Amtsgericht Wolfsburg:
Urteil vom 24. Juni 2009
Aktenzeichen: 22 C 85/09 (II), 22 C 85/09

(AG Wolfsburg: Urteil v. 24.06.2009, Az.: 22 C 85/09 (II), 22 C 85/09)

Kein eigenes Vertragsverhältnis mit zwischengeschaltetem Bezahlsystem beim Kauf virtueller Währung für ein Online-Spiel über 0-900er Nummern; Bezahlsystem ist lediglich Erfüllungsgehilfe.

Tenor

1.) Die Klage wird abgewiesen.

2.) Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, sofern nicht zuvor die Beklagten Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand

Die Klägerin macht Ansprüche aus abgetretenem Recht für Telekommunikationsdienstleistungen gegen die Beklagten geltend.

Die Klägerin ist Inhaberin kostenpflichtiger Nummern für Prämiendienste der Rufnummerngasse 0900-x. Diese Rufnummer wird von dem Bezahlsystem der X-GmbH (Zedentin) betrieben. Die X-GmbH stellt ein Internetbezahlsystem zur Verfügung, das u.a. Leistungen Dritter an Endverbraucher vermarktet. Dabei erfolgt die Bezahlung der vermarkteten Leistungen über die von der X-GmbH zur Verfügung gestellten Dienstplattform und die Anwahl verschiedener 0900er Rufnummern über den Festanschluss des jeweiligen Endkunden.

Vorliegend wurde im Rahmen dieses Bezahlsystems die streitgegenständliche Rufnummer 0900-33xxxxxy der Klägerin zur Abwicklung von Bezahlvorgängen für kostenpflichtige Zusatzfunktionalitäten des Online-Spieles M vom Telefonanschluss der Beklagten benutzt. Im Rahmen dieses grundsätzlich kostenfreien Online-Computerspieles besteht die Möglichkeit, sogenannte virtuelle Währung zu erwerben. Der Kauf dieser Währung wird u.a. durch die Anwahl der streitgegenständlichen Rufnummer der Klägerin abgewickelt. Die hierbei entstehenden Kosten werden von dem Teilnehmernetzbetreiber, hier der Deutschen Telekom, dem Anschlussinhaber in Rechnung gestellt.

Von dem Telefonanschluss der Beklagten wurde in der Zeit vom 18.05. € 23.06.2008 die streitgegenständliche Telefonnummer der Klägerin angewählt, um den Kauf virtueller Währung für das Computer-Onlinespiel M abzuwickeln. Hierfür wurden den Beklagten für den genannten Zeitraum Verbindungsentgelte in Höhe von 2.968,49 EUR in Rechnung gestellt.

Nachdem die Beklagten hierauf nicht zahlten, wurden Sie nach Inverzugsetzung zweimal angemahnt, wofür die Klägerin 4,- € begehrt. Schließlich beauftragte sie ein Inkassounternehmen. In dem Zusammenhang sind 20,- € Kontoführungsgebühren und 1,30 € Auskunftskosten entstanden, die die Klägerin geltend macht. Für nicht anrechenbare vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten begehrt sie 265,70 €.

Die Klägerin meint, durch die Anwahl der streitgegenständlichen Rufnummer von dem Telefonanschluss der Beklagten aus sei ein Vertrag zwischen dem Anschlussinhaber und der X-GmbH zustande gekommen, aus dem sich ein direkter Entgeltanspruch der X-GmbH gegen die Beklagten ergäbe, der letztlich an die Klägerin abgetreten wurde. Die Beklagten hätten sich von ihrem Anschluss aus getätigte Anrufe gem. § 45i TKG zurechnen zu lassen.

Nachdem die Klägerin die Klage in Höhe von 303,50 EUR für die Inanspruchnahme des Inkassounternehmens teilweise zurückgenommen hat, beantragt sie nunmehr:

