Bundespatentgericht:
Beschluss vom 29. November 2001
Aktenzeichen: 5 W (pat) 418/00
(BPatG: Beschluss v. 29.11.2001, Az.: 5 W (pat) 418/00)
Tenor
Der Beschluß des Deutschen Patent- und Markenamts - Gebrauchmusterabteilung I - vom 13. März 2000 wird aufgehoben.
Das Gebrauchsmuster Nr. 295 21 730 wird gelöscht.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.
Gründe
I.
Die Antragsgegnerin ist Inhaberin des am 9. Dezember 1995 angemeldeten und am 9. Juli 1998 unter der Bezeichnung Legierungsschichtin die Rolle eingetragenen deutschen Gebrauchsmusters 295 21 730, dessen Schutzdauer auf 6 Jahre verlängert ist. Der Eintragung liegen die am 28. Mai 1998 eingegangenen Schutzansprüche 1 bis 14 zugrunde.
Der Anmeldetag geht auf die EP 80 83 81 zurück und ist im Wege der Abzweigung in Anspruch genommen.
Die Schutzansprüche haben folgenden Wortlaut:
1. Legierungsschicht, insbesondere Bronze, an einer Oberfläche eines Werkstücks, die zu beschichtende Oberfläche als Kathode beschaltetund mit einer benachbart positionierten Anode mit einem Elektrolyt kontaktiert ist, dadurch gekennzeichnet, daß Bestandteile der geplanten Legierung im Elektrolyt gelöst bereitgestellt sind.
2. Legierungsschicht nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß der Elektrolyt zyanidisch ist.
3. Legierungsschicht nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß der Elektrolyt Kaliumzyanid ist.
4. Legierungsschicht nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß Legierungsbestandteil Stanat ist.
5. Legierungsschicht nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß eine Anode eine Kupferanode ist.
6. Legierungsschicht nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß eine Anode eine Inert-Anode ist.
7. Legierungsschicht nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß eine Anode eine Edelstahlanode ist.
8. Legierungsschicht nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß der Elektrolyt eine Mischung aus Kupferzyanid, Stanat und KOH ist.
9. Legierungsschicht nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß der Elektrolyt eine Organik zur Regelung des Einbaus von Kupfer aufweist.
10. Legierungsschicht nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß die Flutung mit Elektrolyt gesteuert erfolgt.
11. Legierungsschicht nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß im Fall einer Innenbeschichtung eine spiralförmige Anode verwendet ist.
12. Legierungsschicht nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß der Abstand zwischen Anode und Kathode gesteuert ist.
13. Legierungsschicht nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß die Stromdichte gesteuert ist.
14. Legierungsschicht, insbesondere Bronze, dadurch gekennzeichnet, daß
sie unter Verwendung einer Anode und eines Elektrolyten gebildet wurde, wobei Bestandteile der Legierung in gelöstem Zustand im Elektrolyt enthalten sind.
Die Antragstellerin hat mit dem am 6. Februar 1999 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangenen Schriftsatz die Löschung des Gebrauchsmusters beantragt.
Zur Begründung hat sie unter Verweis auf die D1 Firmenschrift: "... Galvanotechnik - MIRALLOY 849 Arbeitsanleitung - Datum: 12.05.1999"
D2 Firmenschrift: "... Galvanotechnik - MIRALLOY¨ -
Kupfer/Zinn(Zink) - Bäder (Oktober 1993)"
D3 Firmenschrift: "Gesamtlieferprogramm - ... Galvano-
technik - Ausgabe 08/1995 - Seite 34"
D4 Demetron Musterbearbeitung Nr 3147 vom 06./09.10.1992 mangelnde Neuheit sowie das Fehlen des erfinderischen Schrittes geltend gemacht. Abgesehen davon, daß die Merkmale der zwei unabhängigen Ansprüche 1 und 14 aufgrund ihrer undifferenzierten Formulierung als zur Durchführung einer Galvanisation zwingend erforderlich zweifelsfrei bekannt und in allgemeiner Benutzung seien, seien die beanspruchten Merkmale auch aus den Druckschriften D1 bis D3 bekannt. Diese gäben nämlich Galvanikbäder für Überzüge aus Kupfer/Zinn- und Kupfer/Zinn/(Zink)-Legierungen, die Eigenschaften der hergestellten Legierungsschichten sowie wesentliche Verarbeitungsparameter an. Ferner würde bei galvanischen Beschichtungsvorgängen naturgemäß und zwangsläufig immer eine Flutung mit Elektrolyt vorgenommen, weshalb dieses Merkmal trivial und, weil diese Angabe auch nicht näher differenziert sei, völlig aussagelos sei. Die Gegenstände der Ansprüche 2 bis 13 seien gleichfalls im genannten Stand der Technik beschrieben bzw naheliegend und dem Fachmann geläufig.
