Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. August 2010
Aktenzeichen: 29 W (pat) 524/10

(BPatG: Beschluss v. 10.08.2010, Az.: 29 W (pat) 524/10)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen das für die Dienstleistungen der Klasse 35: Werbung, insbesondere Konzeption, Entwicklung und Erstellung von Werbekonzepten für alle Medien; Beratung beim Einsatz von Werbemaßnahmen als Dienstleistung einer Werbeagentur; Werbung durch Werbeschriften; Aktualisierung von Werbematerial; Dienstleistungen einer Werbeagentur, insbesondere Ausarbeitung textlicher und graphischer Entwürfe für Werbeslogans, Produktbeschreibungen und Unternehmensdarstellungen; Fernsehwerbung, einschließlich Product Placement; Herausgabe von Werbetexten; Kinowerbung, einschließlich Product Placement; Marketing (Absatzforschung) für Dritte; Marktforschung; Meinungsforschung; Merchandising (Verkaufsförderung); Öffentlichkeitsarbeit; Dienstleistungen einer PR-Agentur; Lobby-Arbeit, nämlich Interessenvertretung gegenüber politischen Entscheidungsträgern und anderen Personen; Medienarbeit, nämlich Präsentation von Waren und Dienstleistungen in allen Medien für Dritte sowie Entwicklung von multimedialen Werbekonzepten; Organisation und Veranstaltung von Werbeveranstaltungen; Organisation und Veranstaltung von Ausstellungen und Messen für wirtschaftliche und Werbezwecke; organisatorisches Projektmanagement im Rahmen der Entwicklung von Kommunikationskonzepten; Plakatanschlagwerbung; Planung und Gestaltung von Werbemaßnahmen; Präsentation von Firmen in allen anderen Medien; Produktion Werbespots und -filmen für alle Medien; Rundfunkwerbung; Sammeln und Zusammenstellen von themenbezogenen Presseartikeln; Schaufensterdekoration; Sponsoring in Form von Werbung; Telemarketing; Unternehmensberatung als Dienstleistungen einer Agentur, nämlich betriebswirtschaftliche und organisatorische Beratung im Zusammenhang mit der Nutzung aller, auch digitaler, Medien sowie betriebswirtschaftliche und organisatorische Planung, Entwicklung und Umsetzung von Konzepten zur Nutzung aller Medien; Verbreitung von Werbeanzeigen; Verkaufsförderung in allen Medien (Sales Promotion für Dritte); Vermietung von Werbeflächen, auch im Internet; Vermietung von Werbematerial; Vermietung von Werbezeit in Kommunikationsmedien; Vermittlung von Werbeund Förderverträgen für Dritte; Vermittlung von Zeitungsabonnements (für Dritte); Versandwerbung; Versenden von Werbesendungen; Verteilen von Werbemitteln; Verteilung von Werbematerial (Flugblätter, Prospekte, Drucksachen, Warenproben); Vorführung von Waren für Werbezwecke; Warenund Dienstleistungspräsentationen; Dienstleistungen einer Werbeagentur, nämlich Projektierung, Planung und Konzeption der Gestaltung und Einrichtung von Innenräumen und Außenflächen zur Präsentation von Produkten oder Dienstleistungen von Unternehmen, insbesondere von Messeständen und Erlebniswelten; Herausgabe und Veröffentlichung von Verlagserzeugnissen zu Werbezwecken, nämlich Zeitungen, Zeitschriften und Druckereierzeugnissen, auch gespeichert auf elektronischen Medien; betriebswirtschaftliche Beratung auf Franchise-Konzepte; Controlling;

