Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. Oktober 2000
Aktenzeichen: 17 W (pat) 21/99

(BPatG: Beschluss v. 12.10.2000, Az.: 17 W (pat) 21/99)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Anmeldung mit der Bezeichnung

"Keilriemenantrieb"

wurde am 29. Mai 1991 beim Deutschen Patentamt eingereicht.

Sie wurde von der Prüfungsstelle für Klasse G01L durch Beschluß vom 28. Dezember 1998 mit der Begründung zurückgewiesen, daß der beanspruchte Gegenstand nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.

Sie verfolgt ihre Anmeldung auf der Grundlage des am 20. Februar 1999 eingegangenen Anspruchs 1 weiter.

Dieser Anspruch lautet:

"Keilriemenantrieb mit einer Antriebsscheibe und einer Antriebsscheibe und einem endlos um beide Scheiben umlaufenden Keilriemen, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß auf das Leertrum des Antriebsriemens eine Spannrolle (11) einwirkt, die von einem Kraftgeber (12) mit einer Kraft beaufschlagt wird, und eine Drehmomentmessung, die die in Abhängigkeit der unterschiedlichen, durch unterschiedliche Eindringtiefen (T1, T2) des Keilriemens (3) in die Nut (1a, 2a) der An- und Abtriebsscheibe (1, 2) bei sich ändernden Belastungen der Antriebsscheibe (1) entstehenden Drehzahlen und des daraus resultierenden Übersetzungsverhältnisses ausnutzt, welches einem vorgegebenen, im unbelasteten Zustand oder bei einer bekannten Belastung des Keilriemenantriebs geeichten Drehmoment zugeordnet ist, wobei die Unterschiede beider Übersetzungsverhältnisse das Maß für das jeweilige Drehmoment ergeben."

Bezüglich des geltenden Anspruchs 2 und der sonstigen Unterlagen wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Zur Begründung ihrer Beschwerde trägt die Anmelderin vor, daß es als erfinderisch anzusehen sei, das Verhalten des Keilriemens, lastabhängig unterschiedliche Eindringtiefen in der Nut der jeweiligen Antriebsscheibe anzunehmen, als Meßgröße zu verwenden und hierauf aufbauend ein verläßliches Drehmomentsignal abzuleiten.

Die Anmelderin stellt den Antrag, mit folgenden Unterlagen ein Patent zu erteilen:

Anspruch 1, eingegangen am 20. Februar 1999, Anspruch 2, Beschreibung Seiten 1 bis 6, 2 Bl. Zeichnungen mit Fig. 1 bis 3, jeweils eingegangen am 29. Mai 1991.

Mit Schriftsatz vom 20. September 2000 hat die Anmelderin den hilfsweise gestellten Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurückgenommen und Entscheidung nach Lage der Akten beantragt. An der mündlichen Verhandlung hat sie nicht teilgenommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet, da der beanspruchte Gegenstand nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, §§ 1, 4 PatG.

Der Anspruch 1 bezieht sich nach seinem Oberbegriff auf einen Keilriemenantrieb mit einer Antriebsscheibe und einer Abtriebsscheibe und einem endlos um beide Scheiben umlaufenden Keilriemen.

Nach den Angaben in der Beschreibung wird die dem beanspruchten Gegenstand zugrundeliegende Aufgabe in der Schaffung eines Keilriemenantriebes gesehen, an dem durch einfache Mittel in optimaler Weise in Abhängigkeit von den zusammenwirkenden Riemenantriebsteilen, d.h. Antriebsscheibe, Abtriebsscheibe und Keilriemen, das bei unterschiedlicher Antriebsbelastung jeweilig vorhandene Drehmoment ermittelt und somit kontrolliert und reguliert werden kann.

