Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 25. März 1992
Aktenzeichen: 17 W 66/92
(OLG Köln: Beschluss v. 25.03.1992, Az.: 17 W 66/92)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen. Die Kosten des Erinnerungs- und Beschwerdeverfahrens trägt der Kläger.
Gründe
Die Erinnerung des Klägers, die
aufgrund ihrer Vorlage an den Senat als sofortige Beschwerde gilt
(§ 11 Abs. 2 RpfG), begegnet keinen verfahrensrechtlichen Bedenken,
hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Die auf die Versagung des rechtlichen
Gehörs gestützte Verfahrensrüge des Klägers steht einer
Sachentscheidung des Senats nicht entgegen. Der Beschwerde ist
zuzugeben, daß die Rechtspflegerin über die Erinnerung nicht hätte
entscheiden dürfen ohne dem Kläger zuvor Gelegenheit gegeben zu
haben, auf die Darlegungen der Beklagten im Schriftsatz ihrer
Berufungsanwälte vom 12. Februar 1992 schriftsätzlich zu erwidern.
Der Verstoß der Rechtspflegerin gegen den Grundsatz des rechtlichen
Gehörs ist jedoch inzwischen geheilt. Der Kläger hat zu dem
Vorbringen der Beklagten unter dem 05. März 1992 eingehend Stellung
genommen.
Der von der Beschwerde unter Hinweis
auf die Regelung in Kapitel III Anlage I Abschnitt 3 Ziffer 26
lit. a) Satz 1 des Einigungsvertrages vertretenen Ansicht, daß die
Beklagte ihren zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten als
Vergütung für deren Tätigkeit im Berufungsrechtszug um 20 %
ermäßigte Gebühren schulde und mithin statt der festgesetzten
1.334,94 DM nur 1.077,07 DM von dem in die Prozeß-kosten
verurteilten Kläger erstattet verlangen könne, vermag der Senat
nicht zu folgen. Die Bestimmungen des Einigungsvertragsgesetzes
finden auf die Rechtsbeziehungen zwischen der Beklagten und ihren
zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten keine Anwendung. Das
gilt unbeschadet der Tatsache, daß sich die Berufungsanwälte der
Beklagten unter anderem mit L. Rechtsanwälten zu einer
überörtlichen Sozietät verbunden haben. Richtig ist zwar, daß der
Wortlaut des Einigungsvertragsgesetzes in Abschnitt III Nr. 26 lit.
a) Satz 1 es durchaus zuläßt, die dort getroffene Regelung, wonach
der Rechtsanwalt, der seine Kanzlei in dem der Bundesrepublik
beigetretenen Teil Deutschlands eingerichtet hat, für seine
Tätigkeit eine um 20 % hinter den Gebühren der Tabelle zu § 11
BRAGO zurückbleibende Vergütung erhält, auch auf solche
Rechtsanwälte anzuwenden, die ihre Kanzlei sowohl im bisherigen
Bundesgebiet als auch im beigetretenen Teil Deutschlands
unterhalten. Für die Tragweite dieser Bestimmung kommt es indessen
nicht so sehr auf ihren Wortlaut, als vielmehr auf den damit
erkennbar verfolgten Zweck an. Mit dem vorgesehenen 20-%-igen
Abschlag auf die im Einzelfall zur Entstehung gelangten Gebühren
hat die kostenrechtliche Óbergangsregelung des Einigungsvertrages
vor allem den im Osten und Westen Deutschlands unterschiedlichen
Einkommens- und Vermögensverhältnissen Rechnung getragen. Dies
macht insbesondere die Regelung in Abschnitt III Nr. 26 lit. a)
Satz 2 des Einigungsvertragsgesetzes deutlich. Dort ist
ausdrücklich bestimmt, daß sich die Gebühren "in gleicher Weise"
ermäßigen, wenn der Anwalt für einen Auftraggeber aus den neuen
Bundesländern vor einem Gericht oder einer Behörde im bisherigen
Bundesgebiet auftritt. Auch die Erläuterungen zu den Anlagen des
Einigungsvertrages (BT-Drucksache 11-7817 vom 10.09.1990 Seite 29
ff) rechtfertigen ohne weiteres die Annahme, daß der Zweck dieser
sowie der Regelung in Satz 1 der genannten Bestimmung ersichtlich
darauf gerichtet ist, den Rechtsuchenden aus dem Osten Deutschlands
die Rechtsverfolgung auch vor Gerichten und Behörden im Westteil
Deutschlands zu einem ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit
wenn nicht angepaßten, so doch angenäherten Aufwand zu ermöglichen.