Klasse 36: Börsenkursnotierung; Beteiligungsmanagement, nämlich Verwaltung und Vermittlung von finanziellen Beteiligungen an Unternehmen; Einziehen von Mietund Pachterträgen; Entwicklung von Nutzungskonzepten für Immobilien in finanzieller Hinsicht (Facility management); Factoring; Finanzanalysen; finanzielle Beratung; finanzielles Sponsoring; Finanzierungen; Finanzwesen; Gebäudeverwaltung; Geldgeschäfte; Grundstücksverwaltung; Immobilienvermittlung; Immobilienverwaltung, sowie Vermittlung, Vermietung und Verpachtung von Immobilien (Facility management); Immobilienwesen; Investmentgeschäfte; Mergersund Akquisitionsgeschäfte, nämlich finanzielle Beratung beim Kauf oder Verkauf von Unternehmen sowie Unternehmensbeteiligungen; Finanzwesen, nämlich Portfoliomanagement (soweit in Klasse 36 enthalten); Sammeln von Spenden für Dritte; Sammeln von Spenden für Wohltätigkeitszwecke; Übernahme von Bürgschaften, Kautionen; Vergabe von Darlehen; Vermietung von Büros (Immobilien); Vermietung von Wohnungen; Vermögensverwaltung; Verpachtung von Immobilien;

Klasse 38: Ausstrahlung von Fernsehprogrammen; Ausstrahlung von Kabelfernsehsendungen; Ausstrahlung von Rundfunkund Hörfunksendungen; Ausstrahlung von Internet-Fernsehen (IPTV); Bereitstellung von Portalen im Internet; Bereitstellen von Internet-Chatrooms im Internet; Bereitstellen von elektronischen Foren im Internet; Bereitstellen von Telekommunikationskanälen für Teleshopping-Dienste; Bereitstellung des Zugangs auf Datenbanken in Computernetzwerken; Telekommunikation mittels Plattformen und Portalen im Internet; Verschaffen des Zugriffs zu Datenbanken; Vermietung von Zugriffszeiten zu Datenbanken; Bereitstellung des Zugriffs auf globale und andere Computernetze; Austausch und Übermittlung von Daten über Telekommunikationsnetze; Dienste eines Internet-Providers (Telekommunikation); Dienste von Presseagenturen; elektronische Anzeigenvermittlung (Telekommunikation); elektronische Nachrichtenübermittlung; elektronische Übertragung von Informationen, Nachrichten oder Bildern; E-Mail-Dienste; interaktive Telekommunikationsdienste; Kommunikationsdienste mittels Computerterminals; Kommunikationsdienste mittels Telefon; Mobiltelefondienste; Nachrichtenund Bildübermittlung mittels Computer; Personenrufdienste (Rundfunk), Sprachübermittlungsdienste (Sprachmitteilungsdienste); Telefondienste; Telekommunikation; elektronische Datenübertragungsowie Datenempfangsdienste (Telekommunikation); elektronische Übertragungsdienste von Daten in Bezug auf Computer und das Internet (Telekommunikation); Ausstrahlung von Film-, Musikund sonstigen Unterhaltungssendungen und -produktionen;

Klasse 41: Unterhaltung; Organisation und Veranstaltung sportlicher und kultureller Aktivitäten und Wettbewerbe (Erziehung und Unterhaltung); Organisation und Veranstaltung von Konzerten, Tourneen, Theateraufführungen, Tanzund/oder Musikdarbietungen sowie Unterhaltungsshows; Bereitstellen von elektronischen Publikationen (nicht herunterladbar); Betrieb von Tonstudios; Desktop-Publishing (Erstellen von Publikationen mit dem Computer); Dienstleistungen eines Tonund Fernsehstudios; Dienstleistungen eines Verlages (ausgenommen Druckarbeiten); digitaler Bilderdienst; Durchführung von Spielen im Internet; Entwicklung von Unterhaltungsshows und Unterhaltungsmedienformaten; Fernsehunterhaltung; Film-, Fernsehund Radioproduktion; Fotografieren; Herausgabe und Veröffentlichung von Verlagserzeugnissen (ausgenommen zu Werbezwecken), nämlich Zeitungen, Zeitschriften und Druckereierzeugnissen, auch gespeichert auf elektronischen Medien; Herausgabe von Zeitschriften und Büchern sowie deren Veröffentlichung, auch in elektronischer Form und im Internet; Komponieren von Musik; Montage (Bearbeitung) von Videobändern; online Publikation von elektronischen Büchern und Zeitschriften; Organisation und Durchführung von kulturellen und/oder sportlichen Veranstaltungen; Organisation und Veranstaltung von Konferenzen; Organisation und Veranstaltung von Kongressen; Organisation und Veranstaltung von Symposien; Rundfunkunterhaltung; Produktion von Shows; Veranstaltung und Durchführung von Seminaren; Veranstaltung und Durchführung von Workshops (Ausbildung); Veranstaltung von Ausstellungen für kulturelle oder Unterrichtszwecke; Veranstaltung von Unterhaltungsshows; Veranstaltung von Wettbewerben (Erziehung und Unterhaltung); Produktion von Industriefilmen;

