Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. Juli 2007
Aktenzeichen: 33 W (pat) 124/04
(BPatG: Beschluss v. 17.07.2007, Az.: 33 W (pat) 124/04)
Tenor
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 36 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 5. Januar 2004 teilweise, nämlich hinsichtlich folgender Dienstleistungen aufgehoben:
Suche, Auswahl, Vermittlung und Verwaltung von Unternehmensbeteiligungen; Vermittlung von Verträgen über Anschaffung und Veräußerung von Unternehmensbeteiligungen; Beratung im Hinblick auf den Abschluss solcher Verträge; Beratung im Hinblick auf den Erwerb und die Veräußerung von Vermögenswerten jeglicher Art, insbesondere von Unternehmensbeteiligungen;
Finanzwesen; Vermögensberatung; Anlageberatung; Bank-, Effekten- und Kreditgeschäft; Anlagegeschäfte; Finanzbeteiligungen, Finanzierung, Geldgeschäfte; Konzeption von Kapitalanlageprodukten; Ermittlung von Finanzangelegenheiten; Vermittlung und Verwaltung von Wertpapieren, Kapitalbeteiligungen, Vermögen, Aktienfonds, Depots, Unternehmensbeteiligung und Unternehmensfinanzdienstleistungen; Investmentgeschäfte; Finanz- und Wertpapieranalysen; Treuhandverwaltung, insbesondere von Fondsvermögen; Dienstleistungen einer elektronischen Börse, eines Finanzmaklers, eines Börsenmaklers, insbesondere Ausgeben und Verwaltung von und Handel mit börsennotierten und nichtbörsennotierten Werten; Börsenkursnotierungen; Ausgabe von Scheck- und Kreditkarten, Ausgabe von Reiseschecks, Girogeschäfte, einschließlich Abwicklung des internationalen Zahlungsverkehrs, Nachforschungen in Vermögensangelegenheiten; Kreditgeschäfte und Vermittlung von Krediten, Diskontgeschäfte, Garantiegeschäfte, Einziehung von Außenständen für andere, Leasinggeschäfte und Vermittlung von Leasinggeschäften; Forfaitierungen und Vermittlung von Forfaitierungen; Factoring und Vermittlung von Factoringgeschäften, Kreditberatung, Effektengeschäften und Effektenvermittlung, Effektenemissionen für andere, Börseneinführung für andere, Vermittlung von Schließfächern, Verwahrung von Gegenständen für andere, Devisengeschäfte, An- und Verkauf von Sorten, Dokumenteninkasso und Akkreditivgeschäfte, Beratung bei Vermittlung und Abwicklung von Bartergeschäften, Vermittlung von Options- und Swapgeschäften, Unternehmenshandel und Unternehmensvermittlung.
Gründe
I Am 23. August 2000 ist beim Deutschen Patent- und Markenamt die Wortmarke Warburgfür eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 14, 16, 31, 35, 36, 38 und 42 angemeldet worden. Den Schwerpunkt des ursprünglich eingereichten Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses bildeten finanz- und unternehmensbezogene Dienstleistungen, etwa Dienstleistungen wie "Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Vermittlung und Verwaltung von Unternehmensbeteiligungen; Finanzwesen; Bank-, Effekten- und Kreditgeschäft; Anlagegeschäfte".
