Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. Mai 2004
Aktenzeichen: 5 W (pat) 440/03
(BPatG: Beschluss v. 19.05.2004, Az.: 5 W (pat) 440/03)
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts - Gebrauchsmusterabteilung II - vom 27. Februar 2003 aufgehoben.
Der Löschungsantrag und die Beschwerde der Antragstellerin werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge trägt die Antragstellerin.
Gründe
I.
Die Antragsgegnerin ist Inhaberin des Gebrauchsmusters 298 23 799 mit der Bezeichnung "Zahnbürste". Es ist am 25. August 1999 beim Deutschen Patent- und Markenamt als Trennanmeldung zur Stamm-Gebrauchsmusteranmeldung 298 23 590.0 eingereicht worden. Die Stammanmeldung beansprucht durch Abzweigung aus der internationalen Patentanmeldung PCT/US 98/23780 deren Anmeldetag 6. November 1998. Vermittelt durch die Teilungserklärung beansprucht das vorliegende Gebrauchsmuster neben dem gleichen Anmeldetag wie die Stammanmeldung auch die dort beanspruchten US-amerikanischen Prioritäten vom 12. November 1997 (US 08/968,293) und 23. Oktober 1998 (US 09/177,991). Am 24. August 2000 ist es mit 17 Schutzansprüchen in das Gebrauchsmusterregister eingetragen worden. Die Schutzdauer des Gebrauchsmusters ist verlängert worden.
Die eingetragenen Schutzansprüche 1 bis 17 haben folgenden Wortlaut:
1. Zahnbürste (10) mit einem Kopf (14), der ein vorderes freies Ende und einen rückwärtigen Abschnitt, an den ein Handgriff (12) anschließt, besitzt, mit in Längsreihen (42, 44) an dem rückwirkenden Abschnitt des Kopfs (14) angeordneten Borstenbüscheln (32, 34, 36, 38) unterschiedlicher Länge, wobei Borstenbüschel (32, 34, 36, 38) einer Längsreihe (42, 44) in einer ersten Richtung (D) zum freien Ende des Kopfes (14) und Borstenbüschel (32, 34, 36, 38) einer anderen Längsreihe (42, 44) in einer zur ersten Richtung (D) entgegengesetzten zweiten Richtung geneigt angeordnet sind und einen spitzen Winkel mit der Oberfläche (30) des Kopfes (14) einschließen, dadurch gekennzeichnet, daß am vorderen freien Ende des Kopfes (14) ein weiteres Borstenbüschel (28) angeordnet ist, welches in der ersten Richtung (D) geneigt ist und ein erste größere Länge besitzt, und daß an dem rückwärtigen Abschnitt des Kopfes (14) angeordnete Borstenbüschel (32, 34, 36, 38) entweder die erste, größere Länge oder eine zweite, geringere Länge besitzen, in einer Längsreihe (42, 44) Borstenbüschel (32, 34, 36, 38) der ersten und zweiten Länge vorhanden sind und benachbarte Borstenbüschel (32, 34, 36, 38) einer Längsreihe (42, 44) abwechselnd die erste und zweite Länge aufweisen.
2. Zahnbürste nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß sämtliche Borstenbüschel (32, 34, 36, 38) einer Längsreihe (42, 44) abwechselnd die erste und zweite Länge aufweisen.
3. Zahnbürste nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß sämtliche Borstenbüschel (32, 34, 36, 38) jeder Längsreihe (42, 44) abwechselnd die erste und zweite Länge aufweisen.
4. Zahnbürste nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß Borstenbüschel (32, 34, 36, 38) der Längsreihen (42, 44) mit der Oberfläche (30) des Kopfes (14) einen Winkel von weniger als etwa 81 Grad einschließen.
5. Zahnbürste nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß das weitere Borstenbüschel (28) am vorderen freien Ende des Kopfes (14) mit der Oberfläche (30) des Kopfes (14) einen Winkel von etwa 81 Grad einschließt.
6. Zahnbürste nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß Borstenbüschel (32, 34) der äußeren Längsreihen (42) in der ersten Richtung (D) und Borstenbüschel (36, 38) einer inneren Längsreihe (44) in der zweiten Richtung geneigt sind.
7. Zahnbürste nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß wenigstens einige Borstenbüschel (28, 32, 34, 36, 38) unterschiedliche Farbe aufweisen.
8. Zahnbürste nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß wenigstens einige Borstenbüschel (28, 32, 34, 36, 38) unterschiedliche Querschnittsflächen aufweisen.
