Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 20. Dezember 1996
Aktenzeichen: 6 U 4/96
(OLG Köln: Urteil v. 20.12.1996, Az.: 6 U 4/96)
1. Eine Aussetzung des Verfahrens nach Art. 22 EUGVÓ setzt die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen voraus; eine solche ist auch dann nicht zu bejahen, wenn in kennzeichnungsrechtlichen Streitigkeiten der niederländischen Muttergesellschaft einer inländischen Beklagten (GmbH) die Führung einer bestimmten Firma in den Niederlanden untersagt würde, die auch Streitgegenstand im inländischen Rechtsstreit ist.
2. Die Firmen ,Partek OY (AB)" für ein Unternehmen, das sich u.a. mit dem Vertrieb von Anlagen zur Herstellung von Betonteilen befaßt und die Firma ,Partek Butterworth Wasserhochdrucktechnik Vertriebs- und Servicegesellschaft Deutschland mbH", unter der Wasserhochdruckstrahlanlagen u.a. für die Betonreinigung, Beschichtungsentfernung, Betonentfernung und das Betonschneiden vertrieben werden, sind miteinander verwechslungsfähig.
Tenor
1.) Die Berufung der Beklagten gegen das am 28.11.1996 verkündete Urteil des Landgerichts Köln - 31 O 223/95 - wird zurückgewiesen.2.) Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Beklagten zu tragen.3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können jedoch die Vollstreckung durch Sicherheitsleitung oder Hinterlegung eines Betrages in nachbenannter Höhe abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die erforderliche Sicherheitsleistung oder Hinterlegung be-trägt für die Abwendung der Vollstreckung des Unterlassungstitels 500.000 DM und der Kostenansprüche der Klägerin 33.500 DM. Den Beklagten wird es auf ihren Antrag gestattet, die Sicherheit auch durch Gestellung einer selbstschuldnerischen Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse zu erbringen.4.) Die Beschwer der Beklagten wird auf 500.000 DM festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft finnischen Rechts mit
Tochtergesellschaften in 20 Staaten, insgesamt 8.000 Mitarbeitern
und einem Umsatz von 6 MRD Finmark im Jahre 1993. Die Umsätze
werden zu 80 % im Ausland und auch in Deutschland erzielt. Der in
verschiedene Bereiche gegliederte Konzern beschäftigt sich u.a. mit
der Gewinnung von Mineralien, der Herstellung und dem Vertrieb von
Mineralprodukten, Baumaterialien und Transportmitteln sowie im
Bereich "P. Concrete" mit Anlagen zur Herstellung von Betonteilen
jeglicher Art einschließlich Zubehör. Wegen der Einzelheiten wird
auf den von der Klägerin als Anlage K 1 vorgelegten
Geschäftsbericht der P.-Gruppe für das Jahr 1993 verwiesen.
Die Klägerin bezeichnet sich in finnischer bzw. schwedischer
Sprache als "P. OY" bzw. "P. AB" und in englischer Sprache als "P.
Corporation".
Die Beklagte zu 1) ist eine im Jahre 1989 gegründete und im
Jahre 1991 in das Handelsregister eingetragene Tochtergesellschaft
der im Jahre 1987 gegründeten niederländischen "P. B. Europe B.V."
Diese wiederum ist eine Tochtergesellschaft der US-amerikanischen
"B. Jetting Systems Incorporated". Der Beklagte zu 2) ist
Geschäftsführer der Beklagten zu 1). Diese vertreibt in Deutschland
Wasserhochdruckstrahlanlagen, die ausweislich ihres von der
Klägerin als Anlage K 14 vorgelegten Prospektes
(Umschlaginnenseite) u.a. im Baubereich bei der Betonreinigung,
Beschichtungsentfernung, dem Betonschneiden und der Betonentfernung
eingesetzt werden können.
Im Jahre 1983 kam es zu einer Vereinbarung zwischen der Klägerin
und dem erwähnten US-amerikanischen Unternehmen, die nach ihrem
Wortlaut die Benutzung der Bezeichnung "P." als Warenzeichen zum
Gegenstand hat, und wegen deren Einzelheiten auf die als Bl. 94 ff
vorgelegte Óbersetzung Bezug genommen wird.