Dafür, daß die Gebührenermäßigung auch einer Partei zugute kommen
soll, die im Westen (geschäfts-)ansässig ist und sich vor einem
Gericht oder einer Behörde mit Sitz im bisherigen Bundesgebiet
durch einen dort zugelassenen Rechtsanwalt vertreten läßt, ergeben
sich weder aus dem Einigungsvertragsgesetz selbst noch aus den
Erläuterungen zu den Anlagen des Vertrages über die Herstellung der
Einheit Deutschlands hinreichende Anhaltspunkte. Die Bestimmung in
Satz 1 ist daher der sozialen Zielsetzung der kostenrechtlichen
Vorschriften des Einigungsvertragsgesetzes entsprechend dahin
auszulegen, daß ein Rechtsanwalt aus dem bisherigen Bundesgebiet,
der die Interessen eines Verfahrensbeteiligten aus dem Westen vor
einem Gericht oder einer Behörde mit Sitz in den alten
Bundesländern wahrzunehmen beauftragt ist, als Vergütung für seine
Tätigkeit auch dann die Gebühren des § 11 BRAGO in voller Höhe
verlangen kann, wenn er im Osten Deutschlands eine weitere oder
aber nur eine Kanzlei, diese aber zugleich im Westen und in einem
östlichen Bundesland unterhält. Zu Unrecht nimmt die Beschwerde für
den von ihr eingenommenen Standpunkt, daß eine im Westen ansässige
Partei ihren Rechtsanwalt, der seine Kanzlei im bisherigen
Bundesgebiet und in den neuen Bundesländern betreibe, nur die
ermäßigten Gebühren zahlen müsse, wenn dieser mit der Prozeßführung
vor einem Gericht, das seinen Sitz im westlichen Teil Deutschlands
habe, beauftragt worden sei, die Ausführungen von Hansen ("Das
Recht der Anwaltsvergütung nach der Herstellung der Einheit
Deutschlands in Ost und West", Anwaltsblatt 1991, 24 ff) in
Anspruch. Hansen hat dort im Gegenteil die Auffassung vertreten,
daß "dem sozialen Zweck der Regelung entsprechend...die Ermäßigung
der Gebühren für " West-Anwälte" nicht für " West-Mandanten" gelte,
denn es sei "kein Grund dafür ersichtlich, letzteren allein deshalb
einen Nachlaß auf die Rechtsanwaltsgebühren einzuräumen, weil ihr
Rechtsanwalt auch im beigetretenen Teil Deutschlands eine Kanzlei"
eingerichtet habe (so auch Gerold-Schmidt-Madert, BRAGO, 11. Aufl.,
Teil c. Anhang 16, Anm. 2).