9. Zahnbürste nach einem der vorgehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß wenigstens einige Borstenbüschel (28, 32, 34, 36, 39) unterschiedliche Querschnittsform aufweisen.
10. Zahnbürste nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß wenigstens einige Borstenbüschel (28, 32, 34, 36, 38) aus unterschiedlichem Material bestehen.
11. Zahnbürste nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß die Querschnittsfläche des weiteren Borstenbüschels (28) mindestens viermal größer ist als die Querschnittsfläche irgendeines anderen am Kopf (14) befestigten Borstenbüschels (32, 34, 36, 38).
12. Zahnbürste nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß kein anderes Borstenbüschel (32, 34, 36, 38) an dem Kopf (14) an einem Ort befestigt ist, der von dem Handgriff (12) weiter entfernt ist als der Ort, an dem das weitere Borstenbüschel (28) an dem Kopf (14) befestigt ist.
13. Zahnbürste nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß sich die erste größere Länge und die zweite, geringere Länge um etwa 2,286 mm (0,090 inches) unterscheiden.
14. Zahnbürste nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß die erste größere Länge etwa 11,18 mm (0,440 inches) oder die zweite, geringere Länge 8,89 mm (0,350 inches) beträgt.
15. Zahnbürste nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß der Querschnitt der an dem rückwärtigen Abschnitt des Kopfes (14) angeordneten Borstenbüschel (32, 34, 36, 38) eine Querschnittsfläche von 3,02 mm2 (0,0045 square inches) oder 1,74 mm2 (0,0027 square inches) oder 2,58 mm2 (0,0040 square inches) oder 5,42 mm2 (0,084 square inches) und der Querschnitt des weiteren Borstenbüschels (28) etwa 24,06 mm2 (0,0373 square inches) beträgt.
16. Zahnbürste nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß jedes Borstenbüschel (28, 32, 34, 36, 38) aus einer großen Anzahl von Borsten besteht, wobei die Borsten abgerundete Enden besitzen.
17. Zahnbürste nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß die am Kopf (14) befestigten Borsten aus PBT, aus 6.12-Nylon oder aus einem Nylon-Indicator (Trade Mark)-Material, jeweils mit oder ohne Schleifmittel, wie z.B. Kaolin-Ton, hergestellt sind.
Der Lehre der angefochtenen Schutzansprüche liegt die Aufgabe zugrunde, eine Zahnbürste mit den im Oberbegriff des Schutzanspruchs 1 genannten Merkmalen hinsichtlich einer verbesserten Reinigungswirkung weiterzubilden (vgl Beschreibung Seite 1c).
Die Antragstellerin hat am 14. Juni 2002 die Löschung des Gebrauchsmusters beantragt und sich auf die Löschungsgründe des § 15 Abs. 1 Nr. 1 und 3 GebrMG gestützt.
Sie verweist dabei u.a. auf folgende Druckschriften:
(A4) DE 44 09 395 C2;
(A5) US 3,085,273;
(A7) FR 2 624 360 A1.
Zur Begründung hat die Antragstellerin geltend gemacht, dass das Gebrauchsmuster gegenüber dem Inhalt des Gebrauchsmusters DE 298 23 590 bzw. der dieser zugrundeliegenden PCT Anmeldung PCT/US 98/23780, aus dem es abgetrennt wurde, unzulässig erweitert sei. Das Borstenbüschel 28, welches sich am vorderen freien Ende des Kopfes 14 befinde, sei in der PCT-Schrift stets mit dem einschränkenden Merkmal beschrieben, dass es in einem Winkel von ungefähr 81 Grad oder weniger angeordnet sei, bezogen auf die Kopf-Oberfläche (bzw. eine imaginäre Linie parallel dazu), vgl. Seite 2, Zeilen 6 bis 9, der PCT-Schrift und auch Anspruch 1, Zeilen 7 bis 10. Aus diesen Passagen ergebe sich eindeutig, dass immer, wenn von dem "dritten Büschel", welches distal zum Handgriff der Zahnbürste angeordnet ist, im Zusammenhang mit einer Abwinklung die Rede ist, diese Abwinklung als zwischen 69 bis 81 Grad liegend beschrieben werde. Weil eine Abwinklung des dritten Büschels ohne Angabe des Winkelbereichs in der PCT-Schrift nicht genannt sei, sei der gemäß Anspruch 1 des Gebrauchsmusters in der eingetragenen Fassung unter Schutz gestellte Gegenstand gegenüber dem Inhalt der Gebrauchsmusteranmeldung DE 298 23 590 bzw. der PCT-Schrift unzulässig erweitert.