Zur Lösung dieser Aufgabe ist nach der Lehre des Anspruchs 1 der gemäß Oberbegriff vorausgesetzte Keilriemenantrieb entsprechend den kennzeichnenden Merkmalen in der Weise ausgestattet (grammatikalisch notwendige Ergänzungen sind unterstrichen), a) daß auf das Leertrum des Antriebsriemens eine Spannrolle (11) einwirkt, die von einem Kraftgeber (12) mit einer Kraft beaufschlagt wird, b) und daß eine Drehmomentmessung vorgesehen ist, b1) die die in Abhängigkeit der unterschiedlichen, durch unterschiedliche Eindringtiefen (T1, T2) des Keilriemens in die Nut (1a, 2a) der An- und Abtriebsscheibe (1, 2) bei sich ändernden Belastungen der Antriebsscheibe (1) entstehenden Drehzahlen und des daraus resultierenden Übersetzungsverhältnisses ausnutzt, b2) welches einem vorgegebenen, im unbelasteten Zustand oder bei einer bekannten Belastung des Keilriemenantriebes geeichten Drehmoment zugeordnet ist, b3) wobei die Unterschiede beider Übersetzungsverhältnisse das Maß für das jeweilige Drehmoment ergeben.

Nach dieser beanspruchten Lehre ist bei einem Keilriemenantrieb mit Antriebs- und Abtriebsscheibe sowie einer Spannrolle, die von einem Kraftgeber mit einer Kraft beaufschlagt wird, eine Drehmomentermittlung durchzuführen. Hierbei werden zunächst die lastabhängig unterschiedlichen Drehzahlen der An- und Abtriebsscheibe gemessen und die daraus resultierenden Übersetzungsverhältnisse gebildet (Oberbegriff, Merkmale a, b, b1).

Die im Merkmal b1) enthaltenen Angaben zu den "unterschiedlichen Eindringtiefen des Keilriemens in die Nut" sieht der Fachmann - ein FH-Ingenieur des allgemeinen Maschinenbaus mit mehrjähriger Berufserfahrung in der Antriebstechnik - als eine Erläuterung dahingehend an, welche Effekte zur Änderung der Übersetzungsverhältnisse bei unterschiedlichen Belastungen beitragen.

Für den Antrieb sind in einer Eichphase für 2 Fälle, nämlich die Belastung Null und die Belastung mit bekanntem Drehmoment die zugehörigen Übersetzungsverhältnisse bestimmt worden (Merkmal b2).

Für den aktuellen Meßfall sollen dann nach Merkmal b3) die "Unterschiede beider Übersetzungsverhältnisse das Maß für das jeweilige Drehmoment ergeben". Dieser Passus wird vom Fachmann so interpretiert, daß mit dem aktuell gemessenen Meßwert für das Übersetzungsverhältnis durch Interpolation aus der nach b2) ermittelten Zuordnung Drehzahlverhältnis/Drehmoment das interessierende Drehmoment ermittelt wird.

Somit ist die im Anspruch 1 enthaltene technische Lehre für den angesprochenen Fachmann nachvollziehbar. Dem Fachmann ist auch klar, daß das zu messende Drehmoment primär in Abhängigkeit vom effektiven Durchmesser der Rolle, an der es gemessen wird, steht und darüber hinaus auch der Wirkungsgrad des Antriebs in das Meßergebnis eingeht.

Im Prüfungsverfahren wurden die Druckschriften 1) DE-OS 22 01 209 und 2) DE 32 04 783 C2 herangezogen.

Im vorliegenden Beschluß wird ergänzend Bezug genommen auf die Druckschriften 3) Lutz: Zur Theorie des Keilscheiben-Umschlingungsgetriebes. In:. "Konstruktion"., 1960, Heft 7, S. 265-268 (aus dem Rechercheverfahren) und 4) "Hütte: Des Ingenieurs Taschenbuch", 28. Aufl., 1954, Maschinenbau Teil A, S. 220-229.

Druckschrift 1 zeigt (vergl. Fig.1) einen Keilriemenantrieb mit Antriebsscheibe 12, Abtriebsscheibe 14 und Keilriemen 13, wobei letzterer mit Vorspannung beaufschlagt ist (S.5 maschinengeschrieben, 1. und 2. Abs.).

In dieser Druckschrift wird unter "Schlupf" die Abweichung des Übersetzungsverhältnisses von dem aus den Durchmessern der (Antriebs- und Abtriebs-)Rollen errechneten Wert verstanden (S.4, vorletzter Abs.).

