Bundespatentgericht:
Beschluss vom 2. März 2000
Aktenzeichen: 25 W (pat) 77/99

(BPatG: Beschluss v. 02.03.2000, Az.: 25 W (pat) 77/99)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Bezeichnung KARDIONORM ist am 28. Mai 1997 für "Pharmazeutische Erzeugnisse" in das Markenregister eingetragen worden. Die Veröffentlichung der Eintragung erfolgte am 30. Juni 1997.

Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der am 5. August 1994 ua für "Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse" eingetragenen Marke 1 190 676 KARDIOKON;

deren Benutzung nicht bestritten ist.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat in dem angefochtenen Beschluß eine Verwechslungsgefahr zwischen den Vergleichsmarken verneint und ausgeführt, daß ausgehend von möglicher Warenidentität, einer normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und der zu berücksichtigenden allgemeinen Verkehrskreise die Einhaltung eines deutlichen Markenabstandes zu fordern sei. Diesen Anforderungen werde die angegriffene Marke in klanglicher Hinsicht trotz gleicher Silbenzahl, eines übereinstimmenden Sprech- und Betonungsrhythmus und identischer Vokalfolge aufgrund der deutlichen konsonantischen Unterschiede in den betonten Endsilben gerecht. Diese würden nicht unbemerkt bleiben, zumal der Verkehr wegen der beschreibenden Bestandteile "KARDIO" für "Herz" sein Augenmerk eher auf die weiteren Wortbestandteile richten werde. Hinzu komme der verwechslungsmindernde Sinnanklang von "NORM" für "normal, im Normbereich liegend" in der angegriffenen Marke. Eine schriftbildliche Verwechslungsgefahr bestehe wegen der unterschiedlichen Charakteristika der Buchstaben "N" und "K" sowie des ausschließlich in der angegriffenen Marke enthaltenen Buchstabens "R" ebenfalls nicht.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden mit dem sinngemäßen Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Die Markenstelle habe nicht hinreichend berücksichtigt, daß es sich bei den gegenüberstehenden Waren um identische, nicht rezeptpflichtige pharmazeutische Erzeugnisse handele, die Laien auch zur Behandlung leichterer Erkrankungen erwerben könnten und bei denen die Aufmerksamkeit des allgemeinen Publikums nicht überschätzt werden dürfe. Die Vergleichsmarken seien nicht nur in ihrer Silbenanzahl und ihrem Sprechrhythmus identisch, sondern wiesen auch die gleiche Vokalfolge und identische Anfangsbestandteile auf, denen der Verkehr in der Regel seine besondere Aufmerksamkeit widme. Dem stehe nicht entgegen, daß "KARDIO" die Bedeutung von "Herz" besitze, da einem Großteil des Verkehrs diese Bedeutung nicht bekannt sei. Auch sei dieser Anfangsbestandteil nicht verbraucht. So weise auch die Rote Liste 1998 keine entsprechend gebildete Eintragung, sondern nur sieben Marken mit dem Anfangsbestandteil "CARDIO" auf. Aber selbst wenn "KARDIO" kennzeichnungsschwach sei, könne dieser Bestandteil nicht einfach abgespalten werden. Es sei vielmehr der Gesamteindruck maßgebend, der klanglich und schriftbildlich so ähnlich sei, daß eine Verwechslungsgefahr bestehe. Dieser Gefahr wirke in klanglicher Hinsicht auch der Sinngehalt der in der angegriffenen Marke enthaltenen Endsilbe "NORM" nicht entgegen, da der Verkehr den Bedeutungsgehalt nicht sofort erfasse und begriffliche Unterschiede sowieso nicht zum Tragen kämen, wenn die Vergleichsmarken wegen ihrer Ähnlichkeit verhört würden.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat auf Ihren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt gehaltenen Sachvortrag Bezug genommen und keinen Antrag gestellt.

Wegen der Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluß sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt (§ 66 Abs 1 Satz 1, Abs 2 MarkenG).

In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg. Es besteht auch nach Auffassung des Senats keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG. Der Widerspruch ist deshalb von der Markenstelle gemäß §§ 42 Abs 2 Nr 1, 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG zu Recht zurückgewiesen worden.