Im weiteren hat die Antragstellerin widerrechtliche Entnahme gemäß § 13 Abs 2 GebrMG geltend gemacht und in diesem Zusammenhang auf den als D4 eingereichten Prüfbericht verwiesen.
Die Gebrauchsmusterinhaberin hat dem Löschungsantrag fristgerecht widersprochen, ist dem Vorbringen der Antragstellerin in allen wesentlichen Punkten entgegengetreten und hat am 5. August 1999 neue Schutzansprüche 1 bis 12 eingereicht. Der neue Schutzanspruch 1 lautet:
1. Legierungsschicht in Form einer chromfarbenen Hartbronze an einer Oberfläche eines Werkstücks, dadurch gebildet, daß die zu beschichtende Oberfläche als Kathode beschaltet und mit einer benachbart positionierten Anode mit einem Elektrolyt kontaktiert ist, wobei Bestandteile der geplanten Legierung im Elektrolyt gelöst bereit gestellt sind, dadurch gekennzeichnet, daß die Schicht eine Dicke größer 30 µm und eine Härte größer 550 HV aufweist und bei der Beschichtung die Flutung mit Elektrolyt gesteuert erfolgt.
An diesen neuen Hauptanspruch 1 schließen sich die Ansprüche 2 bis 12 an, die den eingetragenen Ansprüchen 2 bis 9 und 11 bis 13 entsprechen.
Mit Bescheid vom 1. Oktober 1999 hat die Gebrauchsmusterabteilung als vorläufiges Ergebnis ihrer Prüfung den Beteiligten mitgeteilt, daß die Legierungsschicht nach Anspruch 1 neu sei und auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Zum einen ergäben sich aus keiner der genannten Schriften alle Merkmale des Anspruches 1 im Zusammenhang, zum anderen ließen sich weder die beanspruchte Schichtdicke noch die Härte aus dem genannten Stand der Technik herleiten noch lägen in einer der Druckschriften Angaben zur Vorgehensweise bei der Beschichtung mit nichtgelber Bronze vor.
Im Anschluß an den Zwischenbescheid hat die Antragstellerin auch die Schutzfähigkeit der am 5. August 1999 eingereichten Ansprüche bestritten unter Hinweis auf die - sich weitgehend entsprechenden - Druckschriften D5 Journal für Oberflächentechnik, 1993, Heft 2, Seite 38ff D6 Jahrbuch der Oberflächentechnik, Band 49, 1993, Seite 155ff.
Die Gebrauchsmusterabteilung hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. März 2000 das Gebrauchsmusters gelöscht, soweit es über die Schutzansprüche 1 bis 12 vom 5. August 1999 hinausgeht.
Zur Begründung hat sie ausgeführt, daß die Legierungsschicht nach Anspruch 1 vom 5. August 1999 neu sei und auch auf einem erfinderischen Schritt beruhe. Zwar sei in D5 eine Dicke von über 30 µm für eine Kupfer-Zinn-Schicht angegeben, der Fachmann, interessiert an möglichst defektfreien Beschichtungen, würde zur Herstellung höherer Schichtdicken ein Bad nach D5 aber nicht einsetzen, da in dieser Schrift als übliche und kaum Defekte aufweisende Schichtdicken nur 2 bis 4 µm genannt würden. Die Angaben zur Härte in D2 und D5 beträfen lediglich Werte von 550 HV bzw etwa 550 HV. Da der vorliegende Stand der Technik ferner hinsichtlich der beanspruchten Verfahrensmaßnahme keine Hinweise beinhalte, habe der Fachmann auch nicht durch Kombination der genannten Schriften ohne erfinderisches Zutun zum beanspruchten Gegenstand gelangen können.
Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin.
