Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 15. Januar 2013
Aktenzeichen: 6 W 12/13

(OLG Köln: Beschluss v. 15.01.2013, Az.: 6 W 12/13)

Ein Rechteinhaber muss bei einer Filesharin-Klage zur Anzahl der Zugriffe auf den Computer des Verletzers vortragen. Andernfalls bleibt die Schadenshöhe in Form der fiktiven Lizenz unschlüssig.

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss der 14. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 23.10.2012 - 14 O 276/12 - teilweise abgeändert. Dem Beklagten wird für die Verteidigung gegen den Klageantrag zu 1., soweit dieser den Betrag von 995,00 EUR nebst Zinsen übersteigt, sowie für die Verteidigung gegen die Klageanträge zu 2. bis 5. Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Frau Rechtsanwältin B bewilligt. Die Prozesskostenhilfe wird hinsichtlich des Klageantrags zu 1. In Höhe eines Teilbetrags von 770,00 EUR ab Antragstellung, im Übrigen ab dem 07.09.2012 gewährt.

Die weitergehende sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte, innerhalb der Monatsfrist des § 127 Abs. 2 S. 3 ZPO eingelegte und auch ansonsten zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg, soweit sich der Beklagte gegen die Zahlung von Abmahnkosten in einer den Betrag von 995,00 EUR übersteigenden Höhe (Klageantrag zu 1.) sowie gegen die Zahlung von Schadensersatz (Klageanträge zu 2. bis 5.) wendet. Im Übrigen bietet die Rechtsverteidigung des Beklagten keine hinreichende Aussicht auf Er­folg, § 114 S. 1 ZPO.

1. Die Klage ist zulässig; insbesondere ist das Landgericht Köln örtlich zuständig und sind die Klägerinnen ordnungsgemäß anwaltlich vertreten. Hierzu wird auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts im angefochtenen Beschluss vom 23.10. 2012 sowie im Nicht­abhilfebeschluss vom 08.01.2013 verwiesen.

2. Soweit die Klägerinnen mit dem Klageantrag zu 1. die Zahlung von Abmahnkosten in Höhe von anfangs 2.380,80 EUR und nunmehr noch 1.610,00 EUR verlangen, ist die Erstattung eines Betrags von mehr als 995,00 EUR nicht gerechtfertigt. Den Klägerinnen steht aus den §§ 670, 683 S. 1, 677 BGB ein Anspruch auf Erstattung der für die Abmahnung vom 24.06.2008 angefallenen Rechtsanwaltskosten nur in dieser Höhe zu, da ihre Abmahnung lediglich teilweise berechtigt war.

Allerdings hat der Beklagte gemäß § 97 Abs. 1 UrhG dafür einzustehen, dass sein 15-jähriger Sohn die ausschließlichen Verwertungsrechte an jedenfalls 75 der angeführten 234 Musikdateien verletzt hat. Das Landgericht hat mit zutreffenden Erwägungen, die mit der Rechtsprechung des Senats in Einklang stehen und auf dieser zustimmend Bezug nimmt, die ausschließlichen Nutzungsrechte der Klägerinnen an den 75 konkret angeführten, mit Auszügen aus der Katalogdatenbank der Q GmbH belegten Musiktiteln sowie die vom Sohn des Beklagten am 18.03.2007 über den Internetanschluss des Beklagten begangenen Urheberrechtsverletzungen in Form der öffentlichen Bereithaltung der Werke zum Download in einer Musiktauschbörse bejaht.

Ebenso rechtsfehlerfrei hat das Landgericht in Übereinstimmung mit der Rechtspre­chung des Senats angenommen, dass der Beklagte für die Rechtsverletzungen seines Sohns nach den Grundsätzen der Störerhaftung einzustehen hat. Da der Beklagte durch die Überlassung des Internetanschlusses die Gefahr darüber zu begehender Urheberrechtsverletzungen eröffnet hatte, hatte er seinen damals 15-jährigen Sohn zumindest eindringlich und unmissverständlich über die Rechtswidrigkeit der Nutzung von Filesha­ring-Programmen zu belehren und diesem eine damit ermöglichte Teilnahme an Musiktauschbörsen zu untersagen. Der Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs zu seiner Entscheidung "Morpheus" vom 15.11.2012 - I ZR 74/12 - lässt sich nicht entnehmen, dass die Belehrung eines minderjährigen Kinds über das Verbot einer rechtswidrigen Teilnahme an Internettauschbörsen entbehrlich ist. Vielmehr ist nach dem zutreffenden Zitat im Nichtabhilfebeschluss des Landgerichts vom 08.01.2013 grundsätzlich eine diesbezügliche Instruktion erforderlich. Nichts anderes lässt sich der vom Beklagten angeführten Entscheidung "Filesharing durch Familienangehörige" des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 20.12.2007 - 11 W 58/07 - entnehmen. Das Oberlandesgericht Frankfurt hat eine Pflicht des Anschlussinhabers zur Instruktion über das Verbot von Urheberrechtsverletzungen mit Hilfe des Internetanschlusses allein gegenüber volljährigen Familienangehörigen verneint (vgl. OLG Frankfurt GRUR-RR 2008, 73, 74).