Die Beklagten werden verurteilt, an die Klägerin 2.968,49 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2.708,62 EUR und 259,72 EUR seit dem 26.07. und 28.08.2008 sowie 4,00 EUR Mahnkosten, 265,70 EUR außergerichtliche Anwaltskosten, Kontoführungskosten in Höhe von 20,00 EUR und Auskunftskosten in Höhe von 1,30 EUR zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie behaupten, ein Vertragsverhältnis sei schon deshalb zwischen ihnen und der X-GmbH nicht zustande gekommen, weil die Anrufe nicht von ihnen, sondern von ihrem 13-jährigen Sohn ohne ihre Einwilligung getätigt worden seien und auch unbestritten nachträglich ausdrücklich nicht genehmigt wurden. Im Übrigen sei allenfalls ein Vertrag mit dem Spielanbieter Y zustande gekommen, nachdem der Telefonanruf dem Kauf der Währung dienen sollte und das Bezahlsystem an sich keinen erkennbaren eigenen Mehrwertdienst angeboten habe. Durch die Zwischenschaltung des Bezahlsystems auf Telekommunikationsbasis werde der Minderjährigenschutz unterlaufen. Die gesamte Abwicklung des Bezahlvorganges leide an Intransparenz durch die Beteiligung mehrerer Firmen. Der Bezahlvorgang könne nicht als eigenständiges Vertragsverhältnis angesehen werden, sondern stehe in direktem Zusammenhang mit dem Online-Spiel M.

Gründe

Die Klage ist zulässig aber unbegründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch aus abgetretenem Recht gegen die Beklagten gemäß § 611 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 45 i TKG, 398 BGB.

14Denn der X-GmbH (Zedentin) steht kein selbständiger vertraglicher Entgeltanspruch gegen die Beklagten gemäß § 611 Abs. 1 i.V.m. § 45 i TKG, den sie an die Klägerin hätte abtreten können, zu. Zwischen der X-GmbH und den Beklagten wurde kein zurechenbares Vertragsverhältnis begründet. Vielmehr fungiert die X-GmbH als reines Bezahlsystem lediglich als Erfüllungsgehilfe für den Anbieter des Online-Spieles M, für welches über die X-GmbH virtuelle Währung gekauft wurde.

Daher kann hier auch dahinstehen, ob die Anrufe von den Beklagten selbst oder - was von der Klägerseite bestritten wurde - von dem minderjährigen Sohn der Beklagten getätigt wurden.

Im Einzelnen:

1.

Ein Vertrag setzt zwei inhaltlich korrespondierende, auf dieselbe Rechtsfolge gerichtete Willenserklärungen voraus. Danach kann ein Vertrag auch dadurch zustande kommen, dass ein Anbieter im Wege der sogenannten Realofferte seine Leistung bereithält und ein Nutzer das Angebot mit deren Inanspruchnahme konkludent annimmt.

Ein Vertrag über die Erbringung von Vermarktungsleistungen eines Bezahlsystems kommt dabei jedenfalls in der vorliegenden Fallgestaltung zwischen den Beklagten und der X-GmbH nicht zustande.

Es bestehen bereits Zweifel an der Abgabe einer Realofferte wenn, wie hier, die Vermarktungstätigkeit der X-GmbH zum Abschluss des Kaufvertrages über die virtuelle Währung des Spielanbieters nach außen nicht deutlich wird. Denn im Rahmen des Spieles M wird dem Teilnehmer von dem Spielanbieter der Kauf von virtueller Währung angeboten. Dieser Kauf könne durch Anwahl der streitgegenständlichen Telefonnummer erfolgen. Nach Anwahl der Telefonnummer wird dem Teilnehmer sodann das gekaufte Kontingent an Drachenmünzen im Online-Spiel gutgeschrieben. Welches Angebot im Wege der Realofferte hier von der X-GmbH erkennbar gemacht worden sein soll, ist nicht ersichtlich.

Jedenfalls wurde ein unterstelltes Angebot im Wege der Realofferte nicht angenommen.

Der Anwahl der streitgegenständlichen Telefonnummer ist nicht der objektive Erklärungswert zu entnehmen, dass der Anrufer nicht nur mit dem Spielanbieter einen Vertrag über den Kauf virtueller Währung schließen wollte, sondern auch eine eigenständige entgeltliche vertragliche Beziehung zu dem zwischengeschalteten Bezahlsystem (X-GmbH) begründen wollte (vgl. zum Vertragsschluss mit einem Verbindungsnetzbetreiber BGH NJW 2005, 3636, BGH WM 2005, 2333).

Zum einen wird dem durchschnittlich verständigen und informierten Telefon- und Internetbenutzer nicht bekannt sein, dass beim Kauf einer virtuellen Währung für ein Online-Spiel ein eigenständiger Vertrag mit einem zwischengeschalteten Bezahlsystem geschlossen werden soll.