Die Bestimmung dieses jeweiligen Übersetzungsverhältnisses bzw. Schlupfes erfolgt durch Messung der jeweiligen Drehzahlen der An- und Abtriebsrollen bei verschiedenen Belastungsfällen der getriebenen Welle, beispielsweise bei Leerlauf und bei hoher Drehzahl mit starker Belastung, oder dynamisch, d.h. während des Hochlaufens des Keilriemenantriebs mit Berücksichtigung der Schwungmomente der angetriebenen Aggregate, oder bei mittlerer oder hoher Drehzahl jeweils mit und ohne Belastung (S.5, le. Abs.).

Die Änderung der bei den verschiedenen Belastungsfällen auftretenden Übersetzungsverhältnisse, die durch Differenzbildung entsprechender Signale gewonnen wird (S.6, 2. Abs. bis S.7, 2. Abs.), ist gleichbedeutend mit einer Schlupfänderung (S.5, 2. Abs.). Es wird dann mit Hilfe eines Anzeigeinstrumentes überprüft, ob diese Schlupfänderung bzw. die Keilriemenspannung innerhalb vorgegebener Toleranzgrenzen liegt. Daneben kann die Keilriemenspannung auch direkt angegeben werden (S.5, 2. Abs.; S.7, 1. Abs.).

Demnach wird bei der Auswertung der ermittelten Differenzen eine relative Messung durchgeführt, da das dargestellte Ergebnis nur vom Abstand der gemessenen Werte für das jeweilige Übersetzungsverhältnis bzw. den jeweiligen Schlupf abhängt. Wird hingegen die Keilriemenspannung am Anzeigeinstrument direkt angegeben, so muß der Zusammenhang zwischen dem jeweiligen Schlupf und der Keilriemenspannung durch einen vorherigen Eichvorgang ermittelt worden sein.

Der aus Druckschrift 1 bekannte Keilriemenantrieb zeigt mit jenem nach Anspruch 1 somit folgende Übereinstimmungen:

- der Keilriemen weist eine Vorspannung auf;

- es werden zwei - nämlich im unbelasteten Zustand und bei vorgebbarer Belastung des Keilriemenantriebs - unterschiedliche Werte der Übersetzungsverhältnisse bzw. des Schlupfes gemessen;

- aus diesen Werten wird eine Kenngröße des Antriebes, nämlich die jeweils zugehörige Keilriemenspannung, als direkter Wert mit Hilfe einer entsprechend geeichten Anzeigevorrichtung ermittelt.

Die Unterschiede zwischen dem bekannten und dem beanspruchten Keilriemenantrieb bestehen darin, daß bei letzterem - die Vorspannungserzeugung für den Keilriemen gemäß Merkmal a) konkret angegeben ist, ferner - anstelle der Riemenvorspannung das Drehmoment gemessen wird und außerdem - der zur Meßwertermittlung erforderliche Zusammenhang zwischen gemessenem Übersetzungsverhältnis und zugehörigem Drehmoment aus einer Kennlinie ermittelt wird, die durch einen Eichvorgang mit zwei Übersetzungsverhältnis/Drehmoment-Wertepaaren ermittelt wurde.

Diese Unterschiede geben dem Gegenstand des Anspruchs 1 jedoch keine erfinderische Qualität.

Die Vorspannungserzeugung gemäß Merkmal a) mit Spannrolle und Kraftgeber ist dem Fachmann geläufig, vergl. Druckschrift 4, S. 223, Bild 6.

Es gehört außerdem zum üblichen fachmännischen Wissen, daß neben der nach Druckschrift 1 ermittelten Riemenspannung auch das übertragene Drehmoment zu den Kenngrößen eines Keilriemenantriebs gehört, vergl. hierzu Druckschrift 2, Sp.1, Z.59 bis Sp.2, Z.2 und Sp.3, Z.44-46 sowie Druckschrift 3, S. 265 re. Sp, Anmerkg. 2. Welche dieser Größen zu ermitteln ist, entscheidet der Fachmann nach dem jeweiligen Bedarf ohne erfinderisches Handeln.

