Landgericht Essen:
Urteil vom 26. Januar 2007
Aktenzeichen: 45 O 47/06

(LG Essen: Urteil v. 26.01.2007, Az.: 45 O 47/06)

Aktienrecht, Anfechtung von Beschlüssen einer Hauptversammlung einer AG, Wandel- und Optionsschuldverschreibungen, bedingte Kapitalerhöhung

Tenor

hat die 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Essen

auf die mündliche Verhandlung vom 26. Januar 2007

durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht M.,

den Handelsrichter E. und

den Handelsrichter Dr. F.

für R e c h t erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Die Nebenintervenienten tragen ihre Auslagen

selbst.

Das Urteil ist für die Beklagte gegen eine Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Mit der Anfechtungsklage begehren die Klägerin und die Nebenintervenienten die Überprüfung des in der Hauptverhandlung der Beklagten vom 08.05.2006 mit 99,80% Aktionärsstimmen gefassten Beschluss zum TOP 8ac. In dieser Hauptversammlung wurden zum TOP 8 folgende Beschlüsse gefasst:

a) Ermächtigung zur Ausgabe von Wandel- und Optionsschuldverschreibungen

Der Vorstand wird ermächtigt, mit Zustimmung des Aufsichtsrats bis zum 07. Mai 2011 einmalig oder mehrmals auf den Inhaber oder auf den Namen lautende Wandel- und/oder Optionsschuldverschreibungen im Gesamtnennbetrag von bis zu Euro 6.000.000,00 mit ein Laufzeit von längstens 20 Jahren zu begeben und den Inhabern oder Gläubigern von Wandelschuldverschreibungen Wandlungsrechte bzw. den Inhabern oder Gläubigern von Optionsschuldverschreibungen Optionsrechte auf neue Aktien der Gesellschaft mit anteiligen Betrag am Grundkapital von bis zu Euro 500.000,00 nach näherer Maßgabe der Wandel- oder Optionsanleihebedingungen zu gewähren.

Die Wandel- und Optionsschuldverschreibungen (Teilschuldverschreibungen) können auch durch unmittelbare oder mittelbare Tochtergesellschaften der ..... Aktiengesellschaft begeben werden; in diesem Fall wird der Vorstand ermächtigt, mit Zustimmung des Aufsichtsrats für die Gesellschaft die Garantie für die Wandel-/Optionsschuldverschreibungen zu übernehmen und den Inhabern solcher Wandel-/OptionsschuldverschIeibungen Wandlungs-/Optionsrechte auf neue Aktien der Aktiengesellschaft zu gewähren.

Die Wandel- oder Optionsschuldverschreibungen sollen von einer Bank oder einem Bankenkonsortiun mit der Verpflichtung übernommen werden, sie den Aktionären zum Bezug anzubieten. Der Vorstand ist jedoch mit Zustimmung des Aufsichtsrats ermächtigt, das Bezugsrecht der Aktionäre auszuschließen, sofern der Vorstand nach pflichtgemäßer Prüfung zu der Auffassung gelangt. dass der Ausgabepreis der Teilschuldverschreibungen den nach anerkannten finanzmathematischen Methoden ermittelten theoretischen Marktwert der Teilschuldverschreibungen nicht wesentlich unterschreitet. Dies gilt jedoch nur für Teilschuldverschreibungen mit einem Wandel- oder Optionsrecht bzw. einer Wandlungspflicht auf Aktien mit einem anteiligen Betrag am Grundkapital von bis zu 10 % des zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Ausgabe der Wandel- oder Optionsschuldverschreibung vorhandenen Grundkapitals und nur insoweit, wie von einem genehmigten Kapital unter Ausschluss des Bezugsrechts gemäß § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG nicht Gebrauch gemacht worden ist. Auf diese Begrenzung ist außerdem die Veräußerung eigener Aktien anzurechnen, sofern sie aufgrund einer Ermächtigung gemäß § 71 Abs. 1 Nr. 8 Satz 5 AktG in Verbindung mit § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG unter Ausschluss des Bezugsrechts nach der Beschlussfassung über die vorliegende Ermächtigung erfolgt ist. Der Vorstand ist darüber hinaus mit Zustimmung des Aufsichtsrats ermächtigt. Spitzenbeträge von dem Bezugsrecht der Aktionäre auszunehmen und das Bezugsrecht auch insoweit auszuschließen, wie es erforderlich ist, um den Inhabern/Gläubigern der von der ..........Aktiengesellschaft oder ihren unmittelbaren oder mittelbaren Tochtergesellschaften ausgegebenen Wandelschuldverschreibungen bzw. Optionsscheinen ein Bezugsrecht auf neue Wandel- oder Optionsschuldverschreibungen in dem Umfang zu gewähren, wie es ihnen nach Ausübung der Wandlungs- oder Optionsrechte bzw. nach Erfüllung der Wandlungspflichten zustehen würde.

