Bundespatentgericht:
Beschluss vom 15. Dezember 2005
Aktenzeichen: 10 W (pat) 29/04
(BPatG: Beschluss v. 15.12.2005, Az.: 10 W (pat) 29/04)
Tenor
Die Beschwerde der Einsprechenden gegen den Beschluss der Patentabteilung 1.55 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. Februar 2004 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen den Beschluss der Patentabteilung 1.55 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. Februar 2004 (Bl. 63 ff. VA), mit dem ihr Einspruch gegen das Patent DE 199 27 829 (Streitpatent) mangels hinreichender Substantiierung als unzulässig verworfen worden ist.
Das am 18. Juni 1999 angemeldete Streitpatent betrifft eine "Kabine für ein Fahrschulkettenfahrzeug"; die Patenterteilung wurde am 25. Januar 2001 veröffentlicht.
Patentanspruch 1 lautet:
"Vorrichtung für ein Fahrschulfahrzeug eines Kettenfahrzeugs oder für einen Fahrschulpanzer mit einem serienmäßigen Kettenfahrgestell und einer auf die Turmöffnung nach Entfernung eines Panzerturms aufgesetzten Fahrschulkabine für die Aufnahme von weiterem Personal für die Fahrausbildung, dadurch gekennzeichnet, dass ein Boden (9) einen Kabinenraum (10) der Kabine (2) von einem Fahrgestellinnenraum (7) geräuschdämmend abtrennt, und dass die Kabine (2) mit einer schwenkbaren Kabineneingangstür (5) versehen ist".
Mit ihrem Einspruch vom 24. April 2001 beantragte die Beschwerdeführerin, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.
Der Einspruch ist auf eine offenkundige Vorbenutzung gestützt. Die Firma K... AG habe in den Jahren 1978 bis 1985 ca. 60 Stück Fahrschulpan- zer nebst Benutzerunterlagen an das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung geliefert. 1991 seien die nach wie vor in Benutzung befindlichen Fahrzeuge im Hinblick auf die Geräuschdämmung zwischen Fahrgestellraum und Fahrschulkabinen nachgerüstet worden, und zwar sei der Kabinenraum vom Fahrgestellinnenraum geräuschdämmend abgetrennt worden, indem am Boden der Kabine und im Dachbereich wie in der Skizze gemäß Anlage A6 dargestellt, schallabsorbierende Bauelemente angeordnet worden seien. Diese seien als Bodenresonatoren ausgebildet und entsprächen in ihren Einzelheiten dem schallabsorbierenden Bauelement, das in der DE 34 12 432 C2 im einzelnen beschrieben sei.
Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätten die gelieferten Fahrschulpanzer alle im Patentanspruch 1 aufgeführten Merkmale realisiert. Ein Unterschied könne allenfalls darin zu sehen sein, dass der Boden den Kabinenraum nicht vollständig vom Fahrgestellinnenraum abtrenne, sondern dass Durchsteig- und Durchreichöffnungen vorhanden seien. Es liege aber im Hinblick auf die Geräuschdämmung eine Abtrennung vor, die der mit einem vollständig durchgehenden Boden gleichkomme. Weiterhin sei es bei einer derart ausgebildeten Fahrschulkabine für den Fachmann absolut naheliegend, verbleibende Öffnungen durch Bodenteile oder weitere Bodenresonatoren zu verschließen.
Für alle "geschilderten Zusammenhänge zwischen dem vorgelegten Material und seiner Erläuterung einerseits und den gelieferten Fahrschulpanzern andererseits sowie für Einzelheiten betreffend Zeit und Ort und Umstände der Lieferung" (Einspruchsschriftsatz S. 3, erster Abs.) wurde Zeugenbeweis angeboten.
Die Patentinhaberin hält den Einspruch für nicht hinreichend substantiiert, der angebotene Zeugenbeweis könne diesen Mangel nicht beheben, da nicht angeführt sei, was welcher der drei Zeugen im Einzelnen bekunden werde.
Auf den Zwischenbescheid des Deutschen Patent- und Markenamts vom April 2003, der die fehlende Darlegung zur öffentlichen Zugänglichkeit des benutzten Gegenstandes sowie zur Möglichkeit der Nachbenutzung durch Dritte bemängelte, gab die Beschwerdeführerin in ihrem Schriftsatz vom September 2003 an, die an den Fahrzeugen geschulten Wehrpflichtigen verfügten überwiegend über so viel technisches Verständnis, dass sie den Aufbau der Geräuschdämmung ganz genau erkannt hätten. Als nicht begrenzbarer Personenkreis hätten sie vom Gegenstand der Vorbenutzung Kenntnis nehmen und diese Kenntnis weitergeben können. Diese Tatsachen hätten ohne weiteres aus dem schon mit dem Einspruchsschriftsatz als Anlage A9 vorgelegten Fahrzeugschein eines Fahrschulpanzers "KPz Leopard 2" vom 1. Juni 1989 erschlossen werden können und hätten deshalb nicht explizit vorgetragen werden müssen. Beweismittel dürften nachgebracht werden, und hierzu seien Zeugen benannt.
Die Nachrüstungen seien teils auf dem Gelände der Firma K... ... GmbH, teils am jeweiligen Standort vorgenommen worden, wie sich aus dem Schreiben des Unternehmens vom 19. November 1990 (Anlage A10) ergebe. Über weitere Einzelheiten könnten die Zeugen Angaben machen.
Die Patentabteilung 1.55 hat den Einspruch mit Beschluss vom 19. Februar 2004 wegen nicht hinreichender Substantiierung einer offenkundigen Vorbenutzung als unzulässig verworfen.