Mit Beschluss vom 5. Januar 2004 hat die Markenstelle für Klasse 36 des Deutschen Patent- und Markenamts durch ein Mitglied des Patentamts die Anmeldung nach §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG (vollständig) zurückgewiesen. Nach Auffassung der Markenstelle handelt es sich bei der angemeldeten Marke um eine geografische Herkunftsangabe i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Die westfälische Stadt Warburg sei eine nicht unbedeutende Stadt mit insgesamt mehr als 25.000 Einwohnern, in der sich neben verschiedenen Industrien auch diverse Dienstleistungsunternehmen befänden. Darüber hinaus entstünden in und um die Stadt herum neue Gewerbegebiete. Daher sei vernünftigerweise davon auszugehen, dass insbesondere die angemeldeten Dienstleistungen der Klassen 35, 36, 38 und 42 bereits aktuell in Warburg erbracht würden. Dies gelte gerade auch für die Bankdienstleistungen, die in praktisch jeder Stadt angeboten würden. Aber auch die weiteren zurückgewiesenen Waren fielen in weiten Teilen unter die in der Stadt befindlichen Branchen. Auch für die beanspruchten Dienstleistungen, die noch nicht aktuell in Warburg angesiedelt seien, komme der Name der Stadt ohne weiteres als Herkunftsangabe in Betracht.
Dem stehe nicht entgegen, dass die Bezeichnung "Warburg" auch ein insbesondere im Bankbereich nicht unbekannter Familienname sei. Denn die Einmaligkeit eines Ortsnamens sei nicht Voraussetzung dafür, dass die Bezeichnung (in Zukunft) als geographische Herkunftsangabe Verwendung finden könne.
Die Frage einer etwaigen Verkehrsdurchsetzung nach § 8 Abs. 3 MarkenG könne offen bleiben, nachdem die Anmelderin mit Eingabe vom 21. August 2003 um eine Entscheidung über den Eintragungsantrag ohne weitere Ermittlungen über die Verkehrsdurchsetzung gebeten habe.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt, den angegriffenen Beschluss aufzuheben.
Nach ihrer Auffassung steht der angemeldeten Marke schon von Haus aus das Eintragungshindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht entgegen. Unter Verweis auf ihr Vorbringen vor der Markenstelle trägt sie ergänzend vor, dass das Wort "Warburg" auf den Familiennamen der Gründerfamilie des Bankhauses Warburg zurückgehe. Der persönlich haftende Gesellschafter der Anmelderin, Max Warburg, sei ein Nachfahre des Gründers. Die Namensgleichheit mit der Stadt Warburg sei zufällig. Sie könne nur dann ein Eintragungshindernis sein, wenn der Verkehr gerade für die konkret beanspruchten Waren und Dienstleistungen in der Marke "Warburg" einen Hinweis auf die geographische Herkunft sehe. Eine geographische Herkunftsangabe werde vom Verkehr dann nicht als solche verstanden, wenn sie im Verkehr unbekannt und deshalb als eine reine Fantasiebezeichnung verstanden werde. Ein solcher Fall liege hier vor. Mit der Anmeldemarke verbinde sich aufgrund Jahrhunderte langer Nutzung im Bankbereich eine besondere Vorstellung von gediegenem Halt, Zuverlässigkeit, Kompetenz, Wissen und Erfahrung in der Herstellung und Erbringung der angemeldeten Waren und Dienstleistungen. Dies habe seinen Grund in der langjährigen Tradition des Bankhauses Warburg, dessen Name auf die Gründerfamilie zurückgehe. Die angesprochenen Verkehrskreise, die in den Genuss insbesondere der Beratungsdienstleistungen der Klassen 35 und 36 kämen, seien in der Regel Unternehmen oder vermögende Privatpersonen. Hierbei gehe es gerade bei Unternehmen regelmäßig um existenziell wichtige und zukunftsweisende finanzielle und personelle Entscheidungen. Hierfür würden in der Regel Beraterfirmen herangezogen, die einen guten Ruf bzw. sich "einen Namen gemacht" hätten, was bei der Anmelderin der Fall sei. Ebenso würden sich vermögende Privatpersonen der Anmelderin anvertrauen, weil die Jahrhunderte alte Tradition der Bankiersfamilie Warburg für Kontinuität und Zuverlässigkeit bürge. Daher bestreite die Anmelderin, dass die angemeldete Bezeichnung von den angesprochenen Verbraucherkreisen als geographische Herkunftsangabe verstanden werde. Somit bestehe kein Eintragungshindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.
