Bundespatentgericht:
Beschluss vom 9. Juni 2010
Aktenzeichen: 35 W (pat) 429/09

(BPatG: Beschluss v. 09.06.2010, Az.: 35 W (pat) 429/09)

Tenor

1.

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Deutschen Patentund Markenamts -Gebrauchmusterabteilung I -vom 4. Dezember 2008 aufgehoben.

2.

Das Gebrauchsmuster 201 21 189 wird in vollem Umfang gelöscht.

3.

Die Kosten des Löschungsverfahrens in beiden Rechtszügen trägt der Antragsgegner.

4.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I Der Antragsgegner und Beschwerdegegner ist Inhaber des Gebrauchsmusters 201 21 189, das am 18. April 2002 unter der Bezeichnung

"Einrichtung zum Installieren von Versorgungsleitungen"

in das Register eingetragen worden ist.

Der Antragsgegner hat das Gebrauchsmuster 201 21 189 mit Anmeldetag 15. Februar 2001 am 29. Januar 2002 aus der Patentanmeldung 101 07 912 für die die innere Priorität vom 18. April 2000 (Az: 100 19 028.6) in Anspruch genommen ist, abgezweigt.

Der Schutzanspruch 1 nach Hauptantrag -eingereicht in der mündlichen Verhandlung vor der Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patentund Markenamtes am 4. Dezember 2009 -lautet unter Einfügung der Gliederungsbuchstaben a) bis g) entsprechend einer Merkmalsanalyse der Beschwerdeführerin:

"a) Einrichtung zum Installieren von Versorgungsleitungen und/oder Datenleitungen für mehrere Arbeitsplätze, b) insbesondere miteinander und/oder mit einer zentralen Einrichtung verbundene Computer-Arbeitsplätze oder dergleichen in einem Raum, c) wobei ein aus vorbereiteten Elementen gerüstartig aufbaubares System vorgesehen ist, d) das unterhalb einer Decke (12) des Raumes und oberhalb einer normalen Greifhöhe anbringbare Kanäle (18) zur Aufnahme von Versorgungsleitungen und/oder Datenleitungen undf) an die Kanäle anschließbare nach unten gerichtete, Arbeitsplätzen zugeordnete Säulen (21), die mit Versorgungsanschlüssen (23) versehen sind, enthält, e) wobei für die Kanäle (18) Hängehalter (19) zum Aufhängen an der Decke (12) des Raumes vorgesehen sind, dadurch gekennzeichnet, g) dass die Säulen (21) um eine im Bereich der Kanäle (18) befindliche, horizontale Achse (53) verschwenkbar angeordnet sind, um die Versorgungsanschlüsse (23) in Greifhöhe zu bringen."

Im patentamtlichen Löschungsverfahren hat sich die Antragstellerin auf folgende Druckschriften berufen:

D1: DE9411771U1 D2: DE 197 48 480 A1 D3: US 4 252 989 D4: DE 196 01 467 A1 D5: Schweizer Ingenieur und Architekt Nr. 24 vom 11. Juni 1998, S. 1, 10-12 D6: US5299338A D7: US 4 801 815 D8: US 3 599 922 D9: WO 99/50587 A1 D10: DE2061662A D11: Leimbach "Gestaltung und Einrichtung naturwissenschaftlicher Unterrichtsräume", Phywe-Verlag, Göttingen, 1954, S. 34-37 D12: US 3 534 319 D13: DVE 8031/32 Deckenversorgungseinheiten, Dräger Medizintechnik GmbH, Lübeck, Druckvermerk 9048294/PP6923.54D/059E D14: DE1791040A D15: US 3 082 290 Am 4. Dezember 2008 hat die Gebrauchsmusterabteilung I beschlossen, dass das Streitgebrauchsmuster teilgelöscht wird, soweit es über die Fassung gemäß Hauptantrag des Antragsgegners vom 4. Dezember 2008 hinausgeht, dass der Löschungsantrag im Übrigen zurückgewiesen wird und dass die Antragstellerin der Verfahrenskosten und der Antragsgegner der Verfahrenskosten zu tragen hat.