Im Falle der Ausgabe von Optionsschuldverschreibungen werden jeder Teilschuldverschreibung eine oder mehrere Optionsscheine beigefügt, die den Inhaber nach näherer Maßgabe der vom Vorstand festzulegenden Optionsbedingungen zum Bezug von neuen Stückaktien der Gesellschaft berechtigen. Der anteilige Betrag am Grundkapital der je Teilschuldverschreibung zu beziehenden Aktien darf den Nennbetrag der Optionsschuldverschreibungen nicht übersteigen. Die Laufzeit des Optionsrechts darf höchstens 20 Jahre betragen.

Im Falle der Ausgabe von auf den Inhaber lautenden Wandelschuldverschreibungen erhalten die Inhaber - ansonsten die Gläubiger - der Schuldverschreibungen das Recht, ihre Teilschuldverschreibungen nach näherer Maßgabe der Wandelanleihebedingungen in neue Aktien der Gesellschaft umzutauschen. Das Umtauschverhältnis ergibt sich aus der Division des Nennbetrags einer Teilschuldverschreibung durch den festgesetzten Wandlungspreis für eine neue Aktie der Gesellschaft. Das Umtauschverhältnis kann sich auch durch Division des unter dem Nominalbetrag liegenden Ausgabebetrags einer Teilschuldverschreibung durch den festgesetzten Wandlungspreis für eine neue Aktie der Gesellschaft ergeben. Es kann vorgesehen werden, dass das Umtauschverhältnis und/oder der Wandlungspreis variabel ist und der Wandlungspreis innerhalb einer festzulegenden Bandbreite in Abhängigkeit von der Entwicklung des Aktienkurses während der Laufzeit festgesetzt wird. Das Umtauschverhältnis kann in jedem Fall auf eine ganze Zahl auf- oder abgerundet werden; ferner kann eine in bar zu leistende Zuzahlung festgelegt werden. Im Übrigen kann vorgesehen werden, dass Spitzen zusammengelegt und/oder in Geld ausgeglichen werden.

Die Umtauschbedingungen können auch eine Wandlungspflicht zum Ende der Laufzeit (oder zu einem früheren Zeitpunkt) begründen. Insbesondere können die Wandelanleihebedingungen auch vorsehen. dass die Gesellschaft im Falle der Rückzahlung der Wandelschuldverschreibungen bei Endfälligkeit den Inhabern von Wandelschuldverschreibungen ganz oder teilweise anstelle der Zahlung des fälligen Geldbetrages Stückaktien der Gesellschaft gewähren kann. Die Anzahl der in diesem Fall zu gewährenden Stückaktien entspricht dem nach Wahl der Gesellschaft ganz oder teilweise jeweils in Aktien auszugleichenden fälligen Rückzahlungsbetrag. In diesem Fall wird der Wandlungspreis nach näherer Maßgabe der Wandelanleihebedingungen dem Durchschnittskurs der Stückaktie der Gesellschaft in der Xetra-Schlussauktion an der Frankfurter Wertpapierbörse (oder einem vergleichbaren Nachfolgesystem) während der letzten zehn Börsentage vor dem Tag der Endfälligkeit entsprechen.

Der anteilige Betrag des Grundkapitals der bei Wandlung auszugebenden Aktien darf den Nennbetrag der Wandelschuldverschreibungen nicht übersteigen.

Schließlich können die Wandelanleihebedingungen vorsehen. dass im Falle der, Wandlung die Gesellschaft den Wandlungsberechtigten nicht Stückaktien der Gesellschaft gewährt, sondern den gegenwärtigen Geldwert zahlt, der nach näherer Maßgabe der Anleihebedingungen dem Durchschnittswert der Aktie in der Xetra-Schlussauktion an der Frankfurter Wertpapierbörse (oder einem vergleichbaren Nachfolgesystem) während der letzten zehn Börsentage vor Erklärung der Wandlung an der Frankfurter Wertpapierbörse entspricht.