Hilfsweise beruft sich die Anmelderin auf Verkehrsdurchsetzung gemäß § 8 Abs. 3 MarkenG. Waren und Dienstleistungen der angemeldeten Art würden bereits seit über 200 Jahren unter dem Namen "Warburg" erbracht. Dazu hat die Anmelderin neben einer Sammlung von Presseberichten aus den Jahren 1989 bis 2000 mehrere Anlagen mit einem Überblick über die Firmengeschichte eingereicht, die sie auf Hinweis des Senats durch weitere, aktuellere Unterlagen, insbesondere Presseauszüge aus den vergangenen zwei Jahren, ergänzt hat. Sie meint weiter, dass es ihr gelungen sei, ihre Position in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts durch Übernahmen und Neugründungen erheblich auszubauen, so dass sie inzwischen die zweitgrößte Privatbank in Deutschland geworden sei. Hierzu legt sie ein Profil über die Geschäftsentwicklung von 1999 bis 2002 sowie Datenbankauszüge vor. Wie insbesondere aus verschiedenen Zeitungsberichten hervorgehe, sei der Nachname "Warburg" für den Verbraucher der entscheidende Bestandteil verschiedener Benennungen des Unternehmens der Anmelderin. Bei einer Recherche mit der Suchmaschine A... ergäben sich bei Verknüpfung der Suchbegriffe "Warburg" und "Bank" ausschließlich Hinweise auf das Unternehmen der Anmelderin im Sinne eines Herkunftshinweises. Ein anderes Unternehmen, die auf ein weiteres Familienmitglied der Warburgs zurückgehende Londoner Bank "SBC Warburg" (Rechtsnachfolgerin: "UBS Warburg"), existiere unter diesem Namen nicht mehr. Bezeichnenderweise erscheine kein einziger Hinweis auf eine Bank aus Warburg.
Auf den Hinweis des Senats, dass eine Stattgabe der Beschwerde (nur) unter Feststellung der Verkehrsdurchsetzung für bestimmte Dienstleistungen der Klassen 35 und 36 in Betracht komme, hat die Anmelderin ihre Beschwerde teilweise zurückgenommen und ein neues Waren- und Dienstleistungsverzeichnis eingereicht. Es enthält (z. T. berichtigte und präzisierte) Dienstleistungen der Klassen 35 und 36, für die der Senat die Stattgabe der Beschwerde im Wege der Verkehrsdurchsetzung in Aussicht gestellt hat. Diese noch streitgegenständlichen Dienstleistungen haben zuletzt die im Entscheidungsausspruch wiedergegebene Fassung erhalten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II Nach ihrer Beschränkung ist die Beschwerde begründet.
Soweit es nicht für die Verkehrsdurchsetzung relevant ist, kann die Frage des Vorliegens von Eintragungshindernissen nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG unerörtert bleiben, da sie jedenfalls nach § 8 Abs. 3 MarkenG überwunden worden sind (zur mangelnden Erörterungsbedürftigkeit vgl. BGH Mitt. 2006, 449, 450, Rdn. 8 - Fahrzeugkarosserie; GRUR 2006, 701, 702, Rdn. 8 - Porsche 911, a. A. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 8, Rdn. 303). Insbesondere braucht nicht im Einzelnen auf die Frage eingegangen zu werden, ob die Markenstelle ein Freihaltungsbedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG für jede einzelne der angemeldeten und noch beanspruchten Dienstleistungen zu Recht festgestellt hat.
