Bundespatentgericht:
Beschluss vom 15. März 2006
Aktenzeichen: 32 W (pat) 249/03

(BPatG: Beschluss v. 15.03.2006, Az.: 32 W (pat) 249/03)

Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 26. Mai 2003 aufgehoben, soweit der Widerspruch aus der Marke 678 344 für die Waren "Füllungen für Back- und Konditorwaren, Brotaufstrich, im wesentlichen aus Speisefetten bestehend, mit Mandel- und Nougatgeschmack; Melassesirup, Zucker, Honig; Speiseeis, Eiskremkonfekt, gefrorene Back-, Konditor-, Zuckerwaren; Kuchen, Biskuits, feine Back- und Konditorwaren, Zuckerwaren, aus den vorgenannten Waren hergestellte Füllungen für Gebäck- und Knabbererzeugnisse; Pudding-Desserts; Knabbererzeugnisse und kleine Imbisse, in der Hauptsache aus Kuchen und/oder Gebäck bestehend; alle vorgenannten Waren auch als diätetische Lebensmittel für nichtmedizinische Zwecke" zurückgewiesen worden ist. In dem genannten Umfang wird die Löschung der Marke 397 58 062 angeordnet.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die am 4. Dezember 1997 angemeldete, am 24. März 1998 eingetragene und am 30. April 1998 veröffentlichte Wortmarke 397 58 062 RONDO nach Beschränkung des Warenverzeichnisses im Amtsverfahren noch beansprucht für die Waren

"Füllungen für Back- und Konditorwaren, Mehl, Getreideerzeugnisse für die menschliche Ernährung; Reis, auch in Kochbeuteln sowie vorgekocht oder dehydriert; Teigwaren, Gewürze, Gewürzmischungen, Speisewürzen; Brotaufstrich, im wesentlichen aus Speisefetten bestehend, mit Mandel- und Nugatgeschmack; Tee (ausgenommen für medizinische Zwecke), vorgenannte Waren auch in Extraktform (flüssig oder trocken) als Fertiggetränk sowie in Portionspackungen, auch zur Abgabe mittels Waren- und Verkaufsautomaten, Melassesirup, Zucker, Honig; Soßen, einschließlich Salatsoßen; Speiseeis, Eiskremkonfekt, gefrorene Back-, Konditor-, Zuckerwaren; Brot, Kuchen, Biskuits, feine Back- und Konditorwaren, Zuckerwaren, aus den vorgenannten Waren hergestellte Füllungen für Gebäck und Knabbererzeugnisse; Pudding-Desserts; Knabbererzeugnisse und kleine Imbisse, in der Hauptsache aus Getreide, Reis, Teigwaren, Pizzas (gekühlt oder gefroren), Kuchen und/oder Gebäck bestehend; alle vorgenannten Waren auch als diätetische Lebensmittel für nichtmedizinische Zwecke"

ist aus der seit 1. Juli 1955 für

"Zuckerwaren"

eingetragenen Wortmarke 678 344 Rondo Widerspruch erhoben worden. Der Widerspruch vom 3. Juni 1998 richtet sich gegen alle Waren und wurde im Namen der A... GmbH eingelegt. Dieses Unternehmen war allerdings bereits mit Vertrag vom 19. Juli 1996 mit der B... GmbH & Co. KG verschmolzen worden, auf die die Widerspruchsmarke sodann am 9. April 1998 umgeschrieben worden war. Am 4. Februar 1999 wurde die Widerspruchsmarke nochmals auf die nunmehr Widersprechende umgeschrieben.

Die Markeninhaberin hat die Einrede der Nichtbenutzung gegen die Widerspruchsmarke erhoben. Die Widersprechende hat daraufhin zur Glaubhaftmachung der Benutzung eine eidesstattliche Versicherung des Prokuristen der B... GmbH & Co. KG vom 4. März 2002 nebst Verpackungsmuster vorgelegt. Danach sind mit der Marke in den Jahren 1993 bis 1998 jährlich Umsätze zwischen 14 000,00 und 25 000,00 DM erzielt worden. Auf dem Verpackungsmuster befindet sich unter der Markenbezeichnung u. a. die Aufschrift "MULTIVITAMIN-RINGE". Bei den Zutaten wird auf dem Verpackungsmuster als erste Zutat Zucker aufgeführt, dessen Anteil 74% beträgt.