Auch die nach Merkmal b2) vorgenommene Eichung anhand zweier Wertepaare mit jeweils bekanntem Übersetzungsverhältnis und Drehmoment bedarf keiner erfinderischen Tätigkeit. Es ist dem Fachmann nämlich geläufig, daß die Genauigkeit, mit der nach Merkmal b3) das "jeweilige Drehmoment" bestimmt werden kann, von der Feinstufigkeit, d.h. der Anzahl der Wertepaare abhängt, mit denen die Eichung vorgenommen wurde. Demzufolge wird der Fachmann jene Zahl der Wertepaare ermitteln, die für die gegebenen Genauigkeitsanforderungen ausreichen. Erfinderisches Handeln ist hierfür ebenfalls nicht notwendig.

Um zum Gegenstand des Anspruchs 1 zu kommen, war somit für den Fachmann aus den genannten Gründen keine erfinderische Tätigkeit erforderlich.

Die von der Anmelderin vorgebrachten Argumente rechtfertigen keine andere Beurteilung.

Beim beanspruchten Gegenstand findet entgegen der Ansicht der Anmelderin keine direkte Drehmomentmessung, sondern eine Drehmomentermittlung unter Zugrundelegung gemessener Drehzahlverhältnisse bei unterschiedlichen Belastungsfällen des Antriebs statt. Diese Drehzahlverhältnisse werden auch nach der Lehre der Druckschrift 1 gemessen; sie sind dort als "Schlupf" bezeichnet und dienen zur Bestimmung der Keilriemenspannung.

In der Druckschrift 1 wird zwar bei der Aufzeigung der Ursachen des Schlupfes lediglich auf die Dehnung des Keilriemens eingegangen. Der Begriff "Schlupf" hingegen wird - wie in der vorliegenden Anmeldung - als Drehzahlverhältnis von Antriebs- und Abtriebsscheibe bei jeweils gegebener Belastung definiert. In diesen Drehzahlverhältnissen ist - je nach Belastung - Dehnschlupf, Gleitschlupf und das Eindringen des Keilriemens in die Nut enthalten. Der letztgenannte Effekt ist dem Fachmann im übrigen beispielsweise aus Druckschrift 3 (S.265, li. Sp., 1. u. 2. Abs.) bekannt.

Da auch der zum Gegenstand der Druckschrift 1 gehörende Keilriemen unter Vorspannung steht, ist bereits beim dortigen Keilriemenantrieb ein Schlupfverhalten wie beim Anspruchsgegenstand realisiert.

Die Anwendung der Lehre von Druckschrift 1 führt, wie bereits dargestellt, zur Bestimmung der Kenngröße "Keilriemenspannung". Nach Ansicht der Anmelderin werde der Fachmann durch die Ausführungen in Druckschrift 1 über die Ursachen des Schlupfes davon abgehalten, das Drehmoment zu ermitteln. Dem kann nicht zugestimmt werden, da der Keilriemenantrieb nach Druckschrift 1 natürlich auch ein - im Bedarfsfall zu ermittelndes - Drehmoment überträgt.

Da der Gegenstand des Anspruchs 1 aus den angegebenen Gründen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, ist dieser Anspruch nicht gewährbar.

Über einen Antrag kann nur einheitlich entschieden werden; demzufolge ist auch der rückbezogene Anspruch 2 nicht gewährbar.

Die Beschwerde war somit zurückzuweisen.

Die Anmelderin hat zwar den hilfsweisen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurückgenommen, doch hat der Senat die mündliche Verhandlung für sachdienlich erachtet (§ 78 Nr. 3 PatG). Der Senat ist befugt gewesen, auch unter Einbeziehung der erstmals im Verfahren herangezogenen Druckschriften 3 und 4 zu entscheiden, da die Anmelderin zur mündlichen Verhandlung ordnungsgemäß geladen war (Schulte, PatG, 5. Aufl., vor § 35, Rdn. 74 m. w. N.).

Grimm Prasch Püschel Schuster Fa






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Az: 17 W (pat) 21/99


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