Klasse 42: Entwicklung und Erstellung von Programmen für die Datenverarbeitung; Konzeption und Erstellung von Netzwerkseiten (Websites); technische Projektierung und Planung von Einrichtungen für die Telekommunikation; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung sowie Dienstleistungen eines EDV-Programmierers, nämlich digitale Bildbearbeitung (Grafikerdienstleistungen) und Erstellung von Computer-Animationen in Form von Texten, Bildern, Audiound Videosignalen für Dritte; technische Beratung für Franchise-Konzepte; Dienstleistungen eines Industriedesigners; Planungsund sonstige Dienstleistungen eines Architekten; Planungsund sonstige Dienstleistungen eines Innenarchitekten; technische Entwicklung von Prototypen von Werbemitteln, Gegenständen für die Inneneinrichtung, Messebauten und Computerhardware; Gestaltung (Design) von Werbematerial;

am 4. September 2007 angemeldete und am 4. Februar 2008 unter der Nummer 307 57 746 als Marke in das beim Deutschen Patentund Markenamt (DPMA) geführte Register eingetragene Wortzeichen Commarcodessen Eintragung am 7. März 2008 veröffentlicht wurde, hat die Inhaberin der älteren, am 15. November 2007 für die Dienstleistungen der Klasse 35: organisatorische und betriebswirtschaftliche Beratungsdienstleistungen für den Güterverkehr, insbesondere im Bereich der Binnenschifffahrt, des Güterkraftverkehrs und des Schienenverkehrs;

Klasse 37: Reparatur und Wartung von Transportmitteln, insbesondere Containern; Auskunft über die Reparatur und Wartung von Transportmitteln, insbesondere Containern;

Klasse 39: Logistikdienstleistungen auf dem Transportund Lagersektor, nämlich Dienstleistungen einer Spedition und eines Frachtführers, insbesondere Beförderung von Gütern mit Seeschiffen, Binnenschiffen, Lastkähnen, Eisenbahnen, Lastkraftwagen, Umschlag und Lagerung von Containern und Waren und Verpackung von Waren;

Klasse 42: Technische Beratungsdienstleistungen für den Güterverkehr;

unter der Nummer 005377734 eingetragenen Gemeinschaftswort-/bildmarke Widerspruch erhoben.