Bei seiner Entscheidung geht der Senat zwar von einer noch normalen - insoweit aber im unteren Bereich liegenden - Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke aus, auch wenn in dem Wortbestandteil "KARDIO" der Indikationshinweis auf "Herz" enthalten ist und zudem nach der Registerlage eine Vielzahl mit dem Anfangsbestandteil "Kardio" (Cardio") entsprechend gebildete Drittmarken - über 60 Eintragungen zu Klasse 5 - eingetragen sind und sich dieser Wortbestandteil deshalb als kennzeichnungsschwach erweist (vgl zur Bedeutung der Registerlage Althammer/Ströbele, MarkenG, 5. Aufl, § 9 Rdn 122; BGH GRUR 1999, 241; 243 - Lions; BGH GRUR 1967, 246, 250 und 251 - Vitapur). Aus einer damit verbundenen isolierten Kennzeichnungsschwäche von "KARDIO" als Wortbestandteil der Widerspruchsmarke kann jedoch nicht ohne weiteres auf die allein maßgebende Kennzeichnungskraft der Gesamtbezeichnung geschlossen werden, zumal es bei pharmazeutischen Erzeugnissen der üblichen Praxis entspricht, Marken in der Weise zu bilden, daß diese als sogenannte sprechende Zeichen durch eine phantasievolle Zusammenstellung jedenfalls für den Fachmann erkennbarer Wirkstoff- und/oder Anwendungsangaben die stoffliche Beschaffenheit und /oder das Indikationsgebiet kenntlich machen (vgl BGH GRUR 1998, 815, 817 - Nitrangin). Der Senat geht deshalb auch vorliegend davon aus, daß die in der sprachregelwidrigen Verbindung des griechischen Wortes "Kardio" (gleichbedeutend mit "Kardia") mit der ebenfalls aus dem Griechischen stammenden Endsilbe "kon" liegende Eigentümlichkeit und Originalität der Widerspruchsmarke noch eine im unteren Bereich liegende normale Kennzeichnungskraft begründet, auch wenn die Zusammenfügung von "KARDIO" und "KON" angesichts des gebräuchlichen Begriffs "Kardiaka" wie eine Singularform verstanden werden kann (vgl hierzu auch BPatG Bl f PMZ 1991, 249 - KARDIAKON).

Nach der vorliegend maßgebenden Registerlage können sich die Vergleichsmarken hinsichtlich pharmazeutischer Erzeugnisse auf identischen Waren begegnen. Da eine Rezeptpflicht in den Warenverzeichnissen nicht festgeschrieben ist und der Oberbegriff "pharmazeutische Erzeugnisse" unterschiedlichste Produkte umfaßt, welche zur Anwendung auch bei leichteren Erkrankungen kommen können, sind für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr die allgemeinen Verkehrskreise uneingeschränkt einzubeziehen, welche pharmazeutische Erzeugnisse häufig im Wege der Selbstmedikation ohne Einschaltung von Fachleuten erwerben. Insoweit ist allerdings auch zu berücksichtigen, daß selbst medizinische Laien allem, was mit der Gesundheit zusammenhängt, eine gesteigerte Aufmerksamkeit beizumessen pflegen (BGH GRUR 1995, 50, 53 - Indorektal/Indohexal).

Unter Berücksichtigung dieser Umstände sind zur Vermeidung einer Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG noch strenge Anforderungen an den von der jüngeren Marke einzuhaltenden Markenabstand zu stellen, die nach Auffassung des Senats noch eingehalten sind.