Sie bestreitet weiterhin die Schutzfähigkeit des verteidigten Gegenstandes und führt noch die Dokumente D7 Handbuch der Galvanotechnik, Band II (1966), Seiten 493 bis 498 D8 SCHRIFTENREIHE GALVANOTECHNIK UND OBER-FLÄCHENBEHANDLUNG - Kupferschichten -
Abscheidung . Eigenschaften . Anwendung, 1. Auflage 2000 Eugen G. Leuze Verlag Saulgau 116 bis 119 D9 Schreiben des Forschungsinstitutes für Edelmetalle und Metall-
chemie an die Firma ... AG vom 10.06.83 D10 mo Metalloberfläche 47 (1993) S 62 bis 65.
zusammen mit einem am 16. November 2001 eingegangenen Gutachten von Herrn Dr. Z... ins Verfahren ein. Sie führt dazu aus, daß der vertei-
digte Gegenstand weder neu noch erfinderisch sei. So nenne bereits die D10 Kupfer/Zinn-Schichten von 40 µm und Härten von 500 bis 600 HV für weiße Bronzen. Auch mit den Entgegenhaltungen D5 und D7 sei die Legierungsschicht nach dem Schutzanspruch 1 realisiert. Die weißen Bronzen nach D5 könnten nämlich in Schichtdicken von über 40 µm abgeschieden werden, wobei diese Schichten als besonders homogen und mit besonders guten Eigenschaften beschrieben würden und sich diese Aussage nicht nur auf das Aussehen, sondern auch auf die Härte bezöge. Die in D5 angegebenen Härten von etwa 550 HV seien im übrigen nur als orientierend zu verstehen, da sich die Druckschrift in erster Linie an den mit der Herstellung dekorativer Gegenstände bzw kleiner, keiner Belastung ausgesetzter Teile befaßten Galvanotechniker richte, den größere Härten nicht interessierten. Im übrigen seien weiße Bronzen immer auch durch einen hohen Zinn-Gehalt und damit auch durch eine hohe Härte charakterisiert, die unabhängig von der Schichtdicke zu sehen sei. Härten von 590 HV für weiße Bronzen seien ferner aus D7 bekannt. Es werde dort zwar empfohlen, Schichten nur bis zu einer Dicke von 12 µm abzuscheiden, dies erfolge aber nur im Hinblick auf die Sprödigkeit, wobei jedoch eine hohe Sprödigkeit immer auch eine hohe Härte bedeute. Wenn D5 und D7 nun auch negative Aspekte größerer Schichten angäben, wie sie Defekte wie Poren und Knospen oder die Sprödigkeit darstellten, beträfe dies nur das visuelle Erscheinungsbild nicht aber die technische Brauchbarkeit.
In Hinblick auf die im Schutzanspruch 1 angegebene Maßnahme, bei der Beschichtung die Flutung mit Elektrolyt zu steuern, bestreitet die Antragstellerin sinngemäß die Ausführbarkeit, weil die Beschreibung des Gebrauchsmusters dazu keine Angaben beinhalte und die den Verfahrensschritt betreffenden Maßnahmen und Prozeß-Parameter nicht so deutlich und vollständig offenbart seien, daß ein Fachmann sie ausführen könne.
Den Löschungsgrund der widerrechtlichen Entnahme hat die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung vom 29. November 2001 fallengelassen.
Die Antragstellerin beantragtden Teillöschungsbeschluß aufzuheben und das Gebrauchsmuster zu löschen.
Die Antragsgegnerin verteidigt das Gebrauchsmuster in der Fassung vom 5. August 1999, hilfsweise 1. im Umfang des Hauptantrages mit der Maßgabe, daß im Schutzanspruch 1 erster Satz hinter den Wörtern "chromfarbene Hartbronze" die Wörter "mit guten Korrosionsschutz- und Gleiteigenschaften" eingefügt werden;
2. im Umfang des Hilfsantrages 1 mit der Maßgabe, daß im Schutzanspruch 1 die Angaben "30 µm" durch "40 µm" und "550 HV" durch "600 HV" ersetzt werden.
Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen;
hilfsweise, sie im Umfang der Hilfsverteidigung 1 und 2 zurückzuweisen.