Die Klägerinnen haben allerdings bislang nicht schlüssig dargelegt, dass der Sohn des Beklagten Urheberrechtsverletzungen in dem in der Abmahnung vom 24.06. 2008 beanstandeten Ausmaß begangen hat. In der (ohne die damals beigefügte Ti­telliste zur Akte gereichten) Abmahnung haben sich die Klägerinnen auf Rechte an sämtlichen der über den Internetanschluss des Beklagten zum Download vorgehalte­nen 234 Musiktitel berufen ("... nehmen wir Sie hiermit wegen unerlaubter Verwertung geschützter Tonaufnahmen ... in Anspruch, da über Ihren Internetanschluss ... 234 Musikdateien zum Herunterladen verfügbar gemacht wurden"; "Die angebotenen Mu­sikdateien enthalten Repertoire, für das unsere Mandanten ... die ausschließlichen Verwertungsrechte ... besitzen."). In der nachfolgenden Anspruchsbegründung haben die Klägerinnen demgegenüber nur noch angeführt, sie besäßen "an einer Vielzahl" der verfügbar gemachten Musikaufnahmen ausschließliche Online-Verwer­tungsrechte. Hierzu haben sie im Folgenden "beispielhaft" 75 Musiktitel aufgelistet, ohne die ihnen darüber hinaus zustehenden Werke nach Anzahl und Inhalt weiter zu konkretisieren. Zu einem solchen ergänzenden Vorbringen sind die Klägerinnen jedenfalls, nachdem der Beklagte die unzureichende Darlegung der Aktivlegitimation gerügt hat, gehalten. Unter diesen Umständen stellt sich die Abmahnung derzeit nur hinsichtlich der Beanstandung der Bereitstellung von 75 Musiktiteln zum Download als berechtigt dar. Für eine Rechtsverletzung derartigen Ausmaßes erscheint nicht der vom Landgericht auf der Basis von 234 Musiktiteln rechtsfehler­frei veranschlagte Gegenstandswert von 80.000,00 EUR, sondern lediglich ein solcher von 50.000,00 EUR angemessen.

Demzufolge hat der Beklagte die Kosten der Abmahnung nur in dem Umfang zu ersetzen, in dem diese berechtigt war. Dabei ist die Höhe der zu erstattenden Abmahn­kosten nach dem Verhältnis des Gegenstandswerts des berechtigten Teils der Abmahnung (vorliegend 50.000,00 EUR) zum Gegenstandswert der gesamten Abmahnung (hier 80.000,00 EUR) zu bestimmen (vgl. BGH GRUR 2010, 744 Rn. 52 - Sondernewsletter; GRUR 2012, 949 Rn. 49 - Missbräuchliche Vertragsstrafe). Von dem bei einem Gegenstandswert von 80.000,00 EUR (bei zutreffender Berechnung) zu errechnenden Betrag von 1.560,00 EUR entfällt ein Anteil von 62,5 %, mithin ein Teil­betrag von 975,00 EUR, auf den berechtigten Teil der Abmahnung. Zuzüglich der Auslagenpauschale steht den Klägerinnen folglich eine Summe von 995,00 EUR zu gleichen Teilen zu.

Seiner Zahlungspflicht in dieser Höhe vermag sich der Beklagte durch seine Mutmaßung, die Klägerinnen hätten mit ihren Prozessbevollmächtigten ein unzulässiges Erfolgshonorar vereinbart, nicht zu entziehen. Denn auch in diesem Fall würden die Klägerinnen die Zahlung der gesetzlichen Gebühren schulden (vgl. Senat vom 17.08. 2012 - 6 U 208/10 - m.w.N.).

3. Soweit die Klägerinnen mit den Klageanträgen zu 2. bis 5. Schadensersatzansprüche in einer Gesamthöhe von 3.000,00 EUR geltend machen, scheitern Ansprüche aus § 832 Abs. 1 BGB derzeit an schlüssigen Darlegungen zur Schadenshöhe.