Mit ihrer Beschwerde vom 27. Februar 2009, eingegangen per Fax am selben Tag, verfolgt die Antragstellerin ihren Löschungsantrag weiter.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundespatentgericht am 9. Juni 2010 hat der Antragsgegner neue Schutzansprüche gemäß Hilfsanträgen 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b, 3, 3a, 3b eingereicht.

Der Schutzanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 unterscheidet sich von dem des Hauptantrags dadurch, dass an ihn -unter Ersetzung des Punktes durch ein Komma das mit dem Gliederungsbuchstaben h) versehene Merkmal

"h) wobei den Säulen (21) Rastoder Arretiermittel (54) zugeordnet sind, um sie sowohl in der horizontalen Stellung parallel unterhalb eines Kanals (18) als auch in der vertikalen Stellung zu arretieren."

angehängt ist.

Der nebengeordnete Schutzanspruch 2 nach Hilfsantrag 1 unterscheidet sich vom Schutzanspruch 1 nach Hauptantrag dadurch, dass er -unter Ersetzen des Punktes durch ein Komma -das mit dem Gliederungsbuchstaben h1) versehene Merkmal

"h1) wobei die Säulen (21) zwischen einer horizontalen Stellung parallel unterhalb eines Kanals (18) und einer vertikalen Stellung mit motorischen Schwenkantrieben (56) verschwenkbar sind."

zusätzlich aufweist.

Der Schutzanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 ist gleich dem Schutzanspruch 1 nach Hilfsantrag 1; der nebengeordnete Schutzanspruch 2 nach Hilfsantrag 2 unterscheidet sich vom Schutzanspruch 2 nach Hilfsantrag 1 dadurch, dass sich an ihn -unter Ersetzen des Punktes durch ein Komma -das mit dem Gliederungsbuchstaben h2) bezeichnete Merkmal

"h2) wobei weiter die Schwenkantriebe von einer von den Arbeitsplätzen entfernten Stelle aus betätigbar sind."

anschließt.

Die Schutzansprüche 1 und 2 nach Hilfsantrag 3 unterscheiden sich von den Schutzansprüchen 1 und 2 nach Hilfsantrag 2 jeweils dadurch, dass an sie -unter Ersetzen des Punktes durch ein Komma -das mit dem Gliederungsbuchstaben i) versehene Merkmal

"i) wobei die Versorgungsanschlüsse (23) in einem Anschlusskasten (22) zusammengefasst sind, der eine flache, im wesentlichen horizontale Gestalt aufweist und der auf einer Seite mit den in einer oder zwei übereinanderliegenden Reihen angeordneten Versorgungsanschlüssen (23) versehen ist."

angehängt ist.

Die Hilfsanträge 1a, 1b bzw. 2a, 2b bzw. 3a, 3b beinhalten jeweils nur einen der beiden nebengeordneten Schutzansprüche 1 oder 2 gemäß den Hilfsanträgen 1 bzw. 2 bzw. 3.

An den jeweiligen Schutzanspruch 1 nach Hauptantrag und an die jeweiligen Schutzansprüche 1 und 2 nach den Hilfsanträgen 1 bis 3, sowie an den jeweiligen Schutzanspruch 1 nach den Hilfsanträgen 1a, 1b, 2a, 2b und 3a, 3b sollen sich noch anzupassende Unteransprüche anschließen.

Die Beschwerdeführerin ist der Meinung, dass es sich bei dem hier zuständigen Fachmann um einen Konstrukteur oder Ingenieur handele, der mit der Versorgung von Arbeitsplätzen, nicht nur für Schulen befasst sei und der sich auch im Bereich der Medizintechnik, des Laborund Werkstattbedarfs auskenne. Wenn ein solcher Fachmann ausgehend von einer Einrichtung, wie sie in der DE 94 11 771 U1 oder der Schweizerischen Bauzeitung a. a. O oder der US 5 299 338 A beschrieben sei, vor die Aufgabe gestellt sei, Räume mehrfach zu nutzen, habe er aus dem Stand der Technik -zu dem sie auf den Prospekt der Dräger Medizintechnik GmbH a. a. O, die US 3 534 319, das Lehrbuch von Leimbach a. a. O oder die US 4 801 815 verweist -genügend Hinweise, die Säulen verschwenkbar zu gestalten, um die Versorgungsanschlüsse aus der Greifhöhe heraus bzw. wieder in Greifhöhe zu bringen. Zu der Einrichtung gemäß dem Lehrbuch von Leimbacha. a .O. weist er darauf hin, dass die dortigen Kugelgelenke für die Pendel im oberen Bereich angeordnet seien.