Sie tritt den Ausführungen der Antragstellerin entgegen. Aus den Entgegenhaltungen D3, D5, D7 und D10 seien zwar weiße Bronzen und auch deren interessierenden Eigenschaften wie eine gute Härte und auch gute Korrosionseigenschaften bekannt. Soweit nach D5 oder D10 Schichten von 40 µm offenbart seien, seien diese aber auch immer im Zusammenhang mit negativen Eigenschaften genannt. So kenne der Fachmann zwar die Parameter, die die Aufwuchsrate und damit Schichtdicke bestimmten, und die zu ergreifenden Maßnahmen, um die gewünschte Härte einzustellen. Auch sei die im Anspruch 1 angegebene Flutung an sich bekannt und die Festlegung der im Zusammenhang damit zu wählenden Parameter für den Fachmann unproblematisch. Keine der Druckschriften vermittle dem Fachmann aber die Lehre, die Flutung so zu steuern, daß schließlich Legierungsschichten bereitgestellt werden könnten, die weitestgehend einwandfrei und nur deshalb technisch nutzbar seien. Der Stand der Technik selbst gebe dazu keine Maßnahmen an, die außerdem zu ergreifen wären, um zu dem beanspruchten Produkt zu gelangen. So werde nach D5, die Schichtdicken von 40 µm lediglich im Rahmen experimenteller Untersuchungen und Härten von 550 HV nenne, empfohlen, nur Schichten bis zu einer Dicke von 2 bis 5 µm herzustellen, da diese kaum Deformationen wie Poren oder Knospen zeigten. D7, die zwar Härten von 590 HV angäbe, rate wiederum von Dicken über 12 µm wegen der sodann steigenden Sprödigkeit ab. Damit werde der Fachmann selbst bei einer Kombination dieser Schriften nicht dazu veranlaßt, Legierungsschichten nach Anspruch 1 bereitzustellen; dies auch nicht unter Berücksichtigung der D10, nach der zwar Schichtdicke und Härte genannt würden, wie sie auch mit dem Streitgebrauchsmuster beansprucht werden, deren Schichten aber aufgrund der in einem Test dargelegten mangelhaften Korrosionsbeständigkeit und inneren Spannungen nicht technisch brauchbar seien. Bezüglich der im Schutzanspruch 1 angegebenen Verfahrensmaßnahme der gesteuerten Flutung mit Elektrolyt führt sie im weiteren aus, daß der Fachmann unter gesteuerter Flutung nur die bereits im Beschluß der Gebrauchsmusterabteilung angegebene Verfahrensweise verstehe, nicht jedoch eine bloße und damit willkürliche - wie in D3 angegebene - Badbewegung. Nur mit dieser Maßnahme lasse sich der Schichtaufbau kontrollieren. Auch sei die von der Antragstellerin bestrittene Ausführbarkeit gegeben, da der Fachmann wisse, wie er die Steuerung durchzuführen habe und die Parameter, die diesen Vorgang beeinflußten, kenne. Auch hält sie die Aufnahme dieses Merkmals in den Schutzanspruch 1 für gerechtfertigt, da nur über diese Maßnahme die beanspruchte Legierungsschicht zu charakterisieren sei und nur die technischen Merkmalen zusammen mit der in Rede stehenden Verfahrensmaßnahme die Schicht exakt definierten.
Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze verwiesen.
II 1. Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist begründet. Da nur die Antragstellerin Beschwerde eingelegt hat, ist der angegriffene Beschluß insoweit bestandskräftig geworden, als er die teilweise Löschung des Streitgebrauchsmusters angeordnet hat, soweit es über die Schutzansprüche 1 bis 12 vom 5. August 1999 hinausgeht. Gegenstand dieses Beschwerdeverfahrens ist daher nur der weitergehende Löschungsantrag der Antragstellerin, der in dem angefochtenen Beschluß zurückgewiesen wurde und den die Antragstellerin auch im gerichtlichen Beschwerdeverfahren weiter verfolgt. Dieser weitergehende Löschungsantrag ist begründet. Es besteht der Löschungsanspruch nach § 15 Abs 1 Nr 1 GebrMG. Denn die verteidigte Lehre ist nicht schutzfähig 2. Das Gebrauchsmuster kann so, wie erfolgt, verteidigt werden. Die verteidigten Schutzansprüche 1 bis 12 gemäß Hauptantrag sowie gemäß den Hilfsanträgen 1 und 2 gehen auf die eingetragenen Schutzansprüche 1 bis 13 iVm der ursprünglich eingereichten sowie der am 28. Mai 1998 eingegangenen und der Eintragung zugrunde gelegten Beschreibung (S 1 Abs 2 und 3, S 2 Abs 1 und 6 sowie S 3 Abs 2) zurück und sind daher zulässig.