Allerdings hat sich der Beklagte aus den vom Landgericht im Nichtabhilfebe­schluss vom 08.01.2013 dargelegten Gründen gemäß § 832 Abs. 1 BGB dem Grunde nach wegen Verletzung der Aufsichtspflicht schadensersatzpflichtig gemacht, da er auch auf der Basis seiner allgemeinen Behauptungen seinen damals 15-jährigen Sohn weder hinlänglich über die Rechtswidrigkeit der Nutzung von Filesharing-Program­men belehrt noch diesem die Teilnahme an Musiktauschbörsen unmissverständlich untersagt hat. Die Klägerinnen haben jedoch nicht hinreichend dargelegt, dass der Beklagte für die angeführten 15 Musiktitel jeweils eine fiktive Lizenz von 200,00 EUR schuldet.

Wie der Senat in seinem Urteil vom 23.03.2012 - 6 U 67/11 - (WRP 2012, 1007 Rn. 23 ff.) ausgeführt hat, ist für die Berechnung der fiktiven Lizenz auf den Tarif VR-OD 5 der GEMA abzustellen. Danach ist an Hand der dem Senat aus dem damaligen Rechtsstreit bekannten Rahmenvereinbarung der Tonträger-Branche für jeden Fall, in dem ein Dritter auf Grund der Beteiligung des Sohns des Beklagten an der Tauschbörse auf die geschützten Titel zugegriffen hat, ein Betrag von 0,50 EUR zu veranschlagen. Nachdem der Beklagte mehrere hundert Zugriffe pro Ti­tel (wenn auch unter unbe­helf­licher Bezugnahme auf seinen 15-jähri­gen Sohn) in Ab­rede gestellt hat, haben die Klägerinnen keine tatsächlichen Anhaltspunkte vorgetragen, mit deren Hilfe sich die Größenordnung der Zugriffshäufigkeit ansatzweise ermitteln ließe.

So haben die Klägerinnen zwar angeführt und mit Hilfe der vorgelegten Screenshots belegt, dass zum Tatzeitpunkt 603.8094 Nutzer in Filesharing-System online waren. Sie haben sich aber nicht dazu geäußert, über welchen Zeitraum die streitgegenständlichen Musiktitel zum Upload im File­sharing-Netzwerk über den Internetanschluss des Beklagten bereitgestellt worden sind. Vor allem aber fehlen Ausführungen zur Aktualität und Attraktivität der jeweils in Rede stehenden, überwiegend in deutscher Sprache verfassten Mu­siktitel sowie zur Popularität der - vorwiegend deut­schen - Künstler(gruppen) jeweils im März 2007. Mangels näherer diesbezüglicher Angaben fehlen daher bislang zureichende konkrete Anknüpfungstatsachen, die eine Scha­densschätzung nach § 287 ZPO (vgl. Senat a.a.O.) dahingehend ermöglichen, dass von unbekannten Dritten auf Grund der Beteiligung des Sohns des Beklagten an der Musiktauschbörse auf die in Rede stehenden Musiktitel mindestens 400mal oder in einer schätzbaren geringeren Anzahl zugegriffen worden ist (vgl. Senat vom 22.08.2012 - 6 W 158/12 -).

4. Dem Beklagten war daher über die vom Landgericht auf den Klageantrag zu 1. be­willigten 770,00 EUR hinaus in dem zuerkannten Umfang Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Dabei steht dem Beklagten die weitergehend bewilligte Prozesskostenhilfe rückwirkend ab dem 07.09.2012 zu, als er mit Schriftsatz vom 05.09.2012 die vom Landgericht angeforderten weiteren Unterlagen vorgelegt und damit seine wirtschaftlichen Verhältnisse vollständig belegt hat. Insoweit erschienen ergänzende Angaben zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der Ehefrau des Beklagten wegen des gemeinsamen Hausstands, des auf beide Eheleute laufenden Kontos, der von den Eheleuten gemeinsam abgeschlossenen Darlehens- sowie Wohngebäude- und Familienver­sicherungsverträge und des an den Beklagten und seine Ehefrau gerichteten Wirtschaftsplans angezeigt.

5. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da außergerichtliche Kosten nicht er­stattet werden (§ 127 Abs. 4 ZPO). Da die sofortige Beschwerde nur teilweise zurückgewiesen worden ist, wird die Gerichtsgebühr auf die Hälfte ermäßigt (Nr. 1812 des Kostenverzeichnisses, Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG).






OLG Köln:
Beschluss v. 15.01.2013
Az: 6 W 12/13


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