Mit Beschluss vom 10. Februar 2010 hat die Markenstelle für Klasse 35 eine Verwechslungsgefahr zwischen beiden Marken verneint und den Widerspruch zurückgewiesen. Nach der maßgeblichen Registerlage bestehe zwischen den beiderseitigen Dienstleistungen "Ähnlichkeit in engerem Nähebereich bis hin zum Bereich der Dienstleistungsidentität". Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei als durchschnittlich einzustufen. Selbst bei Dienstleistungsidentität sei der erforderliche Abstand der Vergleichsmarken gewahrt. Dem Bestandteil "CON-TARGO" komme innerhalb der Gesamtmarke keine selbständig kollisionsbegründende Stellung zu, weil die Widerspruchsmarke mit dem weiteren Wortbestandteil "trimodal network" und dem aus drei kleinen, schwarzen Rechtecken bestehenden Bildelement eine kompakte, charakteristische Einheit bilde. Alle drei Elemente trügen gleichberechtigt zum Gesamteindruck bei. Dass der Bestandteil "trimodal network" für die eingetragenen Dienstleistungen rein beschreibend sei, lasse ihn nicht völlig in den Hintergrund treten. In (schrift-)bildlicher Hinsicht unterscheide sich die Widerspruchsmarke schon durch ihre Mehrteiligkeit und graphische Ausgestaltung, die in der jüngeren Marke keine Entsprechung finde. Auch eine klangliche Verwechslungsgefahr sei zu verneinen, weil unter Berücksichtigung der Wortfolge "trimodal network" Unterschiede bestünden in Bezug auf Markenlänge, Vokalfolge, Betonung und Sprechrhythmus. Selbst wenn die Wortfolge "trimodal network" beim klanglichen Vergleich unberücksichtigt bliebe, genügten trotz identischer Vokalfolge "oao" und gleicher Silbenzahl die übrigen Unterschiede. Denn die Vergleichsbegriffe Commarco/CONTARGO unterschieden sich deutlich in Aussprache und Betonung der ersten beiden Silben durch die Verwendung der Konsonanten "N-T" bzw. "M-M". Während "N" und "T" Zahnlaute seien, welche deutlich erfassbar nebeneinander klanglich in Erscheinung träten, sei der Lippenlaut "M" nur einmal zu hören. "N" und "M" seien zwar beide stimmhaft, aber das stimmlose "T" mache den Unterschied in der Aussprache genügend auffällig. Da "c" ein harter, klangstarker Konsonant sei, während "G" klangschwach sei und weich ausgesprochen werde, vermieden alle diese Abweichungen die Gefahr einer Verwechslung. Anhaltspunkte für eine begriffliche oder mittelbare Verwechslungsgefahr seien ebenfalls nicht ersichtlich.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, mit der sie beantragt, den Beschluss vom 10. Februar 2010 aufzuheben und das DPMA anzuweisen, die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Sie regt zudem die Zulassung der Rechtsbeschwerde an. Sie vertritt die Ansicht, dass der Wortbestandteil "CONTARGO", der aufgrund seiner größeren und fett gedruckten Buchstaben über ... % des Platzes des Gesamtzeichens einnehme, den Gesamteindruck ihrer Marke alleine präge. Während dem Zeichenelement "CONTARGO" als reiner Phantasiebezeichnung mindestens durchschnittliche Kennzeichnungskraft zukomme, seien die weiteren Bestandteile nicht oder äußerst schwach kennzeichnend. Der Wortbestandteil "trimodal network" sei eine die fraglichen Dienstleistungen rein beschreibende Bezeichnung und die aus drei kleinen, schwarzen Rechtecken bestehende Graphik setze sich aus einfachen geometrischen Formen zusammen. Bei einem Vergleich der angegriffenen Marke mit dem prägenden Bestandteil "CONTARGO" ihrer Marke sei durch die Übereinstimmung der Zeichen in der Vokalfolge "oao", im Zeichenanfang "Co", in der Zeichenendung "o" und in der Betonung der jeweils mittleren Silbe (TAR/mar) ein hoher Grad klanglicher Ähnlichkeit gegeben. Spreche man die Vergleichszeichen in einem Zug aus, so seien klangliche Unterschiede kaum feststellbar. Zudem träten sie hinter den quantitativ deutlich überwiegenden Gemeinsamkeiten beider Zeichen zurück. Aufgrund der Übereinstimmung in Wortlänge, Wortanfang und Wortende sowie dem ähnlichen Schriftbild der Konsonanten "m" und "N" sowie "c" und "G" wiesen die Vergleichszeichen auch in visueller Hinsicht eine hochgradige Ähnlichkeit auf.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung des DPMA und ist der Auffassung, eine alleinige Prägung der Widerspruchsmarke durch das Wortelement "CONTAR-GO" könne nicht festgestellt werden. Die Beschwerdeführerin nehme insoweit eine unzulässige, zergliedernde Betrachtung vor und verkenne den Gesamteindruck ihrer Marke. Der Wortbestandteil "trimodal network" habe nicht die Bedeutung, dass auf drei verschiedene Transportmöglichkeiten, nämlich Schiff, Eisenbahn und Lkw, zurückgegriffen werde. Die Widersprechende gebe selbst an, dass "trimodal network" als "Drei-Modus-Netzwerk" verstanden werde. Ohne die erläuternde Selbstbeschreibung der Widersprechenden auf ihrer Internetseite, dass "trimodaler Verkehr" die Nutzung von Binnenschiffen und Zügen in Kombination mit Lkw bedeute, habe der Verkehr keine konkrete Vorstellung, was darunter zu verstehen sei, zumal der Begriff "network" aus unterschiedlichen Zusammenhängen, wie Computer-Netzwerk oder soziales oder berufliches Netzwerk, bekannt sei. Der Wortbestandteil "trimodal network" würde aber selbst dann nicht gänzlich in den Hintergrund treten, wenn er rein beschreibend wäre. Da "CON-TARGO" nicht in ihre Marke übernommen worden sei, scheide eine mittelbare Verwechslungsgefahr selbst dann aus, wenn "CONTARGO" eine selbständig kennzeichnende Stellung zukäme.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die nach § 64 Abs. 6 MarkenG statthafte Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet, weil zwischen beiden Marken keine Verwechslungsgefahr im Sinne von §§ 9 Abs. 1 Nr. 2, 125b Nr. 1 MarkenG besteht.