1. Für die Beurteilung der Verkehrsdurchsetzung war zunächst zu berücksichtigen, dass ein Freihaltungsbedürfnis, das von Haus aus zugunsten der in Warburg belegenen bzw. dort tätigen Kreditinstitute und sonstigen Finanzdienstleistungsunternehmen sicherlich bestehen dürfte, angesichts der geringen Größe der Stadt vergleichsweise begrenzt ist. Bei dem Ort Warburg handelt es sich um eine Stadt im nordrheinwestfälischen Kreis Höxter mit nur ca. 24.000 Einwohnern, in der neben Maschinen- und Anlagenbau auch Metall und Kunststoff verarbeitende, chemische, pharmazeutische und Nahrungsmittelbetriebe beheimatet sind (vgl. Brockhaus Enzyklopädie, 21. Aufl. (2006); DIE ZEIT - Das Lexikon in 20 Bänden; Meyers Enzyklopädisches Lexikon). In einer solchen Kleinstadt werden einerseits selbstverständlich auch Finanzdienstleistungen und - in kleinerem Rahmen - auf Unternehmensbeteiligungen gerichtete Dienstleistungen erbracht, so dass zumindest für die Zukunft ein Freihaltungsbedürfnis hinsichtlich der meisten noch streitgegenständlichen Dienstleistungen bestehen dürfte, vor allem soweit sie oberbegrifflich formuliert sind. Für andere, etwa spezielle börsenbezogene Finanzdienstleistungen kann ein Freihaltungsbedürfnis hingegen schon von Haus aus fraglich sein. Jedenfalls spricht bereits die Größe des Ortes deutlich dagegen, die gleichen Anforderungen an die Verkehrsdurchsetzung zu stellen, wie sie an die Benennung von großen deutschen Städten, insbesondere Börsenstandorten wie etwa Hamburg, Düsseldorf, Stuttgart usw. oder gar einer "Bankenhochburg" wie Frankfurt am Main zu stellen wären. Vielmehr liegen die Anforderungen noch deutlich unterhalb dessen, was bei der Benennung selbst einer mittelgroßen Stadt ohne besondere Bedeutung für das Finanzwesen zu fordern wäre.
Dies hat sich auch bei einer Internet-Recherche des Senats bestätigt. Dabei fiel auf, dass es in Warburg offenbar noch nicht einmal Kreditinstitute gibt, die den Namen der Stadt in ihre Unternehmensbezeichnung aufgenommen haben. Für Warburg "zuständig" ist z. B. die Sparkasse Höxter, die in Warburg einige Filialen unterhält. Weiter konnte jeweils eine Filiale der Commerzbank AG, der Volksbank Paderborn-Höxter eG und der Sparda-Bank Wuppertal eG festgestellt werden. Lediglich die in Warburg mit einigen Filialen vertretene Volksbank Warburger Land eG benennt sich zwar immerhin nach der Gegend, nicht aber direkt nach der Stadt Warburg. Ohne die generell für jede Verkehrsdurchsetzung geltenden Mindesterfordernisse zu unterschreiten, erscheint es nach alledem gerechtfertigt, hier vergleichsweise niedrige Anforderungen anzusetzen.
2. Diesen Anforderungen genügt die angemeldete Marke, wobei der Senat angesichts des von ihm ermittelten und des von der Anmelderin vorgelegten Materials von der Einholung eines Gutachtens über eine demoskopische Verkehrsbefragung oder der Zurückverweisung an das Patentamt zur weiteren Feststellung der Verkehrsdurchsetzung absehen konnte. Zwar betreffen viele der streitgegenständlichen Dienstleistungen auch breite Endabnehmerkreise, so dass eine demoskopische Verkehrsbefragung den sichersten Nachweis der Verkehrsdurchsetzung bei den Endverbrauchern ermöglichen würde. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs kann sich der Anmelder aber auch aller sonstigen geeigneten Beweismittel bedienen, wobei der Marktanteil, die Intensität, geographische Verbreitung und Dauer der Markenverwendung, die aufgewendeten Werbemittel und die dadurch erreichte Bekanntheit in den angesprochenen Verkehrskreisen von Bedeutung sein können. Die erforderlichen Feststellungen sind also nicht nur aufgrund von generellen und abstrakten Prozentsätzen demoskopischer Untersuchungen möglich (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, 767 (Nr. 51 f.) - Chiemsee; GRUR Int. 1999, 734, 736 (Nr. 23 f.) - Lloyd; GRUR 2002, 804, 808 (Nr. 60 - 62) - Philips; vgl. auch BGH GRUR 2004, 331, 332 - Westie-Kopf; Ströbele/Hacker, a. a. O., Rdn. 347). Auch wenn die Anmelderin als Privatbank gerade keinen hohen Marktanteil im Bereich des Finanzwesens aufweisen kann, so liegen hier dennoch infolge einer mittelbar belegten hohen Verkehrsbekanntheit, einer außergewöhnlich lang dauernden und nachhaltigen Benutzung der Marke, die der Anmelderin den Ruf eines Traditionshauses verschafft hat, und eines vergleichsweise niedrigen Freihaltungsbedürfnisses besondere Umstände vor, die es rechtfertigen, die Verkehrsdurchsetzung auch ohne Durchführung einer Verkehrsbefragung festzustellen.