3. Gegenstand des Schutzanspruches 1 nach dem Hauptantrag ist eine auf galvanischem Wege hergestellte Legierungsschicht 1. in Form einer chromfarbenen Hartbronze, die 1.1 eine Schichtdicke größer 30 µm und 1.2 eine Härte größer 550 HV aufweist, wobei 1.3 bei der Beschichtung die Flutung mit Elektrolyt gesteuert erfolgt.
Eine Legierungsschicht mit diesen Merkmalen ist nicht mehr neu. Legierungsschichten in Form von weißen Bronzen - Synonyme für diese Bezeichnung sind auch chromfarbene Bronzen bzw Spekulum - mit einer Schichtdicke von 40 µm und einer Härte von 500 bis 600 HV sind aus der Entgegenhaltung D10 bekannt. Die Herstellung dieser Beschichtungen erfolgt gleichfalls auf galvanischem Wege (vgl S 63 li Sp Abs 2, S 64 Tab 2 und re Sp Abs 2 und 3).
Zur Neuheit gegenüber D10 beruft sich die Antragsgegnerin vergeblich darauf, dort sei die - vorstehend mit 1.3 bezeichnete - Maßnahme der gesteuerten Flutung mit Elektrolyt nicht angegeben. Folge dieser Verfahrensmaßnahme sei ein - besonders vorteilhafter Schichtaufbau mit der beanspruchten Härte und Schichtdicke sowie ohne wesentliche Defekte, wie sie Poren darstellten. In der Beschreibung des Streitgebrauchsmusters wird darüber hinaus ausgeführt, daß die erfindungsgemäßen Legierungen die positiven Korrosionseigenschaften und Gleiteigenschaften herkömmlicher Bronzen aufwiesen (vgl S 3 Abs 3). Aber auch in D10 ist für weiße, galvanisch abgeschiedene Bronzen, unabhängig von jeglicher Schichtdicke und Härte eine sehr gute Korrosionsbeständigkeit und ein gutes Gleitverhalten angegeben (vgl S 63 li/mi Sp Brückenabsatz iVm Tabelle 1). Überdies gehört es zum allgemein Wissen des Fachmannes - hier ein Ingenieur mit Hochschul- oder Fachhochschulabschluß und speziellen Kenntnissen auf dem Gebiet der Galvanotechnik bzw. auch ein Galvanotechniker - daß eine der Ursachen für die Korrosionsbeständigkeit galvanisch abgeschiedener Schichten deren mikrokristalline Struktur ist. Aufgrund dieses Aufbaues enthalten sie nämlich keine Korngrenzen und unterschiedliche Phasen, an denen bevorzugt der Korrosionsangriff stattfindet. Darüber hinaus gelten auf diesem Wege hergestellte Schichten auch als bereits bei geringen Dicken porenfrei (vgl D5 S 43 li Sp sowie re Sp). Damit handelt es sich bei den von der Antragsgegnerin - im Zusammenhang mit der im Schutzanspruch 1 angegebenen Verfahrensmaßnahme - geltend gemachten Eigenschaften um solche, die weiße Bronzen bei fachkundiger galvanischer Abscheidung von vornherein aufweisen. Da für die Legierungsschichten nach D10 nun sowohl eine Schichtdicke als auch Härten genannt werden, welche die (vorstehend als 1.1 und 1.2 aufgeführten) Bedingungen gemäß Schutzanspruch 1 erfüllen, gleichzeitig in D10 auch die geltend gemachten Eigenschaften herkömmlicher Bronzen hinsichtlich des Korrosionsverhaltens und des Gleitverhaltens für weiße Bronzen unabhängig von weiteren Parametern als gegeben bestätigt werden, kann die verteidigte Legierungsschicht nicht mehr als neu anerkannt werden.