Der jeweils festzusetzende Wandlungs- oder Optionspreis für eine Aktie muss auch bei einem variablen Umtauschverhältnis/Wandlungspreis entweder mindestens 80 % des durchschnittlichen Börsenkurses der Aktien der Aktiengesellschaft in der Xetra-Schlussauktion an der Frankfurter Wertpapierbörse (oder einem vergleichbaren Nachfolgesystem) an den zehn Börsentagen vor dem Tag der Beschlussfassung durch den Vorstand über die Begebung der Wandel- oder Optionsschuldverschreibungen betragen oder mindestens 80 % des durchschnittlichen Börsenkurses in der Xetra-Schlussauktion an der Frankfurter Wertpapierbörse (oder einem vergleichbaren Nachfolgesystem) während der Tage, an denen die Bezugsrechte an der Frankfurter Wertpapierbörse gehandelt werden, mit Ausnahme der beiden letzten Börsentage des Bezugsrechtshandels, entsprechen.

Der Wandlungs- bzw. Optionspreis wird unbeschadet des § 9 Abs. 1 AktG aufgrund einer Verwässerungsschutzklausel nach näherer Bestimmung der Wandel- oder Optionsanleihebedingungen ermäßigt, wenn die Gesellschaft während der Wandlungs- oder Optionsfrist unter Einräumung eines Bezugsrechts an ihre Aktionäre das Grundkapital erhöht oder weitere Wandel- oder Optionsanleihen begibt oder garantiert oder sonstige Optionsrechte gewährt und den Inhabern von Wandelschuldverschreibungen oder Optionsverschreibungen kein Bezugsrecht in dem Umfang eingeräumt wird, wie es Ihnen nach Ausübung des Wandlungs- oder Optionsrechts bzw. der Erfüllung der Wandlungspflicht zustehen würde. Statt einer Zahlung in bar oder einer Herabsetzung der Zuzahlung kann auch - soweit möglich - das Umtauschverhältnis durch Division mit dem ermäßigten Wandlungspreis angepasst werden. Die Bedingungen können darüber hinaus für den Fall der Kapitalherabsetzung oder für andere Kapitalmaßnahmen, Umstrukturierungen, einer außerordentlichen Dividende oder anderer vergleichbarer Maßnahmen, die zu einer Verwässerung des Werts der Aktien führen können, eine Anpassung der Wandlungs-/ Optionsrechte bzw. Wandlungspflichten vorsehen.

Der Vorstand wird ermächtigt, die weiteren Einzelheiten der Ausgabe und Ausstattung der Wandel- und/oder Optionsschuldverschreibungen, insbesondere Zinssatz, Ausgabekurs, Laufzeit und Stückelung, Wandlungs- oder Optionspreis und den Wandlungs- oder Optionszeitraum festzusetzen bzw. im Einvernehmen mit den Organen der die Wandel- und/oder Optionsschuldverschreibungen begebenden Tochtergesellschaften festzulegen.

b) Bedingtes Kapital III

Das Grundkapital wird um bis zu Euro 50.000.000 (in Worten: Euro fünfzig Millionen) bedingt erhöht (Bedingtes Kapital III). Die bedingte Kapitalerhöhung dient der Gewährung von Rechten an Inhaber oder Gläubiger von Wandel- und Optionsschuldverschreibungen, die gemäß vorstehender Ermächtigung unter lit. a) bis zum 7. Mai 2011 von der Gesellschaft oder durch eine unmittelbare oder mittelbare Tochtergesellschaft der Gesellschaft begeben werden. Die Ausgabe der neuen Aktien erfolgt zu dem gemäß lit. a) jeweils festzulegenden Wandlungs- und Optionspreis. Die bedingte Kapitalerhöhung ist nur insoweit durchzuführen, wie von diesen Rechten Gebrauch gemacht wird oder wie die zur Wandlung verpflichteten Inhaber oder Gläubiger ihre Pflicht zur Wandlung erfüllen. Die neuen Aktien nehmen vom Beginn des Geschäftsjahres an, in dem sie durch. Ausübung von Wandlungs- oder Optionsrechten oder durch Erfüllung von Wandlungspflichten entstehen, am Gewinn teil. Der Vorstand wird ermächtigt, die weiteren Einzelheiten der Durchführung der bedingten Kapitalerhöhung festzusetzen.