Es sei innerhalb der Einspruchsfrist nicht dargelegt, wo und durch wen die Nachrüstung erfolgt sei und welcher der Öffentlichkeit zugehörige Personenkreis hiervon Kenntnis erlangt habe. Da sowohl das militärische Personal als auch die Beschäftigten in der Wehrindustrie ganz allgemein zur Geheimhaltung verpflichtet seien, könne gerade dieser Personenkreis nicht als Öffentlichkeit im Sinne des Patentgesetzes betrachtet werden. Welcher nicht der Geheimhaltungspflicht unterliegende Personenkreis Kenntnis von der behaupteten Nachrüstung erlangt haben könnte, sei nicht ausgeführt. Die Benennung von Zeugen sei kein Ersatz für eine fehlende Substantiierung.
Gegen den Beschluss hat die Beschwerdeführerin Beschwerde eingelegt mit dem Antrag, den Beschluss aufzuheben und den erhobenen Einspruch als zulässig anzuerkennen.
Eine Beschwerdebegründung hat sie trotz entsprechender Ankündigung nicht eingereicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II. A. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere schadet das Fehlen einer Begründung nicht, da das Gesetz eine solche nicht vorschreibt (Schulte, 7. Aufl., § 73 PatG Rdn. 73).
B. Die Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, weil das innerhalb der Einspruchsfrist erfolgte Vorbringen der Beschwerdeführerin zur offenkundigen Vorbenutzung nicht hinreichend substantiiert ist.
Die Begründung eines sich auf eine Vorbenutzung stützenden Einspruchs muss konkrete Angaben dazu enthalten, was, wo, wann, wie und durch wen in öffentlich zugänglicher Weise geschehen ist (Schulte, § 59 PatG Rdn. 103).
1. Das Vorbringen zur Nachrüstung im Jahr 1991 erschöpft sich darin, dass eine solche durch Einbau von Boden- und Dachresonatoren erfolgt sei.
Es ist nicht dargetan, wer die Nachrüstung vorgenommen haben soll. Der Anlage A6 lässt sich hierzu nichts entnehmen, da sie nur die Einbauorte und Typbezeichnungen der Resonatoren zeigt, aber keine Angaben dazu enthält, durch wen die Nachrüstung erfolgt ist. In Betracht für die Nachrüstungsmaßnahme kommen der Lieferant oder der Erwerber.
Wie zutreffend im angefochtenen Beschluss dargelegt, unterliegen jedoch Militärangehörige und Beschäftigte von Rüstungsunternehmen üblicherweise der Geheimhaltungspflicht, so dass eine Offenkundigkeit diesem Personenkreis gegenüber nicht mit einem Zugänglichmachen gegenüber der Öffentlichkeit gleichgesetzt werden kann. Die Beschwerdeführerin hätte daher substantiiert darlegen müssen, dass im Streitfall gleichwohl die Benutzung öffentlich zugänglich war (Schulte, § 59 PatG Rdn. 111 m. w. N.; BPatG 4 W (pat) 16/97, Entscheidung des Juristischen Beschwerdesenats vom 26. Januar 1998). Die bloße Behauptung einer vorbehaltlosen Lieferung genügt den Substantiierungsanforderungen nicht, wenn erkennbare Umstände zu berechtigten Zweifeln an dem Fehlen einer Geheimhaltungsverpflichtung führen (a. a. O., Ziff. II 2 b). Vortrag hierzu fehlt, denn es ist nicht ersichtlich, wer über den zur Geheimhaltung verpflichteten Personenkreis hinaus Gelegenheit hatte, von den technischen Merkmalen der Nachrüstung Kenntnis zu nehmen.
2. Soweit die Beschwerdeführerin hinreichenden Vortrag zur offenkundigen Vorbenutzung in der Vorlage des Fahrzeugscheins (Anlage A9) sieht, kann ihr ebenfalls nicht gefolgt werden.
Der Fahrzeugschein ist (mit den anderen Anlagen) "zur Erläuterung des Gegenstandes der offenkundigen Vorbenutzung und seiner Lieferung" (Einspruchsschriftsatz, S. 2, 2. Abs.) eingereicht worden, mehr ist zu dem Fahrzeugschein im Einspruch nicht ausgeführt.
Dem Dokument lässt sich auch im Zusammenhang mit der Behauptung, die Fahrschulpanzer seien bei der Bundeswehr noch im Einsatz (Einspruchsschriftsatz, S. 1), nicht entnehmen, dass das darin genannte Fahrzeug zur Ausbildung von Wehrpflichtigen gedient hat, die zudem in der Lage gewesen sein sollen, die Einzelheiten der Geräuschisolierung zu erkennen. Davon abgesehen wären auch die Wehrpflichtigen zur Geheimhaltung verpflichtet gewesen.
Es ist somit auch hier nicht ersichtlich, wie die Öffentlichkeit von der behaupteten Vorbenutzung Kenntnis erlangt haben soll.
3. Der angebotene Zeugenbeweis vermag einen substantiierten Vortrag nicht zu ersetzen, denn er dient dazu, ein solches Vorbringen auf seine Richtigkeit hin überprüfen zu können.
Schülke Richterin Püschel hat Urlaub und ist an der Unterschrift gehindert.
Schülke Müller Cl
BPatG:
Beschluss v. 15.12.2005
Az: 10 W (pat) 29/04
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/f6e514e30979/BPatG_Beschluss_vom_15-Dezember-2005_Az_10-W-pat-29-04