Von entscheidender Bedeutung ist, daß bei der Beurteilung des für die Verwechslungsgefahr maßgeblichen Gesamteindrucks der Markenwörter dem Anfangsbestandteil "Kardio" nicht die Bedeutung zukommt, wie es bei einem reinen Phantasiebestandteil der Fall wäre. Der in "Kardio" bzw dem gleichlautenden "Cardio" liegende Hinweis auf "Herz" ist nicht nur - wie bereits ausgeführt - Anfangsbestandteil einer erheblichen Anzahl weiterer, in der Klasse 5 eingetragener Marken, sondern auch die Rote Liste enthält eine größere Anzahl entsprechend gebildeter Marken zu den einschlägigen Indikationen der Hauptgruppen 53 (Kardiaka), 55 (Koronarmittel) und 27 (Betarezeptorenblocker usw), was zudem ein gewisses Indiz für ihre tatsächliche Verwendung darstellt. Auch findet sich der Begriff "Kardio" - ebenso wie "Cardio" oder das ähnlich klingende und synonym verwendete "Cardia" ("Kardia") - in einer Vielzahl von einschlägigen Fachbegriffen wie zB Kardiologie, Kardiogramm oder Kardiaka, die dem Verkehr im Zusammenhang mit Herz- Kreislauferkrankungen und dem Erwerb entsprechender Arzneimittel häufig begegnen. Bereits dies zeigt, daß dem Bestandteil "KARDIO" nicht nur nach dem Rollenstand als naheliegende, verbrauchte Wortbildung eine geringere Originalität und damit in rechtlicher Hinsicht eine geringere Kennzeichnungskraft und Bedeutung für die Prägung des Gesamteindrucks zukommt als Phantasiebestandteilen (vgl BGH, MarkenR 1999, 57, 59 - Lions), sondern daß zugleich der Verkehr auch in tatsächlicher Hinsicht bei der Begegnung mit entsprechend gebildeten Marken mit dem Markenbestandteil "KARDIO" ("Cardio") nicht bereits eine bestimmte Herstellerangabe verbindet. Der Verbraucher weiß vielmehr, daß er sein Augenmerk insbesondere auch auf die weiteren Bestandteile richten muß, um eine bestimmte Marke zu identifizieren, so daß auch insoweit den jeweiligen Endbestandteilen der Vergleichsmarken eine wesentliche Bedeutung für die Orientierung der Verkehrskreise zukommt. Dem steht nicht entgegen, daß der in der angegriffenen Marke enthaltene weitere Bestandteil "NORM" seinerseits kennzeichnungsschwach und dem Verbraucher auch wegen seiner häufigen Verwendung und seines leicht erfaßbaren Sinnbezuges als "sprechender Markenbestandteil" geläufig ist. Denn gerade hierdurch wird auch in tatsächlicher Hinsicht eine Orientierung und Unterscheidung der Vergleichsmarken erleichtert, da die Widerspruchsmarke wegen ihrer Endung "KON" keine entsprechende Zusammenfügung mit einem derartigen leicht erfaßbaren, sprechenden und eigenständigen Bestandteil aufweist und deshalb eher als gesamtbegriffliche, an das Fachwort "Kardiaka" erinnernde Wortbildung erscheint.

Dem steht auch nicht entgegen, daß nach ständiger Rechtsprechung selbst kennzeichnungsschwache oder schutzunfähige Markenbestandteile sowohl in rechtlicher Hinsicht bei der Beurteilung der Prägung des Gesamteindrucks als auch bei der Feststellung einer tatsächlicher Beachtung durch den Verkehr nicht unberücksichtigt bleiben dürfen (vgl Althammer/Ströbele, MarkenG, 5. Aufl, § 9 Rdn 129, 161; BGH GRUR 1996, 200 - Innovadiclophlont; BGH MarkenR 2000, 20, 21 - RAUSCH / ELFI RAUCH). Denn auch unter Beachtung noch strenger Anforderungen an den Markenabstand und einer angemessenen Mitberücksichtigung des schwachen Bestandteils "KARDIO" sorgen die unterschiedlichen Endbestandteile der Vergleichsmarken für einen deutlich abweichenden Gesamteindruck der Markenwörter, so daß ihre hinreichende Unterscheidbarkeit gewährleistet ist (vgl auch PAVIS PROMA, Knoll, BPatG 25 W (pat) 95/99 - PULMOKAST ­ PULMICORT; BPatG 25 W (pat) 64/99 - Rytmopur ­ Rytmopasc, nicht veröffentlichte Entscheidung vom 25. November 1999).

So weisen die Vergleichsmarken in klanglicher Hinsicht zwar dieselbe Silbenanzahl, einen übereinstimmenden Sprech- und Betonungsrhythmus und eine identische Vokalfolge auf. Sie unterscheiden sich aber wesentlich durch ihr abweichendes Konsonantengerüst in den Endbestandteilen "KON" und "NORM", welches insbesondere durch die deutlichen Klangabweichungen der sich gegenüberstehenden Anlaute "k" und "n" sowie durch den zusätzlich in der Widerspruchsmarke enthaltenen r-Laut eine hinreichend verschiedene Prägung des jeweiligen klanglichen Gesamteindrucks der Markenwörter bewirkt. Hinzu kommt, daß der den Endsilben gemeinsame Vokal "o" aufgrund des abweichenden konsonantischen Umfeldes unterschiedlich artikuliert wird und deshalb ebenfalls zu einer divergierenden Klangwirkung der zudem noch betonten Schlußsilben beiträgt. Auch im Schriftbild wird durch die unterschiedliche Wortlänge der Markenwörter, die abweichende Kontur der sich in den jeweiligen Endbestandteilen gegenüberstehenden Konsonanten sowie durch die in Normalschrift oder bei handschriftlicher Wiedergabe nur in der Widerspruchsmarke enthaltene zusätzliche Oberlänge des "k" für eine hinreichende Differenzierung des Gesamteindrucks der Markenwörter gesorgt.

Nach alledem war die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlaß, § 71 Abs 1 MarkenG.

Kliems Knoll Engels Pü






BPatG:
Beschluss v. 02.03.2000
Az: 25 W (pat) 77/99


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