Die Frage der Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der zueinander in Wechselbeziehung stehenden Faktoren der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke zu beurteilen, wobei insbesondere ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (BGH GRUR 2004, 865, 866 -Mustang; GRUR 2004, 598, 599 -Kleiner Feigling; GRUR 2004, 783, 784 -NEURO-VIBO-LEX/NEURO-FIBRAFLEX; GRUR 2006, 60, 61 Rdnr. 12 -coccodrillo; GRUR 2006, 859, 860 Rdnr. 16 -Malteserkreuz; MarkenR 2008, 405 Tz. 10 -SIERRA ANTIGUO; GRUR 2008, 906 -Pantohexal; GRUR 2008, 258, 260 Rdnr. 20 -INTERCONNECT/T-InterConnect; GRUR 2009, 484, 486 Rdnr. 23 -Metrobus; GRUR 2010, 235 Rdnr. 15 -AIDA/AIDU; EUGH GRUR 2006, 237, 238 -PICARO/PICASSO).

1.

Es ist von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke auszugehen. Selbst wenn der Bestandteil "trimodal network" im Bereich der (Container-)Logistik die Aussage vermittelt, dass diese auf drei verschiedene Transportmöglichkeiten zurückgreift, nämlich Schiff, Eisenbahn und Lkw, und "CONTARGO" als Kunstwort aus den beiden Fachbegriffen "Container" und "Cargo" einen Sachhinweis auf die eingetragenen Dienstleistungen darstellt, erhält die Widerspruchsmarke ihre durchschnittliche originäre Kennzeichnungskraft zumindest aus der konkreten grafischen Ausgestaltung. Für eine gesteigerte Kennzeichnungskraft fehlen jegliche Anhaltspunkte.

2.

Ausgehend von der Registerlage werden die Vergleichsmarken u. a. zur Kennzeichnung teils identischer, teils hochgradig ähnlicher Dienstleistungen verwendet.

Eine Ähnlichkeit von beiderseitigen Waren oder Dienstleistungen ist dabei grundsätzlich anzunehmen, wenn diese unter Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen, insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebsoder Erbringungsart, ihrem Verwendungszweck und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, ihrer Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte oder Leistungen oder anderer für die Frage der Verwechslungsgefahr wesentlichen Gründe so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus demselben oder ggf. wirtschaftlich verbundenen Unternehmen (BGH GRUR 2001, 507, 508 -EVIAN/REVIAN, GRUR 2004, 601 -dcfix/CD-FIX, EuGH MarkenR 2009, 47, 53 Rdnr. 65 -Edition Albert Rene).

a) Zwischen der für die jüngere Marke in Klasse 35 geschützten Dienstleistungen "Unternehmensberatung als Dienstleistungen einer Agentur, nämlich betriebswirtschaftliche und organisatorische Beratung im Zusammenhang mit der Nutzung aller, auch digitaler, Medien sowie betriebswirtschaftliche und organisatorische Planung, Entwicklung und Umsetzung von Konzepten zur Nutzung aller Medien; betriebswirtschaftliche Beratung auf Franchise-Konzepte; Controlling", und den für sie in Klasse 36 eingetragenen Dienstleistungen "Finanzanalysen; finanzielle Beratung; Mergersund Akquisitionsgeschäfte, nämlich finanzielle Beratung beim Kauf oder Verkauf von Unternehmen sowie Unternehmensbeteiligungen" einerseits und den Widerspruchsdienstleistungen "Organisatorische und betriebswirtschaftliche Beratungsdienstleistungen für den Güterverkehr" der Klasse 35 andererseits besteht teils Identität, teils hochgradige Ähnlichkeit. "Controlling" ist ein umfassendes Steuerungsund Koordinationskonzept zur Unterstützung der Geschäftsführung und der führungsverantwortlichen Stellen bei der zielgerichteten Beeinflussung bestehender betrieblicher Prozesse (http://de.wikipedia.org/wiki/Controlling) und stellt folglich einen Kernbereich betriebswirtschaftlicher Beratungsdienstleistungen dar.

