Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 24. Oktober 2011
Aktenzeichen: AnwZ (Brfg) 40/11
(BGH: Beschluss v. 24.10.2011, Az.: AnwZ (Brfg) 40/11)
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 2. Senats des Niedersächsischen Anwaltsgerichtshofs vom 30. Mai 2011 wird abgelehnt.
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Der Geschäftswert für das Zulassungsverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beklagte hat mit Bescheid vom 11. Februar 2010 die Zulassung des Klägers wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO) widerrufen. Dessen hiergegen gerichtete Klage hat der Anwaltsgerichtshof abgewiesen. Dagegen wendet sich der Kläger mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung.
II.
Der nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO statthafte Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (BVerfGE 110, 77, 83; BVerfG, NJW 2009, 3642; BGH, Beschluss vom 23. März 2011 - AnwZ (Brfg) 9/10, juris Rn. 3 m.w.N.). Daran fehlt es hier.
a) Zum Zeitpunkt des Zulassungswiderrufs bestand eine gesetzliche Vermutung für den Vermögensverfall des Klägers (vgl. § 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbs. 2 BRAO, § 915 ZPO), weil gegen ihn unter dem Aktenzeichen M am 8. Januar 2010 (im Widerrufsbescheid und im Urteil des Anwaltsgerichtshofs ist versehentlich das Datum 18. Januar 2010 genannt) ein Haftbefehl zur Erzwingung der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung erwirkt und im Schuldnerverzeichnis des Amtsgerichts O. eingetragen worden war. Diese Vermutung hat der Kläger nicht entkräftet. Dass der Haftbefehl am 7. Dezember 2010 wieder gelöscht worden ist, berührt den Vermögensverfall des Klägers zum Zeitpunkt des Erlasses der Widerrufsentscheidung nicht. Der für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Widerrufsentscheidung der Beklagten maßgebliche Zeitpunkt war vorliegend auch nicht bis zum Abschluss eines nach neuem Recht grundsätzlich vorgeschriebenen Vorverfahrens (§ 68 VwGO) hinausgeschoben. Denn ein solches war gemäß § 8a Abs. 1 des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes zur VwGO nicht durchzuführen. 2 Unabhängig von der nicht widerlegten gesetzlichen Vermutung belegen auch zahlreiche Beweisanzeichen den Vermögensverfall des Klägers zum Zeitpunkt des Zulassungswiderrufs. In den Jahren 2008 bis 2010 betrieben mindestens acht Gläubiger - teilweise sogar wegen relativ geringfügiger Forderungen - die Zwangsvollstreckung gegen den Kläger.
b) Soweit der Kläger geltend macht, zwischenzeitlich nahezu alle Verbindlichkeiten getilgt zu haben, ist dies für das vorliegende Verfahren unerheblich. Im Hinblick auf die mit Wirkung zum 1. September 2009 erfolgte Änderung des Verfahrensrechts ist eine nachträgliche Konsolidierung der wirtschaftlichen Verhältnisse des betroffenen Rechtsanwalts nicht im Anfechtungsprozess über einen Zulassungswiderruf zu berücksichtigen; die Beurteilung solcher Entwicklungen ist vielmehr einem gesonderten Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, juris Rn. 9 ff.). Auf die - ohnehin punktuellen und nur teilweise belegten - Angaben des Klägers zum Stand seiner derzeitigen finanziellen Verhältnisse kommt es daher nicht an.
c) Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck gekommenen Wertung des Gesetzgebers ist mit einem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Diese Annahme ist regelmäßig schon im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Fremdgeldern und den darauf möglichen Zugriff von Gläubigern gerechtfertigt. Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Gefährdung zum Zeitpunkt des Zulassungswiderrufs ausnahmsweise nicht bestand, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
2. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Eine solche kommt einem Rechtsstreit nur dann zu, wenn dieser eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 27. März 2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288, 291 m.w.N.; vom 24. März 2011 - AnwZ (Brfg) 3/11, juris Rn. 4). Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob im konkreten Einzelfall von einem Vermögensverfall auszugehen ist, hat keine allgemeine und damit grundsätzliche Bedeutung.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Gegenstandswerts auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.
Tolksdorf Lohmann Fetzer Hauger Quaas Vorinstanz:
AGH Celle, Entscheidung vom 30.05.2011 - AGH 4/10 (II 3) - 8
BGH:
Beschluss v. 24.10.2011
Az: AnwZ (Brfg) 40/11
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