Außerdem sei der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 nicht schutzfähig, weil, ausgehend von der Zahnbürste nach dem Gegenstand von A4, dem Fachmann durch die von den Druckschriften A5 und A7 vermittelte Lehre der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 nahegelegt werde und damit der beanspruchte Gegenstand keinen erfinderischen Schritt aufweise.
Die Antragsgegnerin hat dem Löschungsantrag widersprochen. Sie hat das Gebrauchsmuster mit den eingetragenen Schutzansprüchen verteidigt (Hauptantrag), hilfsweise mit Ansprüchen 1 bis 17 mit geändertem Anspruch 1 (Hilfsantrag 1) und weiter hilfsweise mit Ansprüchen 1 bis 17 mit weiter geändertem Anspruch 1 (Hilfsantrag 2).
Die Gebrauchsmusterabteilung II des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 27. Februar 2003 das Gebrauchsmuster teilweise gelöscht, nämlich insoweit, als das Schutzrecht über die von der Antragsgegnerin am 27. Februar 2003 überreichten Schutzansprüche 1 bis 17 gemäß Hilfsantrag 2 hinausgeht.
Dagegen richten sich die Beschwerden der Antragstellerin und der Antragsgegnerin.
Die Antragstellerin verweist auf ihr Vorbringen vor der Gebrauchsmusterabteilung und führt es näher aus.
Die Antragsgegnerin verteidigt das Gebrauchsmuster im eingetragenen Umfang (Hauptantrag) und im Rahmen dreier Hilfsanträge 1, 1a und 2.
Die Antragstellerin beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Gebrauchsmuster zu löschen.
Die Antragsgegnerin beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und den Löschungsantrag zurückzuweisen, hilfsweise ihn im Umfang der Schutzansprüche gemäß den Hilfsanträgen 1 vom 27. Februar 2003 und 1a vom 5. April 2004 zurückzuweisen, und die Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen.
Der Gegenstand des Gebrauchsmusters sei nicht unzulässig erweitert, da sich die Angabe bezüglich des Winkels von "etwa 81 Grad" nur auf ein Ausführungsbeispiel bezöge, was durch die Angabe "vorzugsweise" (preferably) auf Seite 5, in Zeile 20 der PCT-Anmeldung zum Ausdruck komme. Im Übrigen habe der genannte Stand der Technik nicht ohne erfinderischen Schritt zum Schutzgegenstand führen können, da er dem Fachmann nicht zu sämtlichen Merkmalen des Anspruchs 1 Anregungen habe geben können.
II.
Die Beschwerden der Verfahrensbeteiligten sind zulässig. Dagegen ist nur die Beschwerde der Antragsgegnerin begründet.
Die Beschwerde der Antragstellerin ist nicht begründet. Denn der Löschungsantrag ist nicht begründet. Der geltend gemachte Löschungsanspruch aus § 15 Abs. 1 Nr. 1 und 3 GebrMG ist nicht gegeben.
1. Der nach Merkmalen gegliederte Schutzanspruch 1 ist wie folgt zu lesen:
A) Zahnbürste (10) mit einem Kopf (14), der ein vorderes freies Ende und einen rückwärtigen Abschnitt, an den ein Handgriff (12) anschließt, besitzt, B) mit in Längsreihen (42, 44) an dem rückwärtigen Abschnitt des Kopfs (14) angeordneten Borstenbüscheln (32, 34, 36, 38) unterschiedlicher Länge, C) wobei Borstenbüschel (32, 34, 36, 38) einer Längsreihe (42, 44) in einer ersten Richtung (D) zum freien Ende des Kopfes (14)
D) und Borstenbüschel (32, 34, 36, 38) einer anderen Längsreihe (42, 44) in einer zur ersten Richtung (D) entgegengesetzten zweiten Richtung geneigt angeordnet sind E) und einen spitzen Winkel mit der Oberfläche (30) des Kopfes (14) einschließen, dadurch gekennzeichnet, F) dass am vorderen freien Ende des Kopfes (14) ein weiteres Borstenbüschel (28) angeordnet ist, F1) welches in der ersten Richtung (D) geneigt ist, F2) eine erste größere Länge besitzt, G) und dass an dem rückwärtigen Abschnitt des Kopfes (14) angeordnete Borstenbüschel (32, 34, 36, 38) entweder die erste, größere Länge oder eine zweite, geringere Länge besitzen, H) in einer Längsreihe (42, 44) Borstenbüschel (32, 34, 36, 38) der ersten und zweiten Länge vorhanden sind und benachbarte Borstenbüschel (32, 34, 36, 38) einer Längsreihe (42, 44) abwechselnd die erste und zweite Länge aufweisen.