c) Die Satzung erhält den folgenden neuen § 4 Abs. 6:

"Das Grundkapital ist um bis zu Euro 50.000.000 (in Worten: Euro fünfzig Millionen) bedingt erhöht (Bedingtes Kapital III). Die bedingte Kapitalerhöhung wird nur insoweit durchgeführt, wie die Inhaber oder Gläubiger von Wandlungs- oder Optionsrechten bzw. die zur Wandlung/Optionsausübung Verpflichteten aus Wandel- oder Optionsschuldverschreibungen, welche von der Aktiengesellschaft oder deren unmittelbaren oder mittelbaren Tochtergesellschaften aufgrund des Ermächtigungsbeschlusses der Hauptversammlung vom 8. Mai 2006 bis zum 7. Mai 2011 ausgegeben werden, von ihren Wandlungs- und Optionsrechten Gebrauch machen oder, soweit sie zur Wandlung/Optionsausübung verpflichtet sind, ihre Verpflichtung zur Wandlung/Optionsausübung erfüllen. Die Ausgabe der neuen Aktien erfolgt zu dem nach Maßgabe des vorstehend bezeichneten Ermächtigungsbeschlusses jeweils zu bestimmenden Options- bzw. Wandlungspreis. Die neuen Aktien nehmen vom Beginn des Geschäftsjahres an in dem sie durch Ausübung von Wandlungs- oder Optionsrechten oder durch Erfüllung von Wandlungsptlichten entstehen, am Gewinn teil."

Der Aufsichtsrat ist ermächtigt, die Fassung des § 4 Abs. 6 der Satzung jeweils entsprechend der Ausgabe von Bezugsaktien und nach Ablauf der Ermächtigungsfrist anzupassen.

Der bisherige § 4 Abs. 6 der Satzung wird § 4 Abs. 5, der bisherige § 4 Abs. 5 der Satzung wird § 4 Abs. 9.

Die Klägerin war bereits vor der Hauptversammlung im Besitze von Aktien der Beklagten und hat während der Hauptverhandlung ihren Widerspruch gegen die zu TOP 8 gefassten Beschlüsse erklärt.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass diese Beschlüsse gemäß § 241 Ziff. 3 AktG nichtig seien. Die Nichtigkeit ergebe sich bzgl. der Beschlüsse zu TOP 8 b und c (bedingte Kapitalerhöhung nebst Satzungsänderung) aus einem Verstoß gegen § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG. Im Beschluss sei nicht konkret der Ausgabebetrag der Aktien bzw. die Grundlagen zur Berechnung des Ausgabebetrages aufgeführt. Vielmehr sei lediglich auf den im Beschluss zu TOP 8 festgelegten Wandlungs- und Optionspreis verwiesen worden. Selbst wenn ein derartiger Verweis zulässig sein sollte, genüge auch der Beschluss zu TOP 8a nicht den Anforderungen. Im Beschluss sei lediglich der Mindestausgabebetrag festgelegt. Dieses sei nicht zulässig, da dadurch den handelnden Organen ein Ermessen nach oben bei Festsetzung des Preises der neuen Aktien eingeräumt werde und somit letztlich es zu einer unzulässigen Kompetenzverschiebung von der Hauptversammlung auf den Vorstand komme. Ein weiteres Argument ergebe sich aus § 198 Abs. 1 AktG. Im Hinblick auf die von den Bezugsberechtigten abzugebende Bezugsrechtserklärung verweise dieser Paragraph auf § 193 Abs. 2 AktG. Würde nunmehr der Bezugspreis nach oben nicht begrenzt, könnte der Vorstand im Rahmen seines Ermessens einen derartig hohen Preis festsetzen, so dass die Ausübung des Bezugsrechtes nicht mehr attraktiv sei.

Zudem liege ein Verstoß gegen § 182 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 23 Abs. 3 Nr. 4 AktG vor, da im Beschluss nicht die notwendige Angabe aufgenommen worden sei, welche Art von Aktien (Inhaber- oder Namensaktien) bzw. wie viele Aktien herausgegeben werden.