Aber selbst wenn der Anschlussteilnehmer mit der Einbeziehung eines Bezahlsystems zur Abwicklung des Kaufvertrages rechnete, ist der Anwahl der streitgegenständlichen Nummer nicht die Erklärung des Anschlussinhabers zu entnehmen, mit diesem Bezahlsystem einen eigenständigen Vertrag schließen zu wollen. Vielmehr stellt sich für den Anschlussinhaber aus objektiver Sicht dieses Bezahlsystem als bloße Hilfsperson dar, deren Leistung zur Abwicklung des Kaufes der virtuellen Währung für das Online-Spiel notwendig ist (vgl. sinngem. BGH aaO). Hierfür spricht auch, dass in dem Preis für den Kauf der virtuellen Währung das Entgelt für die Leistungen der X-GmbH bereits enthalten ist .

Im vorliegenden Fall war für den Anrufenden zu keinem Zeitpunkt die Zwischenschaltung einer dritten Person (X-GmbH) und deren selbständiges Leistungsangebot im Rahmen der Abwicklung des Kaufes der virtuellen Währung erkennbar. Vielmehr wurde nach dem unbestrittenen Beklagtenvortrag der Anruf zum Zwecke des Kaufes der Währung getätigt. Nach einer telefonischen Preisansage erfolgte dann die Aufladung der virtuellen Währung im Online-Spiel, welches auf dem Bildschirm gleichzeitig nachverfolgt werden konnte. Bei einer solchen Konstellation kann aus objektiver Sicht nicht auf den erkennbaren Willen des Anrufenden geschlossen werden, mit dem zwischengeschalteten Bezahlsystem ein eigenständiges entgeltliches Vertragsverhältnis zu schließen. Vielmehr war das zwischengeschaltete Bezahlsystem in Form der X-GmbH für einen verständigen objektiven Dritten allenfalls als Erfüllungsgehilfe zu erkennen.

Gegen einen direkten Vertragsschluss zwischen dem Anrufenden und dem Bezahlsystem spricht auch die bei der Ausübung von Willenserklärungen zu berücksichtigende Interessenlage.

Den erkennbaren Interessen des Anrufers läuft es grundsätzlich zuwider, neben der vertraglichen Beziehung zu dem Online-Spielbetreiber und dem Teilnehmernetzbetreiber (Deutsche Telekom) weitere Vertragsverhältnisse mit zwischengeschalteten Plattformbetreibern in Form von Bezahlsystemen zu begründen (vgl. BGH aaO). Denn der Anschlussinhaber würde auf diese Weise für ein und dieselbe Leistung den Entgeltansprüchen zusätzlicher Gläubiger ausgesetzt werden, obgleich er bereits den erstgenannten Vertragspartnern verpflichtet ist. Durch die Vermehrung der Gläubigerzahlen werden die Rechtsverhältnisse zwischen den Beteiligten unübersichtlich und die Anspruchsverteidigung des Anschlussinhabers erschwert. Denn der Anschlussinhaber müsste, wie auch im vorliegenden Fall, zunächst einmal herausfinden, gegen wen er sich eigentlich zum Vorbringen seiner Einwendungen wenden müsste. Auch die Beklagten mussten zunächst durch eigene Recherche herausfinden, wem gegenüber sie eigentlich ihre Einwände vorbringen sollten. Darüber hinaus würden etwaige Rückforderungsansprüche des Anschlussinhabers und das Anbringen inhaltlicher Einwände gegenüber den jeweiligen Zwischenpersonen erschwert (vgl. auch Peter Mankowski €Kein eigener Vergütungsanspruch ...€, NJW 2005, 3614).

Nach alledem ist die X-GmbH hier nur als Erfüllungsgehilfin aufgetreten und hat keine eigenen vertraglichen Ansprüche gegenüber den Beklagten begründet, die sie an die Klägerin hätte abtreten können.

2.

Selbst wenn ein Vertragsverhältnis mit der X-GmbH unterstellt würde, wäre dieses den Beklagten nicht gemäß § 45 i TKG zuzurechnen.

Das Gericht ist zunächst gemäß § 286 Abs. 1 ZPO nach der persönlichen Anhörung der Beklagten im Zusammenhang mit der Auswertung der vorgelegten Einzelverbindungsnachweise und der dort enthaltenen Anrufzeiten davon überzeugt, dass die Telefonanrufe tatsächlich von dem minderjährigen Sohn der Beklagten getätigt wurden. Zum einen wurde dies von den Beklagten glaubhaft bestätigt, zum anderen handelt es sich bei dem streitgegenständlichen Spiel, für welches die Währung gekauft wurde, um ein typisches an Jugendliche bzw. Kinder gerichtetes Spiel, in dem der Teilnehmer grundsätzlich geduzt wird. Des weiteren wurden die Anrufe zu Zeiten getätigt, die nicht in die Schul- oder Schlafenszeit eines 13-jährigen Jungens fallen.