b) Hochgradige Ähnlichkeit ist anzunehmen zwischen den Widerspruchsdienstleistungen "Technische Beratungsdienstleistungen für den Güterverkehr" der Klasse 42 und den in derselben Klasse für die angegriffene Marke eingetragenen Dienstleistungen "Entwicklung und Erstellung von Programmen für die Datenverarbeitung; Konzeption und Erstellung von Netzwerkseiten (Websites); technische Projektierung; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung sowie Dienstleistungen eines EDV-Programmierers, nämlich digitale Bildbearbeitung (Grafikerdienstleistungen) und Erstellung von Computer-Animationen in Form von Texten, Bildern, Audiound Videosignalen für Dritte; technische Beratung für Franchise-Konzepte", weil technische Beratungsdienstleistungen auch die Erstellung von Programmen umfassen können.

c) Es kann sowohl dahingestellt bleiben, ob und in welchem Grad eine Ähnlichkeit besteht zwischen den für die jüngere Marke in Klasse 35 eingetragenen Werbedienstleistungen und den in derselben Klasse eingetragenen Widerspruchsdienstleistungen "Organisatorische und betriebswirtschaftliche Beratungsdienstleistungen für den Güterverkehr" (vgl. dazu BPatG 29 W (pat) 71/87 -contex Betriebsberatung/contas) als auch, ob und in welchem Grad weitere Dienstleistungsähnlichkeiten festgestellt werden können.

3. Denn selbst bei Identität und hochgradiger Ähnlichkeit der beiderseitigen Dienstleistungen hält die angegriffene Marke unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke den zur Verneinung der Verwechslungsgefahr erforderlichen Abstand zur Widerspruchsmarke ein.

a) Maßgebend für die Beurteilung der Markenähnlichkeit ist der Gesamteindruck der Vergleichsmarken, wobei von dem allgemeinen Erfahrungssatz auszugehen ist, dass der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 428, 431 Rdnr. 53 -Henkel; BGH MarkenR 2000, 420, 421 -RATIONAL SOFTWARE COR-PORATION; GRUR 2001, 1151, 1152 -marktfrisch). Der Grad der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Zeichen ist dabei im Klang, in (Schrift)Bild und im Bedeutungs-(Sinn-)Gehalt zu ermitteln. Für die Annahme einer Verwechslungsgefahr reicht dabei regelmäßig bereits die hinreichende Übereinstimmung in einer Hinsicht aus (BGHZ 139, 340, 347 -Lions; BGH MarkenR 2008, 393, 395 Rdnr. 21 -HEITEC). Zudem ist bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr grundsätzlich mehr auf die gegebenen Übereinstimmungen der zu vergleichenden Marken abzuheben als auf die Abweichungen, weil erstere stärker im Erinnerungsbild zu haften pflegen (BGH GRUR 2004, 783, 784 -NEURO-VIBO-LEX/NEURO-FIBRAFLEX).

b) In ihrer Gesamtheit unterscheidet sich die Widerspruchsmarkebereits aufgrund ihrer besonderen grafischen Ausgestaltung und zusätzlicher Wortbestandteile von der Wortmarke "Commarco" deutlich, so dass eine Verwechslungsgefahr in (schrift-)bildlicher Hinsicht zu verneinen ist.

c) Allerdings kommt eine Verwechslungsgefahr in klanglicher Hinsicht dann in Betracht, wenn der in der Widerspruchsmarke enthaltene Wortbestandteil "CONTARGO" eine kollisionsbegründende Stellung einnimmt, indem er eine die Gesamtmarke prägende Funktion aufweist und demzufolge die übrigen Markenteile für die angesprochenen Verkehrskreise in einer Weise zurücktreten, dass sie für den Gesamteindruck vernachlässigt werden können (BGH GRUR 2000, 233, 234 RAUCH/ELFI RAUCH; GRUR 2004, 778, 779 -URLAUB DIREKT; GRUR 2004, 865 -Mustang; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., § 9 Rdnr. 279 ff. m. w. N.).