Die Markeninhaberin hat die Nichtbenutzungseinrede aufrechterhalten, da eine Benutzung der Widerspruchsmarke für Zuckerwaren nicht ausreichend glaubhaft gemacht worden sei. Eine Benutzung sei allenfalls für ein Vitaminprodukt dargetan.

Die mit einem Beamten des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch mit Beschluss vom 26. Mai 2003 zurückgewiesen. Eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke sei nicht ausreichend glaubhaft gemacht worden. Die unter der Widerspruchsmarke vertriebenen Vitaminpräparate seien keine Zuckerwaren, sondern wegen des hohen Vitamingehalts frei verkäufliche Arzneimittel und damit Waren der Klasse 5 und nicht der Klasse 30. Diese Beurteilung entspreche auch der Kollisionsentscheidung des Hamonisierungsamtes für den Binnenmarkt vom 29. November 2000, das eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke verneint habe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Zur weiteren Glaubhaftmachung der Benutzung hat sie zwei eidesstattliche Versicherungen des EDV-Leiters und des Prokuristen der B... GmbH und Co. KG vom 10. November 2003 und vom 10. Februar 2006 nebst Verpackungsmustern vorgelegt. Darin heißt es, mit den so verpackten Waren seien zwischen 1998 und 2003 jährlich Umsätze zwischen 3 000,00 € bis 8 785,95 € erzielt worden. Darüber hinaus hat die Widersprechende ausgeführt, dass die Marke in den Jahren 2004 und 2005 nicht mehr benutzt worden sei, sie befasse sich derzeit jedoch intensiv mit einer Wiederaufnahme der Benutzung. Die unter der Marke vertriebenen Fruchtgummiprodukte würden unter den Oberbegriff "Zuckerwaren" fallen. Der Verkehr werde die Produkte ohne weiteres als Zuckerwaren und nicht als Vitaminpräparate ansehen. Zwischen den Marken sei eine Verwechslungsgefahr gegeben.

Die Widersprechende beantragt, den Beschluss der Markenstelle für Klasse 30 vom 26. Mai 2003 aufzuheben und die Löschung der Marke 397 58 062 zu beschließen.

Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigt den Beschluss der Markenstelle und erhält die Nichtbenutzungseinrede aufrecht. Die Multivitamin-Ringe seien nicht als Zuckerwaren, sondern als Vitaminprodukte anzusehen. Die eingereichten Benutzungsunterlagen würden auch nicht genügen, um eine ernsthafte Benutzung glaubhaft zu machen.

Nach der Schließung der mündlichen Verhandlung und Verkündung des Beschlusses am 15. März 2006 begehrt die Markeninhaberin mit Schriftsatz vom 20. März 2006 die nachträgliche Zulassung der Rechtsbeschwerde im Wege der Beschluss-Ergänzung nach § 321 ZPO. Mit dem gleichen Ziel hat sie mit weiterem Schriftsatz vom 24. März 2006 Gegenvorstellung und Anhörungsrüge erhoben.

II.

Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig und teilweise, bezüglich der in der Beschlussformel genannten Waren, auch begründet, weil die sich gegenüberstehenden Marken insoweit der Gefahr einer Verwechslung im Verkehr unterliegen. Hinsichtlich der sonstigen für die angegriffene Marke registrierten Waren verbleibt es dagegen bei der den Widerspruch zurückweisenden Entscheidung der Markenstelle.