Die Nichtigkeit der Beschlüsse zu TOP 8 b und c führe aufgrund des engen Sachzusammenhanges bereits zur Nichtigkeit des Beschlusses zu TOP 8.

Des Weiteren sei der Beschluss zu TOP 8 a auch isoliert unwirksam, da der Beschluss das Bezugsrecht der Altaktionäre unter Anwendung der Kriterien des § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG in angemessener Weise einschränke. Die Vorschrift des § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG könne daher bei der Ausgabe von Wandel- bzw. Optionsschuldverschreibungen nicht anwendbar sein, auch wenn § 221 Abs. 4 Satz 2 AktG pauschal auf § 186 AktG verweise. Dies ergebe sich daraus, dass die Schuldverschreibungen weder einen Anteil am Grundkapital verkörpern, noch gebe es einen Börsenpreis als Maßstab.

Die Nebenintervenienten treten auf Seiten der Klägerin dem Verfahren bei. Sie sind der Ansicht, dass die Nebenintervention gemäß § 69 ZPO zulässig sei, da das Urteil des vorliegenden Verfahrens gemäß § 248 AktG für oder gegen alle Aktionäre wirke. Sie beantragen, die Nebenintervention zuzulassen.

Die Klägerin und die Nebenintervenienten beantragen,

1. festzustellen, dass der in der Hauptversammlung der beklagten Gesellschaft am 08. Mai 2006 unter Tages- ordnungspunkt 8 lit. b) und c) gefasste Beschluss (Schaffung eines bedingten Kapitals (Kapital III) nebst Satzungsänderung) nichtig ist und hilfsweise: festzustellen, dass der gesamte in der Hauptversammlung der beklagten Gesellschaft am 08. Mai 2006 unter Tages- ordnungspunkt 8 gefasste Beschluss (Ermächtigung zur Ausgabe von Wandel- und/oder Optionsschuldverschreibungen, Schaffung eines bedingten Kapitals (Kapital III) nebst Satzungsänderung) nichtig ist,

und dass, der in der Hauptversammlung der beklagten Gesellschaft am 08. Mai 2006 unter Tagesordnungspunkt 8 lit. a) gefasste Beschluss (Ermächtigung zur Ausgabe von Wandel- und/oder Optionsschuldverschreibungen) insoweit für nichtig erklärt wird, als dass der Vorstand dazu ermächtigt wird, in analoger Anwendung des § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG mit Zustimmung des Aufsichts- rates das Bezugsrecht der Aktionäre auf die Wandelschuld- verschreibungen und Optionsschuldverschreibungen aus- zu schließen, sofern der Vorstand nach pflichtgemäßer Prüfung zu der Auffassung gelangt, dass deren Ausgabepreis den nach anerkannten finanzmathematisch Methoden ermittelten theoretischen Marktwert der Schuldver- schreibungen nicht wesentlich unterschreitet.

Die Beklagte beantragt,

die Nebenintervention nicht zuzulassen und die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Bezugnahme der Beschlüsse zu TOP 8 b und c) auf dem Beschlusstext zu dem Beschluss TOP 8a zulässig sei.

Ein Verstoß gegen § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG liege nicht vor. Die konkrete Festlegung eines Ausgabebetrages sei schwierig und nicht sinnvoll, das die Bezugsrechte auf die neuen Aktien eine in die Zukunft liegende Option sei. Die Kursentwicklung sei nicht vorhersehbar. Daher sei es angemessen, dass ein Mindestausgabebetrag, nämlich 80% eines bestimmten Durchschnitts des Aktienkurses, festgelegt werde. Durch die Zustimmung zu den Beschlüssen zeige der einzelne Aktionär, dass er bereits mit dem im Beschluss genannten Mindestausgabebetrag einverstanden sei, wobei der einzelne Aktionär die Option erhalte, dass der Vorstand, je nach Wirtschaftsentwicklung einen noch höheren Ausgabebetrag erziele. Je höher der Ausgabebetrag festgesetzt werde, um so geringer sei der Eingriff in die Rechtspositionen der einzelnen Altaktionäre, da bei einem zu hohen Ausgabebetrag die Inhaber von Wandel- bzw. Schuldverschreibungen ihre Umtausch- und Bezugsrechte nicht wahrnehmen würden.