In diesem Rahmen ist bei der Beurteilung der klanglichen Verwechslungsgefahr zunächst davon auszugehen, dass der Verkehr beim Zusammentreffen von Wortund Bildbestandteilen in einer Marke in der Regel dem Wort als einfachster und kürzester Bezeichnungsform eine prägende Bedeutung beimisst (BGH GRUR 2008, 903, 905 Rdnr. 25 -SIERRA ANTIGUO; Ströbele/Hacker a. a. O. § 9 Rdn. 332 m. w. N.), so dass vorliegend grafische Unterschiede der Marken unberücksichtigt bleiben können.

Der Markenbestandteil "trimodal network" setzt sich aus dem englischen Substantiv "network" mit der Bedeutung "Netz" oder "Netzwerk" (Pons, Großwörterbuch, Englisch-Deutsch, 2002, S. 586; http://dict.leo.org) und der sowohl im englischen als auch im deutschen Sprachraum gleichbedeutenden adjektivischen Wortkombination "trimodal", bestehend aus der Vorsilbe "tri", also "drei" (http://dict.leo.org), und "modal" (Pons, a. a. O., S. 564; http://dict.leo.org) für "die Art und Weise bezeichnend" (Duden -Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. 2006 [CD-ROM]) zusammen. Dabei wird im Bereich des Verkehrswesens unter multimodalem Verkehr der Transport eines Gutes mit zwei oder mehr -hier drei -unterschiedlichen Verkehrsträgern (Schiene, Straße, Binnenund Seeschiff, Flugzeug, Pipeline) verstanden (http://de.wikipedia.org/wiki/Multimodaler Verkehr). Der Gesamtbegriff "trimodales Netz" oder "trimodales Netzwerk" ist daher für die von den Dienstleistungen der Widerspruchsmarke angesprochenen Fachkreise ein beschreibender Hinweis darauf, dass Dienstleistungen auf dem Gebiet des "trimodalen" Güterverkehrs, also auf dem Gebiet des Gütertransports mittels drei verschiedener Transportmittel -hier Binnenschiff, Bahn und Lkw angeboten werden. Diese beschreibende Angabe wird durch die drei kleinen, schwarzen Rechtecke, welche entweder drei Gütercontainer darstellen oder den Dreifachcharakter der Gütertransportmittel graphisch besonders unterstreichen, noch unterstützt. Diese ausschließlich beschreibende Angabe tritt neben dem Kunstwort "CONTARGO" zurück, so dass letzterer die Widerspruchsmarke prägt.

In ihren verbleibenden Wortbestandteilen "Commarco" und "CONTAR-GO" unterscheiden sich die beiden Vergleichsmarken klanglich nicht hinreichend deutlich. Es bestehen Übereinstimmungen am Anfang und am Ende, weil beide mit "Co" beginnen und mit dem Buchstaben "o" enden. Beide Marken sind dreisilbig, enthalten eine zentrale Buchstabenfolge "AR", werden auf der jeweils mittleren Silbe (mar/TAR) betont und verfügen über die identische Vokalfolge "O-A-O". Unterschiede ergeben sich nur bei den unbetonten Konsonanten "mm" und "NT" in der ersten Hälfte und den unbetonten Konsonanten "c" und "G" in der zweiten Hälfte der jeweiligen Marke. Auch wenn "m" ein Lippenlaut und "N" ein Zahnlaut ist, sind beide stimmhafte Nasenlaute. Der stimmlose Zahnlaut "t" und der klangschwache Konsonant "g" in der Widerspruchsmarke bewirken zwar einen klanglichen Unterschied zum klangstarken Konsonsant "c" in der Mitte der angegriffenen Marke, aber diese Unterschiede sind gering und könnten überhört werden.

d) Die klangliche Ähnlichkeit der Vergleichsmarken wird jedoch durch den Sinngehalt der Widerspruchsmarke neutralisiert.