a) Bereits für die Zeit der Anmeldung im Jahr 2000 hat die Anmelderin zahlreiche Presseauszüge vorgelegt, in denen das Wort "Warburg" erkennbar als Kurzname des Betriebs der Anmelderin verwendet wird. Hierzu wird auf die Anlage A2 zum Schriftsatz der Anmelderin vom 19. Dezember 2000 verwiesen, in der z. B. folgende Schlagzeilen von Presseartikeln auftauchen:
"WARBURG Einstieg bei Lang & Schwarz Wertpapierhandel AG ..." (Die Welt v. 27. November 2000);
"Warburg beteiligt sich an Lang & Schwarz" (Börsen-Zeitung v. 25. November 2000);
"Warburg-Bank und Internet" (Hamburger Abendblatt v. 25./26. November 2000);
"Warburg will Kapital weiter aufstocken" (FAZ v. 20. Mai 2000);
"Warburg hat den passenden Rahmen gefunden" (FAZ v. 8. Mai 1999);
"Warburg fühlt sich für Abrundungen gerüstet" (FAZ v. 15. Mai 1998);
"Warburg beteiligt sich an Mobil in Deutschland" (FAZ v. 25. August 1999);
"Für Warburg ist Henkel ein sauberer Kauf" (Handelsblatt v. 4. August 1995);
"Warburg steht bei VW auf dem Gaspedal" (Handelsblatt v. 21. April 1995) usw..
Der Erkenntniswert solcher Pressebeispiele geht deutlich über den von Unterlagen hinaus, wie sie üblicherweise im Rahmen der bloßen (Anfangs-)Glaubhaftmachung der Verkehrsdurchsetzung vorgelegt werden (z. B. Kataloge, Preislisten, Werbematerial, Angaben über Werbeaufwand, Umsatzangaben, vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., Rdn. 345). Denn zum einen lässt die Presseberichterstattung nicht nur einen Rückschluss auf unternehmerische Anstrengungen bzw. Bemühungen um Verkehrsbekanntheit zu, sondern zeigt bereits mittelbar den Erfolg solcher Bemühungen und spiegelt damit die Bedeutung des Unternehmens und seiner Kennzeichnung auf bestimmten Dienstleistungsgebieten wider. Zum anderen sind Presseveröffentlichungen wiederum zugleich ein Multiplikator für die Verkehrsbekanntheit, insbesondere wenn sie - wie hier - im Rahmen der Berichterstattung bedeutender überregionaler Tages- und Wirtschaftszeitungen erfolgen.
Aufschlussreich ist auch, dass die Zeitungsredaktionen in den o. g. Beispielen bereits allein aufgrund der Nennung des Wortes "Warburg" vom Leser erwarten, dass er diesen Begriff ohne weitere Erläuterung einordnen kann, insbesondere nicht fälschlich der gleichnamigen westfälischen Ortschaft zuordnet. Andernfalls hätte es verdeutlichend z. B. heißen müssen: "M.M. Warburg & Co. ...", "Bankhaus Warburg ...", o. Ä..