Die Antragsgegnerin hat gegenüber der Entgegenhaltung D10 unter Hinweis auf die dortigen Testergebnisse zwar geltend gemacht, die dort genannten Legierungen mit Schichtdicken von 40 µm seien mit Nachteilen behaftet, weil sie ein schlechteres Korrosionsverhalten zeigten, als die üblicherweise eingesetzten Schichtdicken von 2 bis 5 µm. Diesem Einwand kann aber nicht gefolgt werden, da nach D10 zur Überprüfung der Korrosionsbeständigkeit unterschiedliche Substrate - einmal Messing, einmal Eisen - verwendet werden. Ein Vergleich der in Rede stehenden Testergebnisse ist daher nicht sinnvoll. Insbesondere ist unter Zugrundelegung dieser Ergebnisse auch kein zwingender Zusammenhang von Korrosionsverhalten und Schichtdicke zu ersehen, da nicht angegeben ist, wie sich Schichten von 40 µm auf einer Messingunterlage und Schichten von 2 bis 5 µm auf einer - bekanntlich bezüglich einer Beschichtung problematischer zu handhabenden - Eisenoxid-Grundlage in den angegebenen Testsystemen verhalten werden (vgl S 64 Tabelle 2). Nachdem der Beschreibung des Gebrauchsmusters ferner keine Angaben zu entnehmen sind, auf welche Substrate sich die von der Antragsgegnerin geltend gemachten positiven Korrosionseigenschaften der beanspruchten Legierungsschichten beziehen sollen, dagegen aber angegeben wird, daß sie jenen herkömmlicher Bronzen entsprächen (vgl S 3 Abs 3), kann der Senat in den Testergebnissen keinen die Neuheit begründenden Unterschied zu den beanspruchten Legierungsschichten sehen.
Dies trifft in gleichem Maße für die im Schutzanspruch 1 angegebene Verfahrensmaßnahme zu. Gegenstand des Gebrauchsmusters ist eine Legierungsschicht, die unabhängig von ihrem Herstellungsweg die Voraussetzungen für die Schutzfähigkeit erfüllen muß, dh bei einem Vergleich mit dem Stand der Technik ist allein entscheidend, inwieweit eine Übereinstimmung mit dem verteidigten Gegenstand selbst vorliegt. Es ist aber nicht zu erkennen - wie vorstehend dargelegt - daß die Anwendung dieses Verfahrensschrittes zu Legierungsschichten führt, die sich aufgrund besonderer, im Stand der Technik nicht genannter Merkmale bzw Eigenschaften von den bisher beschriebenen Überzügen aus chromfarbener Bronze unterscheiden. In der Aufnahme einer Verfahrensmaßnahme in einen Erzeugnisanspruch liegt nämlich patentrechtlich keine Beschränkung des Schutzes für dieses Erzeugnis auf den zu seiner Kennzeichnung angegebenen Verfahrensweg (vgl BGH GRUR 1987, 232 - Tollwutvirus; GRUR 1993, 655 - Tetraploide Kamille; GRUR 1998 1003, 1004 - Leuchtstoff). Für den Senat ist nicht ersichtlich, daß für Gebrauchsmuster diese Grundsätze nicht gelten sollten, zumal Verfahren gemäß § 2 Nr 3 GebrMG ausdrücklich vom Gebrauchsmusterschutz ausgeschlossen sind.
Die weiteren Ansprüche 2 bis 12 werden von dem Löschungsausspruch erfaßt, da in ihnen ein eigener erfinderischer Gehalt weder geltend gemacht noch erkennbar ist.
4. Das Gebrauchsmuster ist auch in der Fassung nach dem Hilfsantrag 1 nicht schutzfähig.
Die verteidigten Schutzansprüche nach dem Hilfsantrag 1 unterscheiden sich von denen des Hauptantrages durch die Einfügung der Wörter "mit guten Korrosionsschutz- und Gleiteigenschaften" hinter den Wörtern "chromfarbene Hartbronze" im Oberbegriff des Anspruches 1.
Ob der Gegenstand nach Schutzanspruch 1 aufgrund dieses Merkmales hinsichtlich seiner Beschaffenheit überhaupt neu ist, kann dahin gestellt bleiben. Denn er beruht jedenfalls nicht auf einem erfinderischen Schritt.
Aufgabe des Streitgebrauchsmusters ist es, Legierungsschichten der gattungsgemäßen Art, dh Legierungsschichten mit besten Korrosionseigenschaften und zugleich guten Gleiteigenschaften dahingehend zu verbessern, daß diese insbesondere als Dickschicht ausbildbar sind (vgl Beschreibung S 1 Abs 3 und 4).
Gelöst wird diese Aufgabe durch die Bereitstellung der im Schutzanspruch 1 angegebenen Legierungsschicht in Form einer chromfarbenen Hartbronze mit guten Korrosionsschutz- und Gleiteigenschaften.