1. Durchgreifende Bedenken gegen die Zulässigkeit des Widerspruchs bestehen nicht. Zwar war die im Widerspruch vom 3. Juni 1998 als Inhaberin der Widerspruchsmarke genannte A... GmbH zu diesem Zeitpunkt nicht mehr als Inhaberin der Widerspruchsmarke eingetragen, da die Marke zuvor aufgrund eines Umschreibungsantrags vom 12. Februar 1998 am 9. April 1998 vom Deutschen Patentamt auf die B... GmbH & Co. KG umge- schrieben worden war. Bei der fehlerhaften Benennung der Inhaberin der Widerspruchsmarke im Widerspruchsvordruck handelt es sich jedoch um eine bloße Falschbezeichnung, nicht um einen Fall fehlender Widerspruchsberechtigung. Zum einen war dem Widerspruch die entsprechende Umschreibungsmitteilung des Amtes vom 9. April 1998 auf die B... GmbH & Co. KG beigefügt. Hinzu kommt, dass es zum Zeitpunkt der Widerspruchseinlegung nicht etwa zwei Rechtsträger gab, die als Inhaber der Widerspruchsmarke in Betracht hätten kommen können. Inhaber konnte vielmehr nur die KG sein, nachdem die A... GmbH aufgrund des Vertrages vom 19. Juli 1996 mit der B... GmbH & Co. KG verschmolzen worden war.

2. Entgegen der Auffassung der Markenstelle hat die Widersprechende eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke für Zuckerwaren ausreichend glaubhaft gemacht. Auf die in zulässiger Weise gegen die Widerspruchsmarke gerichtete Nichtbenutzungseinrede der Markeninhaberin traf die Widersprechende die Obliegenheit, eine rechtserhaltende Benutzung ihrer Marke in den maßgeblichen Zeiträumen gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 und 2 MarkenG nach Art, Dauer und Umfang glaubhaft zu machen. Der erste Benutzungszeitraum lief gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG aufgrund der Veröffentlichung der angegriffenen Marke am 30. April 1998 vom 30. April 1993 bis 29. April 1998. Der zweite Benutzungszeitraum gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG bezieht sich auf die letzten fünf Jahre vor der Entscheidung, d. h. auf die Zeit vom 15. März 2001 bis 14. März 2006.

Durch die im Amts- und Beschwerdeverfahren vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen vom 4. März 2002 und vom 10. Februar 2006 sowie die ebenfalls eingereichten Verpackungsmuster hat die Widersprechende für beide maßgeblichen Zeiträume eine rechtserhaltende Benutzung ihrer Marke ausreichend glaubhaft gemacht. Bei den unter der Widerspruchsmarke vertriebenen Waren handelt es sich um Gummibonbons, die unter den Oberbegriff "Zuckerwaren" des Warenverzeichnisses fallen. Dem steht nicht entgegen, dass sich auf den Verpackungen unterhalb der Marke jeweils die deutliche Bezeichnung "MULTIVITAMIN-RINGE" befindet, und die Waren auch sonst auf der Verpackung unter Hinweis auf die Beigabe von Vitamin C sowie neun weiteren Vitaminen beworben werden. Eine Zuckerware ist ein zu den Süßwaren gehörendes Erzeugnis aus Zucker jeglicher Art allein oder mit verschiedenen Zusätzen von anderen zu Nahrungs- und Genusszwecken geeigneten Stoffen (Täufel/Ternis/Thoma/Zobel, Lebensmittellexikon, 3. Aufl. 1993, S. 908). Die von der Widersprechenden vertriebenen Waren sind zuckerhaltig. Auf den eingereichten Verpackungsmustern wird als erste Zutat Zucker genannt. Nach den weiteren Angaben auf der Verpackung enthalten 100g "RONDO MULTIVITAMIN-RINGE" 74g Zucker. Dessen Anteil beträgt somit 74%. Es erscheint nicht vertretbar, Gummibonbons, die zu fast drei Vierteln aus Zucker bestehen, nicht als Zuckerwaren einzustufen. Soweit die Markeninhaberin demgegenüber darauf hinweist, dass schon mit einem 50g-Päckchen "RONDO MULTIVITAMIN-RINGE" der gesamte Tagesbedarf an den darin enthaltenen Vitaminen gedeckt werden kann, rechtfertigt dies keine (jedenfalls keine ausschließliche) Zuordnung der benutzten Waren zu den Vitaminpräparaten. Diese Betrachtungsweise übersieht, dass der Konsument, um seinen Tagesbedarf an Vitaminen mit den Produkten der Widersprechenden zu decken, nicht weniger als 37g Zucker zu sich nehmen muss. Dies entspricht nicht dem, was gemeinhin von einem Vitaminpräparat erwartet wird. Vielmehr stellt sich die benutzte Ware als typische Zuckerware dar, die durch die Beigabe von Vitaminen "veredelt" ist. Im Übrigen stünde es der Anerkennung einer rechtserhaltenden Benutzung für Zuckerwaren nicht zwingend entgegen, wenn man die Multivitaminringe mit der Markenstelle als Vitaminprodukt ansehen würde. Die Subsumtion einer Einzelware unter mehrere Oberbegriffe - hier Zuckerwaren der Klasse 30 und Vitaminprodukte der Klasse 5 - ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl., § 26 Rdn. 205).