Dieses Presseecho setzt sich bis heute fort. Die Anmelderin hat als Anlage BV 3 zum Schriftsatz vom 27. April 2007 zahlreiche weitere aktuelle Pressebeispiele aus den Jahren 2005 - 2007 eingereicht, in denen in gleicher Art über die Anmelderin berichtet wird. Auch die Kontinuität der Geschäftszahlen spricht dafür, dass die Anmelderin ihre zum Anmeldetag bestehende Bekanntheit im Bereich des Finanzwesens und dem Geschäft mit Unternehmensbeteiligungen bis heute gehalten hat.
Die o. g. Pressebeispiele sind auch deshalb von besonderem Wert, weil in ihnen vielfach der Ruf bzw. die Bedeutung der Anmelderin und damit ihre Kennzeichnung erwähnt wird. Häufig wird die Anmelderin als die zweitgrößte deutsche Privatbank bezeichnet (z. B. FAZ v. 20. Mai 2000; v. 8. Mai 1999; v. 15. Mai 1998; v. 25. August 1999 (Anlage A2 zum Schriftsatz der Anmelderin vom 19. Dezember 2000), vgl. a. z. B. profil extra, 9/2006: " ... eine der führenden Privatbanken Europas" (Anlage BV 4 zum Schriftsatz vom 27. April 2007). Oft werden auch Bezeichnungen wie "renommierte Privatbank" o. Ä. verwendet. Auch diese Inhalte sind zugleich einerseits als öffentlicher Spiegel über den erworbenen Ruf und die damit notwendigerweise erworbene Bekanntheit, wie auch wiederum als dessen Verbreitung bzw. Multiplikator zu berücksichtigen.
b) Ein besonderes Gewicht hat nicht zuletzt auch die Erwähnung der Anmelderin unter dem Stichwort "Warburg" in allgemeinen (nicht bloß finanzfachlichen) Erläuterungswerken. So wird die Stellung der Anmelderin als "zweitgrößte unabhängige Privatbank Deutschlands" im Internet-Lexikon Wikipedia bestätigt (www.wikipedia.org/wiki/M._M._Warburg_&_CO). Zudem wird in der aktuellen Brockhaus Enzyklopädie unter "Warburg" als 5. Eintrag (betrifft Max Warburg) das "väterl. Bankhaus M.M. Warburg & Co. KG aA (heute eine der ältesten und größten dt. Privatbanken, Sitz: Hamburg, gegr. 1798; Bilanzsumme (2004): rd. 3,0 Mrd. €, 1100 Beschäftigte) ..." erwähnt.
d) Für eine Verkehrsdurchsetzung spricht weiter die außerordentlich lange Benutzungsdauer des Namens "Warburg" bzw. die über 200 Jahre dauernde Existenz des Unternehmens, wenngleich es in der Folge der Judenverfolgung des Dritten Reichs eine 30-jährige Unterbrechung der Namensverwendung gegeben hat. Der Name des Bankhauses hat nach den Erkenntnissen des Senats vermutlich insofern einen historischen Bezug zur Stadt Warburg in Westfalen, als ein Ahnherr der Familie (Jacob Samuel) aus ihr stammte, allerdings schon zu Zeiten des Dreißigjährigen Krieges nach Hamburg flüchtete. Seine Nachfahren gründeten 1798 das Bankhaus M.M. Warburg & Co. Im Zuge der Arisierung wurde das Unternehmen 1938 nach dem Namen der die Bank weiter betreibenden Gesellschafter in "Brinckmann, Wirtz & Co." umbenannt. 1969 hieß es dann zunächst "M.M. Warburg - Brinckmann, Wirtz & Co.", seit 1991 wieder "M.M. Warburg" (vgl. Wikipedia u. profil extra, a. a. O.). Da der Familienname "Warburg", mit den Initialen "M.M." als Familienname erkennbar, bereits vor etwa 40 Jahren als vorangestellter Firmenbestandteil wieder eingeführt wurde, kann die zwischenzeitliche Unterbrechung aus heutiger Sicht vernachlässigt werden.