Weiße Bronzen, die eine Schichtdicke von 40 µm und Härten von 500 bis 600 HV aufweisen sowie galvanisch abgeschieden werden, sind aus der Entgegenhaltung D10 bekannt. Bezüglich dieser Legierungsüberzüge aus Kupfer, Zinn (und Zink) gibt diese Schrift ferner den Hinweis, daß unter Anwendung der nunmehr zur Verfügung stehenden Bronzebäder Überzüge erhalten werden, die einen weiten Anwendungsbereich abdecken, besonders was Aussehen und Schichtdicken und Forderungen zB bezüglich Härte, Korrosionsbeständigkeit und Gleitverhalten betrifft (vgl S 63 li/mi Sp Brückenabsatz iVm Tabelle 1 sowie S 64 Tabelle 2 und re Sp Abs 2 und 3). Ergänzend dazu vermittelt die Entgegenhaltung D5 dem Fachmann die Lehre, daß galvanisch abgeschiedene, silberähnliche, damit weiße Bronzen, selbst bei Schichtdicken größer 40 µm, aufgrund ihres besonders homogenen Schichtaufbaus und der sich in Abhängigkeit davon nicht ändernden Zusammensetzung der Legierung, ihre Eigenschaften nicht verändern (S 38 re Sp Abs 4, S 39 re Sp Abs 1 und 2 sowie S 43 li Sp). Daher seien nur durch die galvanische Abscheidung besonders funktionelle Eigenschaften, wie sie für die technische Anwendung gefordert würden, wie etwa die hohe Härte, die gute Verschleißbeständigkeit und die sehr gute Anlauf- und Korrosionsbeständigkeit zu erzielen (S 40 li Sp Abs 2). Darüber hinaus seien selbst im Falle von Wachstumsstörungen bei Kupfer-Zinn-Schichten keine Korrosionsangriffe erkennbar ( S 42 mi Sp Abs 1 und re Sp Abs 2 sowie S 43 re Sp). In Anbetracht dieses Standes der Technik bedarf es keines erfinderischen Schrittes, um die im Schutzanspruch 1 bezeichneten Legierungsschichten bereitzustellen, nachdem D10 angibt, daß weiße Bronzen als Dickschichten mit großer Härte abgeschieden werden können, und D5 den Hinweis gibt, daß solche Überzüge auch als Dickschichten besonders homogen aufgebaut sind und unabhängig von der Schichtdicke neben anderen vorteilhaften Eigenschaften auch eine gute Korrosionsbeständigkeit und gutes Gleitverhalten aufweisen. Für den Fachmann bedurfte es zur Bereitstellung der beanspruchten Legierungsschichten daher lediglich der Einhaltung der zur Durchführung des galvanischen Abscheideprozesses erforderlichen Kriterien und Parameter, deren Ermittlung aber - wie die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung zutreffend vorgetragen hat - für den Fachmann unproblematisch ist, da er die einzuhaltenden Bedingungen kennt.
In Bezug auf die im Anspruch 1 genannten Verfahrensmaßnahmen gelten ferner die im Zusammenhang mit dem Anspruch 1 nach Hauptantrag gemachten Ausführungen gleichermaßen, denn die Zurverfügungstellung der im Anspruch 1 beanspruchten Legierungsschicht in Form einer chromfarbenen Hartbronze liegt - wie vorstehend ausgeführt - im handwerklichen Können des Fachmannes.
Das Vorbringen der Antragsgegnerin, die Druckschrift D5 führe von der beanspruchten Legierungsschicht weg, weil D5 nur Beschichtungen von einer Dicke von 2 bis 4 µm wegen der damit verbundenen geringen Defekte empfehle, kann nicht durchgreifen. Mit der von der Antragstellerin zitierten Stelle wird keine Empfehlung ausgesprochen. Diese Stelle gibt nur an, daß üblicherweise eingesetzte Schichtdicken von 2 bis 4 µm kaum Defekte zeigen. Im Zusammenhang mit den weiteren Ausführungen in D5, daß nämlich Kupfer-Zinn-Schichten ab einer Schichtdicke von 2 µm weitestgehend bzw schon bei geringer Schichtdicke porenfrei seien, vermittelt diese Schrift dem Fachmann dagegen sogar die Lehre, daß bei steigenden Schichtdicken nicht auch gleichzeitig mit einem gesteigerten Auftreten von Defekten wie zB Poren zu rechnen ist (vgl S 39 re Sp Z 41 bis 44, S 42 mi Sp Z 14 bis 20 sowie S 43 re Sp Z 7/8).