Hinsichtlich der in den Schutzansprüchen gemäß der Hilfsanträge gegenüber dem Schutzanspruch 1 nach Hauptantrag zusätzlich angegebenen Merkmale verweist die Antragstellerin auf ihren schriftsätzlichen Vortrag im Löschungsverfahren zu inhaltlich gleichen Schutzansprüchen.

Die Beschwerdeführerin stellt den Antragaus der Beschwerdeschrift -dem Schriftsatz vom 27. Februar 2009 (Bl. 24 d.A.).

Der Beschwerdegegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise den Löschungsantrag im Umfang der in der mündlichen Verhandlung übergebenen Hilfsanträge 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b, 3, 3a und 3b zurückzuweisen.

Der Beschwerdegegner stellt in Abrede, dass es der Zweck der Einrichtung nach der US 3 534 319 sei, Verschwenkbarkeit der Versorgungsanschlüsse aus der Greifhöhe heraus zu erreichen. Auch die Pendel gemäß dem Lehrbuch von Leimbach a. a. O sieht er -auch nach Vorhalt des Senats, dass Pendel schwingen können müssen -nicht am oberen Ende durch Kugelgelenke angelenkt, sondern als starre Rohre. Ebenso finde nach seiner Auffassung bei der Einrichtung nach der US 4 801 815 kein Verschwenken statt, sondern eine Verschiebung. Die Mediensäule gemäß der Schweizerischen Bauzeitung a. a. O müssten demontiert werden, um die Versorgungsanschlüsse aus Greifhöhe zu bringen. Dies sei insbesondere unter dem Gesichtspunkt des in Schulen betriebenen Vandalismus umständlich.

Weiterhin ist der Antragsgegner der Auffassung, dass es für den Fachmann Anstöße, Hinweise, oder Anregungen bedürfe, um im Stand der Technik beschriebene Maßnahmen auf das ihm Bekannte anzuwenden. Der insgesamt genannte Stand der Technik gebe dem Fachmann keinen Anstoß, keinen Hinweis und keine Anregung, die Säule verschwenkbar anzuordnen um die Versorgungsanschlüsse aus oder in Greifhöhe zu bringen. Er verweist bezüglich dieser Auffassung auf folgende Rechtsprechung: BGH -Betrieb einer Sicherheitseinrichtung Xa ZR 92/05, BGH -Bauschalungsstütze Xa ZR 140/05 und BGH -Airbag-Auslösesteuerung Xa ZR 56/05. Mehrfach trägt der Antragsgegner vor, dass scheinbar einfach anmutende Maßnahmen nicht notwendig auf keinem erfinderischen Schritt beruhten.

Der Antragsgegner regt die Zulassung der Rechtsbeschwerde an und trägt dazu vor, dass die Rechtsfrage zu klären sei, inwieweit es für den Fachmann Anstöße, Hinweise oder Anregungen durch den Stand der Technik bedürfe, um die dort beschriebene Maßnahmen auf das ihm Bekannte anzuwenden.

Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf ihre Schriftsätze verwiesen.

II Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig und begründet.

1.

Dem Gegenstand des Schutzanspruchs 1 bzw. 2 nach den jeweiligen Anträgen liegt jeweils die Aufgabe zugrunde, eine Einrichtung der oberbegrifflichen Art zu schaffen, die einen flexiblen Aufbau und eine flexible Installation von Versorgungsleitungen ermöglicht, die leicht zu bedienen ist und die zu möglichst geringen Behinderungen führt (S. 2 Abs. 2 der Streit-Gbm-Schrift).