e) Ergänzend spricht auch eine gewisse internationalhistorische Bedeutung der hinter der Bank stehenden Familie Warburg dafür, dass das Wort "Warburg" im Finanzbereich eher mit dieser Bankiersfamilie und damit mittelbar mit der Anmelderin, als mit der gleichnamigen westfälischen Ortschaft verbunden wird. In der Brockhaus Enzyklopädie, 21. Aufl., werden unter dem Stichwort "Warburg" zunächst die westfälische Ortschaft, direkt dahinter aber mehrere historische Personen des 20. Jahrhunderts mit dem Familiennamen "Warburg" erläutert, die fast alle der Bankiersfamilie entstammen. Zu erwähnen sind neben dem bereits o. g. Max Warburg etwa der Kulturwissenschaftler Aby Moritz Warburg, auf den die (Londoner) Warburg Institute und (in Hamburg) das Warburg Haus, die Warburg-Bibliothek, die nach ihm benannte Stiftung und der nach ihm benannte, von der Stadt Hamburg vergebene Preis zurückgehen, weiter der Bankier und Mäzen Felix Warburg, dessen New Yorker Haus das Jewish Museum beherbergt, ebenfalls der Physiker Emil Warburg (Warburg-Gesetz im Bereich der Magnetisierung) und der Nobelpreisträger für Medizin und Physiologie des Jahres 1931, Otto Heinrich Warburg. Ein weiterer nach einem Warburg benannter Preis ist der Eric-M.-Warburg-Preis für den Beitrag "Deutschlands Platz in der atlantischen Allianz zu sichern und zu festigen" (vgl. www.abendblatt.de/daten/2007/06-/01/748714.html: "Warburg-Preis für Condoleezza Rice").
3. Zwar ist die Bekanntheit der Bezeichnung "Warburg" damit in erster Linie nur als Unternehmenskennzeichen der Finanzbranche belegt. Nach den Feststellungen des Senats wird das Wort jedoch zugleich als Produktkennzeichnung bzw. als einziger eigentlich kennzeichnender Kern von mehrteiligen Produktbezeichnungen verwendet. Dies gilt nicht nur für die Gesamtfirma "M.M. Warburg & Co", die z. B. auf Prospekten oder in der Internetpräsentation von Finanzdienstleistungen auftaucht, sondern auch für Bezeichnungen wie "WARBURG INVEST", "WARBURG PREMIUM portfolio", "WARBURG-Research" und zahlreiche Fondsbezeichnungen, z. B. "Warburg-Bund Trend Dynamic", "Warburg-Euro Renten-Trend", "Warburg-Ordo-Rentenfonds", "WARBURG-WACHSTUM-STRATEGIEFONDS", "WARBURG WORLD LEADER-FONDS" usw.. Entsprechend der im Bankenbereich zu beobachtenden Übung, Unternehmenskennzeichen wie "Deutsche Bank", "Commerzbank", "Citibank", "ING-DiBa", "Sparkasse ..." usw. nicht nur als solche, sondern auch zur (Mit-)Kennzeichnung der Finanzprodukte und Bankdienstleistungen des jeweiligen Unternehmens einzusetzen, ist davon auszugehen, dass sich die festzustellende Verkehrsbekanntheit von "Warburg" bzw. "Warburg Bank" nicht nur auf deren Funktion als Unternehmenskennzeichen, sondern auch auf die Eigenschaft als Produktmarke bezieht.
Nach alledem war der angefochtene Beschluss im Umfang der noch streitgegenständlichen Dienstleistungen teilweise aufzuheben.
BPatG:
Beschluss v. 17.07.2007
Az: 33 W (pat) 124/04
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