Seit dem Jahre 1994 und damit vor Erhebung der Klage im
vorliegenden Verfahren ist in den Niederlanden vor der
Arrondissementsrechtsbank - Rolnr. 94/2651 - ein Verfahren zwischen
der Klägerin und drei weiteren Unternehmen der "P." Gruppe
einerseits und der niederländischen "P. B. Europe B.V." anhängig.
Verfahrensgegenstand ist die Verwendung der Firma und der
Handelsmarke "P.".
Die Klägerin hat behauptet, sie sei mit ihrer "P. Concret"
Gruppe seit Ende der 70-iger Jahre in Deutschland tätig und
inzwischen in Abnehmerkreisen der Bauindustrie allgemein bekannt
und beliebt. So stelle die "P. Br. Spannbetonwerk GmbH & Co
KG", wegen deren gewerblicher Tätigkeit auf den von der Klägerin
als Anlage K 7 vorgelegten Prospekt verwiesen wird, in
Schneverdingen Spannbeton-Hohlplatten her und vertreibe sie in
Deutschland unter Hinweis auf ihre Zugehörigkeit zum Bereich
"Concrete" der P.-Gruppe . Die "P. Finnelematic GmbH" und die "PCE
E.-I. GmbH" in N. vertrieben - wie sich aus den als Anlagen K 10 -
K 12 vorgelegten Prospekten und den Seiten 14-17 des als Anlage K
18 vorgelegten Prospektes "Finnovationen" ergebe - seit Anfang der
70-iger Jahre Betonverteilungssysteme, Produktionsanlagen und
Geräte für Betonfertigteile.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, es bestehe wegen des
Bestandteils "P." in der Firma der Beklagten zu 1)
Verwechslungsgefahr mit ihrer Firma. Sie selbst stelle zwar keine
Hochdruckreinigungsanlagen her, diese fänden aber Einsatz bei der
Herstellung von Betonfertigteilen jeder Art. Dies zeige sich schon
daran, daß die Beklagte zu 1) gerade mit der Verwendbarkeit für die
Betonreinigung und Betonentfernung werbe. Sie verfüge auch über die
notwendige Technik zur Herstellung von Hochdruck- und
Spritzanlagen. Die angesprochenen Verkehrskreise nähmen daher an,
daß die Beklagte zu 1) zur Gruppe der Klägerin gehöre oder
vermuteten zumindest engste rechtliche und wirtschaftliche
Beziehungen, die indes nicht bestünden.
Sie sei wegen deren geringen Umsatzes von bis zu 500.000 DM im
Jahr erst 1994 auf die Beklagte zu 1) aufmerksam geworden und habe
diese dann erfolglos abgemahnt.
Die Klägerin hat sinngemäß b e a n t r a g t,
die Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht
für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes
von bis zu 500.000 DM - ersatzweise, für den Fall, daß dieses nicht
beigetrieben werden kann, der Ordnungshaft - oder der Ordnungshaft
von bis zu 6 Monaten zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr in der Bundesrepublik Deutschland beim
Vertrieb von Reinigungsgeräten der Wasserhochdrucktechnik die
Firma
"P. B. Wasserhochdrucktechnik Vertriebs- und Servicegesellschaft
Deutschland mbH"
zu benutzen und/oder benutzen zu lassen.
Die Beklagten haben b e a n t r a g t,
die Klage abzuweisen.
Sie haben neben anderen Einwänden die Existenz der Klägerin in
der von ihr dargestellten Rechtsform bestritten, mit Blick auf das
erwähnte Verfahren in den Niederlanden die Aussetzung des
Verfahrens gem. Art 22 EuGVÓ beantragt und sich auf Verjährung und
Verwirkung berufen. Die Klägerin kenne die Beklagte zu 1)
spätestens seit dem Jahre 1991, als es zu einer Zusammenkunft von
Firmen auf einer Handelsmission in Skandinavien gekommen sei. Es
liege auch keine Verwechslungsgefahr vor, weil die Beklagte zu 1)
keine vergleichbaren Produkte oder Dienste wie die Klägerin
vertreibe, sondern die Hochdruckanlagen überwiegend an
Industriereinigungsunternehmen verkaufe. Was die 3 namentlich von
der Klägerin aufgeführten Unternehmen in Deutschland angehe, so
existiere die "P. Brespa" erst seit 1992, befinde sich die
"Finnelematic" seit 1995 in Liquidation und sei die Klägerin
schließlich nicht Gesellschafterin der "PCE E.-I. GmbH".