2.

Der für die Beurteilung maßgebende Fachmann ist ein Maschinenbau-Fachhochschulingenieur, der als Konstrukteur und Planer für Einrichtungen zur Versorgung von Arbeitsplätzen für verschiedene Anwendungsgebiete mit Versorgungsmedien aller Art zuständig ist.

3.

Den Schutzansprüchen liegt folgendes Verständnis zugrunde:

Die Angabe in den Schutzansprüchen 1 bzw. 2 (Merkmal g), dass die "Versorgungsanschlüsse in Greifhöhe zu bringen" seien, versteht der Fachmann so, dass die Versorgungsanschlüsse zumindest soweit aus dem Arbeitsbereich zu bringen sind, dass sie nicht mehr stören. Dass sie soweit aus Greifhöhe zu bringen sind, dass sie überhaupt nicht mehr erreicht werden können, ist damit aber nicht umfasst. Denn auch das Streit-Gebrauchsmuster (S. 2 Abs. 1) sieht als oberhalb der Greifhöhe einer erwachsenen Person gelegenen Bereich lediglich eine Höhe von 190 bis 215 cm vor.

Unter nach unten gerichteten Säulen (Merkmal f) sind im Gegensatz zur Auffassung der Gebrauchsmusterabteilung (Beschluss S. 7 vorle. Abs.) nicht notwendig senkrecht ausgerichtete Säulen zu verstehen. Diese verworrene Annahme der Gebrauchsmusterabteilung ist nicht begründet, da es in der Technik auch Säulen gibt, die nicht senkrecht verlaufen; etwa die A-oder B-Säule eines Kraftfahrzeugs oder die vier Säulen, auf denen der Eiffelturm ruht. Im Übrigen verlaufen auch die Säulen gemäß dem Gebrauchsmustergegenstand nicht senkrecht, sondern waagrecht; zumindest dann, wenn sie sich in dem Zustand befinden, in dem die Versorgungsanschlüsse außer Greifhöhe gebracht sind (Fig. 10: strichpunktierte Darstellung). Nach Auffassung des Senats kann eine Säule nicht durch ihre Lage oder Richtung definiert werden, damit ist auch die von der Gebrauchsmusterabteilung (Beschluss S. 9 vorle. Abs) getroffene Unterscheidung zwischen Arm und Säule hinfällig.

4. Der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 nach Hauptantrag beruht nicht auf einem erfinderischen Schritt i. S. v. § 1 Abs. 1 GebrMG.

Aus der schweizerischen Bauzeitung a. a. O. ist bekannt einea) Einrichtung zum Installieren von Versorgungsleitungen

(Abb. 4 i. V. m. S. 11 li. Sp. Abs. 3: Elektro) und/oder Datenleitungen (Abb. 4 i. V. m. S. 11 li. Sp. Abs. 3: Kommunikation) für mehrere Arbeitsplätze (Abb. 2: drei Arbeitsplätze), c) wobei ein aus vorbereiteten Elementen (S. 11 li. Sp. Abs. 3:

z. B. Flugzeugund Messebau) gerüstartig aufbaubares System (Abb. 2, 3) vorgesehen ist, d) das unterhalb einer Decke (Abb. 2: Decke, gekreuzt schraffiert dargestellt) des Raumes und oberhalb einer normalen Greifhöhe anbringbare Kanäle (Abb. 2, 3: Kanäle im Deckenraster i. V. m. S. 11 li. Sp. Abs. 3; weitere Ausführungen siehe unten) zur Aufnahme von Versorgungsleitungen (Elektro) und/oder Datenleitungen (Kommunikation) undf) an die Kanäle anschließbare nach unten gerichtete, Arbeitsplätzen (Abb. 2, 3: drei Arbeitsplätze) zugeordnete Säulen (Abb. 2: drei Säulen bzw. Abb. 4: Mediensäulen), die mit Versorgungsanschlüssen (Abb. 4: Versorgungsanschlüsse für Elektro, Gas, Wasser Kommunikation usw.) versehen sind, enthält, e) wobei für die Kanäle (Abb. 2, 3: Kanäle im Deckenraster) Hängehalter (Abb. 2: nicht bezeichnete Halter für Abhängung) zum Aufhängen an der Decke (Abb. 2: Decke, gekreuzt schraffiert dargestellt) des Raumes vorgesehen sind (weitere Ausführungen unten).