An dieser Beurteilung sieht sich der Senat nicht durch die von der Markeninhaberin vorgelegte Entscheidung Nr. 2870/2000 der Widerspruchsabteilung des Harmonisierungsamtes für den Binnenmarkt gehindert (Amtsakte Bl. 151 ff.). Das HABM führt aus, dass "it seems that the products mainly consist of different vitamin preparations". Das HABM hat sich insoweit ersichtlich nicht hinreichend mit dem auf den Verpackungen befindlichen (deutschsprachigen) Zutatenverzeichnis auseinandergesetzt, wonach die benutzten Waren - wie ausgeführt - zu 74% aus Zucker bestehen.

Was Zeitdauer und Umfang der Benutzung betrifft, lassen die Angaben in den eidesstattlichen Versicherungen auch eine ernsthafte Benutzung erkennen. Zwar erscheinen die Umsatzzahlen von jährlich 14 000,00 bis 25 000,00 DM bzw. von 3 000,00 bis etwa 7.000,00 € recht gering. Unter Berücksichtigung einer Benutzungsdauer von über zehn Jahren kann daraus jedoch noch nicht auf eine fehlende Ernstlichkeit der Benutzung geschlossen werden.

Nach alledem ist davon auszugehen, dass die Widerspruchsmarke rechtserhaltend für die eingetragene Ware "Zuckerwaren" benutzt worden ist.

3. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die Eintragung einer Marke im Falle eines Widerspruchs zu löschen, wenn wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit einer eingetragenen Marke älteren Zeitrangs und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Nähe der Marken und der Nähe der mit ihnen gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. z. B. BGH GRUR 2006, 60, 61 - coccodrillo; GRUR 2005, 419, 422 - Räucherkate).

Zuckerwaren sind in beiden Warenverzeichnissen identisch enthalten. Eine durchschnittliche bis hochgradige Ähnlichkeit besteht zwischen den Zuckerwaren der Widerspruchsmarke und den in der Beschlussformel genannten Waren der jüngeren Marke (s. hierzu Richter/Stoppel., Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistung, 13. Aufl., S. 348, 349). Mit den übrigen Waren der jüngeren Marke besteht keine Ähnlichkeit.

Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte ist von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auszugehen.

Die Marken selbst sind identisch.

Die Gesamtabwägung der maßgeblichen Faktoren ergibt, dass die angegriffene Marke für die im Tenor genannten Waren zu löschen ist, hinsichtlich der übrigen Waren aber Bestand hat.

4. Für die Auferlegung von Verfahrenskosten gemäß § 71 Abs. 1 MarkenG bestand kein Anlass.

5. Über den Antrag der Markeninhaberin, im Wege der Beschluss-Ergänzung die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§ 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG i. V. m. § 321 ZPO), ist aufgrund einer nach § 321 Abs. 3 ZPO zwingend vorgeschriebenen und noch anzuberaumenden mündlichen Verhandlung durch gesonderten Beschluss zu entscheiden. Diesem Beschluss bleibt auch die Entscheidung über die erhobene Gegenvorstellung sowie die Anhörungsrüge vorbehalten.






BPatG:
Beschluss v. 15.03.2006
Az: 32 W (pat) 249/03


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/f559c28c16b1/BPatG_Beschluss_vom_15-Maerz-2006_Az_32-W-pat-249-03




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share