Die Zurechenbarkeit für den Anschlussinhaber für Anrufe der streitgegenständlichen Art € unterstellt ein Vertragsverhältnis zu der X-GmbH wäre damit begründet worden € führte in unerträglicher Weise zu einem Unterlaufen des gesetzlich festgelegten Minderjährigenschutzes bzw. zu einer unerträglichen vertraglichen Haftung Dritter für rechtsgeschäftliches Verhalten minderjähriger Kinder, die dem Vertragsrecht des Bürgerlichen Rechts grundsätzlich fremd ist. Denn der Anschlussinhaber würde für rechtsgeschäftliches Verhalten minderjähriger Kinder in die Pflicht genommen, für die er, wäre der Vertrag nicht auf die streitgegenständliche Art zustande gekommen, nicht haften würde (vgl. auch AG Gütersloh, Urteil vom 23.04.2004, Az. 10 C 906/03, bestätigt durch LG Bielefeld, Urteil vom 15.09.2004, Az. 22 S 162/04).

Vielmehr kann sich die Zurechenbarkeit gem. § 45i TKG im Interesse aller Beteiligten nur auf typischer Weise von Telefonanschlüssen zu tätigende Anrufe erstrecken. Denn hätte der 13-jährige Sohn der Beklagten hier mittels des Telefons in einem Geschäft Zubehör zu einem Online-Spiel ohne Zustimmung und Genehmigung der Eltern bestellt, wäre dieser Vertrag weder für das Kind noch für die Eltern verbindlich. Nichts anderes hat der Sohn der Beklagten hier getan bzw. gewollt. Er hat sich virtuelle Währung zum Weiterbetrieb des Online-Spiels M gekauft. Dass nunmehr durch die noch nicht einmal ohne weiteres erkennbare Zwischenschaltung des Bezahlsystems die Beklagten als Anschlussinhaber über § 45 i TKG in die Haftung genommen werden sollen, ist unbillig. Insoweit besteht im Sinne des Minderjährigenschutzes erheblicher gesetzgeberischer Nachbesserungsbedarf des TKG. Es kann nicht im Sinne des Gesetzgebers sein, dass der Minderjährigenschutz über § 45 i TKG in eklatanter Weise ausgehebelt wird bzw. eine vertragliche Haftung der Eltern für rechtsgeschäftliches Verhalten Minderjähriger über ein sozialadäquates Maß hinaus begründet wird.

Das Gericht verkennt dabei nicht, dass es dem 13-jährigen Sohn durchaus bewusst gewesen sein wird, dass der getätigte Währungskauf erhebliches Geld kosten sollte, denn dies ergibt sich eindeutig und auch für Kinder verständlich aus den Darstellungen in dem Online-Spiel. Auch haben die Beklagten keine Schutzvorkehrungen etwa durch Sperren von einschlägigen Telefonnummern getroffen. Hierauf kann die Klägerin sich jedoch nicht berufen, da auch sie bzw. die X-GmbH sich nicht davor schützte, mit Minderjährigen Geschäfte abzuschließen. Unstreitig hat zu keinem Zeitpunkt eine Altersabfrage oder -verifikation stattgefunden. Es ist nicht auszuschließen, dass genau das zum Konzept des Ganzen gehört.

3.

Auch abgetretene Ansprüche aus einer Inkassofunktion der X-GmbH stehen der Klägerin nicht zu.

Denn die Klägerin macht hier ausdrücklich keine an die X-GmbH abgetretenen Ansprüche des Spielbetreibers geltend, sondern eigene vertragliche Ansprüche der X-GmbH. Anspruchsgrundlage für Inkassoansprüche der X-GmbH wäre im übrigen der Vertrag zwischen dem Anrufenden und dem Spielanbieter. Nachdem das Gericht nach der persönlichen Anhörung gemäß § 286 Abs. 1 ZPO davon überzeugt ist, dass die Anrufe hier von dem minderjährigen Sohn ohne Einwilligung und nachträgliche Genehmigung der Beklagten getätigt wurden, sind die dort geschlossenen Verträge nichtig, Aus ihnen können keine Ansprüche hergeleitet werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.






AG Wolfsburg:
Urteil v. 24.06.2009
Az: 22 C 85/09 (II), 22 C 85/09


Link zum Urteil:
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