Zu Merkmal d): Aus Abbildung 3 der Schweizerischen Bauzeitung a. a. O. ist ersichtlich, dass sich im Bereich des Deckenrasters keine frei verlegten Leitungen befinden. Angesichts der zusätzlichen Angaben auf Seite 11 (li. Sp. Abs. 3), dass auf Konstruktionen aus dem Maschinen-, Flugzeugund Messebau sowie der Halbleiterindustrie zurückgegriffen werde, entnimmt der Fachmann der Druckschrift, dass Kanäle vorgesehen sein müssen, in denen die Leitungen verlegt sind.

Zu Merkmal e): Insbesondere in Abbildung 3 ist zu erkennen, dass die Säulen an den über ihnen und parallel zu den Lampen verlaufenden Kabelkanal angeschlossen sind, d. h. anschließbar sind.

Von der aus der Schweizerischen Bauzeitung bekannten Einrichtung unterscheidet sich die Einrichtung gemäß dem Schutzanspruch 1 nach Hauptantrag somit lediglich dadurch, g) dass die Säulen um eine im Bereich der Kanäle befindliche, horizontale Achse verschwenkbar angeordnet sind, um die Versorgungsanschlüsse in Greifhöhe zu bringen.

Ausgehend von einer Einrichtung, wie sie in der Schweizerischen Bauzeitunga.

a. O. beschrieben ist, steht der Fachmann -wie der Antragsgegner selbst ausführt -vor dem Problem, dass die dort beschriebenen Säulen, wenn sie sich in Unterrichtsräumen befinden, einem Vandalismus ausgesetzt sind. Zumindest könnten sie durch nicht sachgerechte Manipulation in ihrer Funktion beeinträchtigt werden, etwa in den Unterrichtspausen. Die Aufgabe, dem entgegenzuwirken, d.

h. eine Einrichtung zu schaffen, die einen flexiblen Aufbau und eine flexible Installation von Versorgungsleitungen ermöglicht, die leicht zu bedienen ist und die zu möglichst geringen Behinderungen führt (S. 2 Abs. 2 der Streit-Gbm-Schrift), stellt sich demnach dem Fachmann in der Praxis von selbst.

Dem hier zuständigen Fachmann sind als Konstrukteur und Planer von Einrichtungen zur Versorgung von Arbeitsplätzen, nicht nur Einrichtungen zur Versorgung von Arbeitsplätzen für Unterrichtsräume, sondern auch solche für andere Anwendungsgebiete bzw. Anwendungsorte bekannt. Ein so verstandener Fachmann kennt daher aus eigener Praxis -d. h. hier: aus allen technischen Gebieten, die sich mit Säulen zur Versorgung von Arbeitsplätzen beschäftigen -geeignete Lösungen, um den als nachteilig erkannten Stand der Technik durch vorhandene konkrete Maßnahmen zu ändern (vgl. Jestaedt: Die erfinderische Tätigkeit in der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs; GRUR 2001, Seite 939, 942). Zu Fachgebieten, die ihm geläufig sind, gehört nach Auffassung des Senats auch die Medizintechnik.