Verwechslungen seien auch in der Vergangenheit nicht vorgekommen.
Schließlich hat sie sich darauf berufen, auf Grund der Vereinbarung
aus dem Jahre 1983 zu der Führung der Firma berechtigt zu sein.
Das L a n d g e r i c h t hat in einem ausführlichen Urteil,
wegen dessen Begründung auf die Ausfertigung Bl.140 ff Bezug
genommen wird, der Klage stattgegeben.
Mit ihrer B e r u f u n g gegen dieses Urteil erstreben die
Beklagten in erster Linie die Rückverweisung der Sache an das
Landgericht, weil dieses im Sinne von § 539 ZPO
verfahrensfehlerhaft entgegen Art. 22 EuGVÓ das Verfahren nicht
ausgesetzt habe. Die Kammer habe die Voraussetzungen dieser
Bestimmung verkannt und ihr Ermessen unrichtig ausgeübt. Für die
Anwendung von Art. 22 EuGVÓ genüge bereits die Gefahr
widersprechender Entscheidungen. Diese sei indes gegeben, weil es
in beiden Verfahren um die Frage gehe, ob die finnische "P."-Gruppe
von der US-amerikanischen und niederländischen "P. B. Gruppe" die
Unterlassung der Bezeichnung "P." verlangen könne. Óberdies komme
es in beiden Verfahren auf die Vereinbarung aus dem Jahre 1983 an,
die indes nicht zwischen den Niederlanden und Deutschland
unterscheide.
Im übrigen bestehe keine Branchennähe, weil die Klägerin sich an
Bauunternehmen wende, während die Beklagte zu 1) Hochdruckpumpen
für petrochemische Anlagen liefere. Der Verkehr erwarte nicht, daß
der Hersteller von Betonfertigteilen auch Wasserhochdruckanlagen
herstelle oder vertreibe, sondern gehe davon aus, daß diese durch
Fachfirmen geliefert würden.
Verwechslungsgefahr könne auch von vorneherein nur für den
Bereich "Herstellung von Betonteilen" in Betracht kommen, insoweit
habe die Klägerin indes eine ältere Priorität nicht dargelegt.
Hierzu könne sie sich weder auf die "Partec-Finnelematic", noch auf
die "PCE-E. I. GmbH" berufen, weil beide Gesellschaften nicht zum
Konzern der Klägerin gehörten. Óberdies sei die "Partec
Finnelematic" seit dem 21.6.1995 in Liquidation und habe die
"PCE-E. I. GmbH" die Bezeichnung "P." nicht vor der Gründung der
Beklagten zu 1) erwähnt. Anderes könne nicht aus den Anlagen K 10 -
K 12 entnommen werden, da diese bereits die erst seit Mitte des
Jahres 1993 in Deutschland gebräuchlichen 5-stelligen
Postleitzahlen enthielten. Außerdem würden durch frühere
Gesellschaften aus ihrer Gruppe bereits seit 25 Jahren in Europa
Wasserhochdruckgeräte unter der Bezeichnung "P." vertrieben
(Bl.203). Im übrigen benutze sie die Bezeichnung "P." mit Blick auf
die erwähnte Vereinbarung aus dem Jahre 1983 nicht unbefugt, weil
diese dahin auszulegen sei, daß auch der firmenmäßige Gebrauch von
"P." habe mitgeregelt werden sollen. Ein eventueller Anspruch sei
schließlich verwirkt, weil die Klägerin, die die Beklagte zu 1)
seit 1991 kenne, zwar im Jahre 1992 an diese herangetreten sei,
dann aber 27 Monate lang nichts mehr unternommen habe. In der
Zwischenzeit habe die Beklagte zu 1) sich gerade unter der
angegriffenen Firma wertvollen Besitzstand aufgebaut, wie aus der
als Anlage BB 1 vorgelegten Zusammenstellung ihrer
Geschäftstätigkeit zu entnehmen sei.
Die Beklagte b e a n t r a g t,
das Urteil des Landgerichts Köln vom 28.11.1995 - 31 O 223/95 -
aufzuheben und die Sache an das Landgericht Köln
zurückzuverweisen.
hilfsweise das Urteil des Landgerichts Köln vom 28.11.1995 - 31
O 223/95 - abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin b e a n t r a g t,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie meint, bezüglich der beantragten Aussetzung des Verfahrens
liege ein Verfahrensfehler des Landgerichts nicht vor, weil die
Kammer ihr Ermessen sachgerecht ausgeübt habe.