Der Beschluss zu TOP 8 sei auch nicht deswegen nichtig, weil spezifische Angaben zur Aktienanzahl bzw. Aktienart fehlen würden. Aus § 4 Abs. 2 der Satzung der Beklagten ergebe sich, dass die Gesellschaft Stückaktien mit einem anteiligen Grundkapitalsbetrag von 2,56 € ausgegeben habe. Da diese Satzungsrichtlinien auch für neue Aktien gelten würden, ergebe sich bei einer Kapitalerhöhung von 50 Mio. indirekt, aber für die §§ 182, 193 AktG in ausreichender Weise, die Art der Aktie (nämlich Stückaktie) sowie die Anzahl der Aktien (nämlich 19.530.250).

Schließlich sei der Beschluss zu TOP 8a nicht unwirksam. § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG sei aufgrund der Verweisung des § 221 AktG entsprechend anwendbar. Dies ergebe sich aus Sinn und Zweck der Vorschrift. Die Vorschrift des § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG soll eine Unternehmensfinanzierung durch eine Eigenkapitalaufnahme unter Beachtung der Vermögens- und Beteiligungsinteressen der Altaktionäre ermöglichen. Der Beschluss zu TOP 8a erfülle somit die Voraussetzung des § 186 AktG.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Nebeninterventionen unzulässig seien. Für eine Beteiligung Dritter an einer Anfechtungsklage müssten die Voraussetzungen des § 245 AktG für den jeweiligen Nebenintervenienten erfüllt sein. Insbesondere sei das Erfordernis des § 245 AktG, Widerspruch während der Hauptversammlung zu erheben, von den Nebenintervenienten nicht erfüllt worden.

Gründe

Die Nebeninterventionen sind durch Beschluss zugelassen worden. Die Zulässigkeit der Beteiligung von Dritten an einem Zivilrechtsstreit ergibt sich u.a. aus § 69 ZPO. Einzige Voraussetzung hiernach ist, dass der Nebenintervenient ein rechtliches Interesse an der Beteiligung hat, dass insbesondere dann vorliegt, falls die gerichtliche Entscheidung im Hauptverfahren sich auf seine Person auswirkt. Dieses ist im vorliegenden Verfahren – wie dem § 248 AktG zu entnehmen ist – gegeben. Aus § 69 ZPO ergibt sich nicht, dass in bestimmten Fällen die Nebeninterventionen durch weitere Kriterien eingeschränkt werden könnten. Auch eine weitere Einschränkung der Nebenintervention ist im Gesetzestext des Aktiengesetzes nicht aufgenommen worden. Es mag durchaus sinnvoll sein, dass aus ökonomischen Gründen die Beteiligung von Nebenintervenienten an der Anfechtungsklage nach dem Aktiengesetz eingeschränkt werden sollte. Trotz der Reformierung des Aktiengesetzes ist dieses nicht ins Gesetz aufgenommen worden. Es ist daher allein § 69 ZPO maßgebend.

Die Klage ist insgesamt unbegründet.

Die von der Beklagten gefassten Beschlüsse zu TOP 8 sind nicht zu beanstanden.

Die Kammer erachtet die Verweisung im Beschluss zu TOP 8 b und c auf die Preisbildung im Beschluss zu TOP 8a als zulässig. Die Beschlüsse zu TOP 8 sind nicht als einzelne, voneinander strikt getrennte Beschlüsse, sondern als Einheit anzusehen. Es wäre reiner Formalismus, zu fordern, die Festsetzungskriterien für den Ausgabebetrag in den Beschlüssen zu b)und c) zu wiederholen.

Die Kammer sieht auch in der Festsetzung eines Mindestausgabebetrages keinen Verstoß gegen § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG. Im Beschluss der Beklagten ist zwar ein Mindestausgabebetrag festgelegt. Dieses entspricht nicht ausdrücklich dem Wortlaut des § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG. Gemäß dieser Vorschrift ist jedoch der Ausgabebetrag nicht punktgenau anzugeben, stattdessen kann sich die Gesellschaft damit begnügen, dass Grundlagen zur Bestimmung des Ausgabebetrages genannt werden. Diesen Anforderungen genügt der angefochtene Beschuss. Mit der Festlegung eines errechenbaren Mindestausgabebetrages wird die Grenze der Beeinträchtigung der Vermögens- und Beteiligungsrechte der Altaktionäre festgelegt. Durch Offenlegung dieses Mindestausgabebetrages erfährt der Altaktionär vor der Abstimmung, in welchem Umfang er maximal beeinträchtigt sein könnte. Stimmt danach die Hauptversammlung dem Vorschlag der Gesellschaft zu, können die Altaktionäre durch den Beschluss nicht benachteiligt werden.