Wie durch den Prospekt der Dräger Medizintechnik GmbH a. a. O belegt ist, kennt der Fachmann eine Einrichtung mit Versorgungsleitungen (S. 2 le. Abs.), die nach unten gerichtete, Arbeitsplätzen (Deckblatt: Arbeitsplatzsystem für die Anästhesie und Chirurgie, sowie Abb. auf S. 5) zugeordnete Säulen (S. 4 untere Abbildungen: um 600 mm höhenverstellbare und im dargestellten Betriebszustand nach unten gerichtete Säule), die mit Versorgungsanschlüssen (S. 2 le. Abs Gas, Elektrosteckdosen) versehen sind, enthält und bei der vorgesehen ist, dass die Säulen (S 4 untere Abbildungen: um 600 mm höhenverstellbare Säule) um eine horizontale Achse verschwenkbar angeordnet sind (S. 4 untere Abbildungen: Säule ist um horizontale Achse derart verschwenkbar, dass sich eine Höhenverstellung von 600 mm ergibt), um die Versorgungsanschlüsse (Gas, Elektrosteckdosen) in Greifhöhe zu bringen (S. 4 untere Abbildungen: 1400 mm als Greifhöhe einer durchschnittlichen Person).

Bei der in dem Prospekt der Dräger Medizintechnik GmbH a. a. O beschriebenen Einrichtung können also die Versorgungsanschlüsse sowohl in eine Höhe von 2 m als auch in eine Höhe von 1,4 m gebracht werden (Abbildungen auf S. 4). Dazu ist auf Seite 5 ausgeführt, dass die Geräte -und mithin auch die Versorgungsanschlüsse -je nach Bedarf optimal am OP-Tisch positioniert oder aber in eine hohe Parkposition hinaus aus dem Arbeitsbereich entfernt werden können. Das heißt, die bekannte Einrichtung ermöglicht es, die Versorgungsanschlüsse außer und in Greifhöhe zu bringen.

Außerhalb der Greifhöhe gelegenen und damit nicht leicht zugänglichen Versorgungsanschlüssen wohnt dabei inne, dass sie für Vandalismus oder Manipulationen, die zu Funktionsbeeinträchtigungen führen, wenig anfällig sind.

Diese Tatsache gibt dem Fachmann nach Auffassung des Senats die Anregung oder den Anstoß (BGH -Betrieb einer Sicherheitseinrichtung Xa ZR 92/05), die aus der Schweizerischen Bauzeitung a. a. O. bekannte und in Unterrichtsräumen (Labor der ETH Zürich) eingesetzte Einrichtung mit den Merkmalen a) bis f) durch die aus dem Prospekt der Dräger Medizintechnik GmbH a. a. O als bekannt nachgewiesene Maßnahme zu ertüchtigen. Bei diesem Vorgehen ergibt es sich dann zwangsläufig, die horizontale Achse dort zu belassen, wo die Säule bei der Einrichtung nach der Schweizerischen Bauzeitung a. a. O schon angelenkt ist, nämlich im Bereich der Kanäle.

Damit bedarf es für den Fachmann keines erfinderischen Schritts, um die Einrichtung nach der Schweizerischen Bauzeitung a. a. O. (Merkmale a bis f) derart auszugestalten, dass die Säulen um eine im Bereich der Kanäle befindliche horizontale Achse verschwenkbar angeordnet sind, um die Versorgungsanschlüsse in Greifhöhe zu bringen (Merkmal g).

5. Der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 oder 2 nach Hilfsantrag 1 beruht jeweils nicht auf einem erfinderischen Schritt.

5.1 Der Schutzanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 unterscheidet sich von dem des Hauptantrags dadurch, dass er zusätzlich das Merkmal

"h) wobei den Säulen Rastoder Arretiermittel zugeordnet sind, um sie sowohl in der horizontalen Stellung parallel unterhalb eines Kanals als auch in der vertikalen Stellung zu arretieren."

aufweist. Die Maßnahme, die Säule in verschiedenen Stellungen zu arretieren ist bereits aus dem Prospekt der Dräger Medizintechnik GmbH a. a. O (z. B. Deckblatt oder Abbildungen auf S. 4) zu entnehmen, sodass auch der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 keines erfinderischen Schrittes des Fachmanns bedarf.

5.2 Der Schutzanspruch 2 nach Hilfsantrag 1 umfasst gegenüber dem Schutzanspruch 1 nach Hauptantrag zusätzlich das Merkmal

"h1) wobei die Säulen zwischen einer horizontalen Stellung parallel unterhalb eines Kanals und einer vertikalen Stellung mit motorischen Schwenkantrieben verschwenkbar sind."