Entgegen der Auffassung der Beklagten bestehe
Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne, zumal es bei Konzernen
üblich sei, im Stile eines "Familiennamens" alle Gesellschaften mit
demselben Stammnamen und einem individualisierenden Zusatz zu
versehen. Es bestehe im übrigen in ausreichendem Umfang
Branchennähe, weil die Beklagte zu 1) als ein Unternehmen, das
Produkte herstelle, die in dem Tätigkeitsbereich der Klägerin
eingesetzt würden, zur Klägergruppe passen würde. Zur Priorität sei
nicht die Marktpräsenz einzelner Tochterunternehmen, sondern ihre
eigene - über Tochterunternehmen ausgeübte - Präsenz auf dem
Deutschen Markt maßgeblich. Daher sei es unerheblich, wenn einzelne
Tochterunternehmen liquidiert würden, solange andere die
Bezeichnung fortführten. Für die Beklagte zu 1) komme eine
Priorität vor ihrer Gründung nicht in Betracht, weil sie ältere
Firmenrechte nicht dargelegt habe. Die Vereinbarung aus dem Jahre
1983 beziehe sich nach ihrem ausdrücklichen und eindeutigen
Wortlaut ausschließlich auf die Verwendung des Begriffes als
Warenzeichen. Schließlich sei ihr Anspruch auch nicht verwirkt. Sie
habe erst 1994 erste vage Informationen erhalten, daß sich in
Hamburg eine Niederlassung oder Tochtergesellschaft der
niederländischen Gesellschaft etabliert habe.
Nach Schluß der mündlichen Verhandlung im Berufungsrechtszug
beantragen die Beklagten mit Schriftsatz vom 28.11.1996, die
mündliche Verhandlung wiederzueröffnen, und zwar mit der
Begründung, sie hätten nach langen Nachforschungen nunmehr Material
aufgefunden, aus dem sich ergebe, daß die Unternehmensgruppe, der
die Beklagte zu 1) angehöre, bereits seit Anfang der 70-iger Jahre
unter dem Namen "P." auf dem deutschen Markt tätig sei. Die
Klägerin widerspricht diesem Antrag und rügt die Verspätung des
Vorbringens. Bezüglich des Vortrags der Parteien nach Schluß der
mündlichen Verhandlung im einzelnen wird auf die Schriftsätze der
Beklagten vom 28.11.1996 nebst Anlagen (Bl.257 ff) und der Klägerin
vom 2.12.1996 (Bl.262 f) verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die
übrigen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen, die sämtlich
Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Gründe
Die Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache keinen
Erfolg.
Die - überdies sachgerechte - Entscheidung der Kammer, das
Verfahren nicht gem. Art. 22 EUGVÓ auszusetzen, stellt keinen
Verfahrensfehler dar, der gem. § 539 ZPO zur Aufhebung des
angefochtenen Urteils führen könnte. Zu Recht hat das Landgericht
auch dem Unterlassungsbegehren stattgegeben. Hierüber ist bereits
jetzt und ausschließlich auf der Grundlage des Vorbringens der
Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 30.10.1996 zu
entscheiden, weil ein Anlaß für die von den Beklagten beantragte
Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht besteht.
Der Antrag, das Urteil des Landgerichts aufzuheben und die Sache
zum Zwecke der Aussetzung zurückzuverweisen, ist unbegründet.