Als zuständiger Fachmann für seine technische Bewertung ist der mit der Herstellung von Zahnbürsten befasste Techniker anzusehen.
2. Der Löschungsgrund des § 15 Abs. 1 Nr. 3 GebrMG liegt nicht vor. Denn der verteidigte Schutzanspruch 1 ist, entgegen der Ansicht der Antragstellerin, nicht unzulässig erweitert. Der Offenbarungsgehalt des Schutzanspruchs bei der Eintragung geht nicht über den der Anmeldungsunterlagen hinaus.
Die geltend gemachte unzulässige Erweiterung bezieht sich auf das Merkmal F1) des Schutzanspruchs 1, wonach das am vorderen freien Ende des Kopfes angeordnete weitere Borstenbüschel "in einer ersten Richtung geneigt ist".
Ausgangspunkt für die Prüfung der unzulässigen Erweiterung bilden die Anmeldungsunterlagen. Die eingetragene Fassung entspricht der angemeldeten Anspruchsfassung. Die angemeldete Fassung entfernt sich aber ihrerseits auch nicht - was wegen des übergreifenden Verbots unzulässiger Erweiterung zu berücksichtigen wäre - in unzulässiger Weise vom Inhalt der Stammanmeldung 298 23 590.0 und der dieser zugrundeliegenden Patentanmeldung PCT/US 98/23780, deren Anmeldetag das Streitgebrauchsmuster vermittelt durch Teilung und Abzweigung erhalten hat. Die Antragsgegnerin ist bei der Fassung ihrer Schutzansprüche nicht daran gehindert, auf den gesamten Gehalt des erfinderisch Offenbarten in der internationalen Patentanmeldung zurückzugreifen (vgl. BGH GRUR 2000, 688, 689 - Graustufenbild; BGH GRUR 1992, 38 - Straßenkehrmaschine).
Das strittige Merkmal ist in der genannten PCT-Schrift auf Seite 5, Zeilen 18/19 als erfindungswesentlich offenbart. Dort heißt es: "Wie am besten in den Figuren 2, 4 und 5 und 7 zu sehen ist, sind alle der auf dem Kopf 14 befindlichen Büschel entweder zur Richtung D hin oder zu der Richtung hin, die der Richtung D entgegengesetzt ist, abgewinkelt..." Abgewinkelt ist dabei gleichbedeutend mit geneigt zu verstehen. Dass im folgenden Halbsatz, beginnend mit Zeile 20 dann noch weitere Winkelangaben gemacht sind, ist nicht entscheidend. Denn hier handelt es sich ausdrücklich um "vorzugsweise" (preferably) genannte Werte für den Winkel, und zwar Werte vorzugsweise (preferably) weniger als ungefähr 81 Grad, noch bevorzugter (more preferably) zwischen ungefähr 69 Grad bis ungefähr 81 Grad und am meisten bevorzugt (most preferably) ungefähr 75 Grad. Außerdem ist in der genannten Zitatstelle ausgeführt, dass "alle" Büschel auf dem Kopf 14 geneigt sein sollen, also auch das vorderste Büschel auf dem Kopf.
Gemäß dieser Zitatstelle der Beschreibung sind für den Fachmann vier verschiedene Aussagen für die Ausbildung des in Rede stehenden Winkels getroffen:
A. die allgemeine Ausbildung: alle Büschel auf dem Kopf 14 sind entweder in Richtung D oder entgegengesetzt dazu geneigt B. die vorzugsweise Ausbildung: alle Büschel auf dem Kopf 14 sind entweder in Richtung D oder entgegengesetzt dazu weniger als ungefähr 81 Grad geneigt C. die mehr bevorzugte Ausbildung: alle Büschel auf dem Kopf 14 sind entweder in Richtung D oder entgegengesetzt dazu geneigt mit einem Winkel zwischen ungefähr 69 bis ungefähr 81 Grad D. die am meisten bevorzugte Ausbildung: alle Büschel auf dem Kopf 14 sind entweder in Richtung D oder entgegengesetzt dazu geneigt mit einem Winkel von ungefähr 75 Grad.