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs impliziert die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr, dass die begrifflichen Unterschiede zwischen zwei Zeichen die zwischen ihnen bestehenden klanglichen und visuellen Ähnlichkeiten neutralisieren können, wenn zumindest eines der Zeichen eine eindeutige und bestimmte Bedeutung hat, so dass die maßgeblichen Verkehrskreise sie ohne Weiteres erfassen können (EuGH GRUR Int 2009, 397, 402 Rdnr. 98 -OBELIX/MOBILIX; GRUR 2006, 237, 238 Rdnr. 20 -PICARO/PICAS-SO).

Vorliegend begegnen sich die beiden Marken auf dem Markt der Dienstleistungen der Widerspruchsmarke, welcher aus Anbietern und Abnehmern auf dem Sektor des Güterverkehrs, insbesondere im Bereich der Binnenschifffahrt, des Güterkraftverkehrs und des Schienenverkehrs, besteht. Bei den Marktteilnehmern handelt es sich daher um einen Fachverkehr, welcher üblicherweise über einen erhöhten Grad der Aufmerksamkeit verfügt.

Während dem Wortzeichen "Commarco" kein begrifflicher Inhalt entnommen werden kann -"commarco" oder "com" haben keine Bedeutung; "marco" ist der spanische Begriff für "Rahmen" oder die deutsche "Mark" (http://dict.leo.org) sowie der italienische Begriff für die deutsche "Mark" oder ein italienischer Vorname (http://dict.leo.org; http://de.wikipedia.org/wiki/Marco) -, ist der Begriff "CONTARGO" ein Kunstwort, das sich aus Bestandteilen der beiden Fachbegriffe "CONT(AINER)" und "(C)ARGO" zusammensetzt, welche den angesprochenen Verkehrskreisen, nämlich den Fachleuten auf dem Gebiet des Güterverkehrs, vertraut sind, da sie zu ihrem Fachjargon gehören. Sie werden daher diesen Sinngehalt ohne weiteres erfassen, den prägenden Markenbestandteil "CONTARGO" also sofort mit dem englischen, in die deutsche Sprache eingegangenen Fachbegriff "CONTAINER", dem die Bedeutung "der rationelleren und leichteren Beförderung dienender [quaderförmiger] großer Behälter [in standardisierter Größe]" (Duden -Deutsches Universalwörterbuch, a. a. O.; Duden-Oxford -Großwörterbuch Englisch, 3. Aufl. 2005 [CD-ROM]) zukommt, und dem ebenfalls im Deutschen gebräuchlichen englischen Fachbegriff "CARGO" mit der Bedeutung "Fracht, Ladung" (Duden-Oxford, a. a. O.; Duden -Deutsches Universalwörterbuch, a. a. O.) in Verbindung bringen und ihn nicht mit der jeglichen Sinngehalt entbehrenden Bezeichnung "Commarco" verwechseln.

3. Für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen gemäß § 71 Abs. 1 MarkenG bestand keine Veranlassung. Sie kommt nur in Betracht, wenn ein Beteiligter gegen seine prozessualen Sorgfaltspflichten verstößt. Dies kann selbst bei Aussichtslosigkeit einer Beschwerde oder Verteidigung gegen eine solche nur bejaht werden, wenn ein Beteiligter mit seinem Verhalten vorrangig verfahrensfremde Ziele wie die Verzögerung einer Entscheidung oder die Behinderung der Gegenseite verfolgt (Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 2. Aufl., § 71 Rdnr. 16). Dafür sind hier aber keine Anhaltspunkte vorgetragen oder ersichtlich.

4. Die angeregte Zulassung der Rechtsbeschwerde kam ebenfalls nicht in Betracht, weil weder eine konkrete Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden ist (§ 83 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG), noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert (§ 83 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG). Vielmehr ging es im vorliegenden Verfahren nur um die Subsumtion des Sachverhalts unter das Markengesetz auf der Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs.

Vorsitzende Richterin Grabrucker ist aufgrund urlaubsbedingter Abwesenheit gehindert zu unterschreiben. Dr. Kortbein Kortge Dr. Kortbein Hu






BPatG:
Beschluss v. 10.08.2010
Az: 29 W (pat) 524/10


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/f5e64b0438ef/BPatG_Beschluss_vom_10-August-2010_Az_29-W-pat-524-10




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share