Die Ablehnung der Aussetzung durch die Kammer war nicht
verfahrensfehlerhaft im Sinne des § 539 ZPO. Das Landgericht hatte
gemäß Art.22 EUGVÓ nach seinem Ermessen zu entscheiden, ob eine
Aussetzung geboten war, und hat dies mit nicht
ermessensfehlerhaften Erwägungen verneint. Entgegen der Auffassung
der Beklagten ist die Kammer dabei nicht von unrichtigen
Voraussetzungen des Art. 22 EUGVÓ ausgegangen. In dem Urteil ist
vielmehr zutreffend ausgeführt, daß Voraussetzung für eine
Aussetzung die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen sei. Der
Senat kann die Frage offenlassen, inwieweit er überhaupt befugt
wäre, die Entscheidung für verfahrensfehlerhaft anzusehen, ohne -
was nicht in seine Kompetenz fiele -, sein Ermessen an die Stelle
desjenigen des Landgerichts zu setzen. Denn es war sachgerecht, von
der Möglichkeit der Aussetzung keinen Gebrauch zu machen. Das
ergibt sich schon daraus, daß beide Verfahren Ansprüche betreffen,
die jeweils nur in dem Land gelten, in dem sie geltend gemacht
werden. Sollte der niederländischen Muttergesellschafrt der
Beklagten die beanstandete Firmenführung untersagt werden, so hätte
ein solches Urteil nur Auswirkungen in den Niederlanden und würde
überdies auch nicht die Beklagte zu 1), sondern deren
Muttergesellschaft betreffen. Umgekehrt hindert die Verurteilung
der Beklagten zu 1) im vorliegenden Verfahren diese und ihre
Muttergesellschaft nicht, in den Niederlanden unter der
beanstandeten Firma weiter aufzutreten. Óberdies sind auch die
tatsächlichen Verhältnisse, die den zu treffenden Entscheidungen
zugrundeliegen, nicht identisch. So setzt die Verwechslungsgefahr
u.a. eine gewisse Branchennähe voraus und knüpft damit an konkrete
Verhältnisse hier in Deutschland an, die in den Niederlanden nicht
gegeben sein müssen. Einziger Berührungspunkt ist die Tatsache, daß
auch in dem niederländischen Verfahren die Frage zu beurteilen sein
mag, ob etwa die Vereinbarung aus dem Jahre 1983 den Beklagten das
Recht gibt, in der beanstandeten Weise zu firmieren. Dabei handelt
es sich aber nur um eine von vielen zur Entscheidung anstehenden
Fragen. Außerdem ist, worauf noch einzugehen ist, aufgrund des
Wortlautes ganz eindeutig, daß die Vereinbarung Firmenrechte nicht
umfaßt.
Nach alledem drohen sich widersprechende Entscheidungen in
beiden Verfahren nicht und war eine Aussetzung gem. Art 22 EUGVÓ,
sofern sie - was offenbleiben kann - überhaupt zulässig gewesen
sein sollte, jedenfalls nicht geboten.
Der Unterlassungsanspruch ist aus den von der Kammer ausführlich
dargelegten und von dem Senat in vollem Umfang für zutreffend
gehaltenen Gründen, auf die zunächst gemäß § 543 ZPO Bezug genommen
wird, aus §§ 5 Abs.1 und 2, 15 Abs.1, 2 und 4, 153 Abs.1 MarkenG,
16 Abs.1 UWG a.F., Art. 2 Abs.1 S.1 PVÓ begründet.
Aus den von der Berufung nicht angegriffenen Gründen der
angefochtenen Entscheidung stehen sich die Bezeichnungen "P." der
Klägerin und "P. B." der Beklagten zu 1) gegenüber. Diese Begriffe
sind unter Berücksichtigung der gegebene Branchennähe im weiteren
Sinne miteinander verwechselbar. Angesichts der Priorität der
klägerischen Bezeichnung sind die Beklagten daher zur Unterlassung
der Firmierung für den Bereich Reinigungsgeräte der
Wasserhochdrucktechnik verpflichtet.
Es besteht eine erhebliche Branchennähe, zumindest soweit
Unternehmen der Klägerin im Bereich des Vertriebs von Anlagen zur
Herstellung von Betonteilen tätig sind. Denn im Bereich der
Betonverarbeitung werden Wasserhochdruck-Geräte zu Reinigungs- und
anderen Zwecken eingesetzt. Dies bedarf angesichts der Tatsache,
daß die Beklagte zu 1) in ihrem als Anlage K 14 von der Klägerin zu
den Akten gereichten Prospekt selbst auf diese
Verwendungsmöglichkeiten, nämlich bei der Betonreinigung, dem
Betonschneiden und der Betonentfernung, hinweist
(Umschlaginnenseite), keiner Begründung. Es liegt daher für den
Verkehr nahe, daß ein Unternehmen, das Anlagen zur Produktion von
Betonfertigteilen liefert, auch Reinigungsgeräte, und damit auch
solche der Wasserhochdrucktechnik liefert. Das gilt für die
Klägerin umso eher, als diese in einer Vielzahl ganz
unterschiedlicher Branchen tätig ist, und daher für den Verkehr die
Vermutung naheliegt, daß sie auch diesen an die Betonverarbeitung
angrenzenden Produktbereich mitabdeckt. Vor diesem Hintergrund
könnte schon zweifelhaft sein, ob die Priorität der Klägerin sich
gerade auf den Bereich der Anlagen zur Erstellung und Verarbeitung
von Fertigbetonteilen beziehen muß. Die Frage kann jedoch
offenbleiben, weil auch für diesen Bereich eine frühere Priorität
der Klägerin besteht.