Wenn die Antragstellerin hierzu einwendet, der Fachmann wisse aus dem Stand der Technik, dass für die in Rede stehenden Neigungen nur Winkel bis 81 Grad in Frage kämen, weil andere Winkel den vorgesehenen Zweck nicht erfüllten, so dass schon aus diesem Grund der Fachmann aus der genannten Offenbarungsstelle nur Winkel bis 81 Grad entnehme, so kann dem nicht gefolgt werden. Es kommt in Fragen des Offenbarungsgehalts wie im vorliegenden Fall nicht darauf an, was anderen Veröffentlichungen zu entnehmen ist, sondern einzig und allein darauf, was die Anmeldungsunterlagen offenbaren. Offenbart ist hier, wie ausgeführt, die in Schutzanspruch 1 dargelegte und zulässige Aussage über den genannten Winkel.
Zu einer anderen Beurteilung der Sachlage führen auch nicht die Angaben auf Seite 2, in Zeilen 6 bis 9 und im Anspruch 1, insbes. in Zeile 8, der PCT-Schrift, wonach der in Rede stehende Winkel ungefähr 81 Grad oder weniger beträgt. Denn dieses Merkmal bezieht sich eben auf die in der Beschreibung Seite 5 unter anderem genannte "vorzugsweise" (preferably) genannte Ausgestaltung. Diese Ausgestaltung des beanspruchten Gegenstandes ist auf Seite 2, im ersten Absatz (insbesondere in Zeile 6/7) der Beschreibung lediglich wiederholt. Denn dieser 1. Absatz gibt, wie in Patentanmeldungen oder Gebrauchsmusteranmeldungen üblich, den Anspruch 1 oder Teile davon - in Einzelsätzen unterteilt - noch einmal wieder.
3. Es lässt sich nicht feststellen, dass der mit Schutzanspruch 1 verteidigte Gegenstand nicht schutzfähig (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 GebrMG) wäre.
Der Gegenstand nach Schutzanspruch 1 ist gegenüber dem nachgewiesenen Stand der Technik unstrittig neu (§ 3 GebrMG). Keine der Entgegenhaltungen zeigt alle Merkmale des Anspruchsgegenstands, wie im Einzelnen aus den nachfolgenden Ausführungen zum erfinderischen Schritt folgt.
Die Antragstellerin hat es nicht vermocht zu belegen, dass der Gegenstand des Streitgebrauchsmusters nicht auf einem erfinderischen Schritt beruht (§ 1 GebrMG).
Aus der Druckschrift A4 ist eine Zahnbürste bekannt mit einem Kopf (2 in der Figur), der ein vorderes freies Ende und einen rückwärtigen Abschnitt, an den ein Handgriff (bei 4) anschließt, besitzt (Merkmal A)). Diese Bürste weist an dem rückwärtigen Abschnitt des Kopfs angeordnete Borstenbüschel unterschiedlicher Länge auf (Büschel 26, 28; Merkmal B)). Am vorderen freien Ende ist ein weiteres Borstenbüschel (18) (bestehend aus den Einzelbüscheln 22 und 24) angeordnet (Merkmal F)), welches eine erste größere Länge besitzt (Figur 1, Position 18, Beschr., Sp. 8, Z. 40 bis 43; Merkmal F2)). Ferner sind an dem rückwärtigen Abschnitt des Kopfes angeordnete Borstenbüschel vorgesehen, die die erste größere Länge besitzen (Figur 1, 2, Position 26, Beschr., Sp. 8, Z. 47 bis 49; damit ist Merkmal G) erfüllt, weil das Büschel danach entweder die größere oder die kleinere Länge besitzen kann und nach A4 eine dieser beiden Längen, nämlich die größere aufweist). Außerdem sind in einer Längsreihe Borstenbüschel der ersten und zweiten Länge vorhanden und haben benachbarte Borstenbüschel einer Längsreihe abwechselnd die erste und zweite Länge (Figur 1, 2, die einzelnen Borstenreihen mit den Büscheln 26, 28 mit jeweils unterschiedlicher Länge; Merkmal H)).
Somit unterscheidet sich der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 vom Stand der Technik nach A4 dadurch, dass hier keine Neigung der Borstenbüschel, wie sie in den Merkmalen C), D), E) und F1) gegeben ist, vorgesehen ist. Anregungen für solche Neigungen erfährt der Fachmann aus dieser Druckschrift nicht, zumal in Spalte 2, Zeilen 46 bis 68 sogar in allgemeiner Form auf die grundsätzliche Problematik von geneigten Borstenbüscheln hingewiesen ist, die den Fachmann im Hinblick auf das Vorsehen solcher Neigungen zu gewisser Skepsis veranlassen.