Auch eine elektromotorische Verstellung ist aus dem Prospekt der Dräger Medizintechnik GmbH a. a. O (S. 2 Abs. 1) bekannt. Damit beruht der Schutzanspruch 2 nach Hilfsantrag 1 ebenfalls auf keinem erfinderischen Schritt.

6. Auch der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 oder 2 nach Hilfsantrag 2, beruht jeweils nicht auf einem erfinderischen Schritt.

6.1 Der Schutzanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 ist gleich dem Schutzanspruch 1 nach Hilfsantrag 1; für ihn gilt das dort Gesagte.

6.2 Der Schutzanspruch 2 nach Hilfsantrag 2 unterscheidet sich vom Schutzanspruch 2 nach Hilfsantrag 1 dadurch, dass sich an ihn das Merkmal

"h2) wobei weiter die Schwenkantriebe von einer von den Arbeitsplätzen entfernten Stelle aus betätigbar sind."

anschließt. Eine Fernbedienung ist auch aus dem Prospekt der Dräger Medizintechnik GmbH a. a. O (S. 2 Abs. 1: Kabelfernbedienung) bekannt. Damit beruht der Gegenstand des Schutzanspruchs 2 nach Hilfsantrag 2 ebenfalls auf keinem erfinderischen Schritt.

7. Ebensowenig enthält der Gegenstand gemäß den Schutzansprüchen 1 und 2 nach Hilfsantrag 3 etwas Erfinderisches.

Die Schutzansprüche 1 und 2 nach Hilfsantrag 3 unterscheiden sich von den Schutzansprüchen 1 und 2 nach Hilfsantrag 2 dadurch, dass sie jeweils das Merkmal

"i) wobei die Versorgungsanschlüsse in einem Anschlusskasten zusammengefasst sind, der eine flache, im wesentlichen horizontale Gestalt aufweist und der auf einer Seite mit den in einer oder zwei übereinanderliegenden Reihen angeordneten Versorgungsanschlüssen versehen ist."

zusätzlich aufweisen. Genau dieses Merkmal ist auch aus dem Prospekt der Dräger Medizintechnik GmbH a. a. O (Deckblatt: Anschlusskasten überhalb des Geräteträgers weist flache, "im Wesentlichen" horizontale Gestalt auf, Versorgungsanschlüsse in zwei übereinanderliegenden Reihen sind deutlich erkennbar). Damit muss der Fachmann keinen erfinderischen Schritt zurücklegen, um auch zu den Gegenständen der Schutzansprüche 1 und 2 nach Hilfsantrag 3 zu gelangen.

8.

Der jeweilige Schutzanspruch 1 nach den Hilfsanträgen 1a, 1b, 2a, 2b, 3a, 3b wurde gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 3 bereits abgehandelt.

9.

Die sich an den jeweiligen Schutzanspruch 1 nach Hauptantrag und an die jeweiligen Schutzansprüche 1 und 2 nach den Hilfsanträgen 1 bis 3, sowie an den jeweiligen Schutzanspruch 1 nach den Hilfsanträgen 1a, 1b, 2a, 2b und 3a, 3b anschließenden Unteransprüche haben nach Wegfall des sie tragenden Schutzanspruchs keinen Bestand.

10.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen, weil es sich bei der Frage, inwieweit es für den Fachmann Anstöße, Hinweise oder Anregungen im Stand der Technik bedarf, um die dort beschriebenen Maßnahmen auf das ihm Bekannte anzuwenden, um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung handelt.

11.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 18 Abs. 2 Satz 2 GebrMG i. V. m. § 84 Abs. 2 Satz 1 und 2 PatG, § 91 Abs. 1 ZPO.

Zugleich für den in Urlaub befindlichen Vorsitzenden Richter Müllner Groß Müller Groß

Pr






BPatG:
Beschluss v. 09.06.2010
Az: 35 W (pat) 429/09


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