Die Beklagte zu 1) hat eine Priorität frühestens zum Jahr 1989,
in dem sie gegründet worden ist. Demgegenüber kommt ihr die von ihr
behauptete Tatsache nicht zugute, daß schon vorher von
Vorgängerunternehmen Produkte unter der Bezeichnung "P." in
Deutschland auf den Markt gekommen sind. Denn eine rein
kennzeichenmäßige Benutzung kann nicht eine Priorität für die
firmenmäßige Benutzung begründen (vgl. Baumbach/Hefermehl,
Wettbewerbsrecht, 17.Aufl., § 6 UWG RZ 99).
Demgegenüber besteht auch für den Bereich Betonfertigung eine
wesentlich ältere, zumindest aus den 70-iger Jahren stammende
Priorität der Klägerin. Hierfür genügt es, daß deren Bezeichnung
von Tochterunternehmen in der Form geführt wird, daß die
Zugehörigkeit zur Klägerin deutlich wird. Das ist zumindest
bezüglich der Fa. P. Finnelematic GmbH der Fall, die ausweisliche
des Handelsregisterauszuges Anlage K 8 nach früher anderer
Bezeichnung bereits seit dem Jahre 1983 so firmiert. Daß sich diese
Gesellschaft seit Mitte 1995 in Liquidation befindet, ist ohne
Bedeutung, weil seit zumindest 1992 die Fa. "P. Brespa" als
Spannbetonwerk und - wie etwa aus der Anlage K 10 ersichtlich ist -
die Fa. PCE für Betonverteilersysteme in Deutschland als Mitglied
der P. Gruppe auf dem Markt sind.
Entgegen der Auffassung der Beklagten reicht der Zusatz "B." in
ihrer Firma nicht aus, um angesichts der dargestellten Branchennähe
die Gefahr zu vermeiden, daß Teile der angesprochenen
Verkehrskreise annehmen werden, es bestünden wirtschaftliche oder
organisatorische Verbindungen. Auch insoweit kann auf die
zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Bezug genomen werden. Es
besteht zum einen angesichts der Länge der Bezeichnung die Tendenz
des Verkehrs zu deren Verkürzung, wobei eine Verkürzung allein auf
"P." mindestens ebenso naheliegt wie eine solche auf "B.", weil P.
kürzer ist und am Anfang der Bezeichnung steht. Zum anderen legt
gerade die Größe und Verzweigtheit des Konzerns der Klägerin ebenso
die Vermutung nahe, daß mit "P." ein Hinweis auf den Konzern und
mit "B." ein solcher auf ein bestimmtes Tätigkeitsfeld gemeint ist.
Dafür spricht auch, daß die Klägerin die verschiedenen Felder ihrer
Tätigkeit mit Begriffen wie "P. Concrete" oder "P. Cargotec"
bezeichnet.
Entgegen der Auffassung der Beklagten läßt sich aus der
Vereinbarung aus dem Jahre 1983 nicht das Recht herleiten, den
Begriff "P." als Firma im Rahmen der dort geregelten Gebiete zu
verwenden. Denn die Vereinbarung bezieht sich ausschließlich auf
Kennzeichnungen im Sinne von Warenzeichen, nicht aber auf eine
firmenmäßige Benutzung. Schon im Betreff ist ausdrücklich gerade
das Warenzeichen ("trade mark") P. angesprochen. Auch in dem den
anschließenden Text einleitenden Satz wird zur Beschreibung der
Rechte, die geregelt werden sollen, der Bezeichnung "P."
ausdrücklich in Klammern der Zusatz "das Warenzeichen" beigefügt.