Die Ansprüche 2 bis 12 gemäß Hilfsantrag 1 teilen das Schicksal des Anspruches 1. Eine eigenständige erfinderische Bedeutung dieser Ansprüche ist nicht geltend gemacht worden und auch nicht erkennbar.
5. Auch in der Fassung gemäß Hilfsantrag 2 ist das Gebrauchsmuster nicht schutzfähig.
Der verteidigte Schutzanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 unterscheidet sich von dem gemäß Hilfsantrag 1 durch den Ersatz der Dicken-Angabe von "30 µm" durch "40 µm" und der Härten-Angabe von "550 HV" durch "600 HV". Eine Beschränkung in dieser Form ist zulässig. Sie bezieht sich auf die in der Entgegenhaltung D10 für Beschichtungen aus weißen Bronzen angegebenen Werte (vgl S 64 Tabelle 2 und re Sp Abs 3).
Die Legierungsschicht nach Schutzanspruch 1 ist im Hinblick auf den erörterten Stand der Technik zweifelsfrei neu. Ihre Bereitstellung beruht aber nicht auf einem erfinderischen Schritt.
In der Entgegenhaltung D5 wird für aus dem Zweistoffgemisch Kupfer-Zinn abgeschiedene Überzüge mit silberähnlicher Oberfläche für Dicken über 40 µm ein besonders homogener, mikrokristalliner Schichtaufbau angegeben (S 38/39 li/li Sp Brückenabsatz, Unterstreichung vom Senat hinzugefügt). Ergänzend dazu gibt die Druckschrift D10 den Hinweis, daß mit der neuen Generation von Bronzebädern Überzüge erreicht werden, die einen weiten Anwendungsbereich abdecken, besonders was Aussehen, mögliche Schichtdicken und die Erfüllung weiterer Forderungen wie zB Härte, Korrosionsbeständigkeit und Gleitverhalten betrifft
(S 63 li/mi Sp Brückenabsatz iVm Tabelle 1). Damit war es bekannt, daß weiße Bronzen auch mit einer Schichtdicke von größer 40 µm abgeschieden werden können, ohne daß von vornherein damit gerechnet werden mußte, daß sich die mit chromfarbenen Bronzen verbundenen Eigenschaften zu ihrem Nachteil verändern könnten; zumal insbesondere eine Eigenschaft wie die Härte weniger von der Schichtdicke als von der Zusammensetzung der abgeschiedenen Legierung, im Falle chromfarbener Bronzen somit vom Zinn-Anteil, bestimmt wird. Die Einstellung einer gewünschten Härte liegt damit im routinemäßigen Handlungsbereich des Fachmannes, der - wie auch die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat - weiß, welche Parameter zur Einstellung der Schichtdicke, der Aufwuchsrate und der Härte erforderlich sind. Wie zum Hilfsantrag 1 ausgeführt wurde, werden daher bereits unter Anwendung der für galvanische Prozesse üblichen Maßnahmen Schichten über 40 µm erhalten, die sehr gleichmäßig bezüglich des Aufbaues und der Zusammensetzung der Legierung sind, aber nicht mit einem erhöhten Vorkommen von Defekten verbunden sind.
Für die weiteren Ansprüche des Hilfsantrages 2 ist kein eigenständiger erfinderischer Gehalt geltend gemacht worden und auch nicht erkennbar, so daß auch diese vom Löschungsanspruch erfaßt werden.
6. Bei dieser Sachlage kommt es auf den weiteren Einwand der Antragstellerin nicht mehr an, wonach die im Schutzanspruch 1 angegebene Maßnahme, bei der Beschichtung die Flutung mit Elektrolyt zu steuern, nicht ausführbar sei.
7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 18 Abs 3 Satz 2 GebrMG iVm § 84 Abs 2 Satz 1 und 2 PatG, § 91 Abs 1 ZPO. Die Billigkeit erfordert keine andere Entscheidung.
Werner Dr. Wagner Dr. Proksch-Ledig Pr
BPatG:
Beschluss v. 29.11.2001
Az: 5 W (pat) 418/00
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