Die nach der Regelung in Kapitel III
Anlage I Abschnitt 3 Ziffer 26 lit. a) Satz 1 für die Ermäßigung
der Anwaltsgebühren erforderlichen Voraussetzungen sind hier im
übrigen auch schon deshalb nicht erfüllt, weil die
Berufungsanwälte der Beklagten im beigetretenen Teil Deutschlands
keine Kanzlei unterhalten. Der Beschwerde liegt ersichtlich die
Ansicht zugrunde, daß der Anwalt, der sich mit einem andernorts
praktizierenden Rechtsanwalt zu einer Sozietät verbunden habe,
seine Kanzlei nicht nur an dem Ort seiner Zulassung habe, sondern
daß auch die Kanzlei am anderen Ort rechtlich als seine Kanzlei zu
werten sei. Mit der Gründung einer überörtlichen Sozietät ist
indessen nicht wesensnotwendig verbunden, daß alle Kanzleien der
Sozietät jedem Sozietätsmitglied als seine Kanzlei zuzurechnen
sind, daß also die Angehörigen einer über-örtlichen Sozietät
zwangsläufig mehrere Kanzleien unterhalten (vgl. BGH NJW 1989, 2890
und NJW 1991, 49). Eine überörtliche Sozietät unter Beibehaltung
getrennter Kanzleien an verschiedenen Orten gebildet werden (BGH
a.a.O). So aber verhält es sich mit der von den zweitinstanzlichen
Prozeßbevollmächtigten der Beklagten und den Rechtsanwälten Dr.A.
und Dr. K. aus L. eingegangen Sozietät. Der Kläger hat weder
dargetan geschweige denn glaubhaft gemacht, daß die K.
Berufungsanwälte der Beklagten die in L. unterhaltene Kanzlei zu
einem weiteren Mittelpunkt ihrer beruflichen Tätigkeit gemacht
haben. Die Kopfleiste der von den zweitinstanzlichen
Prozeß-bevollmächtigten der Beklagten verwendeten Briefbögen läßt
im Gegenteil darauf schließen, daß sie als beim Oberlandesgericht
zugelassene Rechtsanwälte ihre Kanzlei ausschließlich in K.
betreiben, während die Rechtsanwälte Dr.A. und Dr. K. ihrer
Berufstätigkeit ganz überwiegend in oder von L. aus nachgehen. Daß
der Anwalt einer überörtlichen Sozietät nach der Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofes (NJW 1991, 49) durch die
Sozietätsvereinbarung ermächtigt und grundsätzlich auch
verpflichtet worden sein muß, den Anwaltsvertrag mit Wirkung für
und gegen alle Sozien abzuschließen, rechtfertigt es nicht, die an
verschiedenen Orten bestehenden Kanzleien jedem Mitglied der
Sozietät als seine Kanzlei zuzurechnen. Für die Frage, ob der
Anwalt, der sich mit andernorts praktizierenden Rechtsanwälten zu
einer Sozietät zusammengeschlossen hat, seine Kanzlei nur am Ort
seiner Zulassung oder auch an den Orten unterhält, wo die anderen
Sozietätsangehörigen ihren Anwaltsberuf ausüben, ist es
unerheblich, daß er mit der Annahme eines ihm angetragenen Mandats
in der Regel zugleich auch die anderen Sozietätsangehörigen
vertraglich bindet, wenn es sich bei dem von ihm entgegengenommenen
Auftrag nicht um einen Prozeßauftrag gehandelt hat. Entscheidend
kann nur sein, welchen Ort der Anwalt zum Mittelpunkt seiner
beruflichen Tätigkeit gemacht hat. Für die beim Oberlandesgericht
K. postulationsfähigen Prozeßanwälte der Beklagten aber ist dies
fraglos der Ort ihrer Zulassung.
Aus alledem folgt, daß den
zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Beklagten im
Berufungsrechtszug des vorangegangenen Prozesses die Gebühren des
§ 11 BRAGO in voller Höhe erwachsen sind. Die Rechtspflegerin hat
demnach zu Recht die nach Maßgabe der Tabelle zu § 11 BRAGO geltend
gemachten Gebühren ungeschmälert als zu erstattende
zweitinstanzliche Prozeßkosten der Beklagten gegen den Kläger
festgesetzt, so daß es bei dem angefochtenen Beschluß verbleiben
muß.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97
ZPO.
Streitwert des Erinnerungs- und
Beschwerdeverfahrens: 257,87 DM.
OLG Köln:
Beschluss v. 25.03.1992
Az: 17 W 66/92
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