Ebenso wird im folgenden jeweils ausdrücklich von dem "Warenzeichen
P." gesprochen, dessen Benutzung durch die Vereinbarung geregelt
werde. Es bestehen keine Anhaltspunkte für die Richtigkeit der
Behauptung der Beklagten, für die diese auch keinen Beweis antritt,
über diesen eindeutigen Wortlaut der schriftlichen Vereinbarung
hinaus sei der Beklagten zu 1) damit auch das Recht eingeräumt
worden, sich als Unternehmen "P." zu nennen.
Der mithin bestehende Unterlassungsanspruch ist auch nicht
verwirkt.
Die Beklagten haben schon nicht substantiiert behauptet, daß die
Klägerin bereits im Jahre 1992 Kenntnis von ihrer Existenz erlangt
habe. Es ist daher von der Behauptung der Klägerin auszugehen,
wonach diese erst im Jahre 1994 erste Anhaltspunkte für eine
Existenz einer deutschen Unternehmung mit der Bezeichnung "P. B."
hatte.
Die für sich genommen unklare Formulierung auf Seite 7 der
Klageerwiderung, wonach es "zu einer Zusammenkunft von Firmen
kam auf einer von dem Wirtschaftsministerium organisierten
Handelsmission mit dem Namen Holland Nordic Trade Express in
Skandinavien", ist im Zusammenhang mit den Ausführungen auf
S.12 desselben Schriftsatzes zu sehen. Dort heißt es aber, daß "es
zu einem Kontakt zwischen der finnischen Gesellschaft und P. B.
Europe B.V." gekommen sei. Damit ergibt sich aus dem Vortrag der
Beklagten gerade nicht, daß die Klägerin damals von ihrer, der
deutschen Gesellschaft, Existenz erfahren habe.
Schließlich besteht ein Anlaß zur Wiedereröffnung der mündlichen
Verhandlung aufgrund des Vorbringens der Beklagten in deren nicht
nachgelassenem Schriftsatz vom 28.11.1996 nicht.
Aus diesem Vorbringen ergibt sich schon eine frühere
Priorität
der Beklagten zu 1) als sie oben angeführt worden ist, also seit
ihrer Gründung im Jahre 1989, nicht. Das gilt ungeachtet der Frage,
unter welchen Voraussetzungen eine frühere Existenz eines
Unternehmens der Gruppe, zu der die Beklagte zu 1) gehört, auf dem
deutschen Markt überhaupt den Beklagten zugutekommen könnte. Denn
die Beklagten stützen sich zur Begründung einer angeblich früheren
Priorität der Bezeichnung "P. B." für die Beklagte zu 1)
ausschließlich auf angeblich in deutschen Fachzeitschriften
erschienene Werbeanzeigen der Fa. "P. Corporation of Houston".
Diese Gesellschaft ist oder war indes nicht in Deutschland, sondern
in den Vereinigten Staaten von Amerika, nämlich - soweit dies
einzelnen Anzeigen zu entnehmen ist - in Houston, Texas, tätig.
Voraussetzung für die Annahme einer früheren Priorität ist aber,
daß das betreffende Unternehmen in Deutschland oder von Deutschland
aus wirtschaftlich tätig gewesen ist. Nur dann kann nämlich die
Verwendung des Namens eine schützenswerte Rechtsposition bewirkt
haben, die eine Priorität begründet haben kann.
Der Senat sieht hierzu von weiteren Ausführungen ab, weil der
beantragten Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung
darüberhinaus die Tatsache entgegensteht, daß das nunmehrige
Vorbringen ohnehin gem § 528 Abs.2 ZPO bzw. §§ 523, 296 Abs.2 ZPO
nicht zugelassen werden könnte. Es handelt sich um ein neues
Verteidungsmittel. Das ergibt sich ohne weiteres schon daraus, daß
die Beklagten entgegen ihrer Behauptung bis zur mündlichen
Verhandlung gerade nicht vorgetragen haben, daß Unternehmen ihrer
Gruppe früher unter der Bezeichnung "P." auf dem deutschen Markt
tätig gewesen seien. Soweit sie sich hierzu auf ihre
Berufungsbegründung berufen, so haben sie dort (S.15) im Gegenteil
zwar behauptet, daß Produkte unter der (Waren-)Bezeichnung "P."
vertrieben worden seien, die von ihnen als Vertreiber benannten
Gesellschaften führen bzw. führten jedoch - worauf es aber allein
ankommt - gerade nicht auch die Bezeichnung "P.".