Die Druckschrift A5 beschreibt eine zweireihig mit Borsten versehene Zahnbürste, bei der die beiden Borstenreihen jeweils gegeneinander geneigt sind. Es ist hier weder ein weiteres Borstenbüschel am vorderen Kopfende angeordnet (Merkmal F)), noch sind Borstenbüschel mit abwechselnd unterschiedlichen Längen vorgesehen (hier sind sämtliche Büschel gleich lang), so dass neben den Merkmalen C), D), E), und F1) auch die Merkmale B), F2), G) und H) nicht verwirklicht sind.
Dem Fachmann wird durch diese Druckschrift A5 zwar ein Hinweis vermittelt, Borsten- bzw. Borstenreihen geneigt auf dem Kopf einer Zahnbürste anzuordnen. Er erhält aber keine Anregungen darüber, wie er zum Beispiel, ausgehend vom Gegenstand von A4, mit dem vorderen Büschel verfahren soll und ob er bei abwechselnd mit unterschiedlichen Längen versehenen Borstenreihen, wie sie gemäß dem Gegenstand von A4 vorgesehen sind, diesen Unterschied beibehalten soll oder nicht.
Die Zahnbürste nach Druckschrift A7 weist ein weiteres Borstenbüschel (vgl. Position 5) auf, das in einer ersten Richtung geneigt ist, die der Neigung der Borstenbüschel einer mittleren Borstenreihe entspricht. Es sind jedoch die Borstenbüschel der anderen Längsreihen nicht geneigt angeordnet, und die Borstenbüschel besitzen auch keine unterschiedlichen Längen. Anregungen, die Neigungen sämtlicher Borstenbüschelreihen und die Längen der Büschel unterschiedlich zu gestalten, finden sich in A7 nicht.
Die restlichen im Laufe des Löschungsverfahrens noch eingeführten Druckschriften A6 und A8 bis A23 gehen in den hier relevanten Merkmalen nicht über den Umfang der vorstehend genannten Druckschriften A4, 5 und 7 hinaus. Sie sind in der mündlichen Verhandlung von den Parteien auch nicht mehr aufgegriffen worden.
Die Zahnbürsten nach dem Stand der Technik weisen jeweils nur Teilmerkmale des Anspruchs 1 des Streitgebrauchsmusters auf. Nirgends finden sich jedoch Hinweise, diese Teilmerkmale oder einige davon gerade so, wie beim Gegenstand der Streitgebrauchsmusters gemäß Schutzanspruch 1 spezifiziert, zusammenzuführen, also die Kombination eines geneigten und verlängerten vorderen Büschels mit hinteren, in der Länge abwechselnd abgestuften und je nach Reihe entweder nach vorne oder nach hinten geneigten Büscheln vorzusehen - eine Kombination, die die angestrebte verbesserte Reinigungswirkung als plausibel erreichbar erscheinen lässt. Denn wie von der Antragsgegnerin überzeugend dargelegt, kann mit dem Gegenstand des Schutzanspruchs 1 eine zugleich gute Reinigung der Zahninnen- und Zahnaußenflächen durch die entgegengesetzt geneigten Borstenbüschel in benachbarten Reihen, eine gute Reinigung der Zahnzwischenräume durch die Abstufung der Borstenbüschellänge und eine gute Reinigung des hinteren Zahnbereichs durch das geneigte und die größere Länge aufweisende vordere Borstenbüschel erreicht werden.
Im Stand der Technik sind keine Anregungen ersichtlich und von der Antragstellerin auch nicht belegt worden, die zwingend zu der Erreichung des vorgenannten Ziels führen. Zu einer anderen Sichtweise könnte der Fachmann nur mit in Kenntnis des Gegenstands des Streitgebrauchsmusters vorgenommener, also rückschauender und deshalb unzulässiger Betrachtung kommen.
4. Die Unteransprüche haben ebenfalls Bestand, da sie vorteilhafte Ausgestaltungen des Gegenstands des Schutzanspruchs 1 betreffen.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 18 Abs. 2 Satz 2 GebrMG iVm § 84 Abs. 2 Satz 1 und 2 PatG § 91 Abs. 1, § 97 ZPO. Dass die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert ist nicht ersichtlich.
Goebel Klosterhuber Dr. Maksymiw Pr/Pü
BPatG:
Beschluss v. 19.05.2004
Az: 5 W (pat) 440/03
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