Auch der Hinweis der Klägerin und der Nebenintervenienten auf die fehlende Begrenzung des Ausgabebetrages nach oben ist bei Würdigung der Sach- und Rechtslage unerheblich. Die Gesellschaft hat gerade bei der Durchführung einer Kapitalerhöhung ein starkes Interesse daran, die Finanzierung des Unternehmens durch Eigenkapital zu sichern. Entsprechend ist das Interesse der Gesellschaft darauf ausgerichtet, im Rahmen der zulässigen Bezugsrechte neue Aktien an die Inhaber der Wandel- und Schuldverschreibungen herauszugeben. Es liegt auf der Hand, dass diese Aktien keinen Abnehmer für den Fall finden, dass die Gesellschaft den Ausgabebetrag über bzw. annähernd an den Börsenaktienpreis festsetzen würde. Folglich kann das Ermessen des Vorstandes, dass ihm durch die Beschlussfassung eingeräumt wird, nicht erheblich sein. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Altaktionäre in keiner Weise beeinträchtigt sind, ist ein Verstoß gegen § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG nicht anzunehmen.

Die angefochtenen Beschlüsse sind auch nicht deswegen unwirksam, weil in ihnen nicht konkret die Aktienstückzahl bzw. die Aktienart genannt worden ist. Die Kammer ist der Ansicht, dass diese beiden Angaben nicht ausdrücklich im Beschluss genannt werden müssen. Aus dem Sachzusammenhang in Verbindung mit der Satzung der Gesellschaft ergibt sich eindeutig, dass im Rahmen einer Kapitalerhöhung nur Stückaktien ausgegeben werden können, weil sich die Gesellschaft auch für das Grundkapital nach ihrer Satzung auf Stückaktien festgelegt hat.

Da eine Kapitalerhöhung nur im Verhältnis der Grundkapitalsanteile erhöht werden kann, ergibt sich aus dem genannten Kapitalerhöhungsbetrag auch gleichzeitig die Anzahl der auszugebenden Stückaktien.

Auch isoliert betrachtet ist der Beschluss zu TOP 8a nicht unwirksam. Die Kammer ist der Ansicht, dass durch die Verweisung in §§ 221 AktG, 186 Abs. 3 Satz 4 AktG auf die Einschränkung des Bezugsrechtes bzw. Preisbildung anwendbar ist. Insoweit folgt die Kammer dem OLG München (23 U 5917/05, Urteil vom 01.06.06). In § 221 AktG ist der Verweis auf den § 186 AktG in keiner Weise eingeschränkt. Sinn und Zweck dieses Verweises ist u.a., dass die Kriterien des § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG auch auf Schuldverschreibungen anwendbar sind, so dass ein Umtausch- oder Bezugsrecht auf Aktien bei Schuldverschreibungen zum Nachteil der Altaktionäre nach bestimmten Kriterien vorgenommen werden kann. Dass die Beklagte bei Beschlussfassung diese Kriterien beachtet hat, ist bereits oben dargelegt worden. Den Altaktionären ist der Umfang des Bezugsrechtes der Gläubiger der Gesellschaft sowie die äußerste finanzielle Belastung der Altaktionäre offengelegt worden. Indem sie in der Hauptverhandlung mit ganz überwältigender Mehrheit die Beschlussfassung vorgenommen haben, können die Aktionäre nicht betroffen sein. Auch die Gläubiger, die neue Aktien erwerben möchten, können nicht beeinträchtigt sein, da dem Vorstand kein überaus großes Ermessen bei der Preisbildung zusteht. Entsprechend sind die Beschlüsse wirksam.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 101, 709 ZPO.






LG Essen:
Urteil v. 26.01.2007
Az: 45 O 47/06


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