Es hätte den Beklagten - wenn man die nicht vorhandene
Erheblichkeit des nunmehrigen Vorbringens unterstellt - gem. §§ 282
Abs.1 und 2, 523 ZPO aus den sogleich darzustellenden Gründen
oblegen, bereits in erster Instanz bzw. rechtzeitig vor Schluß der
mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren diesen Vortrag zum
Gegenstand des Verfahrens zumachen.
Die Zulassung dieses Vorbringens würde auch - und zwar über die
schon durch die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung ohnehin
entstehende Verzögerung hinaus - die Erledigung des Rechtsstreits
verzögern. Denn es ist damit zu rechnen, daß bezüglich diese
Vorbringens, seine Erheblichkeit unterstellt, weitere
Sachaufklärung erforderlich wäre. Es ist nämlich nicht anzunehmen,
daß die Klägerin, der die Beklagten ihr verspätetes Vorbringen
bisher nur ohne die maßgeblichen Anlagen zur Kenntnis gebracht
haben, bei voller Kenntnis des neuen Verteidigungsmittels die darin
enthaltenen tatsächlichen Behauptungen als zutreffend einräumen
würde.
Schließlich haben die Beklagten das Vorbringen auch aus grober
Nachlässigkeit im ersten Rechtszug bzw. innerhalb des
Berufungsverfahrens unterlassen. Hiervon ist ohne weiteres bereits
deswegen auszugehen, weil sie selbst schon in ihrem Schriftsatz vom
28.11.1996, aber auch auf den Schriftsatz der Klägerin vom
2.12.1996 hin, in dem die Verspätung des neuen Vorbringens
ausdrücklich gerügt worden ist, nicht den Versuch unternehmen, die
Verspätung zu rechtfertigen.
Die Frage, ob die Beklagten sich für die Benutzung von "P." in
der Firma der Beklagten zu 1) auf eine frühere Priorität als die
Klägerin berufen können, war von Beginn des Verfahrens an - und
zwar ohne weiteres erkennbar - für den Ausgang des Rechtsstreits
von ausschlaggebender Bedeutung. Die Problematik lag daher - ganz
abgesehen der vorangegangenen Abmahnung - spätestens seit
Klageerhebung, die bereits mit Zustellung der Klageschrift am
13.4.1995 erfolgt ist, für die Beklagten auf der Hand. Warum sie
gleichwohl erst nach Abschluß der zweiten Tatsacheninstanz und gut
1 1/2 Jahre später ihre Behauptungen zu einer früheren Priorität
aufstellen, ist weder dargelegt, noch sonst aus den Umständen
ersichtlich. Soweit die Beklagten unsubstantiiert behaupten, dem
neuen Vortrag lägen umfangreiche Recherchen zugrunde, die sich
äußerst schwierig gestaltet hätten, vermag das den Vorwurf grober
Nachlässigkeit nicht auszuräumen. Aus dem Vortrag der Beklagten
ergibt sich schon nicht, wann mit den angeblich langen
Nachforschungen begonnen worden sein soll. Es ist überdies auch
kaum vorstellbar, daß sich die Suche nach Materialien bei den
niederländischen und amerikanischen Muttergesellschaften der
Beklagten zu 1) und in Bibliotheken über mehr als 1 1/2 Jahre
erstreckt haben könnte. Im übrigen hätte es den Beklagten im Falle
von Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Beweismitteln
jedenfalls oblegen, dies den Gericht in beiden Instanzen
vorzutragen und auf eine Verfahrensweise hinzuwirken, die eine
Berücksichtigung noch ermöglichte.
Nach alledem besteht für eine Wiedereröffnung der mündlichen
Verhandlung kein Anlaß.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§
708 Nr.10, 711 ZPO.
Die gemäß § 546 Abs.2 ZPO festzusetzende Beschwer der Beklagten
entspricht dem Wert ihres Unterliegens im Rechtsstreit.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 500.000 DM
OLG Köln:
Urteil v. 20.12.1996
Az: 6 U 4/96
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/f4f0797d4aff/OLG-Koeln_Urteil_vom_20-Dezember-1996_Az_6-U-4-96