreisen der abweichende Sinngehalt der Wörter ohne weiteres begrifflich erschließen würde, was im Hinblick auf die angegriffene Marke im übrigen zu verneinen ist. Denn es kann nicht davon ausgegangenen werden, dass insbesondere Endverbraucher in dem Bestandteil "mit" einen Hinweis auf "mitochondrial" erkennen werden.
4) Da die angegriffene Marke bereits aufgrund des Widerspruchs aus der Widerspruchsmarke "MICROSAN" zu löschen ist, bedarf es hinsichtlich des weiteren Widerspruchs aus der Marke "Methusan" derzeit keiner Entscheidung.
Nach alledem ist Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke zurückzuweisen.
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass, § 71 Abs 1 MarkenG.
Kliems Bayer Engels Na
BPatG:
Beschluss v. 30.09.2004
Az: 25 W (pat) 160/03
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